Teneriffa Spaziergänge: 

Botanischer Garten
“Jardin de aclimatación de La Orotava” in Puerto de la Cruz

Februar 2019


Fast unserer Wohnung in Puerto de la Cruz gegenüber ist der Botanische GartenJardin de aclimatación de La Orotava“. „De La Orotava“ heißt der Garten, obwohl er eindeutig auf dem Stadtgebiet von Puerto de la Cruz liegt. Die Verantwortlichen von Puerto de la Cruz ärgert das. Bisher vergeblich haben sie immer wieder versucht, eine Namensänderung zu erreichen. Aber es bleibt der Garten „de La Orotava".

Die Erklärung ist ganz einfach. Damals, als der Garten entstand, gab es Puerto de la Cruz noch gar nicht. Die gesamte Küste gehörte zu La Orotava. Selbständig wurde die Hafenstadt erst 1808 und bezeichnete sich in Abgrenzung von La Orotava als „Puerto de la Cruz“. Ursprung des Ortes ist der Anlandeplatz am Barranco San Felipe (Playa Jardin). Hier lagen die Schiffe auf Reede, die Versorgungsgüter für La Orotava brachten und Zucker für den Export aufnahmen. La Orotava wurde damals wie La Laguna landeinwärts angelegt, um die Siedlungen vor Angriffen portugiesischer Piraten schützen zu können.

Es war das Jahr 1788, als der spanische König Carlos III (König von Spanien, Neapel und Sizilien) höchstpersönlich die Anweisung zur Anlegung des Gartens erließ.    
 
Zur zeitlichen Einordnung: 
1789 begann die Französische Revolution. 1799  übernahm Napoleon Bonaparte in einem Staatsstreich die Macht und wurde „Erster Konsul“, später ließ er sich zum Kaiser krönen. 1792 bis 1815 waren die Koalitionskriege europäischer Königreiche in wechselnden Koalitionen gegen die Französische Republik und später gegen Napoleons Kaiserreich.

Spanien war zu der Zeit die größte Kolonialmacht der WeltWeite Teile Süd- und Mittelamerikas sowie Mexiko und südliche Teile Nordamerikas waren unter der Kontrolle Spaniens – genauer, der Krone von Kastilien (siehe dazu im Internet-Blog „Sattel und Schuh“ den Bericht „Spanien – Rundreise durch die nördlichen Regionen“.
Das Kolonialreich bestand vom 15. Jh. bis zum 19. Jh. und in „Restbeständen“ bis Mitte des 20. Jh..

Carlos III. war der Sohn des ersten spanischen Bourbonen-Königs Phillip V., ein Enkel des französischen Königs.
Der letzte aus dem Haus  Habsburg stammende spanische König war 1700 kinderlos gestorben. Frankreich und Österreich stritten um die Erbfolge. Die Folge war der Spanische Erbfolgekrieg 1701 bis 1714. Frankreich setzte sich durch und den französischen Nachfolger auf dem spanischen Königsthron. Spanien verlor aber seine Gebiete in Italien (Neapel, Sizilien, Sardinien) und die Spanischen Niederlande. Gibraltar musste an Großbritannien (das im Erbfolgekrieg „mitgemischt“ hatte) abgetreten werden. Noch heute ist das ein Streitthema zwischen Spanien und Großbritannien.

Der nächste Erbfolgekrieg in dieser Zeit war der Österreichische Erbfolgekrieg. Maria Theresia von Österreich wurde 1740 Erzherzogin von Österreich und Königin von Ungarn und Böhmen. Dies wurde von Bayern, Spanien und Sachsen angefochten. Am Ende des Krieges wurde 1748 Maria Theresias Thronerbschaft bestätigt.

Preußen (Friedrich II.) hatte die Situation genutzt und das österreichische Schlesien erobert (Österreichischer Erbfolgekriege 1740 – 1742, dann Erster und Zweiter Schlesische Krieg, danach folgte 1756 – 1763 der Dritte Schlesische Krieg,  auch als Siebenjähriger Krieg bekannt).


Carlos III. ließ den Botanischen Garten auf Teneriffa errichten, um die von Pflanzenjägern und königlichen Expeditionen in den tropischen Kolonien Spaniens gesammelten  Pflanzen  an das europäische Klima zu gewöhnen. Danach sollten sie in den königlichen Garten in Madrid verpflanzt werden. Sollten, denn das gelang nicht richtig. Aber das merkte man erst später.

Der königliche Garten in Madrid, der „Real Jardin Botánico de Madrid“, wurde wenige Jahre vor dem Akklimatisierungsgarten in La Orotava 1755 gegründet und 1781 an den heutigen Standort neben dem Naturkundlichen Museum (Museo del Prado) verlegt. Der Akklimatisierungsgarten La Orotava ist somit der zweitälteste spanische Botanische Garten.
Als ältester Botanischer Garten der (westlichen) Welt wird der 1545 gegründete Garten der Universität von Padua bezeichnet. Allerdings entstand schon ein Jahr vorher an der Universität von Pisa ein Botanischer Garten. Und bereits seit 1492 existiert ein Gehölz-Garten, das Arboretum von Trsteno bei Dubrovnik.

Die ersten Botanischen Gärten in Deutschland wurden 1580 (Leipzig, in Verbindung mit der Universität) und 1586 (Jena, ursprünglich als Kräutergarten der Medizinischen Fakultät) gegründet.

Der Berliner Botanische Garten geht auf eine Pflanzensammlung im Obst- und Küchengarten des Berliner Stadtschlosses zurück (1573). Heute ist die Fläche der Lustgarten zwischen dem Alten Museum und dem Berliner Dom. 
Zu einem richtigen Botanischen Garten wurde später (1679) der heutige Heinrich-von-Kleist-Park an der Potsdamer Straße entwickelt, ursprünglich ein Hopfengarten für die kurfürstliche Brauerei, der dann Küchen- und Obstgarten wurde.  1809 kam die Anlage zur Friedrich-Wilhelm-Universität Berlin
Unter Carl Ludwig Willdenow errang der  Botanische Garten weltweite Anerkennung (Eine Straße am heutigen Botanischen Garten ist nach Wildenow benannt. In der Straße haben die Eltern von Tinas Partner Christian einmal gewohnt). 
Um die Jahrhundertwende des 20. Jh. wurde der Garten an die heutige Stelle zwischen der Straße Unter den Eichen und dem Königin-Luise-Platz
angelegt und 1904 eröffnet. Es war zuvor eine Feldmark, die zur Königlichen Domäne Dahlem gehörte, bis dahin ein Kartoffelacker. Die Plangenehmigung für die Verlegung bedurfte damals auch in Deutschland der kaiserlichen Genehmigung, die 1899 gegeben wurde. 
Direktor des Botanischen Gartens wurde der Botaniker und führende Pflanzenexperte Adolf Engler (die  Englerallee am Botanischen Garten ist nach ihm benannt).
Der Göttinger Alte Botanische Garten wurde 1736 kurz nach der Gründung der Universität von Albrecht von Haller (Schweizer Mediziner und Botaniker, in Göttingen Professor für Anatomie, Chirurgie und Botanik) begründet.

1791 begann das Gartenprojekt auf Teneriffa unter Leitung des Präsidenten des Obersten Rates der Kanarischen Inseln, Alonso de Nava y Grimón VI., Marqués de Villanueva del Prado. 
Sein Vorfahre war Jorge Grimón (1455 - 1545), einer der Eroberer Teneriffas. Er war ein flämischer Adliger im Dienst der Krone Kastiliens in der Reconquista. Nach der Vertreibung der Mauren aus Spanien beteiligte er sich an der Eroberung der Kanarischen Inseln.

                         
Viele Adlige hatten an der Reconquista teilgenommen. Nach der endgültigen Niederwerfung der Mauren 1492 war ihre Aufgabe in Spanien erledigt. Aber es gab eine Weiterbeschäftigung. Im gleichen Jahr der letzten Schlacht gegen die Mauren in Granada entdeckte Kolumbus Amerika.  Die darauf folgenden Eroberungen der Kanarischen Inseln und der Kolonien in Süd- und Mittelamerika waren ein passender Anschluss zur weiteren Beschäftigung der Heerführer und Soldaten..

An verschiedenen Stellen der Insel wurden Anpflanzungsversuche unternommen. Wegen der wärmeren Temperaturen im Küstengebiet von Puerto de La Orotava (heute Puerto de la Cruz) wurde dort der geeignetste Ort für Akklimatisierungen bestimmt. Das Gebiet gehörte zu der Hacienda El Durazno.

Eigentümer  des Landgutes El Durazno  war Don Francisco Bautista de Lugo y Saavedra (andere Bezeichnung: „Francisco Bautista Benitez de Lugo arias de saavedray Ponte“).

Sein Vorfahre war Alonso Fernandéz de Lugo aus Andalusien, einer der Eroberer der Kanarischen Inseln (Gran Canaria, La Palma, Teneriffa). 1496 erhielt er das vererbbare Amt des Gouverneurs von Teneriffa und La Palma. Er war ermächtigt, Ländereien auf Teneriffa und La Gomera im Namen der Kastilischen Krone zu verteilen. Das hat er dann auch gemacht und seine Mitstreiter - und seine Verwandten - bedacht. 

Sein Neffe Batolomé Benitez de Lugo erhielt 1502 „100 Fanegadas bewässertes/bewässerbares (?) Land und 300 Sequero (trockenes)“ im Orotava-Tal. Er wurde der größte Landbesitzer im Orotava-Tal. Zu den Fanegadas gehörte auch El Durazno. Die Bedingung für die Landvergabe (Schenkung) war, dass Zuckerrohr angebaut werden musste. So geschah es auch auf den Ländereien von El Durazno. Zuckerrohr war die erste große Monokultur, die nach der Besiedlung Teneriffas angelegt wurde. Erst danach kam Weinanbau und Bananen-Plantagen (siehe im Internet-Blog den Beitrag „Teneriffa-Spaziergänge: Bananen“).     

Fanegada: Spanisches Flächenmaß. 1 Fanegada war die Fläche, die man für die Ernte von 1 Fanga (Mengenmaß) Getreide benötigte. Da die Ernten in den spanischen Gebieten unterschiedlich waren, waren auch die Fanegada-Flächen unterschiedlich groß. Auf den kanarischen Inseln waren das rd. 5200 m² (etwa ½ Hektar, etwas mehr als 1/2 Fußballfeld). 100 Fanegadas waren also etwa ein halber Quadratkilometer.

Sequero: Trockenes (unbewässertes) Land, 300 Fanegadas unbewässertes Land waren eine Fläche von rd. 1,5 Quadratkilometer.

Später erbte die Ländereien der Hacienda Durazno  Francisco Bautista de Lugo (1766). Seine Schwester hatte das Gut bei ihrer Hochzeit mit dem Conde de la Gomera von ihrem Vater erhalten und  darauf das Herrenhaus „La Mansion de Durazno“ als Wohnsitz errichtet. Die Ehe blieb ohne Kinder, darum erbte der Bruder der Ehefrau das Gut.

Heute ist das Herrenhaus des Landgutes El Durazno, das „La Mansion (Villa) de Durazno“, bekannt alsCasa Abaco”, kanarisches Kulturgut, Museum und Restaurant. Bis 1970 blieb das Herrenhaus im Besitz der Familie De Lugo (Doña Margarita Machado y Benitez de Lugo 1873 – 1931 und danach ihr Sohn Don Fernando del Hoyo y Machado 1890 – 1978, VII. Marquis de San André, Bürgermeister von Orotava).

1791 trat Francisco Bautista de Lugo die benötigte Fläche für den Botanischen Garten an die Spanische Krone ab.  1792 erfolgten die ersten Anpflanzungen.

1799 besuchte Alexander von Humboldt  den Garten. Er verbrachte eine Woche auf Teneriffa auf dem Weg nach Amerika anlässlich seiner Forschungsreise nach Mittel- Süd- und Nordamerika 1799 - 1804. Er bestieg auch den Teide und untersuchte den Krater des Vulkans.

Auf Teneriffa gediehen die Pflanzen aus den Kolonien. Doch auf dem spanischen Festland war es für viele Arten zu kalt und die Verpflanzungen scheiterten. Das Interesse an dem Botanischen Garten auf Teneriffa schwand.

Erst mit dem Schweizer Hermann Wildpret ging es wieder aufwärts. Von 1860 bis 1893 leitete er als Obergärtner den Botanischen Garten. Bei seinem Antritt gab es 220 Pflanzenarten. 1879 waren es bereits 2.486 Arten. Als 1894 von ihm verlangt wurde, die spanische Staatsbürgerschaft anzunehmen, weigerte er sich und kündigte. Er machte sich als Gartengestalter und Samenhändler selbständig.

Heute gibt es im Botanischen Garten über 5.000 verschiedene Pflanzenarten und 120 Baumarten. Einige Bäume und Pflanzen stammen noch aus der Gründerzeit des Gartens. Neben der Gartenanlage wird auch ein Herbarium (Sammlung getrockneter und gepresster Pflanzen) mit 40.000 Exemplaren gepflegt. 

Der Botanische Garten hat eine Außenstelle in La Orotava, die „Hijuela (Zweigstelle) del Botánico“ mit alten Drachenbäumen und anderen subtropischen Gewächsen (hinter dem Rathaus von La Orotava). Der Garten wurde 1788 zur gleichen Zeit der Gründung des Akklimatisierungsgartens im heutigen Puerto de la Cruz dort angelegt. Auch diese Nebenstelle geht auf die Initiative von Alonso de Neva y Grimón zurück.

Seit mehr als 12 Jahren wird auf dem Nachbargrundstück des Botanischen Gartens an einer Erweiterung gearbeitet. Zunächst dachten wir, es sollten die Anpflanzungen erweitert werden. Aber falsch gedacht. Ein mächtiger Betonbau entstand. Ein Besucherzentrum in grauem Beton wurde gebaut. 2015 sollte es eröffnet werden. Aber bis heute sind die Tore zu. Warum?  Vielleicht fehlt jetzt das Geld für die Inneneinrichtung oder für das Personal. Das ist nicht unwahrscheinlich. So manches Projekt wurde in der Zeit, in der wir auf der Insel sind, ohne vollständige Finanzierung begonnen (so das Nord- und das Südkrankenhaus). Dann steht der Bau eine Weile still, bis irgendwann die restlichen Haushaltsmittel eingestellt werden können.


Bild-Bericht des Spaziergangs durch den Botanischen Garten: