Nicht nur Lavendel und Flamingos
Eine Rundfahrt durch die Provence.
Wilde Stiere, weiße Pferde, rosa Flamingos, weißes Gold und der Ort der legendären Zigeuner-Wallfahrt, das waren die Vorstellungen von der Camargue. Einiges von dem haben wir an den beiden Ausflugstagen gesehen. Von unserem Hotel in Arles aus sind wir an den westlichen Rand, nach Aigues-Mortes, und in den südlichen Teil, nach Saintes-Maries-de-la-Mer, gefahren.
Ausflug nach Aigues-Mortes
Von Arles an der Grande Rhone führt der Weg Richtung Westen zur Le Petit Rhone.
Wir folgen dem Flusslauf der Petit Rhone, bis sie nach Süden abbiegt, um bei Saint-Maries-de-la-Mer das Mittelmeer zu erreichen. Die Domaine de Sylvéral befindet sich unweit des Abknicks.
Die Domaine Manade de Sylvéréal ist ein typischer landwirtschaftlicher Betrieb in der Camargue mit Wein- und Reisanbau und der Zucht von Camargue-Stieren. Man kann den Betrieb besichtigen. Wir haben uns später einen ähnlichen Betrieb angesehen, den Manade de la Comtesse in der Nähe von Aigues-Mortes.
Bis nach Aigues-Mortes fahren wir etwa an der Grenzlinie zwischen der landwirtschaftlichen Nutzung und dem Sumpfgebiet mit einer Vielzahl an Salzwassersee (Etang). In diesem Gebiet sind die Weiden mit den freilaufenden Camargue-Stieren und den weißen Pferden.
Aigues-Mortes
Die historische Altstadt ist mit der kompletten Stadtmauer und ihren Toren erhalten. Ihr Name bedeutet „totes Wasser“. Die Gründung des Ortes erfolgte im 13. Jahrhundert an einer Salzwasserlagune mit Zugang zum Mittelmeer. Bis zum 16. Jahrhundert war es der einzige Mittelmeerhafen des französischen Königreichs (Marseille in der Grafschaft Provence gehörten zum Heiligen Römischen Reich) und ein wichtiger Handelspunkt am Mittelmeer, bis er durch Marseille verdrängt wurde. Später verlandete der Hafen und heute liegt die Stadt sechs Kilometer vom Meer entfernt.
Stadtmauer
Wehrturm Tour de Constance
Notre-Dame-des-Sablons
Das Gebiet um Jerusalem war 1229 durch einen Vertrag des
römisch-deutschen Kaisers Friedrich II. mit dem Sultan von Ägypten an die
Christen gefallen. Friedrich II. ließ sich zum König des Königreichs
Jerusalem krönen. Neben dem Königreich Jerusalem (Städte Jerusalem bis
Beirut) gab es noch die christliche Grafschaft Tripolis und das Fürstentum
Antiochia, die von dem muslemischen Emirat von Damaskus umgeben waren.
Im 6. Kreuzzug schifften sich die Kreuzritter in
Aigues-Mortes in Richtung Zypern ein und griffen von Zypern aus die damals
bedeutende ägyptische Festungsstadt Damiette im Nildelta an. Durch
Besetzung des ägyptischen Kernlandes wollte man die Aufgabe von Jerusalem
erzwingen. Die Aktion scheiterte, Ludwig IX. wurde gefangen genommen und kam
nur gegen ein hohes Lösegeld frei. Nach einem Zwischenaufenthalt in Jaffa im
Rumpfstaat des Königreichs Jerusalem und auf Zypern landete er 1254 an der
Küste der zum Heiligen Römischen Reich gehörenden Grafschaft Provence. Auf dem
Landweg erreichte er Aigues-Mortes, wo inzwischen sein Heer angekommen war und
abrüstete.
Den 7. Kreuzzug führt wieder der französische König Ludwig IX. an. Nach dem gescheiterten 6. Kreuzzug waren weitere christliche
Gebiete von den Muslimen eingenommen worden. 1270 stach das französische Heer
wieder von Aigues-Mortes aus in See. Zwischenziel war diesmal eine Hafenstadt
auf Sardinien. Von hier aus wurde das Sultanat von Tunis angegriffen. Unklar
ist
bis heute, warum dieses Kriegsziel gewählt wurde. Bei der
Vorbereitung der Belagerung von Tunis brach im französischen Heer die Ruhr aus.
Der König, seine Söhne und sein Bruder starben.
Auf dem Platz neben der Kirche ließ der Gemeinderat von Aigues-Mortes 1849 eine Statue des Heiligen Ludwig in Erinnerung an seine Kreuzzüge aufstellen. Der französische König Ludwig IX. wurde 1297 heiliggesprochen und französischer Nationalheiliger.
Die weißen und die grauen Büßer
Aus der Bruderschaft der Grauen Büßer entstand später die Bruderschaft der Pénitents blancs, der Weißen Büßer, ebenfalls mit einer eigenen Kapelle.
Unser nächstes Ziel war die Saline von Aigues Mortes. Wir hatten dort für den Nachmittag eine Besichtigung gebucht und noch Zeit. Die nutzten wir, um die legendären weißen Pferde und Rinder der Camargue zu sehen. An der Domaine Manade de Sylvéréal waren wir vorbeigefahren. Eine weiter Möglichkeit bot ein Besuch der Domaine Manade du Mas de la Comtesse unweit von Aigues-Mortes und des Canals du Rhone a Séte gelegen.
Canal du Rhone a
Séte
Domaine Manade du
Mas de la Comtesse
Neben der Pferde- und Rinderzucht hat die Domaine auch etwa 100 Hektar Rebflächen. Weinanbau ist in der Gegend von Aigues-Mortes seit dem 15. Jahrhundert bekannt. Um 1880 verstärkte die Compagnie des Salins den Weinanbau.
Bei
Aiges-Mortes wird das Fleur de Sel gewonnen. Ab März wird Mittelmeerwasser über ein Bewässerungssystem in Verdunstungsteiche
gepumpt. Die Sonne verdunstet das Wasser an der Oberfläche und es entstehen die
schuppenförmigen Salzkristalle. Mit einer Art Schaumlöffel werden die
Salzblumen von den Sauniers, den Salzbauern, geerntet und in Körben getrocknet.
Das ist dann das Fleur de sel.
Eine andere Sorte ist das Sel gris, das graue Salz. Es entsteht, wenn die obere Salzkruste nicht rechtzeitig geerntet wird. Die Salzkristalle wachsen weiter und setzen sich am Boden ab. Wenn es dann nach der Trocknung zusammengekratzt wird, ist es mit Mineralien und einer rötlichen Salzwasseralge durchsetzt. Das Sel gris wird zu großen Bergen aufgeschüttet, die ein Jahr lagern und dann gereinigt und weiterverarbeitet werden.
8000 Hektar (80 Quadratkilometer – Paris ist 105 Quadratkilometer groß) groß ist die Fläche der Salinenbecken. Mit einer Kleinbahn sind wir die Wege an den großen Becken vorbeigefahren. Und auf einen der Salzberge bin ich mit den meisten anderen der Besuchergruppe gestiegen. Den Abschluss der Besichtigung bildete der Besuch im Salinenmuseum.
Als wir die Saline besichtigten, waren allerdings keine Sauniers bei der Arbeit zu sehen. Deren Saison beginnt im August. Erst dann ist das Meerwasser stark genug eingedampft und der Salzgehalt der Sole hat sich verzehnfacht. Jetzt im Juli konnten wir nur an den Beckenrändern erste Salzkrusten sehen. Das Wasser in den Becken war nicht mehr blau wie das Mittelmeer, sondern merkwürdig rosa gefärbt. Natürlich haben wir danach gefragt. Die Rosa-Färbung kommt von einer Algenart, die es im Mittelmeer gibt. Dort sind sie die Nahrungsgrundlage einer kleinen Garnelenart. Steigt die Salzkonzentration des Wassers, sterben die Garnelen ab und die Algen vermehren sich stärker. Bei hoher Salzkonzentration bildet sich in den Algen ein höherer Anteil an Beta-Carotin, wodurch sie sich stark rosa färben und die Salzseen dadurch eine Rosa-Farbe bekommen.
Die Saline bei Aigues-Mortes ist mit der Saline de Giraud (an der Mündung der Rhone) die größte in der Camargue. Beide Salinen gehören zur Groupe Salins du Midi, Europas führendem Meersalzproduzenten. Die Geschichte der Gruppe begann 1856 in Aigues-Mortes, als die Salinenbesitzer eine gemeinsame Firma gründeten. Die Salzproduktion begann aber noch viel früher, schon in römischer Zeit (4. Jh. v.Chr.).
Ausflug nach Saintes-Maries-de-la-Mer
Der nördliche Teil der Camargue ist durch ein großes Kanalnetz weitgehend trockengelegt und wird landwirtschaftlich genutzt (Gemüse-, Obst-, Wein- und Reisanbau). Der südliche Teil ist weitgehend sumpfig und von zahlreichen Étang, flache Salzseen, geprägt. Hier sind die weißen Camargue-Pferde und Camargue-Rinder anzutreffen.
Unsere Fahrt von Arles nach Aigues-Mortes verlief etwa an der Grenze zwischen den beiden Landschaften. Zum Schluss unserer Tour nach Aigues-Mortes fuhren wir durch Reisfelder. Am Beginn des Ausflugs nach Saintes-Maries-de-la-Mer sahen wir Kürbisfelder neben der Straße.
Reisanbau ist ein wichtiger
Wirtschaftsfaktor in der Camargue. Mit der Eindämmung der Rhone Ende des 19.
Jahrhunderts wurde der Reisanbau intensiviert. Mehr als die Hälfte des
Getreideanbaus sind Reisfelder. Die Reisfelder werden mit Süßwasser geflutet,
was den Salzgehalt der früher von Salzsümpfen und Salzsteppen geprägten Region
allmählich verringert.
Hier werden Charentais-Melonen angebaut. Die Sorte Charentais mit orangefarbenem Fruchtfleisch macht 80 % des französischen Anbaus aus.
Bis etwa zum Chateau d’Avignon sind wir die gleiche Strecke wie am Vortag gefahren. Hinter dem Chateau biegt die Route nach Saintes-Maries-de-la-Mer nach Süden ab und führt an einer Reihe von Ètangs vorbei. Am Ètang de Ginés besuchen wir den Parc Ornithologique um die rosa Flamingos der Camargue zu sehen.
Das Chateau d’Avignon stand auf unserer Besichtigungsliste. Im 18. Jahrhundert hatte der Eigentümer des Landguts, François Joseph d'Avignon d'Arlatan, hier die ersten Gebäude errichtet. In den 1890er Jahren kaufte der Marseiller Kaufmann Louis Noilly Prat das Schloss und ließ es zum Jagdschloss umbauen. Er ließ alles installieren, was damals zur Spitzentechnik gehörte: elektrische Beleuchtung, Zentralheizung, fließendes warmes und kaltes Wasser, voll eingerichtete Badezimmer usw.. Die damalige Ausstattung ist noch vorhanden: Gemälde, Keramik, Gobelins, von der Wäsche über Küchengeräte bis zum Nachttopf.
Noilly-Prat ist eine bekannte französische Wermutmarke, die heute zu dem italienischen Unternehmen Martini & Rossi gehört, eine Tochtergesellschaft der Bacardi-Gruppe (in Kuba von einem Spanier gegründete Rumfabrik, heute in den USA ein Getränkekonzern der Familie Bacardi).
Auf das weitläufige Grundstück konnten wir noch bis vor das
Schloss fahren. Das Tor stand auf. Dann holte uns der Parkwächter ein. Privatgrundstück,
keine Besichtigung, keine Fotos, war die Ansage und hinter uns verschloss er
das Tor wieder, was er wohl versehentlich aufgelassen hatte.
Saintes-Maries-de-la-Mer
Jedes Jahr strömen am 24. Mai mehr als 10.000 Zigeuner aus ganz Europa nach Saintes-Maries-de-la-Mer um die Heilige Sara-la-Kali, die Schwarze Madonna, Schutzheilige der Zigeuner, zu verehren und um ihre Kinder zu taufen.
Neben der Sara, die von der katholischen
Kirche nicht als Heilige anerkannt wird, werden in Saintes-Maries-de-la-Mer drei andere Frauen als Heilige verehrt:
Maria von Nazareth, Marie Salomé und Maria Magdalena.. Ihre (angeblichen)
Reliquien sollen Mitte des 15. Jahrhunderts unter dem Altar der alten Kirche
gefunden worden sein.
Die Reliquien der Drei Marien wurden schon um 500 verehrt und der Ort der Verehrung wurde damals Sancta Maria de Ratis (vom Floß) genannt.
Im 9.
Jahrhundert wurde die Festungskirche Notre-Dame-de-la-Mer
an der Stelle eines griechischen Tempels errichtet (Festungskirche zur
Verteidigung gegen Überfälle, 869 hatten die Sarazenen den Bischof von Arles
bei einem Überfall gefangen genommen). Der heidnische Kult wurde durch den
christlichen ersetzt. Nach Zerstörung erfolgte der Wiederaufbau in der heutigen
Form im 12. bis 14. Jahrhundert. Der Reliquienschrein der Drei Marien ist in
der oberen Kapelle. In der Krypta befindet sich der Altar für die Heilige
Sarah.
Parc Ornithologique de Pont de Gau
Am Ètang de Ginés gelegen. Auf einer Fläche von 60 Hektar mit Teichen, Sümpfen, Feucht- und Schilfgebieten können zahlreiche Vogelarten, darunter Hunderte von rosa Flamingos, beobachtet werden.
Unweit des
Ornithologie-Parks haben wir dann auch noch die weißen Camargue-Pferde gesehen
und fotografiert. Nicht in freier Wildbahn. Dazu muss man wohl tiefer in die
Camargue-Sümpfe fahren oder gehen. Es waren Pferde auf der Koppel am Rand der
Straße nach Saintes-Marie-de-la-Mer. Wir sind bei unseren Fahrten an vielen
Reiterhöfen mit den berühmten Camargue-Pferden vorbeigekommen.