Fahrradtour Umrundung Ostberlin
September 2025
Der Berliner Mauerweg umrundet Westberlin auf dem ehemaligen Mauerstreifen der 1961 errichteten Sperrmauer zwischen Westberlin und der DDR sowie Ostberlins. 160 Kilometer ist der Rad- und Wanderweg lang.
Michael Cramer, Grünen-Politiker, damals Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, setzte sich für die Erinnerung an die Mauer durch einen Radweg auf dem ehemaligen Mauerstreifen ein. Zwischen 2002 und 2006 wurde ein Rad- und Wanderweg auf dem so genannten Kolonnenweg der DDR-Grenztruppen bzw. auf dem ehemaligen Zollweg West-Berlins errichtet.
Den Mauerweg bin ich schon gefahren. Jetzt wollte ich den anderen Teil Berlins umrunden. Dort gab es, zwischen Ostberlin und der DDR, keine Mauer. Wohl aber eine Grenze, die beachtet wurde. Die DDR-Bürger durften nicht einfach in „ihre Hauptstadt“ umziehen. Sie brauchten ein Umzugsgenehmigung und dafür brauchte man einen Arbeitsplatz in Ostberlin und man musste politisch zuverlässig sein.
Berlin, Westberlin mit Ostberlin, war nach dem 2. Weltkrieg ein Sondergebiet innerhalb der sowjetischen Besatzungszone, aus der die DDR entstand. Deutschland war zwischen den Siegermächten des 2. Weltkriegs aufgeteilt worden. Die deutsche Hauptstadt, in der sowjetischen Besatzungszone gelegen, sollte von allen vier Siegermächten gemeinsam verwaltet werden. Die Stadt wurde in vier Sektoren aufgeteilt, mit einer gemeinsamen Alliierten Kommandantur. Die war in dem Gebäude in Zehlendorf, in dem jetzt das Präsidialamte der Freien Universität seinen Sitz hat.
Als Grenze Berlins zur sowjetischen Besatzungszone wurde die Grenze zwischen dem 1920 entstandenen Großberlin (durch Zusammenlegung der bisherigen Stadtgemeinde Berlin mit umliegenden Städten und Gemeinden) und den die Stadt umgebenden preußischen Provinzen.
Das Berliner Gebiet wurde in vier Bereiche aufgeteilt. Die Sowjetarmee bekam den nordöstlichen Teil von Großberlin als Besatzungsgebiet, mit den damaligen Bezirken Pankow, Prenzlauer Berg, Mitte, Weißensee, Friedrichshain, Lichtenberg, Treptow und Köpenick in den Bezirksgrenzen von 1938 (Begradigung von Bezirksgrenzen und Gebietsänderungen der Bezirke). Am 13. August 1961 errichtete die DDR auf der Grenze zwischen dem sowjetischen Sektor und den drei Westsektoren (also innerhalb Berlins) sowie auf der Grenze der DDR zu den West-Sektoren (auf der äußeren Stadtgrenze) Grenzbefestigungen, die Berliner Mauer, um den stetig steigenden Flüchtlingsstrom zu stoppen, und zementierte damit die Teilung Berlins. Noch 2 Monate vorher hatte der Staatsratsvorsitzende Ulbricht erklärt „Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten“. Dabei hatte Honecker die Abriegelung Westberlins schon längst vorbereitet. Am Abend des 9. Novembers 1989 kam die Wende, die Mauer wurde geöffnet. Der Druck der Bürgerbewegung in der DDR war so groß geworden, dass das Zentralkomitee der SED Reiseerleichterungen zulassen wollte. Günter Schabowski, Mitglied des Politbüros, erklärte in einer Pressekonferenz die beabsichtigte Regelung so unglücklich, dass daraus die Erklärung wurde, die Mauer sei sofort geöffnet.
Zunächst auf dem Mauerweg
Für die Umfahrung von Westberlin gibt es den Mauerradweg. Für ein Umfahrung von Ostberlin gibt es allerdings kein Radwegsystem. Darum habe ich eine Fahrradroute möglichst dicht am alten Grenzverlauf geplant.
Anfahrt zunächst von Lichterfelde-West bis zum Mauerradweg in Süden Berlins. Der verläuft entlang der südlichen Bezirksgrenze von Lichterfelde. Der S-Bahnhof Lichterfelde-Süd ist nicht weit entfernt. Er wäre auch ein guter Startpunkt für die Ostberlin-Umrundung. Die Grenze mit dem Mauerstreifen biegt vom Teltowkanal bei Lichterfelde-Süd nach Süden ab und überquert die Lichterfelder Allee bzw. den Ostpreußendamm. Hinter dem Ostpreußendamm wurde auf dem Mauerstreifen 1990 eine Alle mit Kirschbäumen gepflanzt, die Asahi-Kirschblütenalle.
Die
Kirschblütenalle liegt direkt auf dem ehemaligen Grenzstreifen zwischen
Berlin-Lichterfelde und Teltow. Im April verwandelt sich der rund 1,5 km lange
Grünstreifen für wenige Wochen in ein Meer von Rosa. Über 1.000 blühende
Kirschbäume säumen dann den Mauerweg (siehe: Spaziergang durch die
Asahi-Kirschblütenallee – Link zum Beitrag).
1990 rief der japanischer Asahi-Fernsehsender zu einer Spendenaktion auf, bei der umgerechnet rund eine Million Euro zusammenkamen. Von diesem Geld wurden mehr als 9.000 Bäume in Berlin und Brandenburg gepflanzt, rund 1.100 davon auf dem ehemaligen Mauerstreifen zwischen Berlin-Lichterfelde und Teltow. Nach japanischer Tradition sollen die Kirschblüten Frieden und Ruhe in die Herzen der Menschen bringen.
Da der Weg der Kirschblütenallee zurzeit wegen Bauarbeiten gesperrt ist, bin ich vom S-Bahnhof Lichterfelde-Süd etwas weiter östlich zu dem im Süden verlaufenden Grenzstreifen gefahren, vorbei an dem größeren Wohnungsbauprojekt Neulichterfelde.
Neulichterfelde. Hier war bis 1994 am Rand Berlins ein ehemaliger Truppenübungsplatz der Amerikaner, auf dem jetzt ein neuer Stadtteil mit 2.500 Wohnungen entstehen soll. Geplant wird schon seit etwa 2015. Lange Zeit brauchte die Abstimmung mit dem Bezirk über den Freiflächen- und Wohnbauanteil. Weniger als die Hälfte der Gesamtfläche darf bebaut werden. Der Rest bleibt „Grün“. Die freibleibende Fläche, als „Grüne Mitte“ bezeichnet, liegt sinnigerweise am Südrand des Bebauungsgebietes. Gleich dahinter beginnt die offene Brandenburger Landschaft mit Acker- und Grünflächen. Zurzeit wird die Baufeldfreimachung durch ein neu entdecktes Ameisennest behindert, nachdem vorher die Umsetzung von Fröschen und Lurchen das Thema war.
Der Mauerradweg folgt den Bezirksgrenzen von Lichterfelde und dann Lichtenrades Richtung Osten.
Südlich des Baugebietes Neulichterfelde bestand auf Brandenburger Gebiet bis zum Mauerbau der Ort Osdorf. In Lichterfelde erinnert die Osdorfer Straße daran. Nach 1961 war das kleine Dorf zunächst Sperrgebiet, dann wurden die Einwohner in das benachbarte Heinersdorf umgesiedelt, die Häuser wurden abgerissen.
Nördlich Mahlow quert der Radweg die Bahntrasse der sogenannten Dresdner Bahn. Mit dem Ausbau der Bahnstrecke wurde auch eine Untertunnelung für den Radweg nach langer Diskussion gebaut. Bis dahin musste ein umständlicher Umweg auf alten Kopfsteinpflasterwegen gefahren werden.
Der Grenzverlauf umgeht den Ortsteil Lichtenrade, der wie eine Halbinsel nach Brandenburg hineinreicht. Auf diesem Wegabschnitt (an der Grenze von Lichtenrade zu Großziethen) verliere ich ein Stück den Mauerweg. Er ist hier auch nicht so gut ausgebaut und die Ausschilderung war auch unzureichend, zumindest habe ich sie nicht gesehen. Schließlich habe ich den Weg wiedergefunden.
Nach der Umfahrung von Lichtenrade stößt der Mauerradweg dann im Norden auf die Westberliner Großsiedlung Gropiusstadt. Sie wurde in den 1960er und 1970er Jahren nach Plänen von Walter Gropius in unmittelbarer Grenznähe als Trabanten-Hochhausstadt zwischen den älteren Siedlungen Buckow und Rudow gebaut.
Gegenüber der Westberliner Ortslage Rudow liegt in Brandenburg die Gemeinde Schönefeld mit dem Berliner Flughafen. Dahinter stoßen der Westberliner Bezirk Neukölln, der Ostberliner Bezirk Treptow-Köpenick und der Brandenburger Bezirk Dahme-Spreewald aufeinander. Der Mauer-Radweg folgt der Grenze und dem Mauerstreifen zwischen Neukölln und Treptow-Köpenick nach Norden.
Um Ostberlin herum
Hier verlasse ich den Mauerradweg – hier wollte ich den Mauerradweg verlassen und die Umrundung von Ostberlin beginnen. Der Mauerradweg war aber so schön ausgebaut, dass ich ihn nicht verlassen „wollte“. Bis ich das Heizkraftwerk von e-on sehe. Das ist in Neukölln. Ich war nicht auf meiner geplanten Route, sondern auf dem Mauerweg zwischen Westberlin und Ostberlin. Also musste ich wieder zurück, bis zur Überquerung der Autobahn, und von hier aus Richtung Osten und nicht Richtung Norden fahren.
Auf Westberliner Gebiet ist der Landschaftspark Rudow-Altglienicke, auf Ostberliner Gebiet stehen die zu Schönefeld gehörenden Platten-Hochhäuser. Dazwischen die verläuft die Autobahn, die ich überquere. Der Grenzverlauf zwischen den Hochhäusern und dann durch Gewerbegebiet ist unübersichtlich und folgt nicht dem Straßennetz. Die Grenze macht einen Abstecher nach Süden, am Schönefelder See östlich vorbei, und führt dann wieder nach Osten. Ich folge nicht allen Windungen des Grenzverlaufs und kürze die Strecke etwas ab.
Die nächsten größeren Orte sind Eichwalde und Schmöckwitz an der Dahme in Brandenburg. Die Grenze Ostberlins verläuft hinter Schmöckwitz in der Mitte der Dahme, die hier den Zeuthener See bildet, nach Süden, um dann am Ufer einer breiten Landzunge wieder nach Norden, Richtung Schmöckwitzwerder, zu führen. Den Weg um die Landzunge herum erspare ich mir und fahre gerade von Schmöckwitz hinüber nach Schmöckwitzwerder.
Die große Richtung ist jetzt nach Norden. Der Weg führ bei Wernsdorf über den Oder-Spree-Kanal. Der Kanal verläuft durch den Seddinsee und folgt dann der Dahme durch den Langen See, die bei Köpenick in die Spree mündet.
Der Oder-Spree-Kanal verbindet die Oder bei Eisenhüttenstadt über die Dahme mit der Spree in Berlin. Er wurde 1891 eröffnet. Zunächst wurden die Lastkähne mit einer Treidelbahn geschleppt, die später durch Schleppdampfer abgelöst wurde. Noch zur DDR-Zeit war der Kanal ein wichtiger Verkehrsweg, verlor seine Bedeutung aber nach der Wende durch den Niedergang der ostdeutschen Wirtschaft..
Mein Radweg führt nach Überquerung des Oder-Spree-Kanals durch die Gosenberge. Sie gehören zu einer Hügelkette, die sich bis zu den Müggelbergen hinzieht, durch den Seddinsee getrennt. Mit dem E-Bike ist der Anstieg leicht zu bewältigen. Aber man sieht den Höhenunterschied, wenn man in das ostwärts gelegene Tal schaut. Auf den Seddinsee stoße ich bei Gosen.
Danach fahre ich am Gosener Kanal entlang. Er verbindet den Seddinsee mit dem Dämeritzsee. (Auf der Tourenkarte sieht man am Kanal einen Abstecher Richtung Müggelheim. Hier habe ich nicht aufgepasst und den Abzweig zum Kanal verpasst. Mein zweiter Umweg bei dieser Tour).
Die Grenze zwischen Berlin und Brandenburg verläuft weiter östlich meines am Gosener Kanal entlangführenden Weges. Zwischen dem Kanal und dem Grenzverlauf weiter östlich liegt ein unwegsames Wald- und Moorgebiet. Die Torfschicht darunter soll bis zu 7 Meter mächtig sein. Die Grenze durchquert das Moorgebiet und trifft auf die Spee. Die Spree fließt in den Dämeritzsee und verlässt ihn als Müggelspree Richtung Müggelsee. Die Grenze folgt der Spree bis zum Dämeritzsee, durchquert ihn und verläuft weiter am westlichen Ortsrand von Erkner.
Bis nach Erkner
Ich umrunde den Dämeritzsee auf seiner westlichen Seite und überquere die Müglspree. Bei Erkner stoße ich wieder auf die Grenze zwischen Brandenburg und Berlin. Bis zum S-Bahnhof Erkner am nordwestlichen Stadtrand gelegen, ist es nicht weit. Hier endet der erste Abschnitt meiner Ostberlin-Umrundungs-Tour, Von Erkner fahre ich mit der S-Bahn bis zur Friedrichstraße und weiter nach Lichterfelde-West.
Erkner. Interessant ist die Herkunft des Namens. Erkner liegt an der Verbindung von Dämritzsee und Flakensee, die heute als Flakenfließ bezeichnet wird. Der Fließ hieß früher Archenow, abgeleitet von Arche, eine Bezeichnung für eine Umflut (Verbindugn) zwischen zwei größeren Gewässern. Bis 1579 hieß der Ort entsprechend Arckenow, von Arche abgeleitet. Daraus entstand der Ortsname Erkner.
In Erkner wurde die erste
große kontinentaleuropäische Teerdestillation durch Julius Rütgers (1830
– 1903) gegründet.
Bei der Teerdestillation wird das bei der
Steinkohle-Verkokung entstehende Teer destilliert und das Hauptprodukt Kreosol
(Teerpech) gewonnen. Damit wurden früher Bahnschwellen imprägniert. Das ist
seit 2002 aus gesundheitlichen und Umweltschutzgründen verboten. Ich meine
aber, manchmal noch auf den Bahnhöfen Teer zu riechen.
Julius Rütgers hatte zunächst ein Imprägnierwerk für
Eisenbahnschwellen in Erkner gebaut. Anlass für den Errichtung des Werkes war
sicher der Ausbau des Schienennetzes im Raum Berlin. Das Teerpech musste er
teuer aus England importieren.
1860 baut er in Erkner seine eigene
Teerdestillation. Den Grundstoff Steinkohlenteer bezog er von den Gaswerken
Berlins und anderer Städte. Es war ein Abfallprodukt bei der Gasgewinnung aus
Steinkohle.
Er errichtete weitere Imprägnierwerke,
insgesamt wurden es bis Ende des 19. Jahrhundert 77 Imprägnierwerke in ganz
Europa, und tränkte die Holzschwellen für tausende Kilometer Eisenbahnlinien
mit dem Teerprodukt aus Erkner.
Die von Rütgers aufgebaute Rütgerswerke AG wurde nach 1975 von der Ruhrkohle AG übernommen.
In Erkner gründeten 1910 die Rütgerswerke mit dem
belgischen Erfinder Leo Bakeland die Bakelite GmbH. Bakelit war ein
Kunststoff, der u.a. aus Phenol gewonnen wurde. Phenol fiel bei der Teerdestillation
in Rütgers Werk in Erkner an. Das Bakelit wurde u.a. an die Siemens-Kabelwerke
geliefert. Erkner wurde der weltweit erste Standort für die industrielle
Produktion von Kunststoff.
Nach dem 2. Weltkrieg wurde das Bakelitwerk
demontiert und in die Sowjetunion gebracht. Das Bakelitwerk wurde enteignet und
verstaatlicht, ebenso wie die Steinkohlenteer-Raffinerie, und in den Volkseigenen
Betrieb VEB Plasta Erkner umgewandelt. Die für den Trabant benötigten
Karosserieteile wurden aus in Erkner gewonnenen Penolharzen hergestellt.
Nach der Wende wurde der Plastikbetrieb privatisiert. Die Teerveredlung wurde 1993 eingestellt.
In Erkner wohnte der schlesische Schriftsteller und spätere Nobelpreisträger Gerhart Hauptmann von 1885 bis 1889. Erinnerungen an Erkner hat er u.a. in seinem Drama „Der Biberpelz“ verarbeitet. Das Verhalten des Amtsvorstehers von Wehrhahn im Biberpelz soll von Hauptmanns Erfahrungen mit Erkners Amtsvorsteher Oscar von Busse abgeleitet sein. Der Bahnwärter Thiel in Hauptmanns Stück „Bahnwärter Thiel“ lebte in einem Bahnwärterhäuschen an der Eisenbahnstrecke von Erkner nach Fürstenwalde. Gerhart Hauptmann lebte mit seiner Ehefrau in der Villa Lassen, die jetzt unter Dankmalschutz steht, und ein Gerhart-Hauptmann-Museum geworden ist.