Der Behrensbau
und die Anfänge der Automobile in Berlin

November 2021

Autostadt Berlin? Ja, die gab es einmal, vor mehr als 100 Jahren. Genaugenommen war aber nicht Berlin die Autostadt, sondern Oberschöneweide, damals eine selbständige Gemeinde im Süd-Osten von Berlin. Am 1. Oktober 1917, im 1. Weltkrieg, begann die AEG mit der Serienproduktion in der „Nationalen Automobilgesellschaft NAG“.

Wir waren in einer der ehemaligen Fabrikhallen der NAG, als wir mit dem „Förderverein Schloss Britz“ die Ausstellung „Unvollendete Metropole – 100 Jahre Großberlin“ besucht haben, die in einer Halle des sog. Behrensbaus ist. Dabei konnten wir auch den Behrens-Turm besteigen und den Süd-Osten Berlins im letzten Nachmittags-Licht von oben sehen. (3. November 2021)

Der Behrensbau

Der Behrensturm ist Teil des von Peter Behrens geplanten Industriegebäudes an der Spree in Oberschöneweide. Er war damals das höchste Gebäude Deutschlands (70 Meter, nur Kirchtürme waren höher).

Behrensbau und Behrensturm
Bis dahin war das Augsburger Rathaus (57 Meter) das höchste Gebäude. Aber schon nach einem Jahr musste der Turm den Titel an den nur wenig höheren Siemensturm (70 Meter) in Spandau, im Nord-Westen Berlins, abgeben. 

Heute sind das Hotel am Alexanderplatz und die Treptowers mit 125 Metern die höchsten Gebäude Berlins. Nur der Fernsehturm ist mit 368 Metern höher. Aber der ist nur ein Turm. In einigen Jahren soll der neue Estrel-Tower des gleichnamigen Hotels in Neukölln mit 175 Metern Berlins höchstes Gebäude werden.

Der Behrensbau in der Ostendstraße wurde 1917 eingeweiht. Damals war noch der 1. Weltkrieg im Gang und in dem Jahr trat die USA gegen Deutschland und Österreich in den Krieg ein und in der Sowjetunion begann die Revolution. Die Männer waren an der Front und die Frauen mussten die Produktion in den Fabriken aufrechterhalten und die neuen Fabriken bauen. Das war auch beim Bau der NAG-Fabrik so.

Das Gebäude hat einem U-förmigen Grundriss und enthält mehrgeschossige Fabrikationshallen und ein Bürogebäude. Blickpunkt und Mittelpunkt ist der quadratische Turm mit einer Treppenhalle und umlaufenden Galerien, einem Atrium gleich. Die vier Geschoss hohe Halle wurde mit einer Glasdecke abgeschlossen, sodass ein Lichthof entstand.

Der Lichthof im Behrensturm

Die Architektur ist Ausdruck der „Neuen Sachlichkeit“, die auch den Bauhausstil (Bauhaus Weimar und Dessau, von Walter Gropius gegründet) prägte.

Das Gebäude verfügte über eine eigene Wasserversorgung mit einem Hochbehälter im zentralen Turmgebäude. Eine Warmwasserheizungsanlage versorgte alle Büros und Produktionsräume. Es gab eine eingebaute Klimaanlage für alle Büroräume, eine automatische Staubsaugeranlage, eine eigene Fernsprechanlage mit 200 Anschlüssen, eine drei Kilometer lange Gleisanlage mit elektrischen Drehscheiben sowie eine Kantine mit elektrischer Flaschenreinigungsanlage, Kaffee- und Teekochapparaten.

Der Wassertank ist noch im Turm. Dass er 1949 
das letze Mal gestrichen wurde, ist auch noch zu sehen.

Auch den Paternosteraufzug gibt es noch.
Die Bezeichnung "Paternoster" - lat. Unser Vater - ist der Rosenkranz-Gebetskette nachempfunden. Der Rosenkranz hat aneinandergereihte Perlen und wurde auch als Paternosterschnur bezeichnet. Beim Paternosteraufzug sind die Kabinen wie Perlen aneinandergereiht.
Die Lampen im Turm sollen neueren Datums sein. 
Sie sollen aus dem abgerissenen Palast der Republik (dort steht jetzt das Humoldt Forum) stammen, erzählte uns die Stadterklärerin (Stadtführerin).


Peter Behrens

Der Behrensbau ist nach seinem Architekten Peter Behrens benannt. Er war der „Haus- und Hofarchitekt“ der AEG, nachdem er 1907 künstlerischer Berater der AEG wurde. Er gestaltete das AEG-Erscheinungsbild, das Corporate Design des Konzerns, das AEG-Logo, Werbeprospekte, Produktdesigns und auch die Fabrik- und Verwaltungsgebäude der AEG.

Peter Behrens (1868 – 1940) war Architekt (Autodidakt ohne Architekturstudium), Maler und Designer. Er war Direktor der Kunstgewerbeschule Düsseldorf (1903 – 1907). Später (1921) wurde er an die Kunstakademie Düsseldorf berufen. Die Innschrift „Dem deutschen Volke“ am Berliner Reichstagsgebäude hat er (zusammen mit der Kalligraphin Anna Simons) mit einer eigens dafür entworfenen Schrift gestaltet.

In Berlin gründete er ein Architekturbüro in Steinstücken (nach dem 2. Weltkrieg Westberliner Exklave), in dem zeitweise Walter Gropius, Ludwig Mies van der Rohe und Le Corbusier Mitarbeiter waren.

Neben den Industriegebäuden entwarf er für die AEG u.a. auch die Werksiedlung in Hennigsdorf bei Berlin, das Mannesmann-Haus in Düsseldorf, das Verwaltungsgebäude der Continental in Hannover, die Deutsche Botschaft in St. Petersburg

 

Emil, Erich  und Walther Rathenau

Den Auftrag für den Behrensbau gab noch der damalige Chef der AEG, Emil Rathenau (1838 – 1915). Er war der Vater von Walther Rathenau.

Emil Rathenau und der Maler Max Liebermann (Liebermann-Haus am Brandenburger Tor, Liebermann-Villa am Wannsee) hatten den gleichen Großvater, Josef Liebermann, ein Textilunternehmer. Der baute Maschinen zur Herstellung von Kattun-Stoffen (Baumwoll-Gewebe) und durchbrach damit das englische Monopol auf diese Stoffe. Er begründete das Familien-Vermögen.

Der Sohn von Emil Rathenau, Walther Rathenau (1897 geboren, 1922 ermordet), übernahm leitende Positionen in der AEG.  1912 war er deren Aufsichtsratsvorsitzender. Er hatte mit der Zeit etwa 80 Aufsichtsratsposten in der deutschen Wirtschaft.  Ab 1914 bis 1915 organisierte er die deutsche Kriegsrohstoffversorgung. Nach dem Tod seines Vaters wurde Emil Rathenau zwar „Präsident der AEG“, aber Nachfolger seines Vaters als Vorstandsvorsitzender der AEG wurde ein Weggefährte des Vaters, Felix Deutsch.

Walter Rathenau wollte vor seinem Eintritt in die AEG gern eine Offiziers- oder Diplomatenlaufbahn beginnen. Als Jude war ihm das bei dem in Preußen herrschenden Antisemitismus verwehrt. Es gab von 1885 bis 1914 keinen jüdischen Reserveoffizier. Ebenso war den jüdischen Bürgern im Kaiserreich meist eine Karriere im höheren Staatsdienst, in der Justiz oder an Universitäten nicht möglich.

Walther Rathenau wurde Mitbegründer der linksliberalen „Deutsche Demokratische Partei (DDP)“ (1918). 1921 wurde er Wiederaufbauminister. 1922 wurde er Außenminister. Im gleichen Jahr wurde er von Angehörigen einer nationalistischen und antisemitischen Terrororganisation ermordet. Die Weimarer Republik sollte durch politische Morde destabilisiert werden. Die Gruppe hatte zuvor schon den Zentrumspolitiker Matthias Erzberger ermordet und einen Mordversuch an dem SPD-Politiker Philipp Scheidemann unternommen (Scheidemann hatte 1918 die Republik ausgerufen und war kurze Zeit unter Reichspräsident Friedrich Ebert Reichsministerpräsident. 1919 bis 1925 war er Oberbürgermeister von Kassel).

Walther Rathenau wurde in der Familien-Grabstätte auf dem Waldfriedhof Oberschöneweide beigesetzt. Der Friedhof war im Auftrag seines Vaters angelegt worden.

Rathenau-Villa zwischen
Kabelwerk und Behrensbau
Ein zweiter Sohn, Erich Rathenau (1871 – 1903), leitete das Kabelwerk Oberspree (neben dem Behrensbau). Er wollte nah an der Fabrik wohnen und ließ sich neben dem Kabelwerk die Rathenau-Villa bauen. Sein früher Tod verhinderte den Einzug der Familie. Nach der Wiedervereinigung erhielten die Erben die Villa zurück und übergab sie der schon 1903 gegründeten Berliner Elektroinnung. Die stellt die Villa Start-ups zur Verfügung.

Emil Rathenau begründete 1883 die spätere „AEG – Allgemeine Elektrizitäts-gesellschaft“ mit dem Erwerb der Glühlampen-Patente für Deutschland von Thomas Edison.

Edison hatte 1880 ein Patent auf eine von ihm entwickelte Glühlampe mit einem langlebigen Kohlefaden in einem Vakuum erhalten. Daran hatte er drei Jahre lang geforscht, bis er eine Lebensdauer der Glühbirnen von 1.000 Stunden erreichte. Er ergänzte die Erfindung mit der Entwicklung von Komponenten für die Stromverbrauchsmessung und Stromverteilung. Insgesamt hat Edison über 1.000 Patente in unterschiedlichen Bereichen der Stromerzeugung und Stromverteilung, der Telekommunikation und für Verfahrenstechniken erhalten.

Das von Edison 1876 aufgebaute Labor in New Jersey in den USA ist der Ursprung der „Edison General Electric Company“. Daraus entstand die „General Electic Company“.

In Springe bei Hannover soll ein Glühbirnen-Denkmal an einen anderen Glühbirnen-Erfinder, Heinrich Göbel, erinnern. Dass er der Erfinder der Glühbirne sei, ist aber nur eine Legende. Heinrich Göbel war ein 1848 in die USA ausgewanderter Handwerker (Uhrmacher?) aus Springe. Er behauptete in Amerika, dass er vor Edison eine Glühlampe mit einem Kohleglühfaden erfunden habe, was erwiesenermaßen nicht stimmt. Seine Behauptung führte aber dazu, dass andere Glühlampen-Hersteller das Patent von Edison angriffen, um eine Stilllegung ihrer Produktion wegen Patentverletzung zu umgehen. Der Streit dauert Jahre lang, ging dann zugunsten von Edison aus.

Das Unternehmen von Rathenau erhielt zunächst den Namen „Deutsche Edison-Gesellschaft für angewandte Elektrik“ mit einer Fabrik für Glühlampen in Berlin-Mitte. Heute sind dort die „Edison-Höfe“. Es folgten Fabrikbauten im Berliner Norden (Ortsteil Gesundbrunnen).

 

Die AEG in Oberschöneweide

Ab 1910 erfolgte die Entwicklung von Fabrik- und Verwaltungsgebäuden in Oberschöneweide. Zwei Großbetriebe entstanden dort, das „Kabelwerk Oberspree“ und das „Transformatorenwerk Oberspree“. Die Edison-Company war inzwischen zur „Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft AEG“ umfirmiert worden.

Oberschöneweide ist heute ein Ortsteil des Berliner Bezirks Treptow-Köpenick. Als „Schöne Weyde“ wurde die Uferlandschaft der Spree schon zur Zeit des brandenburgischen Kurfürsten Joachim II. (1505 – 1571, er führte die Reformation in Brandenburg ein) bezeichnet.

 

Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte eine private Grundstücksgesellschaft den Wilhelminenhof, eine ehemalige Domäne, baute eine Brücke über die Spree und ein Eisenbahngleis (die Industriebahn Oberschöneweide). 1890 baute die AEG das erste Fabrikgebäude für eine Batteriefertigung (wegen des Gleisanschlusses). Es folgten das Kraftwerk Oberspree (das erste Dampfturbinen-Drehstrom-Kraftwerk in Deutschland für die großflächige Stromversorgung Berlins), ein Kabelwerk mit einem Kupferwalzwerk, einer Drahtzieherei und einem Gummiwerk.

Das Gebiet wurde ein Schwerpunkt der Elektroindustrie. In unmittelbarer Nähe zu den Fabriken entstanden die Mietshäuser für die Arbeiter.

Es war die Gründerzeit der industriellen Entwicklung des Deutschen Kaiserreichs. Nicht zuletzt die hohen Reparationszahlungen Frankreichs an das Deutsche Reich nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870 bis 1871 finanzierten den industriellen Aufbau.

 

Mit der Industrie- und Wohnbebauung wurde der Köpenicker Gutsbezirk eine selbständige Landgemeinde (1898). Nach nur 22 Jahren wurde die kommunale Selbständigkeit wieder beendet. Am 1. Oktober 1920 trat das Groß-Berlin Gesetz in Kraft. In die bisherige Stadtgemeinde Berlin wurden sechs kreisfreie Städte und Teile der umliegenden Landkreise eingemeindet. So auch Oberschöneweide.

 

Werbeplakat der NAG
1914 bis 1917 wurde für die AEG-Tochtergesellschaft „NAG Nationale Automobil-Gesellschaft AG“ ein Neubau errichtet, heute als „Behrensbau“ zur Erinnerung und Ehrung seines Architekten bezeichnet. Die Fertigungsanlagen im Kabelwerk Oberspree, wo man mit der Automobil-Fertigung begonnen hatte, reichten nicht mehr aus.

Die Automobil-Gesellschaft der AEG wurde von Emil Rathenau zusammen mit seinem Sohn Walther 1901 als „Neue Automobilgesellschaft“ gegründet und 1915 „patriotisch“ in „Nationale Automobilgesellschaft“ umbenannt. Im Werk in Oberschöneweide (1904 mit 1.400 Arbeitern) wurden PKWs, Lieferwagen, LKWs und Omnibusse (damals auch schon Doppeldecker) gebaut. Sie wurden von Benzin- bzw. Dieselmotoren angetrieben. Eine kurze Zeit wurden auch Elektromobile, hauptsächlich als Taxis (Elektrodroschken), gebaut. Sie setzen sich aber nicht durch.

In der Zeit (1905 – 1910) baute auch Siemens Elektroautos in Berlin (Siemens-Schuckert-Werke in Berlin-Siemensstadt).

1934 beendete die AEG die Automobilproduktion (1938 wurde mit dem Bau des Volkswagenwerks in Fallersleben bei Braunschweig begonnen). Im Behrens-Bau wurden Elektronenröhren für Radargeräte der Wehrmacht und Fernmeldekabel und Fernmeldeapparate gebaut.


Blick vom Behrensturm 




Jetzt hat im Behrensbau u.a. die Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW ihren Campus Wilhelminenhof. In einer der ehemaligen Werkshallen erinnert eine Ausstellung „Unvollendete Metropole“ an die Entwicklung von „Groß Berlin“ und Ideen für die Weiterentwicklung der Region bis 2070.


Die Ausstellung "Unvollendete Metropole" zeigt auch die 
Abbildungen der Rathäuser von 18 ehemals selbständigen Städten.


Den Behrensbau und die umliegenden Industrie-Grundstücke hat 1919 die „Deutsche Immobilien Entwicklungs AG (DIE AG)“, eine Berliner Projektentwicklungsgesellschaft, gekauft. In den nächsten Jahren sollen hier weitere  Büroflächen entstehen

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Die Informationen stammen meist aus Wikipedia- und           
anderen Artikeltn im Interntet, ohne Zitierung im Einzelnen.
 


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