Radreise Berlin – Verona

Juni 2017

(2) Durch Sachsen-Anhalt und Sachsen

und ein kleines Stück durch Thüringen

2. Tagestour Wittenberg bis Leipzig 
Mittwoch 7. Juni                                 
Hotel Motel One in Leipzig    
                                                                                                                                               
Die Strecke:
WittenbergRadweg Berlin Leipzig – Pratau – Bergwitz – Kemberg – Bad SchmiedebergBad Düben – über den Fluss Mulde – Krippehna – Schönwölkau  –  Leipzig.
99 km, 6,5 Stunden,  217 m Aufstieg, 166 m Abstieg


Die Lutherstadt Wittenberg an der Elbe ist im Bundesland Sachsen-AnhaltBad Schmiedeberg liegt am Rand der Dübener Heide ebenfalls in Sachsen-Anhalt, Bad Düben aber schon im Bundesland Sachsen. Von der Dübener Heide geht die Radtour durch  die Leipziger Tieflandbucht zur  Stadt Leipzig.

Das Bundesland Sachsen-Anhalt: 2,3 Mio. Einwohner (2015),  entspricht zum Teil der preußischen Provinz Sachsen (ohne den westlich gelegenen Bezirk Erfurt) und dem ehem. Herzogtum Anhalt (s. Geschichte).
BIP Sachsen-Anhalt 84 % 
(EU 100 %, Deutschland 124 %). 
(BIP - Bruttoinlandsprodukt pro Kopf – wirtschaftliche Leistung, im Verhältnis zum EU-Durchschnitt, 2015)

Das Bundesland Freistaat Sachsen:  1 Mio. Einwohner. Das Bundesland entspricht etwa dem Gebiet des Königreichs Sachsen nach dem Wiener Kongress 1815 (d.h. ohne die zur preußischen Provinz Sachsen gekommenen sächsischen Landesteile, s. Geschichte).
BIP Sachsen 93 % % , Leipzig 101 % 
(EU 100 %, Deutschland 124 %).


Wasserschloss Reinharz
Von den guten Radwegen am ersten Tag war ich etwas verwöhnt. Heute hatte ich alle Wege-Zustände; Waldwege und Schotterstrecken und Betonplatten-Rüttelwege. Aber auch gute Radwege und ruhige Straßen. Es ging bergauf und bergrunter und wieder bergauf. Die Dübener Heide ist etwas bergig.

Und das Wetter war heute auch regnerisch und nach dem Regen kamen die Windböen, natürlich von vorn. Aber es war bis München der einzige Regentag. Ich hatte auf der ganzen Radtour ausgesprochen Glück mit dem Wetter (nur nach Bad Wiessee kam noch ein Regentag, dazu später).

Bad Schmiedeberg ist ein eher unscheinbarer Ort, das Kurzentrum (Moor- und Kneippbad)  liegt am Ortsausgang der Stadt. Interessanter war da schon das Wasserschloss Reinharz, ein paar Kilometer vor der Stadt. Zuerst dachte ich, ein Ort mit zwei Kirchtürmen. Von Nahem war dann klar, einer der Türme gehörte zum Schloss.  Das repräsentative Wasser-Schloss entstand Ende des 17. Jh. für den Erbmarschall am sächsischen Hof. Jetzt macht das Schloss einen ungenutzten und  heruntergekommenen Eindruck. Der außergewöhnlich hohe Schlossturm wurde für  astronomische Studien so hoch gebaut. Es gab eine mechanisch-optische Werkstatt zum Bau von Fernrohren und astronomischen Geräten. Geräte aus dieser Werkstatt sind Bestandteile des Mathematisch-Physikalischen Salons in Dresden (Ursprung des Salons ist die Kunstkammer des Kurfürsten August von Sachsen).

Dübener Heide
Von Bad Schmiedeberg bis Bad Düben gab es eine Umleitung des Radwegs auf die Landesstraße, weil Forstarbeiten den Radweg unbefahrbar gemacht haben (s.o. Vorbemerkung). Da die Landstraße gut zu fahren war, bin ich gleich auf der Straße geblieben, durch die Leipziger Tieflandbucht bis Leipzig.

Bad Düben: Ursprung ist eine slawische Burg. Um 1200 gründeten flämische Einwanderer neben der Burg eine Gemeinde, fränkische und sächsische Siedler folgten.

Auf der Burg wurde 1533, damals Amtssitz des kursächsischen Amtes Düben,   ein Rechtstreit zwischen dem Kaufmann/Pferdehändler Kohlhase aus Cölln (heute Teil Berlins) und dem Schlossherren von Schadnitz (heute ein Stadtteil von Bad Düben) verhandelt. Heinrich von Kleist verarbeitete den Streit in seiner Novelle Michael Kohlhaas, 1810 veröffentlicht. 

Der historische Hintergrund ist: Auf einer Reise nach Leipzig wurden dem Kaufmann zwei Pferde auf Anweisung des Schlossherren abgenommen, mit der Begründung, sie seien gestohlen (andere Version: sie wurden als Wegezoll einbehalten). Kohlhase versuchte juristisch dagegen anzugehen. Eine Vergleichsverhandlung auf der Burg Düben brachte kein Ergebnis, da die Erben des inzwischen verstorbenen Schlossherren eine Entschädigung ablehnten. Kohlhase erklärte daraufhin die Fehde und soll u.a. Häuser in Wittenberg abgebrannt und weitere Straftaten begangen  haben. Nachdem er gefasst wurde, wurde er in Berlin öffentlich durch Rädern hingerichtet.
Heinrich von Kleist hielt sich in seiner Novelle nicht genau an den historischen Hintergrund.

Im 19. Jh. war Bad Düben zusammen mit der Nachbargemeinde Schwemsal Zentrum der Alaunproduktion in Deutschland. Alaun (schwefelsaure Verbindung) wurde aus dort vorkommendem Alaunschiefer hergestellt. Es wurde in der Gerberei verwendet. Aber auch Deodorant und Rasierstifte (zur Blutstillung bei Rasier-Verletzungen) werden aus Alaun hergestellt. Bei Hortensien erhalten die Blüten eine Blaufärbung, wenn dem Gießwasser Alaun hinzugefügt wird.

Vor Leipzig musste ich dann einen Umweg fahren bzw. schieben. Eine Unterführung der Bahngleise war wegen Bauarbeiten gesperrt. Natürlich ohne vorherige Ankündigung und ohne Ausschilderung der Umfahrung. Also entweder zurück oder über eine Schotterstrecke schieben. Letzteres, lieber vorwärts als zurück, auch wenn es schwierig ist.  Solche nicht ausgeschilderten Umwege sind ohne die GPS-Funktion des Smartphone schwer möglich. Nur damit wusste ich, wo ich hin musste, um wieder auf den Radweg zu kommen.

Für Leipzig hatte ich vorher überlegt, einen Abstecher zum Völkerschlacht-Denkmal zu fahren. Ich habe es gelassen und die Zeit für einen Bummel durch Leipzig genutzt. Am Völkerschlacht-Denkmal war ich früher schon einmal.

Im Jahre 1813 fand die Völkerschlacht bei Leipzig als Teil der Befreiungskriege (gegen Napoleon) statt. Die verbündeten Heere Österreichs, Preußens, Russlands und Schwedens brachten in dieser Schlacht Napoleons Truppen und deren Verbündeten die entscheidende Niederlage bei, die schließlich zur Verbannung Napoleons auf die Insel Elba führte.

Nikolaikirche mit Nikolaisäule 
Das Motel One – Hotel war sehr gut und sehr gut gelegen. Ich konnte vom Zimmerfenster direkt auf die Nikolaikirche schauen (hinein kam ich aber wieder nicht, die Kirche wird um 18 Uhr geschlossen). Es ist die älteste und größte Kirche Leipzigs. 1989 war die Kirche Ausgangspunkt des Widerstands der DDR-Bevölkerung gegen das System. Die Nikolaisäule erinnert daran.

Der abendliche Rundgang durch die Stadt endete bei der Mädler-Passage der Aucherbachs Höfe mit leichtem Niesel-Regen. Es war sowieso Zeit, ins Hotel zurückzugehen. Der Weg führte vorbei an dem Hauptbahnhof (bis 1997 für 250 Mio. EUR zu einem Bahnhof und Einkaufszentrum umgebaut),

Kroch-Hochhaus
dem Kroch-Hochhaus (Beispiel des Stahlbeton-Baus, mit dem damals größten Turmschlagwerk der Welt - zwei über 3 m große Glockenmänner schlagen die Glocke. Der lateinische Spruch unterhalb der Glocke: „Arbeit besiegt alles“ hatte mich interessiert. Er stammt von dem römischen Dichter Vergil (die Lateiner werden ihn kennen, ich bin keiner) und entstand als Teil seiner Dichtung im letzten Jh. v. Chr.. Warum der Spruch gewählt wurde? Vielleicht als Ansporn?,

der Universität (1409 gegründet. Etwa 1.000 deutsche Lehrer und Studenten verließen die Universität Prag und zogen nach Leipzig. Grund war die Bevorzugung der böhmischen Studenten und Lehrer durch den böhmischen König),

der Thomaskirche (In diese Kirche kam ich auch noch am Abend hinein, weil gerade ein Chor für „500 Minuten Bach“ probte. Die Aufführung sollte  am nächsten Tag sein, da war ich aber schon auf Tour. Bekannt ist die Kirche durch den Thomanerchor, der seit 1212 besteht. Die zugehörige Schule der Kirche wurde damals eingerichtet, damit die Schüler den musikalischen Dienst anstelle der Chorherren übernehmen sollten. Die Schule gilt als älteste öffentliche Schule in Deutschland, weil dort auch Bürgerkinder aufgenommen wurden. Sebastian Bach ist der berühmteste Thomaskantor),

der Nikolaischule (1512 eröffnet, Schüler waren u.a. Leibnitz und Richard Wagner),

Alte Börse
der Alten Handelsbörse (Ältestes Barockgebäude der Stadt, 1687 endgültig fertiggestellt. Ursprünglich Versammlungsraum der Kaufleute zur Besiegelung von Geschäftsabschlüssen an neutralem Ort. 886 wurde die Neue Börse eröffnet, der Saal der Alten Börse wurde Sitzungssaal der Stadtver-ordneten).


Am nächsten Morgen bin ich noch am Neuen Rathaus vorbeigefahren (1905 eröffnet, auf dem Gelände der vormaligen Pleißenburg, die Turmsilhouette des Rathauses erinnert an die Burg).

Leipzig entwickelte sich bereits während der deutschen Ostsiedlung (um 1000) zu einem wichtigen Handelszentrum.  Die Stadt hat eine der ältesten Messen der Welt. 1487 wurde sie zur Reichsmessestadt erhoben. Durch den Güteraustausch zwischen Ost- und Westeuropa wurde die Stadt wichtigster deutscher Handelsplatz.  Leipzig war neben London das  internationale Zentrum des Pelzhandels, der Weiterverarbeitung und der Herstellung der Werkzeuge und Maschinen für die Verarbeitung (1913 brachte die Pelzbranche 40 % des Steueraufkommens der Stadt). Ende des 19. Jh. erfolgte die Umstellung von einer Warenmesse (auf der alle Waren ausgestellt wurden) zu einer Mustermesse.

Universität

Die Leipziger Universität wurde 1409 gegründet. Sie ist die zweitälteste Universität in Deutschland (nach Heidelberg, Göttingen wurde 1737 gegründet. Die weltälteste Universität ist die islamische Universität Ez-Zitouna in Tunis, gegründet 737).

Das Gewandhausorchester wurde als ältestes bürgerliches Konzertorchester Deutschlands  1781 gegründet. Chefdirigenten waren unter anderem Felix Mendelsohn-Bartholdy, Wilhelm Furtwängler, Kurt Masur.

Der weltberühmte Thomanerchor wurde 1212 zusammen mit der Thomasschule als Klosterschule für Knaben gegründet und mit der Reformation 1519 vom Stadtrat übernommen. Der bekannteste Thomaskontor war Johann Sebastian Bach.

Der Börsenverein der Deutschen Buchhändler  entstand 1825 in Leipzig.  Zu dem Zeitpunkt war Leipzig eines der Zentren des deutschen Buchhandels und Verlagswesens. Im 19. Jh. war Leipzig der Hauptumschlagsplatz des deutschen Buchgewerbes. Rund 1.500 Firmen produzierten und vertrieben Druckerzeugnisse. Die bekanntesten Verlage waren: Baedeker, Brockhaus, Insel Verlag, Gustav Kiepenheuer, Reclam.

Die Deutsche Bücherei wurde 1912 in Leipzig gegründet und diente bis zur deutschen Teilung als alleinige Sammelstätte für die gesamte deutschsprachige Literatur ab 1913. Seit 2006 ist sie Teil der Deutschen Nationalbibliothek (DNB).

Das Reichsgericht als oberstes Zivil- und Strafgericht des 1871 gegründeten Deutschen Reiches wurde 1879 in Leipzig eingerichtet.  Es hatte die Funktion des heutigen Bundesgerichtshofs  (der Sitz ist heute in Karlsruhe). Das neue Reichsgerichtsgebäude wurde 1895 gebaut. In dem Gebäude ist heute das Bundesverwaltungsgericht untergebracht. Es ähnelt dem Reichstagsgebäude in Berlin, beide Bauten orientieren sich an der italienischen Renaissance.

Leipzig war ein Zentrum des bürgerlichen Barocks. In der Gründerzeit des 19. Jahrhunderts entstanden viele öffentliche Gebäude im Stil des Historismus (in der Architektur wurde auf alte Stilrichtungen zurückgegriffen). In der Spätphase des Historismus entstand der Jugendstil. Auch hiervon besitzt  Leipzig viele Häuser.

Im Zentrum der Stadt dominiert das Alte Rathaus, ein Renaissancebau aus den Jahren 1556/57. Das Neue Rathaus befindet sich auf den Resten der Pleißenburg. Es ist mit seinem 114 Meter hohen Hauptturm eines der größten Rathausgebäude weltweit. Mit dem starken Wachstum Leipzigs im 19. Jahrhundert benötigte die Stadtverwaltung dieses größere Bauwerk, das 1905 fertiggestellt wurde.

Der älteste noch erhaltene Handelshof ist der Barthels Hof; weitere mittlerweile restaurierte Höfe sind Specks Hof und Stenzlers Hof. Sie dienten hauptsächlich zur Ausrichtung von Handelsmessen. Andere Handelshäuser wie Auerbachs Hof wurden bereits Anfang des 20. Jahrhunderts in Ladenstraßen umgewandelt, als sich der Rückzug der Leipziger Messe aus der Innenstadt mit dem Bau des Messegeländes abzeichnete. Auf dem Gelände von Auerbachs Hof befindet sich heute die prachtvollste Passage Leipzigs, die nach mailändischem Vorbild von 1912 bis
1914 errichtete Mädlerpassage. Hier befindet sich Auerbachs Keller, durch Goethes Faust weltberühmt geworden. Zwei Skulpturen erinnern in der Mädlerpassage an Mephisto und die verzauberten Studenten.  Auerbachs Höfe war eines der historischen Gebäude, die der Immobilienunternehmer Schneider kaufte und sanierte. Allerdings übernahm er sich mit seinen Projekten in Leipzig, Frankfurt,  Berlin und München und legte eine Milliardenpleite hin.

Unmittelbar hinter dem Alten Rathaus, am Naschmarkt, befindet sich die im Barockstil errichtete Alte Börse, die einstmals als Versammlungsgebäude der Leipziger Kaufmannschaft diente.

Wohlhabende Bürger erbauten in der Innenstadt ihre Stadtpalais, wie das Fregehaus, das Romanushaus und das Königshaus.

  Der Hauptbahnhof gilt als der größte Kopfbahnhof Europas. Er steht mit einer fast 300 Meter breiten historischen Fassade an der Grenze der Innenstadt und
birgt dahinter zwei große Empfangshallen. Diese sind entstanden, weil der Bahnhof früher in einen sächsischen und einen preußischen Teil aufgeteilt war, wobei jeder seine eigene Empfangs- und Wartehalle hatte (eine für die preußische und eine für die sächsische Staatseisenbahn). Er wurde bis 1997 aufwändig restauriert und am Querbahnsteig um ein Einkaufszentrum ergänzt.

Der Hauptbahnhof
           
Nach der Wende war der ehemalige Oberstadtdirektor von Hannover, Heinrich Lehmann-Grube, Oberbürgermeister von Leipzig (1990 – 1998).  In der Zeit ging auch ein guter Bekannter aus der Zeit in der Jungen Union von Hannover nach Leipzig.  Matthias von Hermanni baute in Leipzig eine Beschäftigungsgesellschaft auf, die bis zu 8.000 Mitarbeiter hatte. Mit seinem jüngeren Bruder Wolfgang bin ich in Hildesheim zur Handelsschule gegangen.


3. Tagestour Leipzig bis Gera         
Donnerstag 8. Juni                                                              
Hotel The Royal Inn Regent in Gera                                                      

Die Strecke :
Leipzig – Elster Radweg – am Zwenkauer See vorbei, ehem. Tagebau – Pegau – Profen – Draschwitz – Zangenberg – Aylsdorf – Zeitz – Crossen an der Elster – Bad Köstritz – Gera.
83 km, 6 Stunden, 167 m Aufstieg, 70 m Abstieg.


Von Leipzig ging es im Tal der Elster auf dem Elster-Radweg  über Zeitz nach Gera. Die Stadt Zeitz ist noch in Sachsen-Anhalt. Gera (und Greiz, durch das ich am nächsten Tag gefahren bin) liegt im Bundesland Thüringen.  

Die Elster, auch Weiße Elster, ist ein Nebenfluss der Saale mit der Quelle im tschechischen Elstergebirge, zwischen Fichtelgebirge und Erzgebirge.  Bis zur Mündung in die Saale südlich von Halle durchquert der Fluss das sächsische Vogtland, das Thüringer Schiefergebirge und die Leipziger Tieflandbucht.  Der Name Elster ist slawischen Ursprungs und bedeutet „die Eilende“.
Die Schwarze Elster hat mit der Weißen Elster nichts zu tun. Sie mündet in die Elbe.

Der Tag beginnt mit Sonnenschein und so sollte es die nächsten Tage bleiben. Aus Leipzig heraus auf klasse Radwegen, an der Elster bzw. deren Hochflutkanal entlang. Es roch nach Knoblauch. Der Grund war  Bärlauch, der dort gerade am Verwelken war. Abgelöst wurde der Geruch durch den Duft der blühenden Linden-Allee entlang des Kanals und von Jasmin. Vorbei an den Seen des ehemaligen Braunkohle-Tagebaus.

Ehem. Tagebau Zwenkau: Südlich von Leipzig ist das Mitteldeutsche Braunkohlerevier. Neben dem Lausitzer Braunkohlerevier war es die wesentliche Energiequelle der damaligen DDR. Der Aufschluss begann nach 1920.  Nur noch wenige Tagebau-Teile sind in Betrieb.

Auf dem Weg nach Zeitz liegt am Elster-Radweg eines der schönsten Beispiele des sächsischen Barocks aus der Zeit des Kurfürsten und späteren polnischen Königs August der Starke. Viele Barock-Bauten Dresdens sind den Bomben des 2. Weltkriegs zum Opfer gefallen, das Schloss Wiederau überstand den Krieg unbeschädigt. Gebaut wurde es um 1700. Sebastian Bach hat dem Schloss 1737 eine (Auftrags-) Kantate gewidmet, „Angenehmes Wiederau, freue dich in deinen Auen“.

Vor Zeitz hatte ich dann Pech. Ein lautes Knacken. Ich kannte das Geräusch von einer früheren Radtour. Eine Speiche war gebrochen. Das Hinterrad hatte eine leichte Acht, bei jeder Umdrehung kam die Felge an den Bremsklotz und stoppte den Lauf. Dagegen half nur eins, Aushängen der Hinterradbremse. Auch das wusste ich vom letzten Mal. Eine Weile konnte ich so fahren. Zum Glück war Zeitz nicht weit. Dort fand ich im zweiten Anlauf auch eine Fahrradwerkstatt. Doch ich sollte bis 17 Uhr warten (es war 14 Uhr!), so die Ansage des Werkstattmeisters, er habe Kundenaufträge, die er vorher abarbeiten müsse. Ich solle ihm aber meine Handy-Nr. geben, für den Fall dass es doch früher würde. 

Also ging ich erst einmal Mittagessen und das Schloss Moritzburg besichtigen. Oh Wunder, das Telefon klingelte, das Rad sei fertig. Schnell zur Werkstatt. Der Meister und Inhaber und einziger Mitarbeiter hatte die Speiche ausgetauscht und sogar die Halterung des vorderen Schutzblechs repariert (bei starkem Wind war das abgestellte Rad am Vortag umgefallen). Er  war selber begeisterter Rennradfahrer und wies mich darauf hin, dass mein Fahrradsattel eigentlich nicht gut geeignet und zudem ein Damensattel sei (Ich hatte das Rad in Berlin bei Stadler mit tiefem Einstieg gekauft – ich wollte beim Auf- und Absteigen nicht an der Querstange des Herrenrades hängen bleiben – und niemand sagte mir dort, dass solche Räder mit einem Damensattel versehen sind).  Das war ein sehr guter Rat und kein Verkaufstrick. Ich sitze auf dem neuen Sattel merklich besser und habe dann auch die weiteren 1.000 km gut ausgehalten. Danke an Meister Seidelt in Zeitz.

Schloss Zeitz
Die Stadt Zeitz feiert in diesem Jahr ihr 1.050-jähriges Bestehen. In der Schlosskirche St. Peter und Paul wurde das Luther-Jahr (500 Jahre Reformation) gefeiert. Auffällig in Zeitz sind die vielen leer stehenden Wohn- und Gewerbegebäude, teils mit beginnendem Verfall. Die Stadt hat nach der Wiedervereinigung den größten Teil der Industrie verloren und viele Zeitzer sind nach Westen abgewandert.

Zur Christianisierung der Slawen und zur Festigung der deutschen Herrschaft wurde in  Zeitz neben Meißen und Merseburg ein Bistum eingerichtet. Der erste Bischof  wurde 968 geweiht und er erhielt von Kaiser Otto II. die Stadt Zeitz als Geschenk. 1028 wurde der Bischofssitz nach Naumburg verlegt. Trotzdem wurde die 968 begonnene Domkirche St. Peter und Paul  bis um 1100 durch eine romanische Basilika ersetzt, später in eine gotische Hallenkirche umgebaut. Sie wurde 1666 Fürstengruft der Zeitzer Herzöge.

Aufgrund einer Erbteilung wurde Zeitz 1652 Hauptstadt des Herzogtums Sachsen-Zeitz mit dem Schloss Moritzburg als Residenz (ab 1667 wurde auf der zerstörten Bischofsburg die Residenz gebaut). Nach dem Wiener Kongress (1814/1815) wurde Zeitz preußisch.

An der Stelle des Restaurants, in dem ich Mittag gegessen habe, befand sich  das Gerichtsgefängnis von Zeitz. 1874 verbüßte hier der Vorsitzende des „Allgemeinen deutschen Arbeitervereins“  Wilhelm Hasenclever eine Haftstraße wegen Bismarkbeleidigung. Bei Besuchen im Gefängnis führten Wilhelm Liebknecht und andere mit Hasenclever Gespräche über den Zusammenschluss von Arbeiterverein und der „Sozialdemokratischen Arbeiterpartei“. Der erfolgte ein Jahr später in Gotha mit der Gründung der „Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands „SAP“, aus der später  die SPD hervorging.

Gleich hinter Zeitz sind die ersten Hinweise auf die bekannte Köstritzer Brauerei zu sehen. Es wird Hopfen angebaut. Also nicht nur in der Holledau, sondern auch schon hier. Zur Brauereibesichtigung kam ich zu spät und ein Brauereigasthaus hatten sie auch nicht. Im daneben stehenden Gasthof „Zum Frosch“ habe ich das Köstritzer Dunkel und Hell probiert. Die Zeit dafür nahm ich mir und es schmeckte gut.

In Bad Köstritz ist eine der ältesten Schwarzbierbrauereien Deutschlands. Urkundlich schon im Jahre 1543 erwähnt. Ende des 17. Jh. wurde sie als „ritterschaftliche Gutsbrauerei“ von den Grafen von Reuß
übernommen, später in „Fürstliche Brauerei“ umbenannt, da die Reuß’ens  Fürsten wurden (s. u. Gera).

Humboldt hat einmal (November 1823) aus Weimar (er war bei Goethe zu Besuch) an seine Frau berichtet: „…Seitdem ich keinen Tee mehr trinke, ist alles aus. Ich stehe einmal am Rand des Abgrundes und einen Schritt weiter, so schwimme ich im Bier. Ach Gott, liebes Kind, Goethe hat auf nichts Appetit, nicht auf Bouillon, Fleisch, Gemüse; er lebt von Bier und Semmel, trinkt große Gläser am Morgen aus und deliberiert mit dem Bedienten, ob er dunkel- oder hellbraunes Köstritzer oder Oberweimarisches Bier – oder wie die Greuel alle heißen – trinken soll. …“

Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Brauerei VEB (Volkseigener Betrieb). Jetzt gehört sie zur Bitburger Gruppe (Familien-Brauerei aus der Eifel, neben Bitburger- u.a. Köstritzer-, Wernesgrüner-, Licher-, König-Pilsener-Bier und Gerolsteiner-Wasser).

Schwarzbier ist untergärig, mit dunklem                 Braumalz gebrautes Bier.
Untergärig bedeutet, mit einer Hefe gebraut, die im Gärprozess auf den Boden sinkt. Obergärige Hefen werden durch aufsteigende Kohlensäure an die Oberfläche gebracht.
Die Untergärung braucht eine niedrigere Brautemperatur als die Obergärung.  Früher (vor Erfindung der Kältemaschine 1876 – Carl Linde, Linde AG) konnten darum untergärige Biere nur im Winter hergestellt werden und im Sommer nur, wenn Natureis gelagert werden konnte (Brautemperatur weniger als 10 Grad).
Untergärige Biere sind Pils, Helles, Lagerbier und Schwarzbier. Obergärige Biere sind Weißbiere, Kölsch und Alt.
Braumalz wird aus Sommergerste hergestellt. Durch Einweichen in Wasser keimt die Gerste und es entsteht Malzzucker. Danach wird die Gerste gedarrt, d.h. mit 80 Grad heißer Luft getrocknet (helles Malz, dunkles Malz bei 100 Grad).
Das älteste bekannte Schwarzbier ist das                                   in Braunschweig gebraute Bier
Braunschweiger Mumme“.
Neben Gerste wird für das Bierbrauen Hopfen benötigt. Durch das größte deutsche (und der Welt) Hopfen-Anbaugebiet Holledau  führt die letzte Rad-Tagestour vor München (Neustadt/Donau bis vor Freising, s.u.).

Bad Köstritz ist auch das Zentrum der deutschen Dahlienzucht.
            
Eingangsportal des Rathaus
In Gera war nicht viel los. Die Innenstadt war „tot“. Das große Galeria-Kaufhof- Warenhaus und die Gera-Arkaden haben die traditionellen Geschäfte vernichtet. Keine Läden, ausländische Kneipen. Anders der Marktplatz. Aber nur wenige Gäste in den Restaurants.  Unter dem Rathaus aus dem 16. Jh. Befindet sich einer der Höhler-Keller, in dem jetzt das Kabarett Fettnäpfchen spielt. Aber donnerstags haben sie spielfrei und ich war an einem Donnerstag in Gera.
Das Gebäude des Kaufhauses Hertie von 1904 ist noch erhalten, aber ungenutzt. Eine Gedenktafel erinnert an ihren Gründer Hermann Tietz. Er hatte 1882 das Geschäftshaus Hermann Tietz gegründet, das später der Hertie-Warenhauskonzern wurde.

Der Maler Otto Dix wurde in einem Ort bei Gera geboren, der heute eingemeindet ist. In seinem Geburtshaus hat die Stadt ein Museum und eine Dix-Galerie eingerichtet. Für einen Besuch der Kunstausstellung war es aber zu spät (ich bin eben immer erst abends in den Orten angekommen und morgens wieder früh gefahren).

Ende des 1. Jahrtausends (999) war Gera im Besitz des Reichsstiftes Quedlinburg.  Die vom Stift eingesetzten Verwalter (Vögte von Weida, s.u.) wurden mit der Zeit vom Stift unabhängig und entwickelten sich zum Fürstenhaus Reuß mit Gera als Residenzstadt (jüngere Linie). Nach der Abdankung des letzten Fürsten in der Novemberrevolution 1918 kam Gera  nach einer Übergangszeit als Freistaat (Volksstaat Reuß – zusammen mit dem Gebiet der älteren Reuß-Linie) 1920 zum Land Thüringen.

Im 17. Jh. entstanden in der Altstadt die sog. Geraer Höhler. Bis Mitte des 16. Jh. wurde heimischer Wein getrunken. Danach (wahrscheinlich war der Weinanbau wegen Klimaveränderungen nicht mehr möglich) wurde Bier gebraut. Die Keller unter den Brauhäusern (gegen Ende des 18. Jh. hatten 221 Häuser Braurechte) reichten nicht aus, so dass Keller unter den Kellern, z.T. 10 m tief, gebaut werden mussten. Das erfolgte bergmännisch durch die Bergleute der Kupfer- und Silberminen. Dadurch hatten sie nach dem Rückgang des Bergbaus vorübergehend neue Beschäftigung.

Ab Mitte des 19. Jh. entwickelte sich Gera zum Zentrum der nordeuropäischen Stoff- und Tuchindustrie. In dieser Zeit war Gera eine der reichsten Städte in Deutschland. Zahlreiche Stadtvillen bekunden den Reichtum vergangener Zeit.

In Gera hat das Hertie-Warenhaus seinen Ursprung. Oscar Tietz gründete 1882 als  23-Jähriger mit finanzieller Unterstützung seines Onkels Hermann das „Garn-, Knopf-, Posamentier-, Weiß- und Wollwarengeschäft Hermann Tietz“, aus dem die Warenhaus-Kette Hertie entstand. Er entwickelte die Standards der künftigen Kaufhäuser: breites Sortiment, Sofortzahlung und Festpreise.
1919 gründete er auch den Einzelhandelsverband  HDE (Hauptgemeinschaft des Deutschen Einzelhandels), mit heute rd. 400.000 Einzelhändlern.
Oscar Tietz starb 1923. 1930 hatte das Unternehmen  mehr als 16.500 Mitarbeiter. Seine Erben wurden in der NS-Zeit als Juden enteignet. Der Bruder von Oscar Tietz, Leonhard Tietz, eröffnete 1879 in Stralsund ein eigenes Geschäft, aus dem später die Handelskette Kaufhof entstand.

Gedenktafel
Gera – wie auch Zeitz – müssen nach dem 1. Weltkrieg „rote Hochburgen“ gewesen sein. Zeitz ist stolz auf die Gründer-Zelle der SPD (s.o.). In Gera wurde mit einer Gedenktafel am Rathaus an den „heldenhaften Kampf“ gegen den Kapp-Putsch erinnert (Kapp-Putsch 1920 gegen die Weimarer Republik. Deutschland stand am Rand eines Bürgerkrieges. Angehörige der Reichswehr wollten die im Versailler Vertrag geforderte Verkleinerung der Armee nicht hinnehmen).



4. Tagestour Gera bis Hof             
Freitag 9. Juni                                                      
Hotel Falter in Hof                                                                

Die Strecke:
Gera – Elster-Radweg – Meilitz – Wünschendorf/Elster -  Berga/Elster – Neumühle/Elster – Greiz – Elsterberg -  Plauen  –  Straßberg – Elster Radweg verlassen – Kloschwitz – Rodersdorf – Dehles – Kemnitz - Grobau – Münchenreuth - Obertiefendorf – Töpen – Isaar – Saale Radwanderweg – Hof.
 108 km, 7 Stunden, 1069 m Aufstieg, 771 m Abstieg.

                                  
Von Gera führte der Weg weiter durch das Elster-Tal und dem sächsischen Vogtland nach Plauen. Hinter Plauen (in Sachsen) wechselt meine Route vom Elster-Tal zum Saale-Tal und ging dann weiter nach Hof in Bayern (Oberfranken)
Es ist der Abschnitt mit den stärksten Anstiegen. Über 1000 m sind insgesamt bergauf zu strampeln, zwischendurch immer wieder abwärts und dann wieder hoch. Und von Hof bis Bayreuth ist es ähnlich. In der Summe sind das mehr Aufstiegs-Meter als auf der Brenner-Strecke.

Das Vogtland ist ein  Mittelgebirge in Bayern, Sachsen und Thüringen. Der Name ist von den dort im 11. bis 16. Jh. regiereden Vögten von Weida, Gera und Plauen abgeleitet. Vögte wurden von den Herrschern zur Verwaltung und Sicherung ihrer Ländereien eingesetzt (s.o. Vögte von Gera und Weida).

Die Saale ist ein Nebenfluss der Elbe. Sie entspringt in Unterfranken im Fichtelgebirge.

Bis Gera war der Elster-Radweg gut. Danach fing es an, Waldwege, wasssergebundener Wegebau, lang anhaltenden Anstiege.

Und Baustellen. Die erste ging noch. Die war offen. Allerdings 1,5 km schieben. Bei der zweiten hat es mich erwischt. Die war abgesperrt, aber ich fand einen Durchschlupf. Ich konnte die Baustelle durchfahren, brauchte nicht schieben (die Arbeiter hatten anscheinend schon Wochenende). Aber dann kam es. Am Baustellenende war wieder alles mit einem Bauzaun verschlossen. Und kein Durchkommen, fest gesichert und verschraubt. Was tun? Zurück? Ausgeschlossen, bestimmt 2 oder 3 km und dann noch mehrere km Umweg. Das ging gar nicht. Also: Gepäck abladen. Fahrrad über eine – hohe – Leitplanke heben. Auf einem schmalen Trampelweg oberhalb der Elster-Böschung  schieben. Wieder über die Leitplanke heben. Zurück und das Gepäck holen. Das dauerte. Aber nicht so lange wie Umkehr und Umweg gedauert hätten.

Und dann der Elster-Radweg. Ich bin den Ausschilderungen gefolgt. Der Weg stieg an und ging hoch über der Elster dem Flusslauf folgend. So schmal, das ich mich nicht traute zu fahren. Ein Schlenker nach rechts und ich wäre einige Meter tiefer in der Elster gelandet. Also schieben.
An anderer Stelle eine schöne Landstraße. Dann ein Waldweg, sehr uneben und steil bergab. Vorsichtig fahren, an einigen Stellen schieben. Es war eher ein Weg für Mountainbike-Räder. Aber es war der ausgeschilderte Weg. Ich habe nachher extra noch einmal nachgeschaut. Dann war der Weg an einem großen  Felsstück zu Ende. Ich hätte das Rad hinübertragen müssen, auch das Gepäck. Doch was kam danach? Ich war noch lange nicht unten an der Elster. Also – diesmal - die Entscheidung zur Umkehr. Den ganzen Weg zurück, aber bergauf, schiebend. Das waren ungeplante Zusatz-km.

Die schwierigsten Stellen waren in den Bergen vor Plauen und danach. In Greiz kam mir ein älteres Radler-Paar entgegen, die erschöpft feststellten, dass sie in einer Stunde nur 8 km geschafft hätten. Das gleiche kam auf mich zu. Trotz E-Bike musste ich tüchtig treten und das letzte Stück über die Kuppe gar schieben. Rad und Gepäck waren ganz schön schwer (später bei der Alpenstrecke war es leichter, das Radgepäck wurde mit dem Auto transportiert, s.u.). Und natürlich kam am Abend auch noch Gegenwind auf.

Hinter Gera wollte ich eigentlich gleich einen Abstecher nach Weida zur Osterburg machen. Die Vögte von Weida sind der Ursprung der Herrscher im Vogtland. Aber angesichts der vor mir liegenden Berg-Strecke habe ich das gestrichen. Greiz, die andere Residenzstadt der Vögte, lag später sowieso auf dem Weg.

Die Osterburg in Weida ist eine Höhenburg, 1163-1193 als Festung gebaut und 1785 ergänzt. Bis Anf. 15. Jh. war sie der Stammsitz der Vögte von Weida.

Weida und das ganze Vogtland sind typisch für die Deutsche Ostsiedlung um 1000. Nach dem Weggang  germanischer Stämme siedelten Slawen. Dann kamen deutsche Siedler und betrieben Feldwirtschaft. Verwaltet wurde das Gebiet zunächst durch kaiserliche Ministeriale (Verwalter). Ab Anfang des 12. Jh. sind die Vögte von Weida als Ministeriale urkundlich belegt. Ende des 12. Jh. bauten sie die Osterburg. Nach den Vögten von Weida ist das Vogtland (zwischen Saale, Pleiße und Regnitz) benannt. Durch Erbteilung entstanden neben den Vögten von Weida die Linien der Vögte von Gera  und die der Vögte von Plauen.

Auf die Vögte geht das Fürstenhaus Reuß zurück. Im 17. Jh. wurden sie reichsunmittelbare Grafen und Ende des 18. Jh. Reichsfürsten. Es entstand das Fürstentum Reuß ältere Linie mit der Stadt Greiz (kleinste Monarchie im Deutschen Kaiserreich) und das Fürstentum Reuß jüngere Linie mit der Stadt Gera. Beide Fürstentümer waren bis 1918 selbstständiger Staaten im Deutschen Kaiserreich.

Oberes Schloss in Greitz
Den Vögten im Vogtland muss es gut gegangen sein. Jedenfalls haben Sie mächtig gebaut. In Greiz das wuchtige Obere Schloss, das Untere Schloss, die Sommerresidenz. Alles große, repräsentative Gebäude. Sie sind noch gut erhalten und gepflegt.


Durch Plauen bin nur ich durchgefahren.

Durch Münchenreuth muss ich einen anderen als den geplanten Radweg gefahren sein. Jedenfalls habe ich die Gedenkstätte der früheren innerdeutschen Grenze nicht gesehen. Und zurückfahren wollte ich deswegen nicht. Schließlich bin ich in Hof so spät angekommenen, dass keine Zeit für eine Stadtbesichtigung war. Aber so viel hätte es wohl auch nicht zu sehen gegeben.

Bekannt sind die „Plauener Spitzen“.  Plauen und das Vogtland sind seit 125 Jahren Zentrum der deutschen Stickereiindustrie. Jetzt (2013) gibt es noch rd. 30  Unternehmen mit 600 Mitarbeitern, meist Familien-unternehmen. 35 % der Spitzen werden nach Japan und Russland exportiert.

Ursprung der Spitzen-Industrie ist die  Baumwollweberei im 16.Jh.  Es entwickelte sich die „Weißstickerei“ (in den Stoff werden Löcher geschnitten, die umstickt werden) und die „Plattstickerei“ (Muster werden flächig auf den Stoff gestickt) als Veredlung von Leinen- und Baumwollstoffen. Beide Stickereien sind Nadelstickereien, andere Techniken sind das Klöppeln und Häkeln von Spitzen.   Zunächst war die Stickerei Handarbeit. Anfang des 19. Jh. wurden dann mechanische Stickmaschinen erfunden (in Mühlhausen im Elsass). In der 2. Hälfte des 19. Jh. wurde etwa zeitgleich in Plauen und St. Gallen das Verfahren zur Herstellung von „Ätzspitzen“  oder „Luftspitzen“ entwickelt, in Plauen ab 1882. Die Ätzspitzen werden mit Garn als Muster auf einen Stoff genäht, der anschließend innerhalb der Stickerei chemisch aufgelöst (weggeätzt)  wird.
             
Münchenreuth war Grenzort an der innerdeutschen Grenze. Gegründet im 13. Jh. vom in Plauen ansässigen Deutschritterorden. Der Name weist auf  Rodungen durch Mönche hin (roden – reuten).
           
Der Deutschritterorden gründete nicht nur den Deutschordensstaat im Baltikum und Ost- und Westpreußen (1230 bis 1561 – s. Bericht Radreise nach Danzig). Es bestanden auch Balleien (Ordensprovinzen) u.a. in  Sachsen (zwischen Weser und Elbe), in Westfalen (westl. der Weser), in Thüringen (westlich der Elbe zwischen Halle und Eger, Plauen gehörte zur Ballei Thüringen) und in Franken (zwischen Main und Donau). 1809 wurde der Orden in den Rheinbundstaaten aufgelöst und der Ordensbesitz musste an die Fürsten des Rheinbundes abgetreten werden. Heute ist der ehem. Deutschritterorden ein geistlicher Orden. In dem Haus des Generalprokurators in Rom haben wir (Uschi und ich) während eines Seminars des Förderkreises der Konrad-Adenauer-Stiftung übernachtet (s. Reisebericht Rom).
Anmerkung: Die Landkomtur (Verwaltung) der Ballei Sachsen war ab 1287 in Lucklum am Elm, Gemeinde Erkenrode,  im heutigen Landkreis Wolfenbüttel. Der Orden war dort ab 1260. 1809 ging die Landkomptur durch die Enteignung des Ordens an Jerome Bonaparte. Er war ein Bruder Napoleons und König von Westphalen (Hildesheimer und Braunschweiger Gebiete gehörten zum Königreich Westphalen). Jerome verkaufte die Besitzungen der Komtur, die später Rittergut wurden.  2012 kaufte die Familie Findel-Mast (Eigentümer der Wolfenbütteler Kräuterlikörfabrik Jägermeister) die Domäne mit 650 (?) ha Land (1 ha = 10.000 m²).

Hof in  Oberfranken wurde um 1230 gegründet. Ab 1373 gehört es zur  Markgrafschaft Brandenburg-Kulmbach, („Brandenburg“ weil es zu der fränkischen Linie der Hohenzollern gehörte, im Lauf der Geschichte auch Brandenburg-Bayreuth oder Fürstentum Bayreuth genannt). 1792 kam die Markgrafschaft zum Königreich Preußen, weil der Markgraf seine Herrschaft  für eine lebenslange jährliche Leibrente von 300.000 Gulden an den preußischen Staat abtrat. Napoleon besetzte das Fürstentum und verkaufte es an das Königreich Bayern. Und damit auch die Stadt Hof.