SPANIEN – DURCH DIE NÖRDLICHEN REGIONEN

Mai 2017

2. Teil: Die Land-Route nach Santiago de Compostella                                    

                                                                                          
(2) San Sebastian (baskisch Donostia) Baskenland
10. und 11. Mai 2017 
Hotel Husa Europa in San Sebastian

Von Bilbao sind wir zunächst in Richtung Pyrenäen und französischer Grenze nach San Sebastian gefahren, mit einem Abstecher an die Küste bei Zumaia (auf halbem Weg zwischen Bilbao und San Sebastian). Hinter grünen Wiesen und Weiden ist die Steilküste, an der wir (bei Ebbe) die Wellenstrukturen der gefalteten Gesteinsschichten gut sehen konnten (die Geologen nennen das Flysch, vor Millionen Jahren aus Sandstein- und Tonschichtungen entstanden).

San Sebastian ist das Seebad Spaniens. Es war die Sommerresidenz der spanischen Könige und lange Zeit deren Sommer-Hauptstadt. Und wie bei den Kaiser-Bädern an der Ostsee zog die königliche Präsenz in San Sebastian auch die bürgerliche Gesellschaft an.

Der Ursprung von San Sebastian soll ein Kloster sein, das Anfang des 11. Jh. urkundlich erwähnt wird. Die Könige von Navarra bauten in der Bucht ihren zentralen Hafen, dessen Funktion aber im 14. Jh. auf Bilbao überging.
Der Aufstieg zum Seebad begann Ende des 19. Jh..

Die Stadt war eine Hochburg des baskischen Unabhängigkeitskampfes der ETA (Beginn 1959 während der Franco-Herrschaft bis zum Waffenstillstand 2011). Der Friedensschluss mit der ETA wurde im Palacio Aiete unterschrieben. Der Palast war die Sommerresidenz Francos Heute ist der Palast das "Haus des Friedens und der Menschenrechte" als Mahnung an den Franco- und ETA-Terror.

Eine unendliche Auswahl an Pintxos

San Sebastian ist auch bekannt als Sterne-Stadt (Die Restaurants haben insgesamt 46 Michelin Sterne). Wir haben aber etwas preiswerter und gut in den Pintxos-Restaurants gegessen. Das hohe Niveau der baskischen Küche wird in San Sebastian auch von über 100 Gastronomischen Gesellschaften gepflegt. Sie  kochen gemeinsam (meist Männer) und Nichtmitglieder können bestenfalls als deren persönliche Gäste teilnehmen. Wir hatten also keine Chance.    

Mondän ist das Rathaus an der Promenade. Es ist ein ehemaliges Spielcasino (1914 bis 1918, nur eine kurze Zeit, aber mit Prominenz: Mata Hari, Leo Trotzki und Maurice Ravel waren dort). Die Häuser an der Promenade sind eher einförmig, von einigen Villen abgesehen. Dazu gehört auch die spanische Königsvilla Palacio Miramar, 1889 im englischen Stil gebaut, heute allerdings durch die nah daran vorbeiführende Straße kein Erholungsplatz mehr.
Kathedrale Buen Pastor
2016 war die Stadt zusammen mit Breslau Kulturhauptstadt (das ist ein Titel, der jedes Jahr von der Europäischen Union vergeben wird, der die Vielfalt und Gemeinsamkeit des kulturellen Erbes Europas bewusst machen soll).
Überragend ist die Kathedrale Buen Pastor (zum guten Hirten), 1897 geweiht und im neugotischen Stil erbaut.
Am Hauptplatz der Altstadt, der Plaza de la Constitución, werden die Nummerierungen der Balkone bis heute gepflegt. Die Balkone waren die Logenplätze der Stierkampfarena, als die der Platz genutzt wurde. Die Nummern kennzeichneten die Logenplätze. Insgesamt hatte San Sebastian im Laufe der Zeit 12 Stierkampfarenen.
Einen schönen Überblick über die Bucht und die Stadt hat man vom Monte Igueldo, auf den wir mit der Seilbahn gefahren sind. Gegenüber liegt der Monte Urgull. Dazwischen in der Bucht Bahía de la Concha (Muschel) ist die Isla de Santa Clara (auch Schildkröten-Insel genannt, wegen ihrer Form).

Am zweiten Tag in San Sebastian führte uns ein Abstecher Richtung französische Grenze nach Fuenterrabia (baskisch Hondarribia).

Parador-Hotel in der Burg KarlV.
Die Hafenstadt Hondarribia hat eine fast vollständig erhaltene Stadtmauer, die die historische Altstadt umschließt. Der Legende nach soll die Stadt im 6. Jh. von Westgoten gegründet worden sein. Im Mittelpunkt steht die Burg Karl V. (spanischer König und deutscher Kaiser aus dem Haus Habsburg, s.u. Geschichte), der sie als königlichen Palast umbauen ließ (16. Jh.). Errichtet wurde sie als Festung schon im 10. Jh. durch den König von Navarra. Heute ist der Burg-Palast ein Parador-Hotel.

Paradores de Tourismo de España ist eine staatliche Hotelkette. Gegründet wurde sie Anfang des 20. Jh.. Die Organisation hat das Ziel, historische Gebäude zu nutzen und damit zu erhalten und mit dem Tourismus wirtschaftlich schwächere Gebiete zu fördern. Die Paradores gelten als sehr gut geführte Hotels. Für Leon und andere Städte, in denen wir waren, kann ich das bestätigen, für Ribadeo und Santillana del Mar leider nicht.


(3) Burgos (Castilla y Leon)                                                                        
12. Mai                 
NH-Hotel Palacio de Burgos, ehem. Kloster     

Nach San Sebastian war Burgos die nächste Station. Auf dem Weg lag Vitoria-Gasteiz, die Hauptstadt des Baskenlandes. Vitoria heißt die Stadt auf Spanisch, Gasteiz auf Baskisch. Als offiziellen Namen hat man beide Sprachformen zusammengefasst. An Vitoria-Gasteiz sind wir vorbeigefahren. Wir wollten nicht zu spät in Burgos sein. Trotzdem war die Zeit dort knapp. Wenn wir noch einmal eine solche Reise planen, werden wir immer gleich zwei Übernachtungen für einen Ort vorsehen. Die Zeit braucht man, um die Sehenswürdigkeiten zu sehen und den Ort zu erleben.

Burgos (Castilla y Leon) wurde im Jahr 850 als Befestigung im Kampf gegen die Mauren gegründet. Im 10 Jh. wurde Burgos Hauptstadt der Grafschaft Kastilien und danach 1037 bis 1087 des Königreichs Kastilien-Leon (1087 wurde die Hauptstadt nach Toledo verlegt).
Vom 12. bis 16. Jh. war Burgos Zentrum des spanischen Wollhandels. Dank eines königlichen Handelsmonopols für Merinowolle.
Im spanischen Bürgerkrieg Sitz der nationalistischen Gegenregierung unter Franco.
Heute ist Burgos Hauptstadt der autonomen Region Kastilien-Leon.

Kastilien und León (Castilla y León) ist autonome Gemeinschaft mit den Provinzen Ávila, Burgos, León, Palencia, Salamanca, Segovia,. Es ist die größte Region Spaniens und umfasst die Nordmeseta nördlich von Madrid (Meseta ist das im Zentrum Spaniens liegende Hochland). Flächenmäßig ist sie die größte Region, aber dünn besiedelt.
Rd. 2,5 Mio. Einwohner (durch Abwanderung leben heute genau so viel Einwohner wie vor 400 Jahren).

Hauptstadt ist Valladolid.
Landwirtschaft bestimmt die Wirtschaft (Im 18. und 19. Jh. Getreidelieferant für Madrid). Industrie ist i.w. nur in der Hauptstadt Valladolid (Renault-Autowerke).
BIP Kastilien und Leon 86 % 
(EU 100 %, Spanien 90 % , Deutschland 124 %).

Herausragend ist die Kathedrale Santa Maria, ein prächtiger und monumentaler, gotischer Kirchenbau. Als wir dort waren, wurde der Platz vor der Kirche gerade geschmückt. Burgos feierte sein Blumenfest.

Kathedrale in Burgos

Den Bau der Kirche veranlasste der König von Kastilien im Jahr 1221, um mit einer großen Bischofskirche die Bedeutung seines Landes zu demonstrieren (1217 war er als Ferdinand III König von Kastilien geworden. 1230 fasste er Kastilien, Leon, Asturien und Galicien zu einem Königreich zusammen. Es war die Grundlage für die Befreiung Spaniens von der maurischen Herrschaft.). Nach der Fertigstellung des Hochaltars 1260 ruhte der Bau aber während 200 Jahre. Warum? 1275 begann eine wirtschaftliche Krise, Agrarproduktion und Bevölkerung gingen zurück. Zwischen Adel und König kam es zu Auseinandersetzungen um Macht und Finanzeinnahmen. Vielleicht waren das die Gründe? 1440 wurde dann der Bau durch den Kölner Dombaumeister Johannes von Köln fortgeführt (die Türme der Kathedrale gleichen denen des Baseler Münsters).

Der spanische Nationalheld der Reconquista (der Rückeroberung Spaniens), El Cid (Rodrigo Diaz de Vivar), ist in der Kathedrale begraben (11. Jh.). Gekämpft und geherrscht hatte er zuletzt in Valencia, in der Nähe von Burgos wurde er geboren.

Das Gebäude unseres Hotels war ein früheres Kloster, im 15. Jh. gegründet. Es war kein Paradores-Hotel, hätte aber von der Historie und der Ausstattung durchaus eines sein können. Die ursprünglich zum Kloster gehörende Kirche Iglesia de Nuestra Señora Merced ist immer noch ein aktives Gotteshaus des Jesuitenordens.

Von der alten Stadtbefestigung ist das Stadttor Arco de St. Maria aus dem 14. Jh. erhalten. In der Altstadt ist die Casa del Cordón. Hier wurde Kolumbus nach seiner zweiten Amerikareise 1496  von den Katholischen Königen empfangen, obwohl er entgegen seiner Ankündigung keine Goldvorkommen gefunden hatte. (Auch seine dritte Amerika-Fahrt war nicht erfolgreich, inzwischen hatte Vasco da Gama für Portugal den Seeweg nach Indien entdeckt, den Columbus mit seiner ersten in Amerika endenden Fahrt finden wollte.). 1515 wurde in der Casa del Cordón von der Cortes (Ständeversammlung)  die Zugehörigkeit des Königreichs Navarra  zur Krone von Kastilien  beschlossen (nachdem 1512 Navarra erobert worden war). Jetzt ist in dem Gebäude eine Bank.

Eine der Bronzetafeln: Die Kathedrale
Das Castillo de Burgos ist nicht weit von der Kathedrale entfernt auf einem Hügel. Hier hat man einen schönen Blick über die Stadt und ihre Sehenswürdigkeiten. Gebaut wurde die Festung während der Reconquista (um 884) zur Sicherung von Burgos. In der Zeit Napoleons besetzten französische Truppen die Burg. Auf der Terrassenmauer sind die Sehenswürdigkeiten der Stadt auf Bronzetafeln in der jeweiligen Blickrichtung abgebildet (Catedral, Arco Fernán Gonzales (Triumphbogen einer Familie), Casa del Cordón, Monasterio de la Hueldas, El Cid).

Das Monasterio de la Hueldas, etwas außerhalb der Altstadt,  wurde 1187 als Zisterzienserinnen-Abtei gegründet. Das Gebäude war zuvor königliche Residenz in Burgos und wurde vom König dem Orden gestiftet. Es war ein reiches Kloster, ausgestattet mit 60 Herrschaften und Dörfern, und diente als Begräbnisstätte der Königsfamilie.

Die Landschaft um Burgos muss reichlich Wiesen und feuchte Biotope haben. Mitten in der Stadt und in der ganzen Umgebung sahen wir zahlreiche besetzte Storchennester.


(4) Leon (Castilla y Leon)      
13. Mai
Hotel Parador Leon, ehem. Convento San Marco       

Von San Sebastian aus sind wir zunächst durch das Kantabrische Gebirge in südwestlicher Richtung gefahren. Vor Burgos haben wir die Hochebene der nördlichen Meseta erreicht, die im Süden bis an den Duero reicht, der in Richtung Portugal fließt. Durch diese Hochebene sind wir von Burgos bis Leon gefahren.

Der Ursprung Leons ist ein römisches Militärlager (74 n.Chr.). Von hier aus wurden die aufständischen Bergbewohner Asturiens und Kantabriens kontrolliert. Außerdem mussten die Goldtransporte aus den Minen in den Las Médulas (s.u.) gesichert werden.  Die Reste einer römischen Stadtmauer sind noch in der Altstadt erhalten.
Nach den Römern kamen die Westgoten. 712 erfolgte die Eroberung durch die Mauren. 856 erfolgte die Rückeroberung durch den König von Asturien. 914 wurde Leon die Hauptstadt des gleichnamigen Königreichs. In einem Feldzug der Mauren wurde sie zerstört und anschließend wieder aufgebaut. Sie war eine wichtige Station auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela.

Convento San Marco

In Leon erwartete uns das ehem. Kloster Convento de San Marco, unser Parador-Hotel in Leon. Ein großer und prächtiger Renaissance-Bau, die Außenfassade (über 100 m lang) und die Inneneinrichtung gewaltig und schön. Die zum Convento gehörende Kirche ist als Hochzeitskirche beliebt. Wir erlebten gleich zwei im Stundentakt.
                                                                                                                             
Das Gebäude des Convento de San Marco wurde von den Katholischen Königen als Klosterbau im 16. Jh. in Auftrag gegeben. Das Eingangsportal und der Uhrenturm entstanden mit der westlichen Fassade 150 Jahre später.
Vorgängerbau ist ein Pilgerhospiz aus dem 12. Jh. Dann befand sich hier das Haupthaus des Santiago-Ordens. Der Orden wurde als Ritterorden zum Schutz der Pilger auf dem Weg nach Santiago de Compostela gegründet (am Schutz der Pilger beteiligten sich und verdienten auch andere Orden, so der Templerorden). Die Santiago-Ordensritter nahmen auch an der Reconquista teil und besiedelten nach der Rückeroberung  große Regionen in Andalusien und Murcia. Im 16. Jh. ging die Ordensleitung auf die Krone Spaniens über (nach der Vereinigung von Kastilien und Aragón).
Während des Spanischen Bürgerkriegs war in dem Gebäude ein Konzentrationslager, in dem zahlreiche Franco-Gegner ermordet wurden. Seit 1964 befindet sich in einem Teil des Komplexes das Parador-Hotel.

Das 16. Jh. ist das Siglo de Oro, das Goldene Zeitalter Spaniens. Nach dem Abschluss der Reconquista und der Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus stieg Spanien zur wirtschaftlichen und politischen Macht in Europa auf.

Verfassungsgeschichtlich interessant ist die Basilika San Isidor, vom 10. bis 12. Jh. im romanischen Stil gebaut. Es ist die Grabstätte des heiliggesprochenen Isidor von Sevilla. Er war im 7. Jh. ein bedeutender Kirchenlehrer der Westgotenzeit und einer der bedeutendsten Gelehrten des Frühmittelalters.
1188 fand in der Basilika des Klosters San Isidor die erste Cortes im Königreich Kastilien statt, an der auch Vertreter der Städte (neben Adel und Klerus) teilnahmen.

Gemeinhin wird das englische Parlaments-System als Ursprung des Parlamentarismus angesehen. Aus königlichen Beratern entwickelte sich der Rat der Könige (Kleriker, Adlige, Ritter der Grafschaften), der nach und nach Mitspracherechte erkämpfte, u.a. bei der Steuererhebung und der Budgetaufstellung. 1265 trat in Westminster Hall erstmals ein Rat zusammen, an dem auch Vertreter der Städte (Bürgerliche) teilnehmen durften. Dies gilt als Ursprung des heutigen Unterhauses.
Die Cortes von Leon war aber schon 1188  unter Beteiligung von Vertretern der Städte zusammengetreten und wird darum von der UNESCO als das älteste dokumentierte Zeugnis des europäischen parlamentarischen Systems bezeichnet.

Eines der Glasfenster
Beeindruckend waren die Glasfenster der gotischen Kathedrale Santa María de Regla (die Fotos können das nur teilweise wiedergeben). Einige Fenster sind zumindest teilweise noch aus dem 13. Jh..


Ursprünglich waren auf dem Grundstück der Kathedrale die Thermen einer römischen Legion (1. Jh. n.Chr.). Während der Reconquista wurden die  Bäder als königlicher Palast genutzt. Nach einem Sieg über die Araber ließ König Ordoño von Leon die   Kirche des Palastes als Kathedrale umwandeln. Danach erfolgte der Bau einer Romanischen Kathedrale (1073 geweiht). Darauf folgte die gotische  Kathedrale, deren Bau 1205 begonnen und erst im 15. Jh. beendet wurde.

Noch zu erwähnen ist die Casa Botines, ein Frühwerk des spanischen Architekten Antoni Gaudi in der Art des katalanischen Jugendstils, Ende des 19. Jh. gebaut. Er hat das Haus als Sitz der Textilhändler Leons entworfen. In den unteren Etagen waren die gewerblichen Räume, darüber Wohnungen.                                                                         
Gaudis Architektur war uns schon bei einer früheren Reise in Barcelona aufgefallen (u.a. die noch immer nicht vollendete Sagrada Familia). Am nächsten Tag sollten wir dann ein noch prächtigeres Bauwerk von Gaudi in Astorga sehen.

Langweilig und nicht sehr ansehnlich war die Altstadt und der Plaza Mayor, obwohl im Reiseführer als malerisch beschrieben. Das ganze machte einen heruntergekommenen Eindruck.



(5) Santiago de Compostela (Galicien)                                                   
14. und 15. Mai                
Hotel Monumento San Francisco      

Von Leon nach Santiago de Compostela haben wir fast durchgängig die Landstraße gewählt. Zum einen um etwas mehr vom Land zu sehen (vorher sind wir meist auf der Autobahn gefahren, weil sonst die Zeit in den Orten zu knapp geworden wäre). Zum anderen um über Astorga und Ponferrada zu fahren. Beides noch Orte in Kastilien und Leon. Zwischen Astorga und Ponferrada lag dann noch ein kleiner Ort, Castrillo de los Polvazares, der in seinem ursprünglichen Zustand des 16. Jh. erhalten ist.

Als wir aus Leon herausgefahren sind, haben wir gesehen, auf welcher Route wir uns befanden. Der Pilgerweg nach Santiago de Compostela war neben unserer Straße. Es ist nicht übertrieben, wenn wir auf dieser Strecke an etwa 20 Pilgern pro km vorbeigefahren sind. Viel Einzelwanderer aber auch kleine Gruppen, recht zügig voranschreitend – es war ja am Morgen. Der Pilgerweg ist sehr gut ausgeschildert. Überall befinden sich Wegzeichen und natürlich das Kennzeichen der Santiago-Pilger, die Jakobs-Muschel.

Die Jakobsmuschel ist das Erkennungszeichen der Pilger. Sie tragen sie am Gürtel oder am Hut. Ursprünglich (bis zum 13. Jh.) diente die Muschel als Beweis, dass man den Weg bis Santiago bewältigt hatte. Sie wurden am Wallfahrtsort verkauft (damals ein gutes Geschäft und heute auch noch).  Manche Wallfahrer beendeten ihre Wanderung aber auch erst am Kap Cabo Fisterra, 60 km westlich von Santiago, am „Ende der Welt“ (s.u. Geschichte) und sammelten die Muschel selber am Ufer.

Natürlich gibt es auch für die Jakobsmuschel eine Legende. Danach ritt ein Ritter dem Schiff mit dem Leichnam des Jakobus entgegen, versank im Meer und wurde von (dem toten) Jakob wundersam gerettet. Er war mit Jakobsmuscheln (eine Kammmuschel-Art, die im Mittelmeer und Atlantik vorkommt) übersät. Das Erkennungszeichen der Pilger und auch des Heiligen Jakobs (er wurde auf Gemälden mit der Muschel am Hut oder am Gürtel abgebildet) war geboren.

Mehrere Wege führen als Jakobsweg durch ganz Europa zu dem angeblichen Grab des Apostels Jakobus in Santiago des Compostela. Der Hauptweg ist  der Camino Francés, der die Königsstädte Jaca (Region Aragon, Hauptstadt des Königreichs Aragon ab 1035), Pamplona (Region Navarra, Hauptstadt des Königreichs Navarra ab 905 bis 924), Estella (Region Navarra, Könige von Navarra?), Burgos (Region Kastilien und Leon, Krönungsstadt der Könige von Kastilien ab dem 11. Jh.) und León (Region Kastilien und Leon, Hauptstadt des Königreichs Leon ab 914 für rd. 200 Jahre) verbindet.  Die Route entstand im 11. Jh..
Der Camino de la Costa ist die Küstenroute des Jakobsweges mit den Städten San Sebastian, Bilbao, Santander, Ribadeo und Gijón.

Im vergangenen Jahr (2016) wurde die größte Pilgerzahl in neuerer Zeit erreicht (278.000, 1970 wurden nur 68 Pilger gezählt!). Scheinbar erst ab dem Jahr 2.000 sind die Pilgerreisen wieder „in Mode“ gekommen. Erst 1980 begann ein spanischer Priester, den Camino Francés mit gelben Pfeilen zu markieren.

Unsere Fahrtroute von San Sebastian nach Santiago de Compostela war ab Burgos weitgehend entlang der Hauptroute des Pilgerweges. Die Rückfahrt von dort nach Bilbao verlief teilweise entlang der Küstenroute. Wir haben auch den Pilgerweg „probiert“. Ein kleine Wegstrecke sind Uschi und ich auf dem Pilgerpfad gewandert. Das war später in Santillana del Mar.

Über Astorga sind wir wegen Gaudi und dem von ihm entworfenen Palacio Episcopal gefahren.
Den Bischofspalast Palacio Episcopal hat Gaudi für den mit ihm befreundeten Bischof von Astorga entworfen Von 1889 wurde mit Unterbrechung bis 1915 gebaut. Aber der Palast wurde von den nachfolgenden Bischöfen nie bezogen. Während des Spanischen Bürgerkriegs residierte hier die Falange (rechte Bewegung in Spanien und  spätere Staatspartei des Diktators Franco).  Nach dem Weltkrieg ließ der Bischof den Palast als Bischofssitz restaurieren, aber dem Nachfolger war der Bau wohl zu extravagant, er widmete den Palast als Museum um.

Bischafspalast Palacio Episcopal


Der Bischofspalast ist ein großes und ansehnliches Repräsentationsgebäude. Eine bauliche Verbindung von Kirche, Präsentation der Macht des Amtes, Residenz und Wohnung. Das Gebäude ist protzig, aber dennoch mit Charme und Würde. Doch  dem damaligen Bischof ist zuzustimmen, den Palast nicht als seinen Wohnsitz zu nehmen. Die gedankliche Verbindung zu dem Bischof von Limburg und seinem unrühmlichen Abgang wegen des zu aufwendigen Neubaus der Bischofswohnung ist schon da.

Ein Kapitel aus römischer Zeit
Astorga hat nicht nur Gaudi. Es ist eine alte Römerstadt. Im Keller des Bischofs-Palastes werden Ausgrabungen aus der Römerzeit gezeigt. Die Köpfe auf einem der Kapitelle sind mir wegen ihrer Ausdruckskraft aufgefallen.  In der Stadt ist eine römische Abwasserleitung teilweise freigelegt. Die heute im Schatten des neuen Bischofspalastes stehende Kathedrale ist aus dem 15. Jh. und Bischöfe sind in Astorga seit 250 n.Chr. nachgewiesen.

Zwischen Astorga und Ponferrada, in den Bergen der Montes de Leon,  lag Castrillo de los Polvazares, ein kleiner Ort, der im 16. Jh. „stehen geblieben“ ist. Die Häuser sind aus Naturstein gebaut. Die Straßen sind sehr uneben gepflastert, für Pferde-Fuhrwerke halt und nicht für Autos. Die Einwohner konnten sich die recht großen Häuser aus den Einkünften als Wanderhändler leisten.

Die Burg der Templer

Ponferrada, wie Astorga nicht weit von Leon entfernt, besitzt ein beachtliches Zeugnis des mittelalterlichen Pilgerweges. Es ist die noch heute gut erhaltene Festung des Ritterordens der Templer aus dem 12. Jh. zum Schutz der Jakobs-Pilger (vor  Arabern und Räumern). Die Größe der Burganlage lässt darauf schließen, dass von hier aus auch der Kampf gegen die Mauren organisiert wurde.

Der Templerorden wurde zwischen 1118 und 1121 in der Folge des Ersten Kreuzzugs zum Schutz der Pilger auf dem Weg nach Jerusalem gegründet und unterstand direkt dem Papst. In Spanien unterstützte der Orden den Kampf gegen die Mauren. Er  erhielt dafür große Ländereien und politischen Einfluss. 1312 wurde der Orden im Machtkampf zwischen dem französischen König und dem Papst aufgelöst. Das Vermögen ging u.a. an den Johanniter-Orden und an in Spanien und Portugal neu gegründete Orden. Die 16.000 m² große Festungsanlage in Ponferrada erhielt das Königshaus von Kastilien und Leon.
           
Der Ursprung von Ponferrada ist eine Brücke für die Pilger des Jakobswegs aus dem  11. Jh.. Weil das Hochwasser jedes Jahr die Holzbrücke wegspülte, wurde sie mit Eisen verstärkt und der Ort erhielt so seinen Namen (pons ferrata – Eisenbrücke - es war aber keine Eisenbrücke, die erste Eisenbrücke wurde erst 1779 in England gebaut). Eisengewinnung jedoch gab es in Ponferrada schon in der Römerzeit. Doch Eisen war für die Römer in der Gegend nicht das wichtigste Metall, das war Gold. Das Gold aus den Minen von Las Médulas.

Dorthin sind wir von Ponferrada aus gefahren, nach Orellán in die Médulas-Berge. Hier hatte das Römische Reich seine wichtigste Goldmine (in der Zeit Kaiser Augustus 29 – 19 v.Chr. erobert). Die Berge mit goldhaltigem Gestein wurden untertunnelt und dann mit Wasser weggespült. Die Landschaft Las Médulas ist davon noch heute gekennzeichnet. Das Wasser wurde über ein 100 km langes Kanalsystem herangeschafft. 60.000 Arbeiter sollen während 250 Jahre beschäftigt gewesen sein. Interessant war der Kirchen-Baustil. Statt eines Kirchturms wurde nur eine einseitige Fassade gebaut. Und im Gegensatz zu den prächtigen Kathedralen war das Kircheninnere einfach und schlicht. Eine Dorfkirche eben.

Hinter  Astorga wurde es wieder bergiger. Hügel mit lilafarbener Besenheide (Heidekraut) und gelbem Ginster. In der Ferne sahen wir noch den letzten Schnee auf den Bergen des Galicischen Berglandes, das hinter Ponferrada beginnt. Das ist auch der Übergang von der Region Kastilien und Leon zur Region Galicien.
Im Hintergrund die Galicischen Berge
Der Weg von Burgos nach Leon und dann weiter nach Ponferrada führte über die nordwestliche Meseta, eine 800 bis 900 m hohe Hochebene. Landwirtschaftlich genutztes, aber karges und steiniges Land.
Auf halbem Weg zwischen Astorga und Ponferrada kamen wir auch am Pilgerkreuz der Jakobspilger, dem Cruz de Ferro, vorbei. Es war mit Erinnerungsstücken – Halstücher, Socken und anderen Utensilien – geschmückt. Steine mit dem Namen der
Wanderer lagen unter dem Kreuz.

Galicien ist bewaldet. Dort ist etwa 30 % des gesamten spanischen Waldbestandes.  Auffallend waren die großen Eukalyptus-Anpflanzungen für die Zellstoffindustrie. Die Aufforstungen sind aber nicht unumstritten. Eukalyptus wächst zwar dreimal so schnell wie Eichen, verbraucht aber viel Wasser. Außerdem wurden in manchen Gegenden die vorher heimischen Korkeichen verdrängt.

Galicien (Galicia) ist autonome Gemeinschaft mit den Provinzen La Coruña, Lugo, Ourense und Pontevedra. Im Nord-Westen Spaniens gelegen, an Portugal angrenzend.
Rd. 2,7 Mio. Einwohner.

Hauptstadt ist Santiago de Compostela.
Klein- und mittelständische Unternehmen. Fischfang und Landwirtschaft, größere Häfen.
BIP Galicien 80 % 
(EU 100 %, Spanien 90 % , Deutschland 124 %).
           
In Santiago de Compostela war unser Hotel das Monumento San Francisco. Das Paradores-Hotel im ehemaligen Königlichen Pilgerhospital (1509 eröffnet, eines der ältesten Hotels der Welt)  war uns einfach zu teuer. Unser Hotel war in einem im 18. Jh. errichteten Franziskanerkloster. Es  hätte auch ein Paradores-Hotel sein können. Das Ursprungskloster wurde an der Stelle Anfang des 12 Jh. von dem Ordensgründer Franz von Assisi selbst gegründet. Und jetzt ist es auch wieder ein Kloster.  2005 haben 8 Franziskaner-Mönche mit Unterstützung einer Bank in dem Gebäude ein Hotel eingerichtet. Mit den Einnahmen aus dem Hotel unterhalten sie ihren kleinen Klostertrakt, die zum Kloster gehörende Kirche und ein einfaches Pilgerhospiz. Außerhalb der Pilgerzeit bietet es Obdachlosen der Stadt Unterkunft, für die auch eine Suppenküche und eine Arztstation eingerichtet wurden.

Monumento San Francisko
Santiago leitet sich aus San Jakobus (San Jago) ab, Compostela weist auf einen römischen Friedhof hin (lat. Compostum – Friedhof). Im 1. bis 4. Jh. war dort ein römisches Militärlager. Auch eine suebische Siedlung aus dem 5. bis 7. Jh. ist nachgewiesen.

Die Stadtgründung geht auf den Bau einer Kirche für das Grab des Heiligen Jakobus zurück, die sich zu einem Wallfahrtzentrum entwickelte. Das angebliche Grab des Heiligen Jakobus wurde Anfang des 9. Jh. von einem dort lebenden Eremiten entdeckt. An der Stelle ließ der  Asturische König eine Kapelle bauen, die sich zum Wallfahrtsort entwickelte. Pilger kamen aus ganz Europa. 

Jakob d.Ä. war einer der 12 Jünger Jesu, der auf Befehl von König Herodes geköpft wurde. Der Legende nach soll er zuvor in Spanien missioniert haben. Nach seinem Tod soll die Leiche mit dem Schiff an das Ende der Welt (das war damals die spanische Küste) gebracht worden sein. Für alles gibt es keine Belege. Aber in der Zeit der Bedrängung des noch christlichen Nordens durch die Mauren kam eine christliche Heilsfigur gelegen. Der Heilige Jakob soll den christlichen Rittern im Kampf gegen die Mauren erschienen sein und ihnen zum Sieg verholfen haben. So die Legende.

Ende des 10. Jh. wurde die Stadt und die Wallfahrtkirche bei einem muslimischen Überfall zerstört Die Glocken der Kirche mussten von versklavten Christen in das 1.000 km entfernte Cordoba geschleppt werden. Im Gegenzug mussten maurische Sklaven die Glocken nach der Rückeroberung während der Reconquista 1237 wieder nach Santiago bringen.

Anfang des 11. Jh. erfolgte der Wiederaufbau der Kathedrale. Der Aufstieg Santiagos zum bedeutendsten christlichen Wallfahrtsort neben Rom und Jerusalem wurde durch ein dichtes, von Klöstern betreutes, Herberge-Netz gefördert.  Im 12. Jh. hatte Santiago de Compostela als Pilgerziel den gleichen Rang wie Rom und Jerusalem.

In der Kathedrale wollten wir die traditionelle Pilgermesse besuchen. Renate Fuchs, ein Schulfreundin aus der Abiturklasse, die auch jedes Jahr für längere Zeit auf Teneriffa ist, war ein Stück des Jakobswegs schon einmal gegangen und hatte uns die Pilgermesse empfohlen. Wir müssten aber früh vor Beginn in der Kirche sein, weil die Messen sehr gut besucht würden. Wir waren rechtzeitig da und bekamen einen guten Platz mit Sicht auf den Altar und den großen Botafumeiro (galizisch, Weihrauchspender). Mehrere Helfer müssen ihn bewegen, damit es mit Schwung durch den Altarraum rauscht. Außer der liturgischen Aufgabe soll der Weihrauchkessel auch den Geruch der Pilger neutralisieren, die nach der Wallfahrt eine ganze Nacht wachend und betend in der Kirche verbringen (das haben wir aber nicht erlebt). Es soll das größte Weihrauchfass der Welt sein (Jetzt habe ich aber gelesen, dass das Weihrauchfass der Pfarrkirche St. Jodokus in Wiesental in Baden-Württemberg größer sein soll).
Aber es dauerte. Ansagen für Pilger in italienischer und deutscher Sprache (Italiener und Deutsche bilden nach den Spaniern die größte Pilgergruppe). Und dann begann eine Nonne, zugegeben mit sehr angenehmer Stimme, mit dem Einüben der Messgesänge. Das dauerte uns dann doch zu lange. Auch in die lange Menschen-Schlange zur Krypta haben wir uns nicht eingereiht. Dort ruhen nach katholischem Glaube die Gebeine des Apostels Jakobus – nachdem sie vom Heiligen Land über das Meer bis ans Ende der Welt gekommen waren und zufällig von einem Eremiten entdeckt wurden?

Die Kathedrale
Die Kathedrale ist natürlich das wichtigste Gebäude in Santiago. Sie ist auf den spanischen 1-, 2-, 5-Cent-Münzen abgebildet. Eine erste Kirche stammt aus dem 9. Jh.. Von der 1075 begonnenen Kathedrale (Wiederaufbau nach der maurischen Zerstörung) ist nur noch das romanische Südportal erhalten. An- und Erweiterungsbauten u.a. im 12. Jh. vergrößerten die Kirche auf 23.000 m² (ein Fußballfeld hat rd. 5.000 m²).

Vor der Kathedrale ist der „Praza de Obradoiro“, der „Platz der Werkstatt“. Dort waren zur Zeit des Baus der Kathedrale wahrscheinlich die Arbeitsplätze der Steinmetze und anderen Handwerker und so erhielt der Platz seinen Namen.

Gegenüber der Kathedrale ist der Palast des Erzbischofs Raxoi, der „Pazo de Raxoi“ (1766). Heute befindet sich darin das Rathaus der Stadt. Den Säulengang vor dem Eingang nutzte am Abend eine Gruppe spanischer Musikanten als Bühne.

Auf der Nordseite des Platzes ist das „Hostal de los Reyes Católicos“, das Parador-Hotel, eines der luxuriösesten und schönsten Hotels der Paradores-Kette (Eigenbeschreibung, dürfte aber stimmen).  Gestiftet wurde das Hostal von den Katholischen Königen (Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragon, s.u. Geschichte) als Pilgerherberge 1489. Es hat vier Innenhöfe aus dem 15. bis 18. Jh. (also eine längere Bau- und Erweiterungszeit) und mittendrin eine Kapelle. Es war seinerzeit die größte und am besten ausgestattete Pilgerherberge am Jakobsweg und verfügte über Ärzte, Pfleger und eine Apotheke.

Hostal de los Reyes Católicos


An der Südseite des Platzes befindet sich das „Colegio de St. Jeronimo“, ursprünglich gestiftet für arme Studenten und Künstler. Heute ist dort das Rektorat der Universität Santiago.

Am Nachmittag des zweiten Tages in Santiago haben wir einen Abstecher nach Pontevedra gemacht, vorbei an Wäldern, Weinbergen und Weideland. Alles grün. Pontevedra liegt an einem der vielen Rias der westspanischen Atlantikküste. Wir wollten uns den Ria de Pontevedra ansehen. Die Rias sind ähnlich wie die Fjorde in Norwegen tief ins Landesinnere hineinragende Meeresarme. Im Gegensatz zu den Fjorden wurden sie nicht durch Gletscher gebildet. Vielmehr sind die Rias aus durch Meerwasser überfluteten Flusstälern entstanden. Ich fand den Ria de Pontevedra  nicht so spektakulär.

Pontevedra gilt als die Hauptstadt des portugiesischen Jakobswegs, der von Lissabon aus kommt. Der Grundriss der Pilgerkirche Virxe Peregrina (jungfräuliche Pilgerin) ist an die Form einer Jakobsmuschel angelehnt.


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