Nicht nur
Lavendel und Flamingos
Eine Rundfahrt durch die Provence
Nach der Römerstadt Arles und der Naturlandschaft der Camargue folgte jetzt die Hafenstadt Marseille. Es ist die älteste Stadt Frankreichs.
Zwischen 125 und 48 v.Chr. kamen die Römer nach Massalia. Zunächst wurden sie von der Siedlung zur Unterstützung gegen einfallende keltische Stämme gerufen. Dann blieben sie dort und gründeten die römische Provinz Gallia Narbonensis.
Von der römischen Bezeichnung als Provinz ist der heutige Name Provence abgeleitet.
481 n.Chr. beherrschten die Westgoten die Stadt. 508 kamen die Ostgoten. 536 gehörte die Stadt zum Frankenreich. Sarazenen (Volksstamm der arabischen Halbinsel) zerstörten die Stadt. Im 10. Jahrhundert wurde sie wiederaufgebaut.
Ab dem 13. Jahrhundert gehörte Marseille zur Grafschaf Provence und war Teil des Heiligen Römischen Reiches. Im 19. Jahrhundert war Marseille der bedeutendste Hafen Frankreichs, auch wegen des Handels mit den französischen Kolonien.
Nach dem 2. Weltkrieg kamen Algerienfranzosen (Schwarzfüße) und
Bewohner der ehemaligen Kolonien in großer Zahl nach Marseille. 30 bis 40 % der
Bevölkerung gehört heute dem muslimischen Kulturkreis an. Marseille hat auch
die größte jüdische Gemeinde außerhalb Israels an der Mittelmeerküste.
Stadtrundgang
Unser Hotel lag gut zentral. Zum Hafen waren es nur
wenige Minuten zu gehen. Die meisten Sehenswürdigkeiten konnten wir zu Fuß
erreichen. Nur zur Notre-Dame-de-la-Garde oberhalb des alten Hafens sind wir
mit der Straßenbahn gefahren.
(2) Ehemalige Colbert-Beiträge
Alessandro Volta (1745 – 1827), der die elektrische Batterie erfand
und als Begründer der Elektrizitätslehre gilt. Nach ihm wurde die Maßeinheit für elektrische Spannung, Volt,
benannt.
André Marie Ampér (1775 – 1836), der die Theorie des Elektromagnetismus und das Galvanometer beschrieb. Nach ihm ist die Maßeinheit für Stromstärke, Amper, benannt.
Michael Faraday (1791 – 1867) erkannte den nach ihm benannten Faraday-Käfig, ein Schirm zur elektrischen Abschirmung (ein Auto mit Gummibereifung ist ein solcher Faraday-Käfig, der Blitze nicht ins Autoinnere läßt), und der das Benzol (erhöht die Klopffestigkeit von Motorenbenzin, Lösungs- und Reinigungsmittel) entdeckte und alle damals bekannten Gase verflüssigte.
(3) Antiker Hafen
Gleich
hinter unserem Hotel und der danebengelegenen Einkaufspassage Centre Bourse
befindet sich das Historische Museum von Marseille und eine Gartenanlage mit
archäologischen Überresten des antiken Hafens von Marseille. Beim Bau
der Einkaufspassage wurde der Hafen von Massalia aus griechischer Zeit
entdeckt.
Ein 23 Meter langes Boot versank
um das 3. Jahrhundert v.Chr. im Schlamm
Auf dem Weg zum Hafen kommen wir an dem ehemaligen Augustinerkloster vorbei. Der Alte Hafen ist das historische und kulturelle Zentrum von Marseille.
(4) Saint-Ferréol les Augustins
Die Kirche eines ehemaligen
Augustinerklosters ist die älteste erhaltene Kirche der Stadt. Die Augustiner bezogen
Mitte des 15. Jahrhunderts das Gebäude des Templerordens am Hafen. Die waren
hier seit dem 13. Jahrhundert ansässig. Im Hafen hatten die Templer Schiffe für
Pilgerfahrten nach Jerusalem und zur Unterstützung der Kreuzzüge.
Mit der Errichtung ihrer Klosterkirche begannen
die Augustiner Mitte des 15. Jahrhunderts. Jedoch muss es wohl
Finanzierungsschwierigkeiten gegeben haben, denn die Fertigstellung dauerte noch
über einhundert Jahre. Bei der Hochzeit Caterinas de Medici, ihr Onkel Papst
Clemens VII. begleitete sie, mit dem späteren französischen König Henri II. im
Jahr 1533 war die Kirche noch nicht vollständig fertiggestellt.
Nach der französischen Revolution wurden Klostergebäude und ein Teil der Kirche für einen Straßenbau am Hafen abgerissen. Eine neue Fassade musste errichtet werden. 1875 wurde sie in die heutige Form umgebaut.
(5) La Samaritaine
Gegenüber der Augustinerkirche.
La Samaritaine ist der Name einer Brasserie,
die sich seit 1910 in dem Gebäude am Hafen befindet. Das Gebäude wurde 1860
gebaut und beherbergte damals ein Wäschegeschäft. Es entstand als eines
mehrerer Großprojekte. Viele Unternehmen wurden damals rund um den Alten Hafen
gegründet. Es war die Zeit des Zweiten Kaiserreichs (Napoleon III., 1852 bis
1870) und der industriellen Revolution in Frankreich.
Der Name La Samaritaine bezieht sich auf einen großen Brunnen an der Rue Fontaine La Samaritaine, jetzt Rue de la République.
(6) Alter Hafen
Der Alte Hafen ist das historische und kulturelle Zentrum von Marseille seit seiner Gründung. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts war er auch das wirtschaftliche Zentrum der Stadt. Danach verlagerte sich der Schiffsverkehr zu dem neuen Seehafen westlich der Grand Rhone. Heute ist der Alte Hafen ein Yachthafen.
(7) Alter Hafen mit Blick auf die Basilika Notre-Dame-de-la-Garde
vom Quai du Port aus
(6) Das Schattendach
Ein Schattendach (Ombriére) an der schmalen Seite des Hafens (Quai des Belges), entworfen von dem Londoner Architekten Norman Foster, entstanden 2013 im Rahmen der Hafenumgestaltung
anlässlich der Wahl zur Kulturhauptstadt.
Das Besondere der filigranen Überdachung am Hafen ist
ein großer Spiegel als Decke.
(8) Das Rathaus
Mit dem Bau des Rathauses von Marseille wurde 1653 begonnen.
Ein erstes Stadthaus war Anfang des 13. Jahrhunderts errichtet worden. Etwa ein
Jahrhundert zuvor erhielten die Ratsherren der Stadt vom Grafen von Toulouse
(der auch Markgraf der Provence war) das Privileg, sich selbst zu verwalten.
Erst 1673 wurde der Rathausbau vollendet.
Das Rathaus besteht aus zwei Gebäudeteilen, dem Pavillon Bargemon (Hinterhaus, benannt
nach einem Präfekten) und dem Pavillon
Puget (Haupthaus, entworfen von Pierre Puget, Bildhauer, Maler und
Architekt). Das Erdgeschoss dieses Haupthauses war die Loge der Kaufleute, eine
Börse. Daran erinnert die Rue de la Loge zwischen den beiden Pavillons. Jetzt
ist dort der Ratssaal. Die Ratsräume im 1. Stock waren nur über eine Brücke vom
Pavillon Bargemon aus zu erreichen. In dem Pavillon wurde eine repräsentative
Treppe in das erste Stockwerk eingebaut, über die der Übergang zum Pavillon
Puget erreicht wird.
Hinter dem Rathaus befindet sich der Pavillon Daviel, der ebenfalls von der Stadtverwaltung genutzt
wird. Der Name des Gebäudes erinnert an Jaques
Daviel, Chirurg und Augenarzt König Ludwigs XIV. Er entwickelte die bis
heute übliche Kataraktoperation zur
Behandlung des Grauen Stars (entfernen der Linse), die er erstmals 1745
anwandte. In Marseille war er seit 1722 als Chirurg zugelassen. Der Pavillon Daviel war ursprünglich
ein Justizgebäude (Palais de Justice),
gebaut Mitte des 18. Jahrhunderts anstelle des alten Gerichts aus dem 16.
Jahrhundert. Nach dem Bau eines neuen Justizgebäudes nutzte ab 1875 die
medizinische Fakultät die Räume.
Die drei Pavillons sind seit 2006 durch einen unterirdischen Bau verbunden, mit Sitzungssälen des Rathauses und einem Museum.
Nationalfeiertag
Der französische Nationalfeiertag erinnert an den Sturm auf die Bastille während der französischen Revolution am 14. Juli 1789. An dem Feiertag kommen wohl so viele Menschen zusammen wie sonst nicht. So auch am 14. Juli dieses Jahres (2024) und wir waren dabei, bei der großen Militärparade am Hafen und abends beim Feuerwerk.
Die Parade:
(9) Das Diamantenhaus
Den Auftrag zum Bau des Diamantenhauses
haben im 16. Jahrhundert reiche Italiener und Spanier gegeben. Mit dem Hotel
Cabre ist es das älteste Gebäude Marseilles. Aufgrund seiner außergewöhnlichen
Fassade aus roh, diamantenähnlich behauenen Steinen und den Verzierungen an
seiner Treppe ist es einzigartig in Marseille. Das Haus beherbergt seit 1967
das Musée du Vieux-Marseille (Museum des alten Marseilles).
(10) Quartier Panier
Panier, französisch, ist ein Korb. Der Name geht auf ein Gasthaus zurück, das einen Korb als Wirtshausschild hatte. Daraus entstand der Name der Straße, an dem das Gasthaus lag, die Rue du Panier, und dann ging der Name auf den ganzen Bezirk über.
Das Quartier du Panier gehört zum
ältesten Teil von Marseille, der bis zum 17. Jahrhundert von einer Stadtmauer
umschlossen war. Dann ordnete der französische König Ludwig XIV., der
Sonnenkönig, eine erste Stadterweiterung an. Im 2. Weltkrieg sprengte die
deutsche Wehrmacht 1.500 Häuser des Viertels. Nur das Hotel Echevin de Cabre
von 1535 (Grand Rue 85) blieb erhalten.
(10) Hotel Echevin de Cabre
Das Gebäude war
komplett eingerüstet und nichts zu erkennen.
Es ist das älteste Gebäude in Marseille und wurde 1535 auf Veranlassung des Konsuls Louis de Cabre, ein Marseiller Kaufmann und Stadtrat (Echevin), erbaut, nach dem es benannt ist. Es liegt am Rande des Alten Hafens, nur wenige Meter vom Rathaus und dem Hôtel Dieu entfernt.
(11) Hotel Dieu
Seit 2013 ist das Gebäude ein Intercontinental-Hotel der Luxusklasse.
Bis 1993 war das Hotel Dieu ein Krankenhaus,
hervorgegangen aus dem Zusammenschluss des Krankenhauses St. Jacques de Galice
und des Krankenhauses Heiliger Geist im 16. Jahrhundert. Im 18.
Jahrhundert wurde es in der heutigen Form erweitert.
Hotel Dieu bedeutet Herberge
Gottes. So wurden in Frankreich ursprünglich Pilgerherbergen genannt. Oft befanden sie sich in der Nähe einer Kathedrale und wurden vom Bischof geleitet. In
Marseille geht das Hotel Dieu auf das Mittelalter zurück. Nach dem 2. Kreuzzug
(1147 bis 1149) und der Niederlage der französischen Armee kamen viele
Kriegsverletzte in Marseille an, die im Hospital du Saint-Esprit versorgt
wurden. 1166 wurden dann auch Kranke, Bedürftige und verlassene Kinder
aufgenommen.
(11) Denkmal für Deportation, Internierung und Widerstand
Denkmal unterhalb
des Hotel Dieu, 2023 eingeweiht, am 80. Jahrestag Zerstörung der Altstadt.
1943 riegelt die
Wehrmacht das Hafenviertel ab. Fast 30.000 Bewohner wurden mit Hilfe der
französischen Polizei in die Nähe von Nizza deportiert. 1500 Gebäude wurden
zerstört. Gleichzeitig wurden bei Massenrazzien 40.000 Menschen überprüft,
8.000 davon wurden festgenommen und inhaftiert, etwa 2.500 wurden in deutsche
KZ deportiert, viele von ihnen kamen um.
(12) Römisches Hafenmuseum
Das Musée des Docks Romains war wegen Renovierungen für längere
Zeit geschlossen, als wir in Marseille waren.
Es steht an der Stelle der Hafenanlagen aus dem ersten Jahrhundert und
zeigt die Überreste eines römischen Handelslagerhauses. Zu sehen sind u.a.
römische Dolia. Das waren große Keramikbehälter, in denen Wein und Öl gelagert
wurden. Sie waren bis zum Hals im Boden versenkt und innen mit Harz überzogen,
so dass der Inhalt von Temperaturschwankungen geschützt war. Wir hätten auch
Gegenstände von rund zwanzig im Hafen von Marseille gefundenen Wracks aus dem
6. Jahrhundert v.Chr. bis zum 4. Jahrhundert n.Chr. sehen können. Wenn es nicht
geschlossen gewesen wäre.
(13) Sanitätsverwaltung
Im Jahr 1719 wurde das Gebäude für die
Gesundheitsüberwachung des Hafens gebaut. Aufgabe dieser Institution waren die Überwachung der Quarantäne von Schiffen und die Prävention gegen Epidemien.
Später (19. Jahrhundert) wurde ein gleiches Gebäude spiegelbildlich für die
Zollverwaltung errichtet.
Wir haben Marseille an zwei Tagen erkundet. Ich habe beide
Rundgänge in diesem Bericht der besseren Übersichtlichkeit wegen zu einer Tour
zusammengefasst. Der erste Berichtsteil endet hier am Ausgang des Hafens. Der
zweite Berichtsteil fügt sich daran an und beginnt mit der Festung am Hafen.