Radreise von Berlin nach Danzig

September 2015

(3) Ausflug nach Jannewitz

Von Darlowko (Rügenwaldermünde) bis Ustka (Stolpmünde)

6. Tag: Darlowko – Janiewice (Jannewitz) – Ustka (Stolpmünde)

Sonntag 20. September
Übernachtung Hotel Fischerman`s House in Ustka

Die Strecke:
Darlowko (Rügenwaldermünde) – Darlowo (Rügenwalde) –  L 205  Stary Jaroslaw (Alt Järshagen) – Slawno (Schlawe) – Janiewice (Jannewitz) – Slawno (Schlawe) – Slawsko (Alt Schlawe) – Stanewice (Stemnitz) -  Postomino (Pustamin) – L 203 Zaleskie (Saleske) – Duninowo (Dünnow) -  Ustka (Stolpmünde)
78 Kilometer


Heute fahre ich, von der Ostsee-Route abweichend, landeinwärts nach Südosten zur Kreisstadt Slawno (Schlawe), dann weiter nach Janiewice (Jannewitz) und zurück Richtung Nordost wieder zur Ostsee nach Ustka (Stolpmünde). Ein Regentag und ich musste Regenjacke und Regenhose anziehen. Ich besuche den Pflichtjahr-Ort meiner Mutter.
   
Slawno (Schlawe) ist slawischen Ursprungs. Reste der Stadtmauer und zwei Backsteingotik-Türme aus dem 15. Jh. sind noch erhalten. Der Ort gab über Jahrhunderte dem „Schlawer Land“ seinen Namen, ein Gebiet, das wie kein anderes in Pommern von wechselnden Landesherren  beherrscht wurde.

Die Kirche in Slawno  ist wiederaufgebaut worden, daneben ist der Marktplatz mit Nachkriegsbauten umgeben. Viel ist zerstört worden, wenig ist erhalten.  Slawno hat noch ein Panzer-Denkmal der sowjetischen Armee (in Berlin ist das Panzerdenkmal an der Autobahn bei Klein Machnow nach der Wende „heimlich“ demontiert worden), später habe ich weiter im Osten noch ein Stähle mit Sowjet-Stern gesehen. Das waren die einzigen Erinnerungen an die Rote Armee am Weg. Häufiger waren die Erinnerungen an den polnischen Widerstand.


In Erinnerung an meine Mutter
   
Die Schule in Jannowitz

Meine Mutter war nach Abschluss der Volksschule als 14-jährige  (1938) für ein Jahr in Jannewitz/Kreis Schlawe und leistete im Haushalt des 
Dorflehrers ihr Pflichtjahr. Es muss für sie eine sehr schöne Zeit gewesen sein, sie schwärmte noch im hohen Alter davon. Der Lehrer-Haushalt versorgte sich selber und sie lernte kochen, die Hauswirtschaft und Gartenarbeit. Nach dem Krieg hatte sie noch kurze Zeit Kontakt zu der Tochter des Lehrers, die wohl gleichaltrig war. Der Aufenthalt meiner Mutter in Jannewitz ist der Anlass meiner 2. RadfahrtDie 1. war nach Plagwitz bei Löwenberg in Schlesien, der Heimat meiner Mutter.

Jetzt ist die Schule ein Wohnhaus
















(Jannewitz) ist ein kleines Bauerndorf. Der Ursprung soll slawisch sein. Der erste nachgewiesene Besitzer auf Jannewitz ist Martin von Zitzewitz (pommersches Adelsgeschlecht). Im 30-jährigen Krieg wurde der Ort fast ganz vernichtet.

Auf dem Weg nach Jannewitz wurde ich daran erinnert, dass meine Mutter auch von dem Pilzreichtum der Wälder berichtete. Im Wald entlang des Weges waren mehrere Pilzsammler unterwegs.        

Die Schule wurde in Jannewitz vor 1945 zweiklassig betrieben. Nach dem Krieg wurde das Backsteingebäude mit Schulräumen und Lehrerwohnung in zwei Wohnungen aufgeteilt, ich hätte es anhand des mitgenommenen Fotos nicht erkannt. Zwei Dorfbewohner, die ich am Ortsanfang traf und befragte, zeigten mir aber das Haus und die Bewohner bestätigten, dass das Backsteinhaus auf meinem Foto das jetzt umgebaute Haus sei.

Einer der Dorfbewohner kam gerade von der Pilzsuche mit einem vollen Eimer zurück, wohl für das Mittagessen am Sonntag. Sonntäglich war aber keiner gekleidet, den ich traf. Das Dorf und seine Bewohner sahen etwas ärmlich aus. Sie lebten offensichtlich nur von ihrer Landwirtschaft und die war wohl nicht sehr ertragreich. Vielen  Häusern sah man an, dass seit der deutschen Zeit nicht viel investiert wurde. Die Dorfstraße hat noch die Feldstein-Pflasterung von früher, mit inzwischen sehr großen Löchern. Aber die Landschaft ist schön, hügelig, mit Alleen, Äcker und viel Wald. Der Sklep-Laden des Dorfes hatte auch am Sonntag geöffnet.

Während der Vorbereitung der Radreise habe ich mich auch etwas mit der Geschichte Polens, den vier Teilungen und dem Wiedererstehen des Staates, der freien Stadt Danzig, des Deutschen Ordens und dem Entstehen Preußens beschäftigt (siehe letztes Kapitel). Es waren über lange Zeit keine guten Zeiten, geprägt von Machtkämpfen, Intrigen und  Kriegen. Die Herrscher der damaligen Zeit dachten nicht an das „Volk“, geschweige denn, dass sie es fragten. Ein Beispiel für die wechselhaften Herrscher und Machtverhältnisse ist das Land Schlawe, Mittelpunkt meiner Radreise. 

Exkurs:
Das Land Schlawe –Beispiel einer wechselhaften Geschichte 

Das erste überlieferte Herzogtum im Land Schlawe war das unter Herzog Ratibor I. ,aus dem pommerschen Adelsgeschlecht der Greifen, der bis zu seinem Tode um 1155 auf der Burg Schlawe residierte. Seine Nachkommen herrschten dort bis 1227.

Danach erwarb Swantopolk II., Herzog von Pommerellen (Herzogtum an der Weichsel, das der polnischen Krone als Lehen unterstand), das Land Schlawe. 

Lehen: mittelalterliches Herrschaftssystem. Oberster Lehensherr war der jeweilige Landesherr, König oder Herzog, der Lehen an seine Fürsten vergab. Diese konnten wiederum Lehen an andere Adlige vergeben. Lehensherr und Lehensnehmer (Vasall) verpflichteten sich zu gegenseitiger Treue. Der Lehensnehmer musste Dienste und Abgaben leisten. Ein solcher Dienst konnte auch das Halten des Steigbügels sein, „Steigbügelhalter“

Nach Swantopolks II. Tod, 1266, besetzte Herzog Barnim I. von Pommern  (das Herzogtum Pommern unterstand der Lehenshoheit des Markgrafen von Brandenburg) das Land und reichte dieses 1270 als Pfandherrschaft an Herzog Wizlaw II. von Rügen (unter dänischer Lehenshoheit stehend) weiter. 

Um 1275 wurde dieser aus Schlawe durch Herzog Mestwin II. von Pommerellen verdrängt. Mestwin II.  hatte keine männlichen Erben und schloss ohne Rücksichtnahme auf zuvor eingegangene Verträge sowie auf Erbrechte mit ihm verwandter pommerscher Herzöge  1282 mit Przemysław II., Herzog von Großpolen, einseitig einen Erbfolgevertrag ab. Nach dessen Ermordung, 1296, folgte ihm  Wladyslaw I, auf dem pommerellischen Herzogsthron nach. 

1299 entmachtete der böhmische König Wenzel II. seinen polnischen Kontrahenten Wladyslaw I. im Kampf um die Oberherrschaft im Königreich Polen,. Anschließend übernahm er dessen polnische Herrschaften, darunter das pommerellische Land Schlawe. 1300 krönte sich Wenzel II. zum polnischen König


Nach dem Mordanschlag auf ihn, 1306, setzte sich der polnische Herzog Władysław I. erneut als Landesherr über weite Teile Polens und Pommerellen durch. 

Gegen diese Herrschaft erhoben sich die Swenzonen, ein pommerellisches Beamtengeschlecht. Die Swenzonen ersuchten 1307 die Mark Brandenburg (Markgraf Waldemar) um Beistand, die 1308 in Pommerellen militärisch intervenierte. Wladyslaw I wiederum bat den Deutschen Orden gegen Entgelt um Hilfe. Als die Entgeltzahlung ausblieb, besetzte der Deutsche Orden  Danzig.


Im Vertrag von Soldin  wurde das polnische Herzogtum Pommerellen schließlich 1309  geteilt. Schlawe, Stolp, Rügenwalde und Bütow gingen an die Swenzonen, als Lehensnehmer der Brandenburger  (Markgraf Waldemar). Der größere Rest mit der Hauptfeste Danzig ging an den Deutschordensstaat. 

Doch bereits mit dem Frieden von Templin (der Brandenburger Herzog Waldemar verlor die Schlacht bei Gransee)  erwarb der pommersche Herzog Wartislaw IV. (aus dem Greifen-Geschlecht) 1317 alle pommerellischen Länder, die der Oberhoheit der Mark Brandenburg unterstanden, darunter auch das Land Schlawe. Dieses kam damit erneut unter die Herrschaft des pommerschen Greifengeschlechts, wo es bis zu dessen Aussterben im Jahre 1637 blieb. 


Die Herzogtümer wechselten sich bedingt durch dynastische Landesteilungen mehrmals ab, Pommern-Wolgast folgte 1372 Schlawe-Stolp, 1403 Pommern-Rügenwalde, 1457 noch einmal Pommern-Wolgast und 1532 Pommern-Stettin

Zu Beginn des 16. Jahrhunderts entwickelte sich die Stadt Schlawe zu einem bedeutsamen Zentrum des Leinwandhandels.
Im Dreißigjährigen Krieg, 1618–1648, geriet  Schlawe zwischen die Fronten und wurde fast völlig zerstört. Zum Kriegsende soll es nur noch 40 Haushalte gegeben haben. Nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges, 1648, Westfälischer Frieden, wurde Schlawe mit großen Teilen  Hinterpommerns dem Kurfürstentum Brandenburg zugeschlagen.
Der  Wiener Kongress ordnete Schlawe  1815 der brandenburgisch-preußischen Provinz Pommern zu.

Eine verwirrende Geschichte und schwierige Zeit


         
Radreise von Berlin nach Danzig
September 2015

 (2) An der polnischen Bäderküste 
 Misdroy (Miedzyzdroje) nach Rewahl (Rewal)


3. Tag: Miedzyzdroje (Misdroy) nach Rewal (Rewahl)
Donnerstag 17. September
Übernachtung Pension Eldorado in Rwahl

Die Strecke:
Miedzyzdroje (Misdroy) - Miedzywodzie (Heidebrink) - durch das Wisentgehege – Warnowo (Warnow) – Domylsow (Dannenberg) –Kolcuewo (Kolzow) – Sieroslaw (Zirzlaff)) - Miedzywodzie (Heidbrink) -   Dziwnow (Berg Dievenow) – Dziwnowek  (Walddievenow)  - von dort Ausflug nach Kamien Pomorski und zurück – Pobierowo (Poberow) – Pustkowo (Pustchow) – Trzesacz (Hoff) – Rewal (Rewahl)
64 Kilometer


In Miedzyzdroje (Misdroy) fuhr ich zunächst zur Seebrücke (Molo), es ist die längste Mole Polens. Etwas weiter östlich ist die höchste Steilküste Polens (bis 94 m hoch). Und noch etwas Besonderes hat Miedzyzdroje, eine Allee der Stars und Sternchen mit 126 in Bronze gegossenen Handabdrücken polnischer Größen des Films und Theaters.   Nach Auskunft unserer polnischen Bekannten ist Misdroy ein Urlaubsort für polnische Sternchen und Möchtegerne geworden. Ich habe davon nichts bemerkt, es regnete ja.

Am östlichen Ortsausgang ging der Weg durch das 1976 errichtete, 28 Hektar große, Wisentgehege im Naturpark Wolinski Park Narodowy.

Wisent, europäischer Bison, waren in Europa fast ausgestorben.  1755 gab es in Ostpreußen noch 4 Tiere, von denen 3 in einen Wildpark bei Berlin gebracht wurden. Die heute in Gehegen gehaltenen Tiere stammen von 12 Tieren ab, mit denen die „Gesellschaft zur Rettung des Wisent“ 1923 die Zucht begann. 

Der Weg führte durch den Naturpark etwas landeinwärts um dann bei Miedzywodzie (Heidbrink) am Zalew Kamienski (Camminer Bodden) wieder zur Ostsee zu führen. Eine sehr schöne Landschaft, was eigentlich für die gesamte Strecke in Polen und vorher durch das Odertal gilt.
Einer der vielen Binnenseen

Weiter zwischen Ostsee und Camminer Bodden bis nach Dziwnowek (Walddievenow).

Hier begann der Ausflug nach Kamien Pomorski (Cammin), am südöstlichen Ufer des Camminer Boddens, zu einer der ältesten Städte Pommerns. Die Stadtmauer ist noch erhalten bzw. restauriert. Innerhalb des Mauerrings sind einige wiederaufgebaute Gebäude (u.a. Burgtor, Kirche, Rathaus), die die frühere Schönheit der Stadt andeuten. Daneben stehen die nach dem Krieg entstandenen,  etwas schmucklosen Wohngebäude entlang der alten Straßenführung. Der erste Eindruck ist schon ungewöhnlich: Miethäuser, umgeben von einer alten Stadtmauer.
             
            Cammin
1107 wurde ein wendischer Burgwall erwähnt. Anfang des 12. Jahrhunderts eroberte Polenherzog Bolesław III. Schiefmund Pommern, um es zu christianisieren. Er holte  zu diesem Zweck Bischof Otto von Bamberg in das Land. In diesem Zusammenhang wurde 1124 Cammin erwähnt, als sich Otto dort im Juni aufhielt, um die Slawen zu taufen.
Der zwischen 1121 und 1135 regierende Pommernherzog Wartislaw I. hatte seine Residenz in Cammin.

Nach dem 2. Weltkrieg erfolgte die Ansiedlung der sogenannte Bug-Polen (Gebiet östlich des Flusses Bug), die aus den von der Sowjetunion annektierten Gebieten östlich der Curzon-Linie kamen, und aus dem heutigen Litauen.

Die Curzon-Linie verläuft von Norden nach Süden etwa auf der Höhe von Brest entlang der Flüsse Narew und Bug. Curzon (britischer Außenminister) hatte diesen Grenzverlauf 1920 für die West-Alliierten des 1. Weltkrieges vorgeschlagen, um den polnisch-russischen Krieg zu beenden. Der polnische Marschall Pilsudski (siehe Geschichte Polens) führte aber den Krieg gegen Russland weiter und konnte einen weit östlicheren Grenzverlauf erzielen. Nach dem 2. Weltkrieg revidierte Stalin den polnischen Landgewinn und bestimmte die Cruzon-Linie als polnische Ostgrenze.

Wieder zurück nach Dziwnowek (Walddievenow).  Von dort meist durch den küstennahen Wald entlang der Ostseeküste mit vielen Badeorten und Feriensiedlungen. An der Kirchenruine Hoff  vorbei bis nach Rewal (Rewahl). An der Steilküste kann man sehen, wie Wind und Wetter und Ostseestürme der Küste zusetzen.

Kirchenruine Hoff
                    
Kirchenruine Tresacz (Hoff). 
Als sie erbaut wurde ( 2. Hälfte des 15. Jh.), lag die Kirche etwa zwei Kilometer von der Küste entfernt. 1874 wurde der letzte Gottesdienst gehalten, weil die Ostsee immer mehr das Ufer weggespült hatte. 1900 ereignete sich der erste Absturz an der Nordwestecke. Ein Teil der Südwand mit drei Bögen steht noch an der inzwischen gesicherten Abbruchkante.

Rewal (Rewahl), mit historischem Ortskern, liegt an einem malerischen Kliff (Abbruchküste) der Ostsee.


Die Polnische Küche

Das Essen war in allen polnischen Orten, selbst später in Danzig, sehr preiswert. Und natürlich habe ich polnische Gerichte gegessen. Und die  haben mir geschmeckt.
Ich berichte:
Zurek,  eine Sauerteigsuppe, säuerlich-würzig, aus Sauerteig und Roggenenschrot,              mit Fleisch, Wurst, Kartoffeln und Möhren,
Barszcz,  klare Rote-Beete-Suppe,
Flaczki, eine Kuttelsuppe mit Streifen vom Rindermagen, säuerlich gewürzt,
Pierogi,  mit Hack gefüllte Teigtaschen, 
Bigos,  Sauerkraut und Weißkohl mit Schweinefleisch geschmort,
Flunder und Dorsch, frisch aus der Ostsee, gebraten oder in Folie gedünstet,
Dorsch kaschubische Art, mit Zwiebeln und Tomaten gebraten,
Kaschubische Roulade, Schweinefleisch-Roulade mit einer Sauerkraut-Füllung.
Das polnische Bier dazu war hervorragend. Es ist nicht so stark gehopft.


4. Tag: Rewal (Rewahl)-Ustronie Morskie (Henkenhagen)
Freitag 18. September
Übernachtung Hotel Max in Ustronie Morskie

Die Strecke:
Rewal (Rewahl) - Niechorze (Horst) - Pogorzelika (Fischerkaten) – Skalno (Eiersberg)  – Konarzewo (Kirchhagen)  – Rogozina (Mittelhagen) – Zapolice (Volkenhagen) - Trzebiatow (Treptow a.d. Rega) - Nowielice (Neuhof)  – Gorzyslaw (Arnsberg) – Roby (Robe) – Mrzezyno (Deep) – Dzwirzyno (Kolberger Deep) -  Kolobrzeg (Kolberg) – Ustronie Morskie (Henkenhagen)
83 Kilometer


Von Rewal (Rewahl) führt die Fahrt weiter entlang der Ostsee bis Pogorzelika (Fischerkaten). Und von dort in einem Bogen ins Landesinnere, um ein größeres Militärgebiet an der Ostsee zu umgehen, nach Trzeblatow (Treptow an der Rega). Die Radwege waren neu und die Naturschützer hatten bei der Anlegung wohl viel zu sagen, die Kiefern blieben einfach  mitten auf dem Radweg stehen.

Hier und überall auf dem Land gibt es noch viele Häuser und Bauernhöfe aus deutscher Zeit. Sie sind unterschiedlich gut erhalten, zum Teil ist es noch der Putz und die Farbe aus der deutschen Zeit. Andere sind gepflegt und modernisiert. Wieder andere sind unbewohnt und verfallen.  Das Land ist unterschiedlich intensiv genutzt. Große Brachflächen, die u.a. den Störchen reichlich Nahrung bieten, liegen neben gut bestellten Äckern.

Historscher Stadtkern

Treptow
Trzebiatow (Treptow an der Rega).  Historischer Stadtkern  mit mittelalterlichem Charakter, im Weltkrieg fast nicht zerstört,  von drei Seiten von der Rega (Rega) eingeschlossen.
1287 wurde das Recht der freien Schifffahrt auf der Rega verliehen und Zollfreiheit in den pommerschen Landen gewährt. Dadurch war es der Stadt möglich, der Hanse beizutreten.

Die katholische Pfarrkirche zur Mutterschaft Mariens (Kościół Macierzyństwa Najświętszej Marii Panny) 
(1303 – 1370 erbaut) war vor 1945 evangelische Stadtpfarrkirche. Sie erhielt 1864 den Turm   in seiner heutigen Gestalt durch Friedrich August Stüler (1800 – 1865, königlich- preußischer Baumeister, Architekt vieler Gebäude in Berlin, aber auch Universität Königsberg, Schloss Breslau). 
Im Turm hängt die schwerste Glocke Polens (7,3 Tonnen) aus dem Jahr 1515 und eine ältere aus dem Jahr 1396. 

Die Kirche war die Wirkungsstätte von Johannes Bugenhagen (1485 – 1558), Weggefährte Martin Luthers, der im 16. Jahrhundert maßgeblich mit der von ihm verfassten „Bugenhagenschen Kirchenordnung“ an der Einführung des lutherischen Glaubens in Pommern beteiligt war.

Das klassizistische Schloss entstand 1750 durch Umbau des 1450 gegründeten Klosters der  Prämonstratenser. Der Prämonstratenser-Orden wurde 1120 von Norbert von Xanten gegründet. Das Besondere an den Ordens-Klöstern war, dass es Doppelklöster waren,  in denen Frauen und Männer in allerdings getrennten Konventen lebten. Diese Struktur wurde aber später aufgegeben.

Im 2. Weltkrieg fanden ganze Schulen aus dem Ruhrgebiet Aufnahme in Hinterpommern, als aufgrund der Bombenangriffe ab 1943 ein geregelter Schulunterricht nicht mehr durchführbar war. Nach Treptow kamen  Schulen aus Bochum und Herne.


Von Trzebiatow (Treptow an der Rega) wieder Richtung Norden zur Ostsee bis nach Mrzezyno (Deep) und Dzwirzyno (Kolberger Deep),  zwischen Jerioro Resko Przymorskie (Kamper See) und der Ostsee auf einer Nehrung gelegen.

Hnter Treptow ist eines der ältesten Güter im heutigen Polen. Früher wurden auf den weiten Wiesen Pferde für das Militär gezüchtet, jetzt für den Reitsport. Es ist ein entlegenes Gebiet ohne viel Verkehr, wad man den zum Teil unbefestigten Wegen ansieht. Sogar eien im 2. Weltkrieg gesprengte Brücke ist noch geblieben, der - unbefestigte - Weg wurde einfach daneben angelegt. 

Sonnenuntergang bei Kolberg

Weiter entlang der Ostsee  bis nach  Kolobzeg (Kolberg). Kolberg  gehört zu den größeren Badeorten  und ist einer der schönsten Badeorte an der polnischen Ostseeküste  (nach meiner Wertung, nur Zopot ist größer und vielleicht auch eleganter).  Man sieht nicht, dass alles  fast vollständig im  Krieg zerstört wurde und originalgetreu wiederaufgebaut wurde. Trotz Nachsaison war hier die Promenade am späten Nachmittag voller Urlauber.  Auch deutsche Urlauber. Ich hörte viel sächsisch und ein junges Ehepaar mit Kindern kam aus Rostock, das eine ähnliche Ostseeküste hat, aber eben teurer als Polen ist.
           
           Gute und weniger Gute Radwege

Entlang der Küste, insbesondere in und zwischen den Ferienorten, waren gut ausgebaute Radwege. Im Landesinneren gab es entlang der stärker befahrenen Landstraße oft neu angelegte Fahrradwege. In den Dörfern aber waren die Straßen und Wege zum Teil sehr schlecht, geflickt und löchrig. Weiter im Osten zum Teil unbefestigte Dorfwege  und Feldsteinpflaster aus deutscher Zeit. In den Naturschutzgebieten waren es eben Waldwege, mal gut, mal Buckelpisten. Nur wenige Sand- und Schiebestrecken. Aber auch viele Platten- und Lochplattenwege, auch als einspurige Straßen (absteigen und ausweichen wenn ein Auto kam, was aber nur sehr selten passierte), auf denen man gerademal mit bis zu 10 Std.-km vorankam.


Kolberg
Kolberg mit Marienkathedrale (Katedra N. P. Marii) und Rathaus (um 1830 nach den Plänen von Schinkel gebaut), Seebrücke, 230 m lang, und Leuchtturm (Latarnia Morska) .   

Die Gründung von Kolberg geht auf eine ab dem  9. Jh. bestehende Siedlung zurück, die der Ausbeutung der Salzquellen an der Mündung der Perseta (Persante)  diente. Ab dem 13. Jh. war Kolberg Mitglied der Hanse und dominierte den Salzhandel in Europa bis Anfang 18. Jh.

Im 14. Jahrhundert siedelten sich jüdische Familien an. 1492/93 wurde der größte Teil der jüdischen Bevölkerung nach dem Sternberger Hostien-schänderprozess (gegen Juden aus ganz Mecklenburg) vertrieben. (zum Zeitvergleich: 1492 wurde in Spanien die Reconquista beendet, der muslemische Emir übergibt Granada an die katholischen Könige Ferdinand II.  und Isabella I.)  Belagerung der Stadt Kolberg 1807 durch die Truppen Napoleons,  die aber bis zum Friedensschluss verteidigt wurde. 1944 diente die Legende (Freikorpsführer Schill) als Vorlage für den national-sozialistischen Propagandafilm „Kolberg“.

Friedrich Ludwig Jahn (1778–1852), auch Turnvater Jahn genannt, lebte von 1820 bis 1825 als Verbannter in Kolberg. Er besuchte u.a. das Gymnasium zum Grauen Kloster in Berlin, studierte Theologie und war zeitweise Hauslehrer. 1810 gründete er in Hasenheide in (damals bei) Berlin den geheimen Deutschen Bund zur Befreiung und Einigung Deutschlands. 1819 wurde er im Rahmen des Kampfes gegen den Liberalismus in Preußen verhaftet und bis 1825 in Spandau, Küstrin und Kolberg inhaftiert. 1825 wurde er freigesprochen unter der Bedingung, in keiner Universitäts- oder Gymnasialstadt zu wohnen.

Von Januar 1919 amtierte in Kolberg bis zu ihrer Auflösung im Juli 1919 die letzte Oberste Heeresleitung unter Paul von Hindenburg und Wilhelm Groener.

Im Jahr 2000 wurde von der Stadt Koberg ein deutsches Lapidarium  (Steinsammlung) mit den noch auffindbaren deutschen Grabsteinen zum Gedenken der früheren deutschen Bevölkerung errichtet.


5. Tag: Ustronie Morskie (Henkenhagen)– Darlowko (Rügenwadermünde) 
Samstag 19. September
Übernachtung Pension Koral

Die Strecke:
Ustronie Morskie (Henkenhagen) -  Latarnia Gaski (Leuchtturm Funkenhagen) - Sarbinowo  (Sorenbohm) - Chlopy (Bauerhufen) – Mielno (Großmöllen) – am Jezioro Jamno (Jamunder See)  und Jezioro Bukowo (Buckower See) vorbei – Lazy (Lasse) – Osieki (Wusseken) – Rezepkowo (13Repkow)  – Iwiecino (Eventin) -  Bielkowo (Beeikow) - Gleznowo (Steinort)  – Bukowo Morskie (Seebuckow) - –Dabki (Kamkerort) - Darlowo (Rügenwalde)
78 Kilometer


Am Morgen Start zur nächsten Tagesstrecke. Meist zwischen 8.30  und 9.oo Uhr. Aufstehen um 7.oo Uhr, duschen, Koffer packen, frühstücken (das war in den Badeorten meist erst um 8 Uhr). Dann ging es los. Erst einmal in die Kälte. Morgens war es recht frisch. Etwa um 10 Uhr kam die Sonne durch, dann wurde es schön. Das schöne Wetter blieb bis Danzig. Es gab nur zwei Regentage, gleich zu Anfang in Misdroy und dann noch einmal auf der Strecke von Rügenwalde nach Jannewitz . 
An diesem Tag ging es bis auf den letzten Abschnitt  immer entlang der Küste. Mit vielen größeren und kleineren Badeorten. Jedes Dorf hatte Ferienhäuser, Ferienwohnungen, Pensionen und Hotels. Von einfachen, ehemaligen Werkserholungsanlagen bis zu hübschen Villen und Hotel-Neubauten, neu errichtete FerienKomplexe mit mehreren hundert Ferienwohnungen.

Vorbei am Leuchtturm Latarnia Gaski (Funkenhagen), 1876 gebaut, 50 m hoch, 2,30 m dicke Mauern.

Leuchttürme wurden im Machtbereich der Hanse  ab dem 13. Jh. errichtet. Zunächst waren es Feuerblüsen mit offener Holz- oder Kohlebefeuerung. 
1782 entwickelte der Genfer Physiker Aimé Argand  eine Hohldochtlampe, Vorläufer der späteren Petroleumlampe
Ab etwa 1820 werden die von dem französischen Physiker Fresnel entwickelten Linsen mit hoher Lichtausbeute verwendet. Die Reichweite beträgt zwischen 5 und 20 Seemeilen (37 km).

Vorbei am Jezioro Jamno (Jamunder See), auf der Nehrung zwischen Haff und Ostsee.     
      
Der Jamunder  See ist ein lagunenartiger See. Eine etwa 10 km lange Nehrung schließt den See von der Ostsee ab. 
Die Nehrung ist ein schmaler Sandstreifen (ursprünglich, über die Zeit meist bewaldet), der das Haff (auch Bodden genannt)  von der Ostsee trennt. Die Nehrung entsteht durch küstenparallele Strömungen, die mit Sedimentablagerungen eine Küstenbucht schließen.

Das nächste Haff, der Jezioro Bukowo (Buckower See), wurde südlich umfahren, das heißt auf der Landseite und nicht über die Nehrung. Auch hier Natur und Landschaft und auf jedem Dorf ein geschmücktes Kreuz und ein „Sklep“. Das sind die Nahversorgungsläden, in denen es fast alles gibt und in denen ich mir immer mein Wasser und Obst gekauft habe. 

Am See lag der Ort Bkukowo Morskie (Seebuckow) mit der Klosterkirche des 1259 gegründeten  Zisterzienser Klosters. Das Kloster ist verfallen, es erinnern nur noch Erläuterungstafeln an seine Existenz. Erhalten sind die Fischteiche am Rande des Dorfes, die mit dem Lageplan des Klosters übereinstimmen.

           

Die Klöster wurden meist von den jeweiligen christlichen Landesherren angesiedelt und hatten bei der Christianisierung und Besiedlung der slawischen Gebiete sowie zur Grenzsicherung große Bedeutung.

Der Zisterzienser-Orden – etwa ab 1098 -  entstand durch Reformen aus der Tradition des Ordens der Benediktiner. Ab dem 13. Jh.  waren auch Frauenkonvente – Zisterzienserinnen-Kloster – erlaubt.

Der Benediktiner-Orden wurde von  Benedikt von Nursi – geb. um 480, gest.  547 - gegründet. Der Ordens-Grundsatz ist  „Ora et labora“.

 

Das Ziel des Tages war Darlowo (Rügenwalde) mit dem Badeort Darlowko (Rügenwaldermünde). Der Hafen wurde am Abend von vielen Schiffen angelaufen.  Zwischendurch wurde eine Fußgängerbrücke über die Hafenzufahrt geschoben (natürlich hochmodern), eine Verkürzung um 6 km des Weges auf die andere Hafenseite, auf der ich übernachtete, nur für Fußgänger und Radfahrer!

Darlowo (Rügenwalde)
mit dem  Schloss der Pommernherzöge (16. Jh.), Marktplatz mit Renaissance- und Barockhäusern (vom Krieg weitestgehend verschont).

Anfang des 13. Jh. erhielt die Stadt an der Wipper  (Wieprza) das Lübische Stadtrecht (von der Stadt Lübeck übernommen, das in über 100 Ostseestädten Geltung hatte – siehe unten).
Im Jahre 1350 trat Rügenwalde der Hanse bei, wurde jedoch 1356 für 14 Jahre suspendiert, weil sich die Stadt im Krieg gegen Dänemark nicht an der Handelssperre beteiligt hatte.
Unter dem pommerschen Herzog Erich I., der auch für 42 Jahre König der skandinavischen Länder war, war Rügenwalde von 1402 bis zum Tode Erichs I. 1459 pommersches Herzogtum.

In Rügenwalde ist der Ursprung der Teewurst. Carl Wilhelm Gottfried Müller stellte 1903 zum ersten Mal Teewurst her, die Fleischerei wurde bereits  1834 eröffnet. Heute ist die „Rügenwalder-Mühle in Bad Zwischenahn und besteht  in der 6. Generation.

Darlowko (Rügenwaldermünde) war der älteste Seebadeort Preußens (1814). Ursprung von Rügenwaldermünde ist das Dorf Münde.

Exkurs: Stadtrechte 

Lübisches Recht
Heinrich der Löwe (1130 – 1195, aus dem fränkischen Adelsgeschlecht der Welfen, Herzog von Sachsen und Herzog von Bayern.) verlieh Lübeck verschiedene Privilegien. Dadurch bekam die Stadt 1160 das Soester Stadtrecht. Hieraus entwickelte sich unter Federführung des Rates das sogenannte Lübische Recht.  

Das Lübische Recht vereinte die Rechtsvorstellungen aus dem Westfälischen mit dem Holsteiner Landrecht und nahm im Bereich des Seerechts die im Ostseeraum vorgefundenen Grundregeln aus der Zeit der Wikinger und von der Gotländischen  Genossenschaft in Visby auf.

Das Lübische Recht regelte die Wahl und Rechte des Rates und Bürgermeisters, Bürgerrechte und –pflichten, u.a. auch Eheverhältnisse, Geldverleih sowie Verpfändung und Bürgschaft,  Mieten und Vermieten. Es regelt ziemlich umfassend das Leben in der Stadt-Gemeinschaft.

Es war das einzige deutsche Stadtrecht, das sich später der Romanisierung (Übernahme des römischen Rechts) widersetzte und bis zum Ende des 19. Jahrhunderts seinen deutschrechtlichen Ursprung bewahrte, bis es vom Bürgerlichen Gesetzbuch abgelöst wurde.


Entscheidungen von Städten mit Lübischem Recht konnten am Oberhof Lübeck als Appellationsinstanz  angefochten werden. Es war neben dem Magdeburger Recht eines der bedeutendsten Stadtrechte Deutschlands.     


Magedeburger Recht

Ein anderes Stadtrecht ist das Magdeburger Recht. Es hat seine Wurzeln im Gewohnheitsrecht der Kaufleute. Das Magdeburger Recht wurde etwa ab 1160 entwickelt. Am längsten galt das Magdeburger Recht in Kiew, bis 1834.

Innerhalb der Stadt wurden den Bürgern durch das Stadtrecht die persönliche Freiheit, das Eigentumsrecht, die Unversehrtheit von Leib und Leben und die geregelte wirtschaftliche Tätigkeit garantiert.


In dem Bereich des Kaufmannsrechts regelte das Magdeburger Stadtrecht wirtschaftsrechtliche Fragen wie etwa Haftung für die Ware, die Rechnungslegungspflicht der Kaufleute, die geordnete Buchführung, Fragen des Gesellschafterkapitals und des treuhänderischen Wirkens.


Recht wurde von einem sgn. Schöffenstuhl gesprochen, dessen Mitglieder ihre Nachfolger selber bestimmten. Der Magdeburger Schöffenstuhl konnte als Oberinstanz von den anderen Schöffenstühlen zur Rechtsinterpretation angerufen werden. Während des 30-jährigen Kriegs ging die Spruchsammlung des Magdeburger Oberhofes verloren, was sein Ende als Oberinstanz für die anderen Städte bedeutete.

Kulmer Recht

Das Kulmer Recht ist aus dem Magdeburger Recht und dem Sächsischen Recht (Sachsenspiegel) hervorgegangen und galt für die meisten Städte im Gebiet des Deutschen Ordens. Es wurde erstmals vom Hochmeister des Ordens 1233 für Kulm und Thorn erlassen.