Nicht nur Lavendel und Flamingos
Eine Rundfahrt durch die Provence
6. Teil:
Avignon
Von Aix-en-Provence
sind wir nicht direkt nach Avignon gefahren. Wir haben einen Umweg gemacht, um
die Lavendelfelder der Provence zu sehen. Darüber schreibe ich im nächsten und
letzten Bericht über unsere Provence-Fahrt. Und über den Ausflug zur Pont du
Gard, das Aquädukt aus römischer Zeit, das man gesehen haben muss, wenn man in
Südfrankreich ist.
Jetzt zunächst der Bericht zu Avignon.
Im 12. Jahrhundert war Avignon eine sich selbst verwaltende Stadtrepublik (beginnend im 11. Jahrhundert entstanden insbesondere in Oberitalien viele selbständige Stadtrepubliken). In der Zeit entstand der erste Mauerring um die Stadt und die St.-Bénézet-Brücke wurde gebaut. Der Stadtstaat bestand nicht lange. 1226 eroberte der französische König die Stadt.
Der Nachfolger von Clemens V., Johannes XII., war zuvor Bischof von Avignon und zog in den Bischofspalast in Avignon ein. Dessen Nachfolger, Benedikt VII., genügte der Bischofspalast nicht und er ließ 1335 einen ersten Papstpalast an der Stelle des Bischofspalastes errichten. Seine Nachfolger vergrößerten den Papstpalast ab 1342 beträchtlich.
1348 entstand der Kirchenstaat. Papst Clemens VI. kaufte die zur Grafschaft Provence gehörende Stadt Avignon von der Königin von Neapel, die auch Gräfin der Provence war. Das Umland von Avignon, die Grafschaft Comtat Venaissin, gehörte den Päpsten schon seit 1274. Sie hatten die Region durch Erbschaft von den Grafen von Toulouse erhalten.
1376 ging der letzte Papst des Avignonesischen Papsttums, Gregor XI., wieder nach Rom. Für die Rückkehr der Päpste nach Rom hatten sich u.a. die später heiliggesprochenen Katharina von Sienna und Brigitta von Schweden eingesetzt.
Allerdings residierte schon 1 Jahr später wieder ein Papst in Avignon, Gegenpapst Clemens VII. und später Gegenpapst Benedikt XIII.. Das Abendländische Schisma mit zwei und mehr Päpsten gleichzeitig begann. Erst das Konzil von Konstanz beendete 1418 das Schisma.
Als der nach Rom zurückgekehrte Papst Gregor XI. starb, forderten die römischen Adelsfamilien die Wahl eines Römers zum Papst. Mit Urban VI. wurde dann zwar kein Römer, aber wenigstens ein Italiener Papst. Um sich abzusichern, erweiterte Urban VI. das 16-köpfige Kardinalskollegium um 29 neue Kardinäle. Dagegen protestierten die bisherigen Kardinäle, wurden doch die Einkünfte des Kollegiums jetzt auf mehr Köpfe verteilt. Sie erklärten Urban VI. für geisteskrank und wählten 1378 Robert von Genf zum Papst Clemens VII.. Frankreich, Schottland und Spanien erklärten Clemens VII. zum rechtmäßigen Papst. Der deutsche Kaiser Karl IV. unterstützte weiter Urban VI..
Die Stadt wurde von dem Papsttum wesentlich geprägt. Die Einwohnerzahl stieg beträchtlich an. Mit den Mitgliedern der Kurie und deren Mitarbeitern kamen Kaufleute, Bankiers und Handwerker in die Stadt. Der große Papstpalast beherrscht das Stadtbild. Die Stadtmauer jener Zeit (um die historische Altstadt, Intra-muros) ist noch heute erhalten. Neue Kirchen und Klöster entstanden. Der Papsthof wurde einer der glanzvollsten Höfe seiner Zeit.
Nach dem Wegzug der Päpste wurde der Kirchenstaat (Avignon und die Grafschaft Venaissin) von einem päpstlichen Gesandten verwaltet. Mit der französischen Revolution wurde das päpstliche Gebiet eingezogen. Avignon wurde die Hauptstadt eines neu geschaffenen Departements.
Unter
Napoleon III. erfolgte eine städtebauliche Umgestaltung. Wie in Paris
durch den Präfekten und Stadtplaner Baron Hausmann kam es auch in der Altstadt
von Avignon zu Straßenverbreiterungen und Neuanlagen von Plätzen und Parks.
Festival von Avignon
Seit 1947 findet jedes Jahr im Juli das Festival von Avignon mit zahlreichen Theater-, Tanz- und Gesangsvorführungen statt. In diesem Jahr, 2024, war es vom 29. Juni bis 21. Juli. Wir haben die letzten Tage noch erlebt. Avignon ist wegen des Festivals berühmt, es ist aber nicht das einzige Kulturereignis in der Provence. Auch Arles und Aix-en-Provence haben ihre Festivals.
Das bedeutendste Gebäude in Avignon ist der Papstpalast. Hier beginnen wir auch unseren Stadtrundgang (1). Wir gehen dann zur Kathedrale und dem Felsvorsprung über der Rhone, dem Rocher des Doms (4). Über den Papstpalast-Vorplatz und den Rathausvorplatz führt unser Weg zurück in Richtung unseres Hotels (A) und dann in großem Bogen durch die Stadt, Canale de Vaucluse ((18), Karmeliter-Kloster (22), Basilika Saint-Pierre (26) und wieder in Richtung unseres Hotels. Zum Schluss folgen wir der Stadtmauer bis zur Pont Saint-Bénezet (B).
Die nachfolgende Beschreibung weicht von dem Rundgang wegen thematischer Zusammenfassung etwas von der Reihenfolge des Rundgangs ab.
Der Place du Palais
(1) Papstpalast
Der Palais de pape war
zwischen 1314 und 1376 die Residenz der Päpste und 1378 bis 1429
zweier Gegenpäpste.
Ein Dominikanerkloster als erste Papstresidenz
Der erste Papst in Avignon war
Clemens V., 1305 in Lion zum Papst gewählt. Er beschloss, wegen anhaltender
Unruhen nicht in Rom zu residieren. Nach unterschiedlichen Aufenthalten
wählte er ab 1309 das Dominikanerkloster
in der Grafschaft Comtat Venaissin als Papstresidenz. Das Kloster gibt
es heute nicht mehr, es wurde nach der französischen Revolution abgerissen.
Der Bischofspalast wird die nächste
Papstresidenz
Der Nachfolger von
Clemens V., Johannes XII., wurde nach zweijähriger Vakanz 1316 gewählt.
Johannes XII. war zuvor Bischof in
Avignon. Nach seiner Wahl zum Papst bestimmte er den Bischofspalast als Papstresidenz. Dazu wurde der Palast umgebaut und
vergrößert.
Neubau des Papstpalastes
Dem nächsten Papst genügte
der erweiterte Bischofspalast nicht. Er ließ ihn 1335 abreißen und durch
einen vierflügeligen Palast ersetzen. Das ist jetzt der alte Teil (Palais vieux, Bauzeit 1334 - 1342) des
heutigen Papstpalastes. Ab 1342 wurde der Palast durch weitere Neubauten
(Palais neuf, Bauzeit 1342 - 1370)
verdoppelt.
Es war einer der größten Paläste
seiner Zeit. Der Palast hat nach Außen die Architektur eines
Festungsbaus, mit Pechnasen und Schießscharten zur Verteidigung. Im Inneren
ist er als Schloss mit großen Repräsentationssälen gestaltet. Der größte
Saal des Schlosses ist der Speisesaal. Es gibt mehrere Kapellen, zum Teil noch
mit erhaltenen mittelalterlichen Fresken (in den oberen Wandteilen - die
darunter befindlichen Teile wurden während der französischen Revolution abgeschlagen
und verkauft).
Die Bevölkerung der Stadt sank auf weniger als die Hälfte, auf etwa
15.000, blieb aber ein wichtiges Handelszentrum.
Während der französischen Revolution
wurde der Palast gestürmt und ein Gefängnis für die Feinde der Revolution
eingerichtet. Das kirchliche Tafelsilber wurde für die Unterstützung der Armen
einkassiert. Im 19. Jahrhundert wurden Teile des Papstpalastes in eine Kaserne
umgewandelt. Seit 1947 werden die
Palasträume für Ausstellungen genutzt.
Eine kleine Gartenanlage
ist direkt von den Gemächern des Papstes zugänglich, der Jardin du Pape.
Die Kathedrale ist der Sitz des Erzbischofs von Avignon. Im 4. Jahrhundert wurde ein Bistum begründet, das von 1475 bis zur französischen Revolution und dann wieder ab 1822 den Status eines Erzbistums erhielt.
Die Kathedrale stammt
aus dem 12. Jahrhundert. Im 14. Jahrhundert wurde das Kirchenschiff von Papst
Johannes XXII. um die Seitenkapellen erweitert. Auf dem Westturm ist eine
vergoldete Bleistatue der Jungfrau Maria angebracht. Papst Johannes XXII. ist
in einem Mausoleum mit gotischen Schnitzereien in der Kathedrale beigesetzt.
Ebenfalls in der Kathedrale beigesetzt wurde Papst Benedikt XII.
Während der französischen Revolution wurde die Kathedrale ein Gefängnis. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde die stark zerstörte Kirche erneuert.
(3) Petit Palais
Der Kleine Palast an der Nordseite des
Place du Palais wurde 1317 als Kardinalspalast gebaut. Der bisherige Bischofspalast
war zum Papstpalast geworden. Während des Abendländischen Schismas wurde
der Kardinalspalast belagert und stark zerstört. Im 15. Jahrhundert ließ der
Bischof von Avignon, Della Rovere, den Kardinalspalast wieder herrichten.
Della Rovere war ein Neffe des amtierenden Papstes. Neben dem
Bischofsstuhl von Avignon bekam er als Dank seines Onkels noch sieben weitere
Bistümer. Später wurde Della Rovere als Julius II. selber Papst.
(5)
Münzprägeanstalt
Gegenüber dem Papstpalast befindet sich
die ehemalige Münzprägeanstalt im Hotel des Monnaies. Der Bau wurde
Anfang des 17. Jahrhunderts durch Kardinal Borghese in Auftrag gegeben.
Borghese war Legat des römischen Papstes und verwaltete den Papstbesitz in
Avignon. Der Papst bzw. der Kirchenstaat in Rom war noch Eigentümer der Stadt
Avignon und der Grafschaft Venaissin (bis zur französischen Revolution, jetzt
sind Avignon und die Grafschaft Venaissin Teil des Département Vaucluse).
Das aus dem frühen Mittelalter stammende Recht der Päpste, eigene Münzen zu prägen, nutzt der Papststaat in Rom heute auch zur Prägung von Euro-Münzen (auch Monaco und San Marino lassen Euro-Münzen prägen). Die Auflagenzahl der päpstlichen Euro- und Cent-Münzen ist aber gering, so dass ihr Sammlerpreis über dem Nennwert liegt.
(6) Palais Calvet de la Palun
Die Stadtresidenz am südlichen Ende des Place du Palais wurde
im 18. Jahrhundert für Calvet de la Palun gebaut. Später residierte hier die Banque
de France. Ihr Name prangt noch über dem Torbogen. 2015 wurde in dem
Gebäude das „Carré du Palais“, ein Weinrestaurant mit Cotes-du-Rhone-Weinen,
eröffnet.
Avignon gilt als Hauptstadt des Cotes-du-Rhone Weins. Jedes Jahr wird der Start der Weinlese mit dem Ban des Vendanges gefeiert. Es ist das größte Volksfest in Avignon, immer am letzten Wochenende im August. Wir hätten länger in Avignon bleiben sollen.
(4) Jardin
des Doms
Auf dem Felsen Rocher des Doms ist im 19. Jahrhundert neben der Kathedrale die Gartenanlage Jardin des Doms im Stil englischer Landschaftsgärten als öffentlicher Park angelegt worden.
An den Platz vor dem Papstpalast schließt sich der Rathausplatz an. Zwischen ihnen steht der Palais Calvet. Benannt ist der Platz nach dem Uhrenturm des Rathauses, dem Horloge.
(8) Hotel
de Ville
Mitte des 15. Jahrhunderts erwarb die Stadt Avignon von den Benediktinerinnen einen früheren Kardinalspalast für die Stadtverwaltung. Im 19. Jahrhundert ließ der Stadtrat das Gebäude umbauen und erweitern. Der Uhren-Turm des alten Palastes blieb erhalten.
(7) Opéra d’Avignon
Die Fortsetzung der beiden Plätze vor dem Papstpalast und dem Rathaus, in Richtung zu dem 1853 in Betrieb genommenen Bahnhof außerhalb der Stadtmauern, ist die Rue de la République. Sie ist eine der Hauptstraßen Avignons innerhalb der Stadtmauern und hieß zunächst Cours Bonaparte und dann Rue Petraque (Petrarca – der Dichter ist auch am Operngebäude verewigt). Die Straße wurde im 19. Jahrhundert gebaut.
(28) Gare d’Avignon Centre
Die Stadtmauer von Avignon
Papst Clemens VI. entschied 1348, die Stadt wieder mit einer Verteidigungsanlage zu versehen. Vorausgegangen waren mehrere Angriffe von Söldnertruppen. Die alte Festungsanlage aus der Zeit der Stadtrepublik war bei der Belagerung der Stadt durch den französischen König 1229 zerstört wurde. Fertiggestellt wurde die neue Stadtmauer aber erst 1376, ein Jahr bevor der Papst wieder nach Rom ging.
Die neue Stadtbefestigung umschloss eine Fläche von 150 Hektar und damit einen dreimal größeren Bereich als die alte Stadtmauer. Die mehr als 4 Kilometer lange Mauer hatte 12 Haupttore und eine Reihe von Verteidigungstürmen. Sie gilt als eine der besterhaltenen Stadtmauern in Europa. Gebaut wurde sie von der Stadt, nicht vom Papst. Finanziert wurde der Bau durch eine Steuer auf den in die Stadt gebrachten Wein und später auch auf Salz und andere Waren.
Im 15. und 16. Jahrhundert wurde die Stadtmauer teilweise erneuert und die Zahl der Tore auf sieben verringert.
(29) Stadtmauer an der Rue Rempart Saint-Roch:
(30) Stadtmauer und Stadttor Porte Saint Roch:
(31) Am Porte du Rhone :
Innerhalb der Stadtmauer (Intra muros) sind noch etwa 130 Häuser aus dem 15. bis 18. Jahrhundert erhalten. Eines der erhaltenen Häuser ist der Palais du Roure.
Es ist das Stadtpalais der aus Florenz stammenden Familie Baroncelli-Javon, die in dem im 17. Jahrhundert umgebauten Haus fast 500 Jahre wohnte (1469 – 1908). In der Zeit des Legaten Julian della Rovere und späteren Papstes Julius II. wurden die Baroncellis eine der bedeutenden Familien in Avignon.
Den Namen Palais du Roure, Palast der Eiche, bekam das Haus von dem französische Schriftsteller Fréderic Mistral (warum?). Er war ein Förderer der provenzalischen Sprache und Mitbegründer der "Félibridge", einem Verein zur Bewahrung der Sprache und Kultur der Provence. Er schrieb die provenzalische Nationalhymne „La Coupo Santo“, das Lied vom heiligen Kelch.
Seit 1959 ist das Gebäude im Besitz der Stadt, die hier ein Kulturzentrum einrichtete, das der Geschichte, Sprache und Tradition der Provence gewidmet ist.
Aus der Zeit der ersten Stadtmauer stammt die Pont Saint Bénézet über die Rhone. Zur Zeit der Päpste bildete die Rhone die Westgrenze zwischen dem Kirchenstaat und dem Königreich Frankreich.
(32) Pont
Saint Bénézet
Vom Rocher des Doms hat man einen guten Blick auf die Brücke Saint Bénézet, die bis etwa zur Mitte der Rhone reicht. Es sind die Reste der Brücke über die Rhone aus dem 12. Jahrhundert mit ursprünglich 22 Bögen (4 Bögen sind noch erhalten). Seit 1660 ist die Brücke nach einem Hochwasser nur noch eine Ruine.
Die Kirchen und das Festival d’Avignon
Seit 1947 gibt es das Festival d’Avignon als Theater-, Tanz- und Gesangfestival mit unzähligen Spielorten, im Papstpalast, in Kirchen, privaten Theatern und Hinterhöfen. 138 Spielstätten listet der Festspielplan dieses Jahres auf. Teilweise haben die Bühnen mehrere Veranstaltungen am Tag und Abend. Geworben wird mit Auftritten auf den Straßen und unzähligen Plakaten.
Und durch das unglaublich große Angebot sind auch unglaublich viele Menschen in der Stadt. Wir hatten Avignon an das Ende unserer Rundreise gelegt, um dem Trubel zu entgehen. Geklappt hat das nicht, wir haben die letzten Tage des Festivals und ihre Menschenmengen erlebt.
Die größeren Bühnen sind ehemalige und
noch aktive Kirchengebäude. Und so haben wir bei unserem „Kirchen-Rundgang“
sehr oft Einladungs-Plakate für Festivalauftritte am Kircheneingang
angetroffen.
Eine Anmerkung zu dem „Kirchen-Rundgang“. Die Geschichte von Ländern und Städten wird von Kirchen, Palästen und öffentlichen Gebäuden abgebildet. Das ist das, was aus früheren Zeiten geblieben ist und die Geschichte erzählt. Und darum sind es die vielen Kirchengebäude, auch hier in Avignon, die interessant und sehenswert sind.
(9)
Collégiale Saint-Agricol d‘Avignon
Stiftskirche, hinter dem Rathaus gelegen. Ein erster Kirchenbau an dieser Stelle aus dem 7. Jahrhundert wird dem Bischof von Avignon, dem Heiligen Agricol (Bischof in Avignon im 1. Jahrtausend), zugeschrieben. Bei arabischen Überfällen wurde die Kirche verwüstet, wieder aufgebaut und im 15. Jahrhundert erweitert. Nach der Französischen Revolution war sie eine Zeit lang die Kathedrale von Avignon, als die Kathedrale Notre-Dame saniert wurde.
(10) Chapelle de l'Oratoire
Unweit der Kirche Saint-Agricol. Mitte
des 18. Jahrhunderts als Kirche der Société de l’oratoire de Jésus –
Gesellschaft des Oratoriums von Jesus – errichtet.
Die Oratorianer waren/sind eine Priestergemeinschaft. Sie gehen zurück auf den Heiligen Philipp Néri (1515 – 1595), der die Oratoriums-Kongregation als Gemeinschaft von Predigern gründete.
In der Französischen Revolution wurde die
Priestergemeinschaft aufgelöst. Die Kirche diente als Munitionslager und wurde
so vor der Zerstörung bewahrt. Seit 1825 finden wieder Gottesdienste statt und
heute gehört die Kirche zur benachbarten Gemeinde Saint Agricol. Während
des Avignon-Festivals ist der Kirchenraum ein Veranstaltungsort.
In der Papststadt ist vieles kirchlichen
Ursprungs. So ist auch die archäologische Sammlung des Calvet-Museums in der Kapelle
des Jesuitenkollegs aus dem 17. Jahrhundert untergebracht.
Die Sammlung ist aus dem Erbe Esprit Calvets entstanden, nach dem auch das Museum in der Rue Joseph Vernet benannt ist.
(13) Saint-Martial
Einer der Veranstaltungsorte des Festivals
d’Avignon.
Ganz früher stand hier der Palast der Könige von Mallorca, in dem Johanna I. von Anjou, Königin von Neapel und Gräfin der Provinz zeitweise wohnte.
Das Königreich von Mallorca mit den Balearen-Inseln und Gebieten im Osten von Spanien und im Süden von Frankreich war ein Teilreich der Krone von Aragón. Es bestand von 1229, als der islamische Stadthalter vertrieben wurde, bis 1715, als nach dem Spanischen Erbfolgekrieg Spanien ein zentralgelenkter Gesamtstaat wurde (Gibraltar und Menorca wurden damals britisch).
In dem Palast wurde der Vertrag über den Verkauf von Avignon an Papst Clemens VI. unterzeichnet (1348). Papst Urban überließ den Palast den Benediktinern von Cluny im Tausch gegen das Kloster in Sorgues (nördlich von Avignon), um dort einen päpstlichen Palast zu bauen (1363).
Die Benediktiner bauten um 1400 die Klosterkirche Saint-Martial. In der Französischen Revolution wurde das Kloster teilweise zerstört und anderen Nutzungen zugeführt.
Anstelle des Klostergartens und des Kreuzgangs wurde der Square Agricol Perdiguier angelegt. Der Platz ist nach dem Schriftsteller und Politiker Agricol Perdiguier (1805 - 1875) benannt.
Die verkleinerte Klosterkirche ging 1881 an die Reformierte Kirche.
(14) Cloitre
St. Louis
Ende des 16. Jahrhunderts wurde das Klostergebäude für ein Noviziat (Vorbereitung zur Aufnahme in den Orden) der Jesuiten errichtet. Ein quadratischer Bau mit Galerien und Kreuzgewölben wurde um einen Innenhof angelegt.
Das Klostergebäude kam an den Dominikanerinnen-Orden und wurde nach der Französischen Revolution ein Hospiz. 1987 wurde der Nordflügel des Klosters zu einem Hotel umgebaut. Andere Teile werden von der Stadt Avignon für Ausstellungen und für Hauptveranstaltungen des Festival d’Avignon genutzt.
(15) Cloitre des Cölestiner
Das Kloster der Cölestiner (Celestiner) wurde 1389 von
dem Gegenpapst Clemens VII. mit Unterstützung des französischen Königs
gegründet.
Clemens VII. war der erste Papst des Abendländischen
Schismas mit zwei und mehr Päpsten gleichzeitig. Er wurde von mehrheitlich
französischen Kardinälen gegen den amtierenden Papst Urban VI. inthronisiert.
Die Cölestiner waren eine Unterabteilung des Benediktinerordens. Die Ordensgemeinschaft der Cölestiner wurde von Papst Coelestin V. Mitte des 13. Jahrhunderts gegründet.
Die Klosterkirche wurde an der Grabstelle des späteren Stadtpatrons von Avignon, Kardinal Peter von Luxemburg (er wurde mit 15 Jahren Kardinal), errichtet. Der Bau dauerte bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts.
Das Kloster wurde das reichste der Stadt. In der Kirche wurden neben dem Kardinal Peter von Luxemburg auch Papst Clemens VII. beigesetzt. Später wurden auch Reliquien des Stadtheiligen Saint-Bénézet in der Kirche verwahrt.
Nach der Zerstörung in der französischen Revolution wurde der Sarg des Heiligen Bénézet (Benedikt von Avignon) und die Reliquien 1854 in die Kirche St. Didier überführt.
Der Kreuzgang gehört zu den Spielstätten des Avignon-Festivals.
(17) Théâtre de la Chapelle du Verbe
incarné
Eine der vielen kleinen Bühnen des Festivals
d’Avignon.
Bis zur Französischen Revolution war das Theater die Kapelle des Klosters der Damen des fleischgewordenen Wortes. Der Orden wurde Mitte des 17. Jahrhunderts gegründet und widmete sich der Bildung junger Mädchen. Den Orden gibt es noch in Nord- und Südamerika.
(19) Pénitents Gris d'Avignon
Die Chapelle Sainte Croix, Heiliges Kreuz, ist die Kirche der Bruderschaft der grauen Büßer.
Schon in Aigues-Mortes in der Camargue sind wir auf die weißen und die grauen Brüder und deren Kapellen gestoßen. Auch hier in Avignon gibt es noch zwei (graue und schwarze Büßer) und früher viel mehr Bruderschaften.
Die Grauen Büßer waren die erste der Bruderschaften in Avignon (1226). Ihr Gründung geht auf eine Prozession des französischen Königs nach dem Sieg über die Häretiker in Avignon (die gegen die offizielle katholische Kirchenlehre verstießen) im Jahr 1226 zurück. In einem aschfarbenen Sack gekleidet führte er die Prozession mit den Kardinälen und 60 Bischöfen zur Kapelle des Heiligen Kreuzes an.
Nach den Grauen Büßern gründeten sich die Bruderschaften der schwarzen, weißen, blauen, violetten und roten Büßer mit entsprechenden Farben ihrer Kleider. Die sich selbst gestellten Aufgaben der Bruderschaften sind unterschiedlich, Anbetung und Wohltätigkeit, Prozessionen, Pflege Kranker, Bestattungsgottesdienste, Hilfe für Gefangene usw. . Es sind immer Zivilisten, die der katholischen Kirche treu sind und in örtlichen Bruderschaften zusammengefasst sind.
(27) Chapelle des Penitents
Blanc
Errichtet wurde die Kirche im 14. Jahrhundert als Notre-Dame-la-Principale. In der Französischen Revolution wurden der Chor und der Glockenturm zerstört. Nach der Revolution, als Frankreich wieder ein Königreich war, übernahm die Mitte des 16. Jahrhunderts gegründete Bruderschaft der Weißen Büßer die Kapelle und blieb dort bis zu ihrem Aussterben 1948. Seit den 1960er Jahren ist die Kirche ein Veranstaltungssaal des Avignon Festivals.
(20) Chapelle
de la Visitaition
Auch als "Kapelle Mariä Heimsuchung" oder "Kapelle des Allerheiligsten Sakraments" bezeichnet. Kirche des 1621 gegründeten Klosters der Visitandien. Der weibliche Orden wurde Anfang des 17. Jahrhunderts in Frankreich gegründet. Seine Aufgabe war, Kranke und Arme zu besuchen.
(21) Chapelle de la Italie
Das Kirchengebäude steht neben der Kapelle der Heimsuchung, nur eine schmale Gasse ist dazwischen. Heute ist es ein zeitgenössisches Theater, in dem über die Festival-Zeit hinaus das ganze Jahr unterschiedliche Künstler und Musiker auftreten.
Die Kirche wurde als Notre Dame de la Conversion (Unsere liebe Frau der Bekehrung) für die „Congregation des Hommes“ errichtet. In den 1950er Jahren übernahm die italienische Gemeinde die Kirche, die daraufhin den Namen Kirche der Italiener erhielt. Seit 2021 bespielt ein Künstlerkollektiv die Räume.
(22)
Cloitre des Carmes
Das
Kloster der Karmeliter wurde im 13. Jahrhundert begründet. Die Kirche war
damals die größte in Avignon.
Die Karmeliter, Orden der Brüder der allerseligsten Jungfrau Maria vom Berge Karmel, sind ein Bettelorden, der um 1150 im Karmelgebirge gegründet wurde (hebräisch kerem’el – Weinberg Gottes, in der Nähe von Haifa in Israel). Im 15. Jahrhundert entstand ein weiblicher Zweig, die Karmeliterinnen.
In der Französischen Revolution entging das Kloster dem Abriss, weil die Klosterkirche in der Französischen Revolution ein Versammlungsraum und Sitz des Jakobiner-Clubs von Avignon wurde.
Das Kloster wurde zu Wohnhäusern umgebaut, die Anfang des letzten Jahrhunderts für die Restaurierung des Klosters geräumt und rückgebaut wurden.
Anfang des 19. Jahrhunderts übernahm die katholische Kirchengemeinde Saint-Symphorien, deren Gotteshaus zerstört war, die Kirche und übertrug den Namen auf die Klosterkirche.
Der Platz neben dem Kloster, Place des Carmes, war früher der Friedhof des Karmeliter-Klosters.
(23) Glockenturm des
Augustinerklosters
Von dem in der Papst-Zeit gegründeten Klosters der Augustiner ist nur noch der Glockenturm von 1377 geblieben. Das Kloster selber wurde in der Französischen Revolution abgerissen.
(24) Tour Saint-Jean
Der Turm am Place Pie ist nach dem Kloster des Johanniter-Ordens benannt, wurde aber erst angelegt, als die Johanniter das Kloster schon verlassen hatten. Gegründet wurde das Kloster ursprünglich von den Templern. Als deren Orden verboten wurde, übernahmen die Johanniter 1312 die Klostergebäude.
Die Templer waren während der Kreuzzüge reich geworden. Der französische König war der größte Schuldner des Ordens. Mit dem Verbot des Templer-Ordens wurde er seine Schulden los und konnte auch noch das beträchtliche Vermögen in Frankreich einkassieren, obwohl es vom Papst den Johannitern zugesprochen worden war.
Die Klosterkapelle behielt der Johanniter-Orden bis 1793 (Französische Revolution). Das Kloster wurde im 14. Jahrhundert Kardinalssitz. Erst unter Kardinal Nicolas de Besse (1322 – 1369), ein Neffe Papst Clemens VI., wurde der Turm hinzugefügt. 1793 wurde das Kloster eine Kaserne, später eine Schule und Ende des 19. Jahrhunderts abgerissen, um den Place Pie zu erweitern.
(26) Basilika Saint-Pierre
Begonnen wurde der Kirchenbau im 10. Jahrhundert und erst nach 400 Jahren wurde er abgeschlossen. Der Glockenturm kam dann Ende des 15. Jahrhunderts dazu und wurde zusammen mit einer Kirchenerweiterung fertiggestellt. Und noch später wurde die Fassade Anfang des 16. Jahrhunderts ausgestaltet.
Und noch einige andere Gebäude
(16) Aumone
générale d‘Avignon
„Allgemeine Wohltätigkeit“ ist der Name des U-förmigen Gebäudes mit Außenarkaden an der Rue des Lices, das Ende des 15. Jahrhunderts vom Stadtrat errichtet wurde. Es war ein Hospiz für bedürftige Männer und Frauen. „Frauen mit schlechtem Leben“, waren in einem gesonderten Flügel untergebracht, der zusammen mit einer Kapelle Ende des 19. Jahrhunderts zerstört wurde.
(18) Wassermühlen am Canal de
Vaucluse
Die Rue des Teinturiers ist die Straße der Färber am Canal de Vaucluse, der Wasser des Flusses Sorgue in die Stadt bringt. Vier Wasserräder bezeugen heute noch den Boom der Textilindustrie zwischen dem 14. und 19. Jahrhundert, die sich am Kanal ansiedelte.
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte die Herstellung von Indiennes in der Rue des Teinturiers Konjunktur. Indiennes waren mit gravierten Druckplatten bedruckte Stoffe u.a. für Wandbehänge. 1840 arbeiteten in 19 Fabriken fast 1000 Arbeitern. Die Bezeichnung Indiennes (Indianer) entstand, weil solche Stoffe ursprünglich aus Indien bezogen wurden.
Jetzt sind hier im Schatten großer Ulmen viele kleine Cafés und Restaurants und Stände mit Kunsthandwerk und Schmuck.
(25) Markthalle Les Halles
Das Besondere der Markthalle von Avignon (Bau von 1972) ist ihre zum Place Pie hin begrünte Fassade, die es seit 2005 gibt und die die Markthalle und die darüberliegende Parkgarage begrünt. Je nach Jahreszeit ändern sich die Farben der Pflanzen.
Châteauneuf-du-Pape
Die Päpste wohnten nicht nur im Papstpalast in Avignon. Papst Johannes XXII. ließ sich auf halben Weg nach Orange, in dem zum Papststaat gehörenden Comtat Venaissin, knapp 20 Kilometer nördlich von Avignon, ein Schloss als Sommerresidenz, Chateauneuf-du-Pape, bauen. Im 18. Jahrhundert verpachteten die Erzbischöfe von Avignon den Besitz an einen irischen Baron. Von dem Schloss ist nur noch eine Ruine erhalten.
Johannes XXII. erwarb im damaligen Castrum Novum Calcernerii, dem heutigen Chateauneuf-du-Pape, vier Weinberge. Sie sollten der Versorgung der Kirchen mit Messwein dienen und auch den Weinkeller der Kurie füllen.
Die päpstlichen Weinberge bildeten den Grundstock für das heute etwas über 3000 Hektar große Weinbaugebiet Chateauneuf-du-Pape, das auch Gebiete von Nachbargemeinden umfasst. Die Weinflaschen werden mit den gekreuzten Schlüsseln Petri und der Tiara, der Papstkrone, gekennzeichnet. Zu welchem Weingut die Weinberge des Papstes jetzt gehören, habe ich allerdings nicht herausfinden können.
Safran der Päpste
Neben dem Weinanbau besorgten die Päpste auch den Anbau von Safran für die päpstliche Küche. Es galt als teuerstes Gewürz der Welt und ist auch immer noch teuer. Die Päpste ließen die Safran-Krokusse in der Region westlich von Avignon (Departement Vaucluse), am Fuß des Mont Ventoux anbauen. Vaucluse wurde zum größten Safran-Erzeugergebiet Frankreichs. Der Schwerpunkt war in Carpentras, auf halber Strecke zwischen Avignon und dem Mont Ventoux. Hier gab es im 17. Jahrhundert mehr als 160 Safranbauern. Im 19. Jahrhundert verschwand die Safranerzeugung fast vollständig. Im Vaucluse gibt es jetzt nur noch ein halbes Dutzend Safran-Bauern.
Safran wird aus den Blütenfäden der
Krokusse gewonnen. Um ein Kilogramm Safran zu erhalten, müssen die Stängel aus
150.000 Blüten von Hand herausgezupft werden. Safran-Krokusse sind aus einer Krokus-Mutation entstanden und
vermehren sich nicht über Samen, sondern nur vegetativ durch Brutzwiebeln (die
kleinen Tochterzwiebeln, die sich an der Mutterzwiebel bilden).
Abschluss im Ma Belle Cousine in der Rue Felix Gras
Der Abschluss dieses Reiseberichts ist der nächste Beitrag mit der Fahrt durch Lavendel-Felder nach Avignon und dem Ausflug zur Pont du Garde.
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