Von Prag nach MagdeburgEine Fahrradtour an den Ufern von Moldau und ElbeJuli 2018
III. Teil: Von Dresden bis Magdeburg
Von Prag nach Magdeburg
Eine Fahrradtour an den Ufern von Moldau und Elbe
9. Sächsische Weinstraße – Von Dresden bis Riesa
5. Tagestour Dresden – Riesa/Moritz
Donnerstag, 12. Juli 2018
Übernachtung im Hotel Moritz in Moritz-Zeithain
Die Strecke: Dresden – Coswig – Meißen –
Seußlitz – Merschwitz – Moritz.
52 Kilometer.
Hier wohnte (ab 1896) Karl May, Autor von Winnetou und Old Shatterhand und vielen anderen Abenteuer- und Reise-Romanen. Wohl jeder hat im Jugendalter seine Geschichten gelesen. Er beschrieb Länder, die er nie gesehen, und Abenteuer, die er nie erlebt hatte, als wahre Begebenheiten. Seine „Villa Shatterhand“ ist heute ein Museum.
Karl May wollte Lehrer werden, wurde aber wegen einer Vorstrafe (wohl wegen
Unterschlagung) nicht angestellt. Mehrmals wurde er wegen Diebstahl und
Unterschlagung verurteilt.
Mit 32 Jahren begann er zu schreiben, zunächst Erzählungen für verschiedene
Zeitschriften.
Den Durchbruch schaffte May mit Hilfe des Verlegers Fehsenfeld aus Groß
Lengden bei Göttingen. Der hatte in Freiburg im Breisgau eine
Verlagsbuchhandlung aufgebaut. Später gründete Fehsenfeld den Karl-May-Verlag.
Dann kommt zwischen Radebeul und
Meißen, ebenfalls auf dem rechten Elbufer, Coswig.
Hier beginnen die ersten kleinen Höhenzüge auch rechts der Elbe und damit auch
die ersten Weinberge.
An den Elbhängen
Radebeuls und Meißens wächst der sächsische
Wein. Das Weinbaugebiet ist das kleinste und östlichste in Deutschland (daneben
gibt es nur kleinere Einzellagen an der Schwarzen Elster und in Brandenburg,
die nördlicher bzw. östlicher liegen). Es
umfasst 37 Weingüter (2017) mit 450 Hektar Anbaufläche (Deutschland 103.000
Hektar, die Hälfte davon in Rheinland-Pfalz, 2012).
Der Weinbau wird mindestens seit
dem 12. Jh. betrieben.
1161 wird der Weinanbau in einer Schenkungsurkunde des Meißner Markgrafen
an den Zisterzienser-Orden erwähnt. Der
Orden erhielt in Zadel bei Meißen Land für die Anlegung eines Weinbergs.
Die Weinanbau-Flächen von damals bis zu 6.000 Hektar im Elbe-Tal waren
meist in kirchlichem Besitz.
Strenge Winter und die Reblaus verringerten
Ende des 19. Jh. die Rebflächen beträchtlich.
Fast ein Drittel der sächsischen Anbaufläche wird von Kleinwinzern im
Nebenerwerb bewirtschaftet, die ihre Trauben an die Sächsische Winzer-Genossenschaft Meißen im ehemaligen
Kurfürstlichen Weingut in Meißen liefern.
Das älteste private Weingut in Sachsen ist Schloss Proschwitz (im Ortsteil Proschwitz der Stadt Meißen). Die
Proschwitzer Weinberge waren vom 12. Jh. bis zur Reformation im Besitz der
Meißner Bischöfe. Aus Proschwitz kam der Messwein der katholischen Gemeinden in
Sachsen.
Nach der Säkularisierung ging das Gut in Privatbesitz. 1901 kam es durch
Heirat in den Besitz des Prinzen von Lippe.
1945 wurde der Besitz im Zuge der Bodenreform enteignet. Nach der Wende
kaufte Prinz von Lippe die Weinberge und das Schloss zurück.
Das Weingut hat die ehemaligen Weinberge des Bischofs von Meißen, des Abtes
von Altzella (ehem. Zisterzienserkloster im Landkreis Meißen, Grablege der Wettiner
1190 – 1381) und des Klosters vom Heiligen Kreuz (heute Ruine, ehem.
Nonnenkloster der Benediktinerinnen, der Abt von Altzella war zeitweise auch
Abt des Klosters vom Heiligen Kreuz und die Nonnen mussten in der Zeit nach den
Regeln der Zisterzienser leben).
Bekannt ist das Sächsische
Staatsweingut Schloss Wackerbarth (bei Radebeul). Das Weingut beruft sich
auf eine 850-jährige Weinbau- und 180-jährige Sekttradition.
Wackerbarth war Reichsgraf und Minister August des Starken. 1730 ließ er
sich in Radebeul das Schloss als Alterssitz bauen. In den folgenden Jahren
hatte das Anwesen mehrere Eigentümer mit unterschiedlichsten Nutzungen.
1952 entstand das „Volkseigene Gut Weinbau Lößnitz“. Nach der Wende übernahm der Freistaat Sachsen
Schloss und Weingut.
An Meißen fahren wir natürlich auch bei Regen nicht vorbei. Wir
erwischen gerade eine Regenpause, in der wir die Räder den Berg zur Albrechtsburg hochschieben. Im Dom verweilen wir etwas länger, nicht
nur wegen des Regens draußen.
Meißen, 28.000 Einwohner (1984:
38.200)
Berühmt ist Meißen durch sein Porzellan. Seit 1708 wird es dort hergestellt. Es war das erste
europäische Porzellan. 1710 eröffnet August der Starke die Porzellanmanufaktur
Meissen (die Manufaktur schreibt sich mit „ss“) im Schloss Albrechtsburg. Dort
blieb sie bis Mitte des 19. Jh.. Heute ist die Manufaktur außerhalb der
Altstadt in der Talstraße. Gesellschafter ist der Staat Sachsen.
Porzellan ist ein gebranntes Gemisch aus Kaolin und den Mineralen Feldspat und
Quarz.
Kaolin ist das eingedeutschte „Gaoling“, der Name des Ortes in China, in dem
die „weiße Erde“ zuerst gefunden wurde. Größere Vorkommen in Deutschland sind
in der Oberpfalz im Landkreis Amberg und in den sächsischen Landkreisen Meißen
und Nordsachsen. Kaolin ist ein feines, weißes Gestein, das aus Tonmineralien
und dem Verwitterungsprodukt von Feldspat besteht.
Das Porzellan wurde zuerst in China
erfunden. Ab dem 16. Jh. haben die europäischen Fürstenhäuser das chinesische
Porzellan für sich entdeckt. Da die Rezeptur geheim gehalten wurde, versuchte
man in Europa das chinesische Porzellan nachzuahmen. Gelungen ist das erst 1709
am Hofe August des Starken durch Johann Friedrich Böttger, Walhter von Tschirnhaus (Naturgelehrter, Mineraloge
und Physiker) und Gottfried Pabst von Ohain
(Mineraloge und Hüttenspezialist, Berghauptmann in Freiberg).
Böttger hatte in Berlin eine Apotheker-Lehre
(in der Apotheke von Friedrich Zorn am Molkenmarkt 4) absolviert. Seinerzeit
versuchten viele, den „Stein der Weisen“
zu finden, mit dem sie unedle Metalle in
edle Metalle, Gold und Silber, verwandeln wollten. Böttger wandelte vor Zeugen
Silber in Gold um. Die Kunde vom
„Goldmacher“ verbreitete sich schnell. Kurfürst
Friedrich III. von Brandenburg wollte dies für sich nutzen. Böttger floh
aber (er wusste ja, dass seine Goldherstellung Betrug war) nach Wittenberg in
Sachsen. August der Starke, der auch
nach dem „Stein der Weisen“ suchen ließ, ließ Böttger 1701 nach Dresden
bringen. Aus Sorge, Böttger könnte fliehen, wurde er vorübergehend in die Feste
Königstein gebracht.
Neben Böttger experimentierten auch andere Forscher im Auftrag des
sächsischen Kurfürsten. So Walther von Tschirnhaus und Gottfried Pabst von
Ohain. Die drei entdeckten bei ihrer Goldforschung zufällig das Herstellungsprinzip des chinesischen
Porzellans und konnten 1707 das erste europäische
weiße Hartporzellan herstellen.
Böttger wurde mit der Organisation einer Porzellanfabrikation beauftragt.
1709 entwickelte er die Porzellan-Glasur. 1710 erfolgte der Aufbau der Porzellanherstellung in der Albrechtsburg
in Meißen. Im Schutz der Albrechtsburg sollte das Geheimnis der
Porzellanherstellung gewahrt bleiben.
Aber einer der Mitarbeiter, Samuel Stöltzel, brachte die Rezeptur nach
Wien. 1718 wurde die Wiener Porzellanmanufaktur gegründet.
Meißen ist seit 968 Bischofssitz des von Otto I. gegründeten Bistums.
967 hatte die Synode zu Ravenna auf Vorschlag Otto I. die Errichtung der
Bistümer Meißen, Merseburg und Zeitz (später Naumburg) beschlossen. Die drei
Bistümer wurden dem Erzbistum Magdeburg zugeordnet (s. dort).
Um 1250 wurde mit dem Bau des Doms auf dem Burgberg begonnen. 1410 wurde der Bau vollendet. Bis
1581 war der Dom Bischofskirche der katholischen Bischöfe. Danach wurde der Dom
eine lutherische Kirche (ziemlich spät, die Reformation begann schon 1517).
![]() |
Meißner Dom |
Cranach war seit 1505 Hofmaler am
kursächsischen Hof in Dresden. Er unterstützte die Reformation (als
Schöpfer der Lutherischen Bildsprache) mit seinen Bildern und Grafiken
(Reformationsaltar in der Stadtkirche St. Marien in Wittenberg). Er arbeitete
aber auch für die „Altgläubigen“, so für den sächsischen Herzog Georg, der am
katholischen Glauben festhielt (daher auch die späte Umwidmung des Meißner
Doms).
In der Zeit der Bistumsgründung entstand auch die Markgrafschaft Meißen.
Im 11. Jh. übernahm das Adelsgeschlecht der Wettiner die Markgrafschaft. Anfang des 15. Jh.
kam das Kurfürstentum Sachsen-Wittenberg zu der Markgrafschaft Meißen, es
entstand das Kurfürstentum Sachsen.
Ebenfalls auf
dem Burgberg (neben dem Dom), an der Stelle der ehemaligen markgräflichen Burg, wurde 1471 das Residenzschloss Albrechtsburg für die Wettiner Brüder Ernst und Albrecht
gebaut. Es soll der erste Schlossbau in Deutschland gewesen sein.
Nach dem Abriss der markgräflichen
Burg für den Neubau des Schlosses hatte
Meißen keine Residenz. Feste Residenzen kamen auch erst ab Ende des 15. Jh.
auf. Bis dahin reiste der Hof durch das Land und residierte in den
verschiedenen Schlössern, z.B. in Leipzig oder Dresden.
Ernst und Albrecht regierten nach
dem Tod Kurfürst Friedrich II. das
Kurfürstentum Sachsen zunächst gemeinsam. Die gemeinsame Residenz verlegten sie nach Dresden, so dass das Meißner Schloss
lange Zeit leer stand. Nach der Teilung des Kurfürstentums 1485 behielt
Albrecht als Herzog von Sachsen die Dresdner Residenz. Ernst machte Torgau und
Wittenberg zu seiner Residenzstadt.
Den Berg von der Meißner Burg
hinunter brauchten wir nicht schieben (radeln hätte bei dem nassen
Kopfsteinpflaster eine Rutschpartie werden können), es gibt einen Aufzug
hinunter in die Altstadt.
Bevor wir weiterfuhren gab es im Dom-Kaffee noch Eierschecke. Dresdner
Eierschecke ist eine Blechkuchen mit einer oberen Schicht aus Eigelb,
Butter, Zucker und Vanille-Pudding. Schmeckt sehr gut. Die obere Schicht sollte
aber auch nicht zu dünn sein.
Auf den Abstecher zur Sekt- und
Weinkellerei Schloss Proschwitz
hinter Meißen haben wir verzichtet. Schade. Aber es wäre zu viel Wasser in den
Wein geregnet.
Bei Seußlitz passieren wir die letzten Weinberge an der Elbe. Etwas
später ist auf dem gegenüberliegenden Ufer Schloss
Neuhirschstein zu sehen. Hier war ab Juni 1944 die belgische Königsfamilie
interniert, nachdem die Alliierten in Frankreich gelandet waren.
Wenig später weitet sich bei Merschwitz das Elbtal und der Radweg
verläuft durch flache Landschaft. An
der rechten Uferseite fahren wir an dem kilometerlangen Fabrikgelände der Wacker-Chemie Nünchritz vorbei. Große Hallen,
Rohrleitungen und Destillationskolonnen, zwischendrin historische Gebäude des
Vorgängerwerkes.
Die Wacker-Chemie ist eine
Aktiengesellschaft mit Sitz in München, deren Mehrheit von der Familie Wacker
gehalten wird. Das Werk Nünchritz
wurde 1998 von der Hüls AG gekauft, die die Anlagen nach der Wende übernommen
hatte. Gegründet wurde das Werk Ende des 19. Jh. zur Herstellung von
Salicyl-Säure.
Salicylsäure ist Ausgangsstoff für Aspirin. Auch zur Haltbarmachung von in
Gläsern eingekochtem Kompott und Marmelade wurde Salicylsäure verwandt. Ich
erinnere mich, dass meine Mutter etwas Salicyl-Pulver auf die eingemachte Erdbeermarmelade
gestreut hat, um das Schimmeln zu verhindern.
Heute werden in dem Nünchritz-Werk Silicon-Produkte hergestellt.
Uns erwischte noch einmal ein
kräftiger Regenguss, bevor wir den kleinen Ort Moritz und unser Hotel gleichen Namens erreichten.
Moritz gehört zur Gemeinde Zeithain.
Hier, zwischen den Orten Zeithain, Glaubitz und Streumen, fand 1730 das „Zeithainer Lustlager“ August des Starken statt (bei dem der erste
Dresdener Stollen gebacken wurde, s.o.).
Unser Hotel Moritz ist ein Vierseitenhof von 1823, an der Elbe gelegen.
Die Inhaber, zwei Schwestern, haben die Landwirtschaft aufgegeben (die
Magdeburger Börde mit ihren guten Böden ist sehr weit weg, hier sind die Äcker
sandig und nicht so fruchtbar) und die Hofgebäude zu einem Hotel und Restaurant
ausgebaut. Gute Zimmer und gute Küche.
Zum Abendessen haben wir noch einmal sächsischen
Wein getrunken, vom Weingut Jan
Ulrich in Seußlitz (ein junges Weingut, 1992 auf ehemals LPG-Weinbauflächen
gegründet).
Einen Abstecher nach Riesa, eine kleine Stadt an der Elbe,
hinter Moritz gelegen, hatten wir vorbereitet. Aber nach der Regen-Tour in
Moritz angekommen, wollten wir nicht noch einmal aufbrechen. Und am nächsten
Tag wollten wir mehr Zeit für Torgau haben.
Riesa,
35.000 Einwohner (1981:
51.800)
Anfang des 12. Jh. wurde in einem Bauernhof ein
erstes Kloster gegründet. Zunächst waren dort Augustiner-Mönche und dann
Benediktiner-Nonnen. 1554 wurde das Kloster aufgelöst, das Gebäude in ein
Schloss umgebaut. Heute ist es das Rathaus. Die Klosterkirche ist noch
erhalten.
In einer Gruft sind mumifizierte Leichen ab 1636
erhalten (die Mumifizierung soll durch einen ständigen, kühlen Luftzug erfolgt
sein).
Vor dem Hotel Mercure steht seit 1999 die „Eisenskulptur Elbquelle“ in Form einer
25 m hohen Eisen-Eiche von Jörg
Immendorf (1945 – 2007, Maler und Bildhauer).
10. Die vergessene Residenzstadt - Von Riesa nach Torgau
6. Tagestour Riesa/Moritz - Torgau
Freitag, 13. Juli 2018
Übernachtung im Hotel zum Markt
Die Strecke: Moritz – Kreinitz - Mühlberg –
Belgern – Torgau.
60 Kilometer
Aufbruch am Morgen in Moritz bei
schönem Wetter. Die Sonne strahlte wie die Sonnenblumen auf dem Feld neben dem
Hotel. Von nun an wurden wir bis zu unserem Ziel Magdeburg von der Sonne
begleitet.
Wir bleiben rechtselbisch und fahren
damit bei Mühlberg ein kurzes Stück auf Brandenburger Gebiet. Die Elbe ist breit und behäbig. Die Elbwiesen
werden als Schafweiden genutzt. Viel zu
fressen haben die Schafe aber derzeit nicht, das Gras ist vertrocknet. Trotz der
Flussnähe und des Regens gestern (oder ist die Regenfront nicht bis hierhergekommen?).
Kleine Dörfer und einzelne Gehöfte. Oft ungenutzte, dem Verfall
preisgegebene Gebäude. Die großen Scheunen der Rittergüter sind wohl schon zu DDR-Zeiten nicht mehr gebraucht
worden. In den Dörfern und Städten sehen wir immer noch leer stehende
Wohnhäuser. Kein Wunder, die Bevölkerung hat nach der Wende fast überall stark
abgenommen.
Auf halber Strecke zwischen Riesa
und Torgau liegt Mühlberg.
Mühlberg, 3.800 Einwohner.
Erhalten sind die Klosterkirche (Backsteingotik)
und Teile eines Zisterzienserinnenkloster,
das 1228 gegründet wurde (in Meißen begann der Dombau 1250). Im Zuge der
Reformation wurde es 1539 säkularisiert. Der Innenraum der Kirche ist bis auf
den Altar-Raum leer. Die Ziegelwände sind ungeputzt, was die Größe der Kirche
unterstreicht.

Interessant sind Treppengiebel an mehreren Gebäuden mit
einem Maßwerk (Steinmetz-Ornamente) aus ineinander verschlungenen Spitzbögen.
In der Nähe
von Mühlberg befand sich während des 2. Weltkriegs ein großes Kriegsgefangenenlager mit bis zu 17.000
Gefangenen, Soldaten vieler Nationen. 3.000 Kriegsgefangene starben im Lager.
Bei Zeithain
wurde auf dem dortigen Truppenübungsplatz ebenfalls ein großes Gefangenenlager errichtet.
Dort starben 23.000 sowjetische Kriegsgefangene.
Das Mühlberger Lager wurde nach Kriegsende von der
Sowjetunion bis 1948 als Speziallager
des NKWD weiter genutzt. Rd. 22.000 Personen (NSDAP-, Gestapo-,
SS-Mitglieder) durchliefen das Lager, etwa 7.000 starben hier.
In Belgern machen wir an der Fähre Mittagspause. Gut, dass wir schon
bei Mühlberg auf das linke Elbufer
gewechselt sind. Hier liegt die Fähre still, Wassermangel der Elbe.
![]() |
Roland vor dem Rathaus Belgern |
Der Roland als Standbild eines Ritters mit
Schwert galt als Zeichen bürgerlicher Freiheit und Eigenständigkeit einer Stadt mit
Marktrecht und eigener Gerichtsbarkeit. Zurückgeführt werden die Roland-Statuen
auf einen Markgraf zur Zeit Karls des Großen, der im Mittelalter den Status
eines Volkshelden hatte (Warum?).
Bekannte Rolandsfigur ist der Bremer Roland.
Bekannte Rolandsfigur ist der Bremer Roland.
Am Marktplatz von Belgern steht auch
die Nachbildung einer Kursächsischen Postdistanzsäule. August der Starke und seine Nachfolger ließen an
allen Post- und Handelsstraßen Postmeilensäulen aufstellen, auf denen Entfernungen und Gehzeiten vermerkt waren.
![]() |
Sächsische Postsäule am Marktplatz Belgern |
Nicht nur die Fähre, die wegen zu
wenig Tiefgang nicht über die Elbe fahren konnte, erinnerte an den trockenen
Sommer, den wir dieses Jahr haben. Die Felder waren grau, abgeerntet wie im
Herbst. Rübenfelder mit immer noch kleinen Pflanzen. Zurückgebliebener Mais. Das
wird eine schlechte Ernte in diesem Jahr.
Wir erreichen Torgau, die ehemalige Residenzstadt, ein
schönes Städtchen mit dem prachtvollen kurfürstlichen Renaissance-Schloss Hartenfels. Mit einem großen Marktplatz, die Bürgerhäuser nach der
Wende alle restauriert. Aber in den Seitenstraßen doch noch leer stehende
Wohngebäude.
Torgau, 20.000 Einwohner (1984: 21.500)
Torgau war ab 1485 die Residenzstadt der ernestinischen
Kurfürsten von Sachsen.
Friedrich III. der Weise (1463 – 1525, Sohn von
Ernst) baute das bestehende Schloss
Hartenfels zum Residenzschloss aus.
Im Schloss fand die Uraufführung der ältesten
deutschsprachigen Oper Daphne (1627) statt. Der Komponist war Heinrich Schütz (1585 – 1672),
Hofkapellmeister in Dresden. Er gilt als erster
deutscher Komponist von Weltrang. Die Oper hatte er zur Hochzeit der
Tochter des Kurfürsten geschrieben.
Später hat auch Richard Strauss eine Daphne-Oper komponiert (1938 in
Dresden uraufgeführt). Daphne entstammt der griechischen Mythologie und war
eine Priesterin der Mutter Erde.
![]() |
Schlosskirche |
Etwa 10 Jahre zuvor wurde der Große Wendelstein, eine repräsentative Wendeltreppe als
freitragende Spirale vor dem Neuen Saalflügel, gebaut. Die Wendeltreppe gilt
als frühe Meisterleistung der Architektur.
In Schloss Hartenfels und andern Orten der Stadt trafen sich an dem
Wochenende Studierende internationaler Hochschulen und junge Sängerinnen und
Sänger zu gemeinsamen Proben. Sie waren zur
Internationalen Sächsischen Sängerakademie nach Torgau gekommen. Am Abend
trafen wir sie in den Restaurants rund um
den Marktplatz.
Torgau blieb Residenzstadt
bis nach dem Schmalkaldischen Krieg 1547 (der protestantischen Fürsten gegen den
katholischen Kaiser). Nach der verlorenen Schlacht kam Torgau mit anderen
ernestinischen Gebieten und der Kurfürstenwürde zum albertinischen Moritz von
Sachsen, der seine Residenz in Dresden hatte. Torgau wurde eine bedeutungslose
Nebenresidenz.
![]() |
Johann Friedrich der Gutmütige, letzter ernestinische Kurfürst |
Torgau war ein wichtiges Zentrum der Reformation. Kurfürst Friedrich III. (der Weise) förderte
die Reformation. Er schützte Martin Luther und ließ ihn auf die Wartburg
bringen, wo er als Junker Jörg lebt und das Neue Testament aus dem Griechischen
ins Deutsche übersetzte.
In Torgau starb Luthers Witwe Katharina von Bora. Sie wollte sich in Torgau vor der
Pest in Wittenberg in Sicherheit bringen. Auf dem Weg dorthin verletzte sie
sich bei einem Kutschunfall und starb 1552 in Torgau an den Folgen.
In Torgau stellt Villeroy & Boch seit 1926 Steinguterzeugnisse her. Die
Tradition wurde durch die Enteignung 1948 unterbrochen. Ein VEB (Volkseigener
Betrieb) übernahm die Produktion. Seit der Wende wird das Werk wieder von
Villeroy & Boch geführt.
Der französische Glashersteller Saint-Gobain stellt in Torgau Flachglas her.
Sehenswürdigkeiten:
-
Schloss Hartenfels mit
Schlosskirche und Hausmannturm (gute Aussicht)
- Historische
Altstadt mit fast vollständig erhaltenen
Renaissance-Häusern
- Markt und
Rathaus
- Handwerkerhaus,
aus dem Beginn des 17. Jh.
- Gedenkstätte
Geschlossener Jugendhof Torgau
(Umerziehung Jugendlicher in der DDR)
Hier in Torgau trafen sich 1945 amerikanische und russische Verbände an
der Elbe. Ein sowjetisches Denkmal erinnert am Elbufer von Torgau daran,
gegenüber am anderen Ufer die Fahnen der Sowjetunion und der USA, vereint mit
der deutschen Flagge.
11. Zur Lutherstadt - Von Torgau nach Wittenberg
7. Tagestour Torgau - Wittenberg
Sonntag 7. Juli
2018
Übernachtung im Ringhotel Schwarzer Bär in Wittenberg
Die Strecke: Torgau – Elster – Wittenberg.
62 Kilometer.
Ab Torgau fahren wir abseits des Elbe-Radwegs über gute
Landstraßen. Den Ort Prettin an der Elbe lassen wir weit links liegen. Flaches
Land. Wenige kleine Dörfer, die zu größeren Verbandsgemeinden
gehören. Das
Getreide ist meist abgeerntet. Rübenfelder mit zu kleinen Rüben.
Sonnenblumenfelder mit zu kleinen Blütenböden. Mais mit zu kleinen
Kolben-Ansätzen. Es fehlt Regen.
Dafür weht der Wind. Immer von vorn. Unsere Fahrtrichtung ist nach Nord-West. Von dort
kommt der Wind. Dass dies nicht nur jetzt während unserer Radtour so ist,
bezeugen die Windmühlen am
Wegesrand. Viele verfallen. Eine restaurierte sehen wir bei Lebien (zusammen
mit den anderen umliegenden kleinen Dörfern zur Flächengemeinde Stadt Annaburg
im Landkreis Wittenberg gehörend).
Es ist eine Bockwindmühle von 1833.
Das gesamte Mühlenhaus steht auf einem einzelnen dicken Pfahl, der von einem
Stützgestell (dem Bock) gehalten wird. Das Mühlenhaus mit dem Mahlwerk wird
mittels eines langen Balkens in Windrichtung gedreht. Bockwindmühlen sind der
älteste Windmühlentyp in Europa, auch Deutsche Windmühle genannt. Bei dem
anderen Windmühlentyp, den Holländerwindmühlen, wird nur die obere Kappe mit
den Flügelkreuzen bewegt.
Bei Gorsdorf erreichen wir die Schwarze Elster, die kurz danach in die
Elbe mündet.
Jetzt, da ich diesen Bericht schreibe, ist im Fernsehen die Nachricht, dass
die Schwarze Elster trocken gefallen ist. Es hat auch nach unserer Radtour
nicht geregnet.
Wir fahren ab hier wieder auf dem
Elbe-Radweg. Bis zum Dorf Elster.
Hier ist erst einmal Pause. Direkt am Elbdeich. Der Deich begleitet uns weiter bis
zur Lutherstadt-Wittenberg. Teils verläuft der Elbe-Radweg direkt auf dem Deich,
dann wieder außen am Deich entlang oder innerhalb der eingedeichten Elbewiesen.
Nach dem Jahrhundert-Hochwasser 2002 – wir haben die Wasserstand-Marken am
Rande unserer Radtour (so auch in Bad Schandau) ein paar mal gesehen – wurde
viel in die Erneuerung und Erhöhung der
Deiche investiert. Und wird es noch. Wir sind an einigen Deich-Baustellen
vorbeigekommen. Zum Teil wurde auf den vorhandenen Deich noch eine weitere
Mauer gesetzt. Zum Teil wurden die Deiche weiter weg von der Elbe verlegt. Dazwischen liegen die Elbwiesen als Polder,
die bei Hochwasser geflutet werden können.
Am frühen Nachmittag erreichen wir Wittenberg. Wir sind zügig gefahren.
Die Landschaft war flach und nicht sehr abwechslungsreich. Es gab wenige Gründe
anzuhalten.
Vom Elbe-Damm sehen wir schon von
weitem die Turmspitzen der Stadtkirche
über der Waldkrone. Ein letzter „Spurt“ durch die Elstervorstadt in das Zentrum
von Wittenberg. Gleich am Markt ist unser Hotel
Schwarzer Bär (gute Zimmer, gutes Frühstück). Kurze Pause und Duschen, wie
immer. Dann konnte der Rundgang beginnen.
Wittenberg,
50.000
Einwohner (1989: 51.700).
Seit 1938 kann sich
Wittenberg "Lutherstadt Wittenberg" nennen.
Residenzstadt
Wittenberg
Wittenberg war ab 1295 Residenzstadt des Herzogtums
Sachsen-Wittenberg (hervorgegangen aus der Teilung des askanischen Herzogtums Sachsen, der andere Teil war Sachsen-Lauenburg – siehe ausführlicher
„Radreise Berlin – Verona, Geschichte“ im Blog Sattel und Schuh). 1356
erhielt der Herzog von
Sachsen-Wittenberg durch die Goldene Bulle die Kurfürstenwürde.
1422/1423 ging das
Kurfürstentum Sachsen an die Markgrafen von Meißen. Die männliche
Stammeslinie Sachsen-Wittenberg war ausgestorben, der Kaiser verlieh das
Kurfürstentum an die Wettiner Markgrafen von Meißen. Die übernahmen den Namen
„Kurfürstentum Sachsen“ für ihr gesamtes Herrschaftsgebiet, auch für die Meißner
Gebiete. Aber Wittenberg war keine Residenzstadt mehr.
Neue Bedeutung erhielt
Wittenberg ab 1486, als Kurfürste Friedrich III. Wittenberg als zweite Residenzstadt
neben Torgau ausbauen ließ. Ab 1489 wurde das neue Wittenberger Schloss errichtet.
Die finanziellen Mittel hatten
die Wettiner aus dem Silberbergbau im Erzgebirge. Um 1470 begann der
Silberabbau. 1471 begann der Bau der Albrechtsburg in Meißen, 1474 wurde das
Schloss Hartenfels in Torgau gebaut.
Die Einwohnerzahl war in dieser
Zeit aus heutiger Sicht sehr gering, 2.000 Einwohner lebten Ende des 16. Jh. in
Wittenberg – und einige hundert Studenten.
Mit dem Übergang
des Kurfürsten-Titels an die albertinische Linie (nach dem Schmalkaldischen
Krieg 1546/1547) verlor das Schloss seine Bedeutung als Nebenresidenz und Wittenberg blieb nur noch die Universität. Und die wurde von Napoleon geschlossen.
Sehenswürdigkeiten:
- Schlosskirche
- Stadtkirche St. Marien mit dem Cranach-Reformations-Altar
- Luther-Haus, heute reformations-geschichtliches Museum
-
Ehemalige Universität Wittenberg
Alma
Mater Leucorea
(altgriechisch „Weißer Berg), sie ist
Teil der heutigen Martin-
Luther-Universität
Halle-Wittenberg
-
Schlosskirche Allerheiligen und Schloss
-
Cranachhöfe (Markt 3 u. 4, und Schlossstr. 1)
- Panoramabild,
Anlässlich des Luther-Jubiläums 2017 hat
Yadegar Asisi ein
Rundum-Gemälde der Zeit Luthers vor 500
Jahren geschaffen.
Martin
Luther in Wittenberg
In Wittenberg hat Martin Luther am 31. Oktober 1517
seine 95 Thesen verkündet. Er studierte von 1508 bis 1509 in
Wittenberg Theologie und war dann wieder ab 1511 in Wittenberg. 1512 wurde er zum „Doctor Theologiae" promoviert und
übernahm einen Lehrstuhl für Bibelauslegung.
![]() |
Turm der Schlosskirche |
Luther
hatte schon mehrfach gegen den Ablasshandel
gepredigt. Anstoß für seine Thesen war dann wohl eine vom Mainzer Erzbischof verfasste Anweisung für die im
Land umherreisenden Ablassprediger. Als einen der eifrigsten hatte er den Mönch
Johannes Tetzel nach Sachsen geschickt.
Der Mainzer Erzbischof
Albrecht II von Brandenburg wurde schon mit 23 Jahren (1513) Erzbischof von Magdeburg und Verwalter des Bistums Halberstadt. Ein Jahr später wurde er auch Erzbischof von Mainz und damit einer der sieben
Kurfürsten des Deutschen Reiches. Möglich wurde diese damals nicht unübliche
Ämterhäufung durch Zahlungen an den Papst in Rom.
Erzbischof Albrecht lieh sich das Geld dafür bei den Fuggern
(damals eine der reichsten Kaufmannsfamilien in Europa). Mit Papst Leo X.
vereinbarte er den Verkauf von Ablassbriefen. Die Hälfte der Einnahmen floss
nach Rom. Mit der anderen Hälfte beglich er seine Schulden bei den Fuggern.
Die Sündenvergebung durch Kauf eines Ablassbriefes bzw. eines
Beichtbriefes war seit dem 14. Jh. nicht unüblich. Im 16. Jh. wurde der
Ablassverkauf stark ausgeweitet, um den Bau des Petersdoms in Rom zu finanzieren.
In Wittenberg suchen wir natürlich Martin Luther´s Spuren:
Wir beginnen mit der Stadtkirche St. Marien.
Seit 1514
(oder 1512 ?) predigte Martin Luther
in der Stadtkirche. Zu der Zeit war er Mitglied der theologischen Fakultät und
– katholischer – Distriktvikar (für 10 Ordensklöster). Luther war nicht nur ein
einfacher Mönch. Er gehörte quasi zur geistlichen Führungselite.
Weihnachten
1521 wurde in der Stadtkirche der erste
evangelische Gottesdienst gefeiert.
1522 wurde
während des Bildersturms fast die
gesamte Inneneinrichtung der Kirche zerstört und Martin Luther kehrte von der Wartburg zurück und stoppt mit
seinen Predigten den Bildersturm.
1525 heiratete Luther in der Stadtkirche
Katharina von Bora (wie Luther davor Mitglied eines Klosters), getraut von Johannes Bugenhagen.
Über Luther war von Kaiser Karl V. die Reichsacht
verhängt worden, nachdem er auf dem
Wormser Reichstag jeglichen Widerruf seiner Schriften ablehnte. Luther sollte
nach Rom ausgeliefert werden. Für seine Rückreise von Worms nach Wittenberg
hatte er allerdings freies Geleit erhalten. Der protestantische Kurfürst Friedrich der Weise ließ
Luther vorsichthalber auf der Rückreise von Worms entführen und versteckte ihn
auf der Wartburg. Hier übersetzte Luther,
getarnt als Junker Jörg, die bisher nur in lateinischer Schrift verbreitete
Bibel in die Deutsche Sprache.
Johannes Bugenhagen war Weggefährte Martin Luthers. Er wurde 1523 erster evangelischer
Stadtpfarrer von St. Marien. Später war Bugenhagen Pfarrer in Braunschweig.
Bugenhagen arbeitete entscheidend an der Entwicklung der evangelischen Kirchenordnung
mit (Kirchenleitung und Gottesdienst-Ordnung), so für Braunschweig, Pommern,
Wolfenbüttel.
![]() |
Stadtkirche |
Eine Bodenplatte erinnert an den
schwedischen König Gustav Adolf, der
in der Stadtkirche 1632 für einen Tag aufgebahrt wurde. Er war in der Schlacht
bei Lützen (zwischen Leipzig und Naumburg/Saale) getötet worden und von dort in
einem Trauerzug nach Schweden gebracht worden.
Gustav Adolf II., König von Schweden, unterstützte im Dreißigjährigen Krieg das
protestantische Lager gegen die kaiserlich-katholische Armee (einer der
Heerführer war Wallenstein – bekannt durch Schillers „Wallensteins Lager“).
Auslöser des Krieges war der (zweite) Prager Fenstersturz 1618.
Am Weg zur Schlosskirche steht am
Markt das Haus von Lucas Cranach (Vater „d.Ä.“ – 1472 – 1553 und Sohn „d.J.“
– 1515 – 1586). Nach 1518 wurden Wohnung und Werkstatt in die Schlossstraße
verlegt.
In der DDR-Zeit verfielen beide Gebäude. Ab 1994 wurden die Häuser saniert.
![]() |
Cranach-Haus heute |
Lucas Cranach d.Ä. gehörte dem Rat der Stadt an und war Bürgermeister und Richter. Sein Sohn
tat es ihm gleich, auch er war im Stadtrat und Bürgermeister Wittenbergs.
Mit Herzog Johann Friedrich I. dem Großmütigen (es war Cranach´s dritter
Dienstherr) ging Cranach d.Ä. 1549 nach Weimar. Johann Friedrich hatte mit dem
Schmalkaldischen Bund gegen Kaiser Karl V. verloren und damit die
Kurfürstenwürde. Große Teile des Landes gingen an seinen Vetter, darunter auch
Torgau und Wittenberg. Die Wittenberger Werkstatt hatte Cranach an seinen Sohn übergeben.
Das Gesamtwerk der Cranach-Werkstatt (Vater und Sohn) wird auf rund 5.000
Werke geschätzt, meist Auftragsarbeiten. Ein großer Teil ist verloren gegangen,
weltweit soll es noch rd. 1.500 Cranach-Werke geben.
Cranach d.Ä. ist neben Albrecht Dürer der bedeutendste Maler der deutschen
Renaissance. Cranach-Gemälde befinden sich in vielen Städten Bayerns und
Mitteldeutschlands.
Cranach unterstützte Luthers
Reformation (obwohl er auch für katholische Herrscher arbeitete – s.
Meißen). Zahlreiche Luther-Bilder stammen von ihm.
Die Schlosskirche ist Teil des Schlosses, das der ernestinische Kurfürst Friedrich III. der Weise an der Stelle einer
ehemaligen Burg (der askanischen Herzöge) ab 1490 bauen ließ. Nur ein halbes
Jahrhundert später (1547) verlor das
Schloss seine Bedeutung. Kurfürsten-Titel und Wittenberg gingen nach dem
Schmalkaldischen Krieg auf die albertinische Linie über.
Kurfürst Friedrich der Weise war nicht nur Förderer und Beschützer Luthers und Gründer der Wittenberger
Universität. Er war auch ein fleißiger Reliquien-Sammler. 19.000 Reliquien mit
einem Wert von 2 Millionen Jahren Ablass (!) hat er angehäuft (andere Quelle:
5005 Reliquien und 501.300 Ablass-Tage), einige davon hatte er selber von einer
Wallfahrt nach Jerusalem mitgebracht. Die Reliquien wurden in der Schlosskirche
aufbewahrt (alle?). Sie wurde dadurch zu einer Wallfahrtskirche, die viele
Pilger anzog. Cranach d.Ä. hat die Reliquien-Sammlung im Auftrag des Kurfürsten
auf 119 Holzschnitten festgehalten.
Nach Gründung der Universität wurde
die Schlosskirche auch Universitätskirche. Die Studenten
erhielten hier ihre Promotion. In der Schlosskirche sind Friedrich der Weise
sowie Luther und Melanchton begraben.
Die Wittenberger Universität
Leucorea (griechisch „weißer Berg“ in Anlehnung an den Namen der Stadt
Wittenberg) gründete Friedrich der Weise weil sein Land nach der Leipziger
Teilung (in die ernestinische und albertinische Linie) keine Universität hatte
(die war in Leipzig, im albertinischen Teil). Sie sollte die Ausbildung von
Juristen, Theologen und Medizinern für die kursächsische Landesverwaltung
sicherstellen. Für die Gründung bedurfte es der kaiserlichen Genehmigung (Oktober
1502). Die ebenso notwendige päpstliche Genehmigung erfolge aber erst 5 Jahre
später.
Martin Luther hatte hier, noch als katholischer Mönch, seine Professur für
Bibelauslegung und Philipp Melanchton lehrte die griechische Sprache.
Napoleon ließ die Universität schließen und nach
dem Wiener Kongress (Wittenberg kam zu Preußen) wurde sie nicht wieder in
Wittenberg eröffnet, sondern in Halle.
Seit 1994 ist in dem Gebäude der Leucorea eine
Stiftung als Teil der Martin-Luther-Universität Halle Wittenberg.
Neben der Universität befindet sich
das Lutherhaus, in dem Martin Luther
bis zu seinem Tode wohnte. Seine Erben verkauften Gebäude und Grundstück an die
Universität, die das Haus zusammen mit einem Neubau, dem Augusteum, für die wachsende
Universität nutzte.
![]() |
Luther-Haus - ehem. Augustinerkloster |
Luther, der in Erfurt seine Priesterweihe erhalten
hatte, wurde dem neu gegründeten Wittenberger Konvent zugewiesen und
promovierte an der Universität.
Während der Reformation wurde das Kloster
1521/1522 aufgelöst. Luther wohnte wieder in dem Kloster, nachdem er die
Wartburg verlassen hatte und nach Wittenberg zurückgekehrt war. 1524 übereignete
der sächsische Kurfürst den
Gebäudekomplex an Luther.
Ähnlich großzügig war Kurfürst Johann Friedrich auch gegenüber dem
Weggefährten Luthers, Philip Melanchton. Er ließ für Melanchton 1536 ein Haus
in der Nähe der Leucorea bauen und schenkte es ihm, um ihn an Wittenberg zu
binden.
![]() |
Lutherstube |
Martin Luther war als Mönch und am Anfang seiner Ehe sprichwörtlich „bettelarm“. Dank der Förderung durch den sächsischen
Kurfürsten und durch die wirtschaftlichen Fähigkeiten seiner Frau starb er als
einer der reichsten Bürger Wittenbergs.
Luthers Professorengehalt betrug zuletzt jährlich 500 Gulden (der
Jahreslohn eines Handwerkers war in dieser Zeit 22 Gulden). Für seine Vorlesungen und Schriften verlangte
er aber kein Geld.
Seine Frau legte das Geld gut an, kaufte und pachtete Gärten und
landwirtschaftliche Flächen zur Eigenversorgung, betrieb eine Viehzucht und
eine Brauerei. Kammern im ehemaligen Augustinerkloster wurden an Studenten
vermietet.
Luthers Frau hatte aber auch einen großen Haushalt zu unterhalten. Neben
den eigenen Kindern hatte Luther die Neffen und Nichten seiner Brüder und
Schwestern bei sich aufgenommen. Gäste, Lehrer, Studenten, Dienstboten und
Tagelöhner mussten täglich versorgt werden.
Nach Luthers Tod schmolz das Vermögen in den Wirren des Schmalkaldischen
Krieges beträchtlich. Seine Witwe konnte zum Schluss nur mit Unterstützung
durch den Kurfürsten und den preußischen Herzog Albrecht (er war letzter
Hochmeister des Deutschen Ordens und säkularisierte den Ordensbesitz zum
lutherischen Herzogtum Preußen – siehe „Radreise Berlin – Danzig, 6. Teil“ im
Blog Sattel und Schuh) sowie den dänischen König Christian III. wirtschaftlich
überleben.
Vor der Pest floh sie von Wittenberg nach Torgau und starb dort.
12. Zum Wörlitzer Gartenreich - Von
Wittenberg bis Dessau
8. Tagestour Wittenberg - Dessau
Sonntag, 15. Juli 2018
Übernachtung im Hotel 7 Säulen in Dessau
Die Strecke: Wittenberg – Coswig – Wörlitz -
Dessau.
42 Kilometer.
Von Wittenberg nach
Dessau ist es nicht weit. Aber die Strecke ließ sich schlecht anders einteilen.
Wir wollten Zeit für Wittenberg haben und zwischen Wittenberg und Magdeburg
gibt es an der Elbe außer dem Wörlitzer Gartenreich und dem Bauhaus Dessau
nicht so viel Aufregendes.
In aller Ruhe fahren wir
über die Schlossstraße aus Wittenberg hinaus, kommen noch einmal am Schloss
vorbei und radeln durch die Elbwiesen gen Westen. Dass wir natürlich wieder
Westwind haben, brauche ich nicht groß zu erwähnen. Wir hatten die ganze Tour
über immer Wind. Wir waren daran gewöhnt und Coswig war schnell erreicht.
Coswig,
12.095
Einwohner.
Erwähnenswert ist
das Schloss Coswig der Fürsten von Anhalt-Zerbst. Erbaut wurde
es ab 1670. Für die Bezahlung wurde in
Jever in Ostfriesland eine Sondersteuer erhoben. Jever gehörte damals zu
Anhalt-Zerbst und die Bürger mussten für ein Schloss bezahlen, dass noch nicht
einmal in ihrer Gegend gebaut wurde. Später wurde das Schloss als Witwensitz
genutzt. Mit dem Tod der letzten Fürstenwitwe des Hauses Anhalt-Zerbst endete
die Nutzung als Schloss. Nach Zwischennutzungen u.a. als Gefängnis (bis 1957)
wurde das Schloss nach der Wende von einer italienischen Unternehmerin gekauft
und soll künftig kulturellen Zwecken dienen.
Bei Coswig queren wir die Elbe. Die Fähre ist
eine sog. Gierseilfähre. Vorher
musste der Fährkahn über die Elbe gerudert und gestakt werden. Jetzt treibt der
Fluss die Fähre von einem Ufer zum anderen.
Gierseilfähre: Das Fährboot ist an Bug und
Heck an einem langen, flussaufwärts verankerten Seil befestigt. Durch
Veränderung des Anstellwinkels zwischen den beiden Seilenden wird die Fähre
schräg zur Strömung gestellt und das anströmende Wasser treibt das Boot voran.
Erfunden hat die
Gierseilfähre 1657 ein Niederländer.
In Wörlitz
haben wir die Fahrräder am Schloss abgestellt und das Gartenreich zu Fuß
durchwandert.
Wörlitz, 1.500 Einwohner.
Das Gartenreich
Wörlitz geht auf Leopold III. zurück, ein Enkel des „Alten
Dessauer“. Die Idee zu der Parkanlage brachte er von Reisen nach England
mit. Wie viele Adlige ging er in jungen Jahren auf Studienreise (Kavalierstour)
durch mehrere europäische Länder, darunter auch England.
Der
"Alte Dessauer" war Leopold I, Fürst von Anhalt-Dessau (1676
– 1747). Er wurde mit 17 Jahren wie sein Vater Befehlshaber des
brandenburgischen Regiments Anhalt, später auch Generalfeldmarschall und
Vertrauter des preußischen Königs Friedrich Wilhelm I. Er trug wesentlich
zum Aufbau Preußens als Militärmacht bei. Nach der
Thronübernahme durch Friedrich den Großen (König in Preußen, später König von
Preußen. Siehe: „Geschichte Preußens“ im „Reisebericht Ostsee-Radreise nach
Danzig“, im Blog Sattel und Schuh) unterstützte er diesen in seinen
schlesischen Kriegen, kam aber mit dem jungen König nicht zurecht und zog sich
nach Dessau zurück.
Leopold
I. heiratete entgegen den Gepflogenheiten und gegen den Widerstand seiner
Mutter seine Jugendliebe, die bürgerliche Tochter des Dessauer Hofapothekers,
die – damit sie dann „standesgemäß“ wurde - mit der Heirat
zur Reichsgräfin erhoben wurde.
Leopold
I. war zwar nur selten in Dessau, sanierte aber das überschuldet
übernommene Fürstentum. Er kaufte, auch mit Druck, die Güter der
Adligen in seinem Fürstentum auf und bewirtschaftete sie selber.
![]() |
Wörlitzer Park |
Zur
Erhöhung der Einnahmen führte er die Akzise ein, eine Art Verbrauchssteuer bzw. ein
Binnenzoll auf Lebensmittel, die an den Stadtmauern kassiert wurde.
Seine Mutter war Prinzessin aus
dem niederländischen Haus Nassau-Oranien.
Auf sie geht das Dorf Oranienbaum (früher Nischwitz) bei Wörlitz
zurück, in dem sie das Schloss Oranienbaum bauen ließ.
![]() |
Wörlitzer Park |
Insgesamt wurden 4 Schlösser für 4
Schwestern aus dem Königshaus Nassau-Oranien gebaut, die deutsche Herrscher geheiratet
hatten.
Die Wörlitzer Gartenanlage
besteht aus mehreren Landschaftsparks nach englischem Vorbild. 142 km²
sind erhalten. Der zentrale Teil ist der Wörlitzer Park, 1769 – 1773 erschaffen
und 1813 erweitert. Er liegt mit dem Schloss Wörlitz am Wörlitzer See, einem Altarm der Elbe,
östlich von Dessau gelegen.
![]() |
Wörlitzer Park |
![]() |
Wörlitzer Park |
Weitere
Landschaftsgärten sind z.B. der Englische Garten in München und
der Georgengarten in Hannover.
![]() |
Schloss Wörlitz |
Von Erdmannsdorff war ein Schinkel-Schüler.
Schinkel (1781 –
1841) war der Baumeister Preußens, auf den viele Schlösser und Bauten
zurückgehen. Auch das Eiserne Kreuz
hat Schinkel für den preußischen König Wilhelm III als Auszeichnung in den
Befreiungskriegen gegen Napoleon entworfen. Später war es deutsche
Kriegsauszeichnung. Die Bundeswehr hat das „Eiserne Kreuz“ als Hoheitszeichen.
Am Rand des
Schlossgartens ließ der Fürst eine Synagoge
als Toleranz-Symbol errichten. Die Architektur der Synagoge ist einem römischen
Antiken-Tempel nachempfunden.
Die Kirche des Dorfes Wörlitz, die auf den
Askanier Albrecht der Bär zurückgeht (1201), ließ der Fürst im neugotischen
Stil umbauen.
Als Erinnerung an
eine Neapel-Fahrt ließ er den Vesuv-Berg
auf einer Insel im See bauen. Der Berg konnte schon damals Lava speien, mittels
Ton-, Licht- und Wassereffekten. Heute kann man das Spektakel wieder erleben.
Nicht alle Bauwerke und Brücken und Kanäle
haben wir gesehen. Dazu braucht es mehr Zeit. Die meisten Bauten (Graues Haus,
Gotisches Haus, Felspartie, Luisenklippe, Venustempel, Pantheon, Villa
Hamilton, italienisches Bauernhaus) sind Erinnerungen des Fürsten an seine
Reisen durch Europa.
Zwischen
Wörlitz und Dessau führt der
Elbe-Radweg bei Vockerode jetzt wieder entlang der Elbe. Der Weg ist schöner
als die Fahrt durch den Ort, vorbei an dem ehemaligen Braunkohlekraftwerk, den
ich damals von Berlin nach Göttingen gefahren bin. Damals war der Elbeweg wegen
Deichschäden gesperrt.
Wir überqueren die Mulde, ein Nebenfluss der Elbe, der so sauber ist, dass dort wieder
Forellen sind. Von der Brücke konnten wir sie im Wasser stehen sehen.
Zu unserem Hotel 7 Säulen mussten wir ein ganzes Stück durch Dessau fahren.
Dessau wurde wegen der Junkers Flugzeugwerke im 2. Weltkrieg durch
Bombenangriffe fast vollständig zerstört. Der Wiederaufbau ist nicht wirklich
gelungen. Plattenbauten und Hochhäuser haben die früher kleinteilige Bebauung
ersetzt. Kein Zentrum, keine Innenstadt.
Dessau-
Roßlau, 83.000
Einwohner.
Bekannt sind
das
Bauhaus Dessau
und die Meisterhäuser:
Vorgänger-Institut des Bauhauses
Dessau war die Kunstgewerbeschule in Weimar, ab 1919 unter Leitung von Walter
Gropius. Aus politischen Gründen wurde
die Kunstgewerbeschule aufgelöst (dem NSDAP-Stadtrat passte die
Architektur-Richtung nicht).
Die Stadt Dessau holte daraufhin die Schule in ihre Stadt. Walter
Gropius erhielt den Auftrag, das Bauhaus neu zu errichten, 1926 war es
fertiggestellt. Möbel und Einbauten wurden in den eigenen Werkstätten
entworfen und angefertigt.
Im
Ateliergebäude des Bauhauses kann man auch in den ehemaligen Studentenzimmern
übernachten („im Sinne des Bauhauses mit minimalistischer Einrichtung“). Das wussten wir allerdings vorher nicht.
In der Nähe (unser Hotel 7 Säulen liegt gegenüber) baute Gropius
die Meisterhäuser für die Meister des Bauhauses, die
Musterhäuser modernen Wohnens wurden.
![]() |
Meisterhäuser Dessau |
Es
sind die Häuser Gropius, Moholy-Nagy/Feininger, Muche/Schlemmer, Kandinsky/Klee
(benannt nach ihren Bewohnern). Zu dem Ensemble gehört auch ein Kiosk, die
Trinkhalle von Mies van der Rohe, als Teil der Gartenmauer (in den 1970er
Jahren abgerissen, 2013/2016 rekonstruiert).
Weitere Beispiele der Bauhaus-Architektur
sind in Dessau das Kornhaus (s.u.),
das Dessauer Arbeitsamt und die Reihenhaussiedlung in Dessau-Törten.
Walter Gropius hat auch für das Berliner
Wohnungsbauunternehmen GSW (deren
Geschäftsführer ich bis 2006 war) gearbeitet. Er war als Architekt am Bau der GSW-Großsiedlung
Siemensstadt beteiligt (1929 – 1934 gebaut).
Nachfolger von Gropius war 1930 bis 1933 (Auflösung durch die
NS-Regierung) Ludwig Mies van der Rohe.
Gropius, van der Rohe und Le
Corbusier
gelten als die Begründer der modernen Architektur. Merkmale sind u.a. kubische
Baukörper und Glas-Vorhangfassaden. Möbel wurden in geometrischen Formen
entwickelt, typisch ist der Freischwinger-Stuhl.
Gefragt habe ich im Hotel nach der
Namensgebung, woher die 7 Säulen kommen.
Die Erklärung war ganz einfach. An der großen Kreuzung in Sichtweite des Hotels
stehen 8 Säulen, dem Portikus des Saturntempels
auf dem Forum Romanum in Rom nachempfunden. Von Erdmannsdorff hat sie dort
am Rande des Georgengartens aufgestellt. 1996 wurden sie erneuert.
Wie beim Saturntempel soll man auch bei dem
Nachbau aus jeder Sicht von den 8 Säulen immer nur 7 sehen.
Um zu den Meisterhäusern zu kommen, brauchten wir von unserem Hotel nur über
die Straße gehen. Bekannte Bewohner waren Walter Gropius und Ludwig Mies van
der Rohe. Aber auch der Maler Paul Klee wohnte eine Zeit lang in einem der
Häuser. Gropius hatte ihn als Werkstattmeister für die Buchbinderei nach Dessau
geholt. Auch Wassily Kandinsky war hier Lehrer.
Erst 2014 wurden die wieder hergerichteten
Meisterhäuser als Museum der Öffentlichkeit übergeben. Dass zwei Häuser (auch
das Haus von Gropius) bei der Bombardierung zerstört und neu aufgebaut wurden,
erkennt man als Laie nicht.
![]() |
Bauhaus Dessau |
Für Radfahrer gibt es in Dessau
einen Rundkurs, der die Baudenkmale der Bauhaus-Architektur
verbindet. Das wären „nur“ 17 km gewesen. Aber wir wollen heute nicht mehr
auf das Rad. Die Strecke am nächsten Tag würde noch lang genug werden.
Also gingen wir zu einem der
Bauhaus-Denkmäler, der Ausflugsgaststätte
Kornhaus, zu Fuß und genossen beim Abendessen die Abendstimmung an der Elbe.
Der Bauhaus-Architekt Carl Fieger hat es für die Berliner Schultheiss-Patzenhofer-Brauerei
(heute „Berliner-Kindl-Schultheiss-Brauerei“, die zur Radeberger Gruppe des
Oetker-Konzerns gehört) gebaut.
13. Letzte
Etappe bis Magdeburg
9. Tagestour Dessau - Magdeburg
Montag, 16. Juli 2018
Übernachtung im Hotel Motel One in Magdeburg
Die Strecke: Dessau – Aken – Steckby –
Walternienburg – Dornburg – Ranies – Grünewalde (gegenüber Schönebeck) –
Magdeburg-Prester – Elbeinsel Magdeburg-Werder – Magdeburg-Zentrum.
82 Kilometer
Auf
zur letzten Etappe unserer Reise.
Nach
der Kurzstrecke bis Dessau folgte jetzt noch einmal ein längerer Abschnitt.
Zuerst
war noch eine Übernachtung in Schönebeck
vorgesehen. Aber so interessant ist der Ort nicht. Ich hatte dort bei meiner
Radtour nach Salzgitter übernachtet. Wie viele DDR-Städte hat der Ort nach der
Wende fast ein Drittel seiner Einwohner verloren (1989: 44.600 Einwohner, 2015:
31.400). Also beschlossen wir durchzuradeln.
Erwähnenswert ist das Gradierwerk in Schönebeck (im Ursprung 1,8 km lang)
im Ortsteil Bad Salzelmen. Es war einst das größte preußische Unternehmen (2.
Hälfte 18. Jh.). Das Salzvorkommen
gehört zum „Zechsteinmeer“, das vor 255 Jahren die Nordsee zwischen
England/Schottland und Norwegen/Dänemark und die Norddeutsche Tiefebene und
Polen bedeckte.
(s. „Radtour Berlin –
Salzgitter“ im Internet-Blog „Sattel und Schuh“)
Vom
Hotel in Dessau zunächst zur
Elbe. Elberadweg. In Aken wechseln
wir auf das rechte Elbufer. Wieder eine Gierseilfähre. Durch Elbewiesen und abgeerntete Felder durchqueren wir den
Elbebogen bei Aken. Auf einer neu angelegten Beton-Fahrspur. Fast wie auf einer Rennbahn.
Dann
kommt ein langer Abschnitt, immer geradeaus durch einen Kiefernwald, 8 km von
Steckby bis Tochheim. Mitten drin am Weg die Torpfosten eines
hochherrschaftlichen Eingangs. Sonst nichts. Eine Informationstafel klärt uns
auf. Das Eingangsportal gehört zu einem vor
150 Jahren verschwundenen Schloss.
Es war das Schloss Friederikenberg, zum Fürstentum
Anhalt-Zerbst gehörend. Gebaut wurde es als Wohnsitz des Erbprinzen nach
seiner Hochzeit mit einer Friederike von Sachsen-Gotha. Daher der Name des
Schlosses. Es war weit genug vom elterlichen Schloss in Zerbst entfernt und der
umliegende Wald war ein gutes Jagdgebiet.
Mitten im Bau starb Friederike
1709 und die Bauarbeiten wurden zunächst eingestellt und erst nach zwei
Jahrzehnten fortgeführt. Irgendwann wurde es nicht mehr genutzt. Es verfiel und
wurde abgetragen. Wahrscheinlich wurden die Baumaterialien von der Bevölkerung
für andere Hausbauten verwendet.
Wer den kleinen Berg hinter dem
Eingangsportal hinaufgeht, könnte noch einige der alten Bepflanzungen des
Gartens entdecken.
Dem
Fürstentum Anhalt-Zerbst gehörte auch das Schloss Coswig, an dem wir auf dem Weg
nach Wörlitz vorbeigekommen waren. Und auch das Schloss Dornburg, das wir vor Magdeburg noch sehen werden. Das
Fürstentum war klein und landwirtschaftlich geprägt, aber für Schlossbauten
muss das Geld gereicht haben. Oder auch nicht, die Schulden müssen immer größer
geworden sein. Später, Mitte der 2. Hälfte des 18. Jh., verkaufte einer der
Fürsten zwei Regimenter aus Zerbst und Jever, über 1.000 Soldaten, an die
britische Krone für den Krieg in der amerikanischen Kolonie.
Wir kommen
jetzt wieder zur Elbe, auf der gegenüberliegenden Flussseite liegt Barby. Richtung Dornburg konnten wir den Weg
abkürzen. Auf der Radweg-Karte war ein großer Umweg vorgegeben, hoch nach
Gommern und dann wieder über Pretzien runter nach Ranies an der Elbe. Wir
fanden einen Weg quer rüber nach Ranies und der war gut und viel kürzer. Den
könnte man eigentlich auch als Elbe-Radweg ausschildern.
In Dornburg eine letzte Pause vor
Magdeburg. In einer Dorfgaststätte gegenüber dem Schloss (der Fürsten von
Anhalt-Zerbst, wie oben erwähnt). Ein großes Barockschloss, offensichtlich
ungenutzt und von Verfall bedroht. Ungenutzt auch die großen Wirtschaftsgebäude
des zum Schloss gehörenden Gutshofs. Nur ein paar Störche bewohnten die Strommasten
neben dem Gut.
Das Schloss Dornburg hat sich die Fürstin Johanna-Elisabeth von
Anhalt-Zerbst als Witwensitz bauen lassen. Das Vorgängerschloss an diesem Platz
war 1750 abgebrannt. Groß und prächtig sollte das Schloss werden, war der Bruder
der Fürstin doch der schwedische König
Adolf Friedrich und die Tochter mit dem russischen Thronfolger verheiratet (sie
wurde später die Zarin Katharina die
Große).
Geplant war eine hufeisenförmige
Dreiflügelanlage. Gebaut wurde nur der Mittelteil. Der allein hat 80 Räume und
ein prächtiges barockes Treppenhaus. Im Siebenjährigen Krieg (1756 – 1763, auch
Dritter Schlesischer Krieg genannt, Preußen behielt das vorher österreichische
Schlesien) besetzte Preußen das Fürstentum und die Fürstin floh nach Paris und
starb dort.
Schloss und Gut gingen an die
Anhalt-Köthener Linie und wurden Ende des 19. Jh. verkauft. Dann kam es zum
Land Sachsen-Anhalt und steht seit 20 Jahren leer.
Durch die
Elbe-Auen vorbei an Schönebeck. Wir
fahren nicht in die Stadt hinein, sondern bleiben auf der rechten Elbeseite.
Dann kommt
der alte Elbe-Arm bei Magdeburg, wir durchfahren die Magdeburger Elbeinsel und
radeln in die Altstadt hinein. Punkt 15 Minuten nach 15 Uhr sind wir auf dem Domplatz, die Dom-Uhr
zeigt es.
14. Magdeburg
Magdeburg Besichtigung
Montag, 16.
Juli
Magdeburg
ist Hauptstadt
des Bundeslandes Sachsen-Anhalt, 240.000 Einwohner
(1989: 288.300)
Das
Bundesland Sachsen-Anhalt, 2,3 Mio. Einwohner (2015), umfasst die ehem. preußische
Provinz Sachsen (ohne den westlich gelegenen Bezirk Erfurt, heute
Thüringen) und das ehem. Herzogtum
Anhalt (ausführlicher im Bericht „Radreise Berlin – Verona, 7. Teil
Geschichte“).
BIP Bruttoinlandsprodukt pro Kopf (EU 100 %: 2016): Sachsen-Anhalt 86 %, Deutschland 124 %.
Magdeburg und
Otto I. und Prag
Das Erzbistum
Magdeburg und das Bistum Prag
gehen auf Kaiser Otto I. zurück.
Unsere
Radreise verbindet die ottonischen Bistumsgründungen
Prag (der Beginn unserer Radreise) und Magdeburg (das Ende unserer Reise).
Otto I. erhielt 967 auf der Synode von
Ravenna die Zustimmung des Papstes zur Gründung
des Erzbistums Magdeburg und weiterer Bistümer, Merseburg, Zeitz und Meißen,
die zusammen mit den bereits 948 von Otto I. gegründeten Bistümern Brandenburg
und Havelberg dem Erzbistum Magdeburg unterstellt wurden.
Gegründet werden konnte das Erzbistum aber
erst 968 werden, nachdem die Bischöfe
von Halberstadt und Mainz in dem Jahr gestorben waren. Sie hatten sich gegen
die Gründung des Erzbistums Magdeburg gewehrt, weil sie Gebiete aus ihren
Bistümern an Magdeburg abgeben mussten.
Die
Bistümer Brandenburg und Havelberg bestanden allerdings nicht lange. Bereits
983 gingen sie nach einem Slaven-Aufstand wieder unter.
Das Bistum
Prag entstand 973 durch eine Übereinkunft
Kaiser Otto I. mit dem böhmischen Herzog
sowie dem Regensburger Bischof, zu
dessen Bischofsbezirk Prag damals gehörte. 1344 wurde Prag Erzbistum.
Das Bistum umfasste Böhmen, Mähren,
Schlesien, Kleinpolen (das südliche Polen mit Krakau, Lublin und Sandomierz).
Otto I. wurde 912 in Wallhausen (am Süd-Harz, heute Sachsen-Anhalt)
geboren.
Wallhausen lag an einer wichtigen Heer-
und Poststraße von Sangershausen nach Nordhausen. Hier stand eine Königspfalz oder ein Königshof, in dem die Eltern Otto I., Heinrich
I. und Mathilde, 909 heirateten.
Bedeutung hatte der Ort bis ins späte 12. Jh., auch nachfolgende Könige und
Kaiser hielten hier ihren Hoftag ab,
so Kaiser Barbarossa 1169.
Hoftage waren formlose Versammlungen
der römisch-deutschen Könige und Kaiser mit ausgewählten Großen des Reiches.
Aus den Lehensverhältnissen entstand die Verpflichtung, auf Anforderung des
Königs oder Kaisers zu Beratungen und Entscheidungen am Hofe zu erscheinen.
Lehen
waren die Grundlage der mittelalterlichen Gesellschaftsordnung. Der König gab
Land an seine Vasallen, die dieses weiter an Untervasallen und diese zur
Bearbeitung durch unfreie Bauern geben konnten. Lehensfähig waren nur
„waffenfähige Freie“. Sie bildeten den Adel als gesellschaftliche Oberschicht
(Hierarchie im 13. Jh. entsprechend dem Rechtsbuch „Sachsenspiegel“: König,
geistliche Fürsten, weltliche Fürsten, Grafen und Freiherren, Ministeriale („Beamte“),
Ritter (niederer Adel)).
Die
Könige des Mittelalters regierten nicht von einer Hauptstadt oder Residenz aus
sondern reisten mit Familie und Hofstaat durch das Reich von Pfalz zu Pfalz (Reisekönigtum). Die Pfalzen entstanden meist in einem Abstand von
30 km, was einer Tagesreise zu Pferd entsprach.
Es
mussten dabei weite Strecken zurückgelegt werden. So reiste z.B. Kaiser Heinrich
VI. in einem Jahr (zwischen dem 28. Januar und dem 20 Dezember 1193) etwa 4.000
km durch das Reich: Regensburg - Würzburg - Speyer - Hagenau - Straßburg - Hagenau - Boppard – Moosbach – Würzburg – Gelnhausen – Koblenz – Worms –
Kaiserslautern – Worms – Haßloch – Straßburg – Kaiserslautern – Würzburg –
Sinzing – Aachen – Kaiserwerth – Gelnhausen – Frankfurt/Main – Glenhausen.
936
bis 973 war Otto I. Herzog der Sachsen und König
des Ostfrankenreiches. 962 wurde er zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches gekrönt (zum „Heiligen
Römischen Reich“ siehe „Radreise Berlin-Verona, 7. Teil Geschichte“ im Blog Sattel
und Schuh).
Zusammen
mit der Thronfolge-Regelung bestimmte Otto´s Vater, Heinrich I., das Witwengut für Otto´s Mutter Mathilde.
Es waren Quedlinburg, Pöhlde (heute Teil der Stadt Herzberg) und Nordhausen am
Harz sowie Grone (heute Stadtteil Göttingens) und Duderstadt.
929
heiratete Otto I. die Schwester des
angelsächsischen Königs von Wessex und England. Sie war die Enkelin Alfreds
der Große, Begründer des angelsächsischen Königreichs in England (zum
„Königreich Wessex“ siehe „London und Südengland – Geschichte“ im Blog Sattel
und Schuh).
Nach
deren Tod heiratete Otto I. die Witwe
des Langobarden-Königs und wurde König
des Langobarden-Reiches in Oberitalien.
Er
galt seit seinem Sieg auf dem Lechfeld
gegen die Ungarn (955) als Beschützer der lateinischen (weströmischen)
Christenheit. Mit dem oströmischen Reich verband er sich durch die Heirat
seines Sohnes Otto II. mit der Nichte des byzantinischen Kaisers.
Otto
I. verstand die Heidenmission als
Pflicht der christlichen Könige und Kaiser. Mit der Gründung von Bistümern
wollte er zur Verbreitung des christlichen Glaubens beitragen. Sicher auch zur
Vergrößerung seines Herrschaftsbereichs. Dabei verknüpfte er seine weltliche
Macht mit der der Kirche. Einen Bruder und einen unehelicher Sohn machte er zum
Erzbischof von Köln bzw. zum Erzbischof von Mainz. Von dem Papst, der ihn zum
Kaiser gekrönt hatte, verlangte er einen Treueeid und setzte ihn ab, nachdem er
den Eid gebrochen hatte.
Otto
I. garantierte im Gegenzug zu seiner Kaiserkrönung den Erhalt des Kirchenstaates, gleichzeitig wurde festgelegt, dass ein
Papst noch vor seiner Weihe dem Kaiser einen Treueeid zu leisten habe.
Das Gebiet zwischen Harz und Elbe
war zur Zeit Otto I. der Mittelpunkt des Reiches. Mit der Gründung des Erzbistums
Magdeburg überschritt die Mission die Elbe. Otto I. setzte damit die bereits
unter Karl dem Großen begonnene Missionierung der Ostgebiete fort.
973
starb Otto I. in Memleben und wurde im Dom
zu Magdeburg beigesetzt.
Memleben war Kloster und Kaiserpfalz,
an der Unstrut (heute Sachsen-Anhalt)
(In
der Nähe wurde die Himmelsscheibe von Nebra gefunden, eine etwa 3.700 bis 4.100
Jahre alte Bronzeplatte).
Unser Hotel
in der Mitte der Stadt
Unser Hotel Motel One haben wir wegen seiner Nähe zum Bahnhof ausgesucht. Wir
wollten am Rückfahrtag nicht noch lange durch die Stadt fahren. Aber auch
sonst liegt das Hotel gut. Wir brauchten nur quer über den Domplatz gehen und waren im
Magdeburger
Dom. Rechts vom Hotel ist am Domplatz das Landtagsgebäude, mit Blick auf den Dom. Gegenüber dem Hotel hat die
Nord-LB den Platz 2002 mit einem
repräsentativen Neubau geschlossen. Ein DDR-Plattenbau war zuvor abgerissen
worden.
Die Anlegung des rechteckigen Domplatzes geht auf Leopold
von Anhalt-Dessau (der „Alte Dessauer“) zurück, der die preußische Festung
Magdeburg ausbaute und den Domplatz als Exerzierplatz umgestalten ließ. In der
Zeit wurden die Häuser, in denen jetzt der Landtag
seine Räume hat, und die des Hotels und des angrenzenden
Ministeriumsgebäudes gebaut. In den 60er Jahren wurden die durch Bomben
zerstörten Häuser im historischen Baustil wieder aufgebaut.
Da sitzungsfreie Woche war, war der Landtag
geschlossen. Der Pförtner ließ uns dennoch einen Blick in den Eingangsbereich
werfen und erzählte uns, dass hier in DDR-Zeit die „Wasserwirtschaft“ gewesen
sei, die Ingenieurschule für Wasserwirtschaft. Seit 1991 hat der Landtag von
Sachsen-Anhalt seinen Sitz in den
Gebäuden, die bis 2014 umgebaut und modernisiert wurden.
Nicht weit vom Dom ist auch die Staatskanzlei von Sachsen-Anhalt. Sie
ist im Palais am Fürstenwall
(südlich des Doms). Ursprünglich war das Gebiet Teil der Festungsanlage
Magdeburgs. Nach deren Aufgabe entstand ein gehobenes Wohngebiet, u.a. die
Villa für den preußischen Generalkommandanten, das Palais am Fürstenwall. Einer
der Kommandanten war Paul von Hindenburg (1904 – 1911).Nach 1945 wurde das Haus für kurze
Zeit von der USA-Armee, dann von der Sowjetarmee genutzt, zum Schluss war es
„Haus der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft“.
Von der preußischen Festung Magdeburg ist nicht mehr viel zu sehen. Teile
der ehemaligen Bastion Cleve, an der Elbe gelegen, sind noch
erhalten und restauriert. Nach 1900 war
die Festung aufgegeben worden.
Preußen hatte
Magdeburg bis 1713 zu seiner stärksten Festung ausgebaut. Gouverneur war
Leopold I. von Anhalt-Dessau, der „Alte Dessauer“ (siehe oben „Dessau“). Ende
des 19. Jh. wurden die Anlagen zurückgebaut. Die Flächen wurden weitgehend zum
Neubau von Wohnungen verwandt (z.B. die Wilhelmstadt)
Magdeburg hat sich sehr verändert
Positiv. Kurz nach der Wende war ich
dort bei einer Lions-Veranstaltung vor dem Dom. Meine Erinnerung: Kalt (es war
allerdings auch kurz vor Weihnachten), grau und zugig.
Jetzt ist vieles verändert. Durch
eine Erhaltungssatzung für die Altstadt und den Einsatz von Fördermitteln hat
der Rat der Stadt Magdeburg den Wiederaufbau
und Sanierung der
historischen Bebauung erreicht:
Die Gründerzeit-Bauten südlich des Doms rund um den
Hasselbachplatz.
Die frühere Einkaufsstraße,
der Breite Weg.
Mit dem schlossartigen ehemaligen Reichshauptpostamt in der Mitte des
Weges (heute sind dort neben einer Filiale der Deutschen Post mehrere
Gerichte). Einige Barockbauten haben den Bombenangriff überstanden, die Straße
galt einmal als die schönste
Barockstraße Deutschlands.
![]() |
Magdeburger Reiter |
Die Gebäude um den Alten Markt.
Das Alte
Rathaus mit dem Roland wurde wiederaufgebaut. Davor ist die vergoldete
Nachbildung des Magdeburger Reiters (von 1966, das Original aus dem 13. Jh.
steht im Kunsthistorischen Museum). Das (zerstörte) Haus der Magdeburger Börse ist heute das Haus
der IHK. Erhalten blieb nur die Portalskulptur aus dem 17. Jh., das Reiterstandbild des heiligen Georg als
Drachentöter.
Am Alten Markt haben wir den Schwedenbecher probiert. Das ist ein Dessert mit Vanilleeis, Apfelmus und Eierlikör. Mit Schweden hat der hauptsächlich in den alten Bundesländern bekannte Nachtisch nichts zu tun. Angeblich hat Walter Ulbricht seinen Lieblings-Erfrischung 1952 nach dem Sieg der schwedischen Eishockeynannschaft über die bundesrepublikanische Mannschaft während der Olympischen Spiele so genannt.
Am Alten Markt haben wir den Schwedenbecher probiert. Das ist ein Dessert mit Vanilleeis, Apfelmus und Eierlikör. Mit Schweden hat der hauptsächlich in den alten Bundesländern bekannte Nachtisch nichts zu tun. Angeblich hat Walter Ulbricht seinen Lieblings-Erfrischung 1952 nach dem Sieg der schwedischen Eishockeynannschaft über die bundesrepublikanische Mannschaft während der Olympischen Spiele so genannt.
Die Grüne Zitadelle von Hundertwasser
Ein Gegenpol zu der modernen,
gradlinigen Fassade des Nord-LB-Baus am Domplatz ist das Hundertwasser-Haus, die Grüne Zitadelle gleich daneben.
Für Hundertwasser waren gerade
Linien unnatürlich, erklärte uns der Führer beim Rundgang um und durch das
Haus. Er hatte als Student den Aufbau des Hauses begleitet. Seine Aufgabe sei
es gewesen, die Handwerker mit dem Stil Hundertwassers vertraut zu machen. So
habe er einmal die akkurat und sauber verlegten Treppenfliesen in einer
Arbeitspause zerschlagen, damit sie Risse und Absplitterungen bekamen. Zum
Entsetzten der Arbeiter. Aber so hätten er und seine Kollegen die andere
Bauweise Hundertwassers „eingeübt“.
Die Grüne Zitadelle wurde 2005 gebaut. An der Stelle stand eine
Kirche, die Ende der 1960er Jahre abgerissene wurde, und danach ein Plattenbau.
Ursprünglich sollte der Plattenbau nur umgestaltet werden, wurde dann aber
abgerissen um größere Planungsfreiheit zu haben.
Den
Namen erhielt das Haus wegen des grünen Grasdaches (mit 9.000 Stauden und
Bäumen) und der Türme, die an die ehem. Zitadelle erinnern.
Das
Haus hat 55 Wohnungen, Arztpraxen und Büros, ein Hotel und eine
Kindertagesstätte und Läden. Das Haus sollte eine Stadt in der Stadt sein mit
allen Einrichtungen, die die Bewohner benötigen.
Ein Merkmal
ist, dass die Mieter die Außenfassade rund um ihre Fenster selber gestalten und
bemalen dürfen, soweit Arm und Malerpinsel reichen. Kein Fenster gibt es
zweimal (unterschiedliche Formen, Farben, Fenstergriffe). Es wurden möglichst
gebrauchte Materialien eingebaut (Wandverkleidung mit gebrauchten
Biberschwanz-Ziegeln). Die Treppenstufen wurden nicht gerade, sondern wie
ausgetretene Holztreppen angelegt. Alle 150 Säulen sind unterschiedlich (die
Säulen-Keramiken wurden von der Werkstatt Ebinger in Bad Ems hergestellt).
Friedensreich
Hundertwasser, 1928 als Friedrich Stowasser in Wien geboren,
2000 an Bord der Queen Elisabeth II vor Australien gestorben. Den Künstlernamen Hundertwasser hat er aus
der slawischen
Übersetzung für sto = hundert abgeleitet.
![]() |
Eine der 150 Säulen im Hundertwasser-Haus |
Montessori-Schüler, nach der Matura Besuch der Wiener Akademie der Künste – für drei Monate. Danach reiste er und
malte. In der Schweiz gründete später er eine Firma zur Vermarktung seiner
Urheberrechte, doch bei seinem Tod war sein Nachlass trotzdem überschuldet.
Hundertwassers
Bilder zeichnen sich durch intensive
Farben aus. Verschiedene Ausstellungen in Österreich und Deutschland.
1982 gestaltete er die Fassade der Rosenthal-Fabrik in Selb. 1983 begann er das Hundertwassser-Haus
in Wien, 1986 fertiggestellt. Mehrere andere Bauprojekte folgten.
Hundertwasser arbeitete bei den Entwürfen und Realisierungen mit anderen
Architekten zusammen (Peter Pelikan und Heinz M. Springmann). Nicht alles, was
als Hundertwasser firmiert, ist
wohl ein Hundertwasser. Pelikan und Springmann haben
dann auch den Magdeburger Bau, die Grüne Zitadelle, nach ersten Entwürfen von
Hundertwasser fertiggestellt.
Der Magdeburger Dom
Das wichtigste Gebäude Magdeburgs
ist der Magdeburger Dom. Er geht auf
Otto I. zurück, der 968 das Erzbistum Magdeburg als Missionsstützpunkt zur
Eroberung und Christianisierung der slawischen Ostgebiete gründete.
Ursprung des Doms ist das Benediktinerkloster St. Mauritius,
das 937 von Otto I gegründet wurde. Der Umbau der
Klosterkirche zu einer romanischen
Basilika (erster Dom) erfolgte 955, nach der gewonnen Schlacht auf dem Lechfeld.
Otto I. wurde nach seinem Tod 973 in der
Basilika beigesetzt, neben seiner vorher gestorbenen Frau Editha. Editha
von Wessex war eine englische Königstochter. Ihr Grab gilt als ältestes englisches Königsgrab.
![]() |
Grab Otto I. |
![]() |
Der Dom |
Nach dem Tod des
Erzbischofs Kardinal Albrecht von Brandenburg
wurde 1545 der Dom geschlossen. Ab 1567, nach mehr als 20 Jahren Pause,
wurden evangelische Gottesdienste gefeiert.
Heute ist der Magdeburger Dom
Bischofskirche der Evangelischen Kirche.
Das
Taufbecken soll ein römischer Springbrunnen sein, den Otto I für den ersten Dom aus Italien
mitgebracht hatte (Teil der mitgebrachten Spolien – Beutestücke). Die antiken
Säulen der Apsis sollen aus Ravenna stammen.
Im Nordportal des Doms begrüßen die Klugen und törichten Jungfrauen (Gleichnis
aus dem Matthäusevangelium) den Besucher des Doms.
Von Ernst
Barlach stammt das Ehrenmal für die Opfer des Ersten Weltkriegs (1929).
Während der NS-Zeit galt es als entartete Kunst und wurde entfernt. Ab 1955 ist die Plastik wieder im Dom
aufgestellt.
Und das sahen wir auch am Dom, wohl eine
Seltenheit hier im Norden: Die Akanthus-Blume.
Während unserer Rom-Reise 2016 haben wir sie im Forum Romanum entdeckt.
Die Blätter waren im antiken Rom Vorlage für
Verzierungen der Säulen-Kapitelle. (s. Bericht „Rom – Eindrücke mit Freunden,
Link zum Fotobericht, im Blog Sattel und Schuh).
Nach der Brand-Zerstörung des
zweiten Doms (1207) brauchte man eine Ersatz-Kirche (bis der dritte Dom
fertiggestellt wurde). Diese Funktion übertrug man der Marienkirche des Klosters Unser Lieben Frauen.
Die Klostergründung erfolgte Anfang
des 10. Jh.. Im 12. Jh. bekam der neu gegründete Prämonstratenser-Orden das
Kloster. Norbert von Xanten hatte den Orden in Prémontré (Nordfrankreich)
gegründet. 1126 bis zu seinem Tod 1134 war Norbert von Xanten Erzbischof von Magdeburg.
Heute werden die Gebäude als
Kunstmuseum und Konzerthalle genutzt.
Norbert von
Xanten war der
Gründer des Prämonstratenser-Ordens. Er gründete als Wanderprediger mehrere
Klöster. Es waren Doppelklöster, in denen Mönche und Nonnen zusammen lebten,
allerdings in getrennten Konventen.)
In der Marienkirche des Klosters ist er begraben.
Kathedrale des Katholischen Bistums ist St.
Sebastian.
Sie geht auf eine etwa zur Zeit des zweiten Doms gebaute Kirche
zurück. Nach Evangelisierung und weltlicher Nutzung wird das Gebäude seit Ende
des 19. Jahrhunderts wieder als katholisches Gotteshaus genutzt.
Exkkurs: Magdeburgs Geschichte
Kaiserpfalz
Otto I. Magdeburg bestand
schon in der Zeit Karls des Großen (747 – 824). Otto I. baute in Magdeburg eine Kaiserpfalz (sie soll auf dem heutigen
Domplatz gestanden haben). Die Pfalz wurde zu seinem beliebtesten
Aufenthaltsort und zum politischen Zentralort des damaligen Reiches. Sie soll
mit Marmorsäulen und antiken Baumaterialien aus Ravenna ausgestattet gewesen
sein, zum Zeichen seiner Macht als Kaiser des Römischen Reiches (Anmerkung: Die
Kaiserpfalz in Goslar wurde später, um
1005, errichtet).
Magdeburg war Befestigungsanlage gegen die
Slawen und bedeutender Grenzhandelsplatz mit den Slawen, die östlich der Elbe
siedelten. Über die Elbfurt bei
Magdeburg erfolgte ein reger Handel mit den Slawen.
Der „Sachsenpfennig“
soll hauptsächlich für den Slawenhandel geprägt worden sein (1,5 g grubenreines
Silber. 12 Pfennige ergaben einen Schilling, den es aber nicht als Münze
sondern nur als Recheneinheit gab). Die Echtheit wurde durch Beißprobe geprüft.
Gab das Metall nach, war es Silber. War es zu hart, war es Eisen.
Ein Jahr nach seiner Thronbesteigung gründete Otto
I. 936 in Magdeburg das Mauritius
(Moritz) - Kloster. Seine erste Frau aus dem Königreich Wessex in
Südengland wurde in der Klosterkirche begraben. Mit der Gründung des Erzbistums
wurde die Moritzkirche zur Kathedrale erhoben (Erster Magdeburger Dom).
968 gründete Otto I. das Erzbistum Magdeburg
Er stattete das
Bistum mit Landzuweisungen und
Einkünften aus. Die Ländereien bildeten als Erzstift den weltlichen Besitz des Erzbischofs von Magdeburg. Im
Westfälischen Frieden (1648, Ende des Dreißigjährigen Krieges) wurde das
Erzstift ein Herzogtum und dem Kurfürstentum Brandenburg zugeordnet.
1035 wurde Magdeburg Messestadt,
Mitglied der Hanse 1295. Aufgrund des Stapelrechts bestimmte Magdeburg den Getreidehandel an der mittleren
Elbe. Es galt als „Brothaus der Hanse“.
Ab dem 12. Jh. wurde das Magdeburger Stadtrecht
entwickelt.
1294 kauften die
Magdeburger Bürger dem Erzbischof die Ämter des Schultheiß und des Burggrafen
ab. Damit lag die Gerichtsbarkeit in städtischer Hand. Gleichzeitig bildete
sich die Aufgabentrennung von Rat und Schöffengericht heraus. Der Rat war für
Verwaltung und Gesetzgebung zuständig, der Schöffenstuhl für die
Rechtsprechung. Es begann auch eine Art der kommunalen Selbstverwaltung.
Das Magdeburger Recht hat seine Wurzeln im Gewohnheitsrecht der Kaufleute. Innerhalb der Stadt wurde den Bürgern durch das
Stadtrecht die persönliche Freiheit, das Eigentumsrecht, die Unversehrtheit von Leib und
Leben und die geregelte wirtschaftliche Tätigkeit garantiert.
In dem
Bereich des Kaufmannsrechts regelte das Magdeburger Stadtrecht wirtschaftsrechtliche
Fragen wie die Haftung für die Ware, die Rechnungslegungspflicht der
Kaufleute, die geordnete Buchführung, Fragen des Gesellschafterkapitals und des
treuhänderischen Wirkens.
Recht wurde von einem sog. Schöffenstuhl gesprochen,
dessen Mitglieder ihre Nachfolger selber bestimmten. Der Magdeburger
Schöffenstuhl konnte als Oberinstanz von anderen Schöffenstühlen zur
Rechtsinterpretation angerufen werden. Während des 30jährigen Kriegs (1618
-1648) ging die Spruchsammlung des Magdeburger Oberhofes verloren, was sein
Ende als Oberinstanz für die anderen Städte bedeutete. Am längsten galt das
Magdeburger Recht in Kiew, bis 1834.
Reformation und 30-jähriger Krieg
Die Einführung
der Reformation erfolgte 1524 für
alle Kirchen, nur der Dom blieb zunächst katholisch. 1567 wurde auch der Dom protestantisch,
nachdem er 20 Jahre geschlossen war. Magdeburg wurde Hochburg des
Protestantismus.
Durch die Reformation kam es zur Aufhebung der meisten katholischen Bischofssitze. Deswegen wurde für die
Gebiete ohne Ausübung des katholischen Glaubens 1667 das Apostolische
Vikariat der
Nordischen Missionen gegründet und dem Kölner Nuntius
(Vertreter des Heiligen Stuhls) unterstellt, so auch das Bistum Magdeburg. 1821
wurde das Apostolische Vikariat in das Bistum Paderborn eingegliedert
(Vereinbarung zwischen Preußen und dem Heiligen Stuhl). 1994
wurde das Bistum Magdeburg vom Erzbistum Paderborn gelöst und wieder zu einem eigenständigen Bistum erhoben.
Im 30-jährigen Krieg wurde Magdeburg fast
völlig zerstört. Durch die Zerstörungen im 30-jährigen Krieg und zum Ende des
2. Weltkriegs (90 % der Stadt wurden durch Luftangriffe zerstört) hat Magdeburg
wenig historische Sehenswürdigkeiten. Was jetzt vorhanden ist, musste nach dem
zweiten Weltkrieg neu aufgebaut werden.
Magdeburgs
berühmter Bürgermeister war Otto
von Guericke (1646 – 1678). Er erfand als Physiker die Kolbenluftpumpe und
führte Vakuumversuche mit der Magdeburger
Halbkugel durch. Zwei Halbkugeln wurden aneinandergelegt und abgedichtet. Mit
der von ihm erfundenen Kolbenpumpe
wurde die Luft abgesaugt. Durch den äußeren Luftdruck wurden die Halbschalen so
zusammengedrückt, dass selbst 30 Pferde die Halbkugeln nicht auseinanderziehen
konnten.
Zuwanderer-Stadt wurde Magedeburg
durch das Edikt
von Potsdam 1685 entstanden
eine Französische und eine Pfälzer
Kolonie, jeweils eigene Gemeinden
mit Bürgermeister und Gerichtsbarkeit (bis 1808).
In Frankreich verfolgte Glaubensflüchtlinge (Hugenotten) konnten sich in Brandenburg-Preußen niederlassen. Das
galt auch für die Pfalz, die 1688 von Frankreich besetzt wurde. Mit dem Edikt
wollte Kurfürst Friedrich Wilhelm von
Brandenburg die wirtschaftliche Entwicklung durch die zugewanderten
Handwerker und Fachkräfte fördern.
Die Ansiedlung stieß auf erheblichen Widerstand der Bevölkerung und der
örtlichen Behörden. Die kurfürstlichen Zivil- und Militärbehörden mussten die
Versorgung der Asylanten übernehmen (Parallelen zu heute?). Ein Gegenbeispiel
war Dresden. Dort sammelte die Bevölkerung für die Unterstützung Salzburger
Protestanten (s.o.)