Zu Gerhart Hauptmann und den Schlössern im Hirschberger Tal
Eine Fahrrad- und Wanderreise in das Hirschberger Tal
und das Riesengebirge in Niederschlesien und Böhmen.
Vom
9. bis 21. August 2022
(9) Wanderung zur Elbequelle und dem Riesengebirgskamm
Špindlerův Mlýn/Spindlermühle - entlang der Labe/Elbe - Malý Labský vodopád/Unterer kleiner Elbfall – Labský vodopád/Großer Elbfall - Labska bouda/Elbfallbaude (gegenüber dem Elbfall) – Pramen Labe/Elbequelle - Riesengebirgskamm (Schronisko Odrodzenie/Hauptsudetenweg) - Łabski Szczyt/Veilchenstein - Schronisko nad Śnieżnymi Kotłami/ehem. Schneegrubenbaude (heute eine Sendestation) – Czarcia Ambona/Rübezahlkanzel (neben der ehem. Schneegrubenbaude) - Śnieżne Kotły/Schneegruben – Wielki Szyszak/Hohes Rad - Czeskie Kamienie/Mannsteine - Śląskie Kamienie/Mändelsteine – Petrova bouda/Peterbaude – Špindlerova bouda/Spindlerbaude - Przełęcz Karkonoska/ Spindlerpass (Höhe 1196 m) - Schronisko Odrodzenie/Herberge Wiedergeburt
An der Elbe sind wir (Eva, Eckhard und ich) 2018 (von Prag bis Magdeburg)
und 2019 (von Magdeburg bis Cuxhaven) entlang geradelt. Der Startpunkt war
damals nicht an der Elbequelle, sondern in Prag. Von dort sind wir entlang der
Moldau bis Melnik und von dort weiter im Elbtal gefahren.
Bei meiner Rad- und Wanderreise in diesem Jahr besuche ich die Elbequelle, der gedankliche
Ausgangspunkt unserer damaligen Elbe-Radreise. Bis zur Quelle oder ab der
Quelle kann man nicht radeln. Sie ist nur zu Fuß erreichbar.
Die Elbe fließt von der Quelle nach Süden, durch Spindlermühle, und dann weiter südlich
u-förmig nach Westen und wieder nach Norden, einige Kilometer östlich an Prag
vorbei und nimmt in Melnik die Moldau auf.
Der Weg entlang der Elbe hinaus aus Spindlemühle ist als bequemer Spazierweg ausgebaut. Im Winter ist dieser Weg eine Ski-Langlaufloipe, wie die Wegzeichen zeigen. Die Elbe ist ein kleiner Bach, das Tal romantisch. Auch die Elbfälle, der Kleine Elbfall (3) und vor der Quelle der Große Elbfall, sind eher beschaulich als gewaltig.
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Die Elbe hinter Spindlermühle |
Am Weg ist eine tschechische Bunkeranlage (2) zu sehen, die 1936/37 zum Schutz gegen Deutschland gebaut wurde und die durch das Münchener Abkommen nutzlos wurde.
Tschechien musste 1938 das Sudetenland an Deutschland
abtreten. Großbritannien und andere europäische Staaten wollten die
Machtansprüche Hitlers befriedigen und glaubten, damit den Frieden zu erhalten
(Münchener Abkommen). 1939 überfiel
Hitler-Deutschland dann doch die Tschechei und danach Polen.
Diktaturen kann man nicht glauben. Eine Lehre auch für den Überfall Russlands jetzt auf die Ukraine.
Und rechts und links des Weges standen Heidelbeersträucher. Das war auch gestern an vielen Stellen des Weges so, aber ohne eine einzige blaue Beere. Hier hatten die Heidelbeersträucher viele Beeren. Da konnte ich immer wieder naschen.
Die Elbfallbaude (4) (Labská bouda/Elbebaude, im tschechischen Teil des Riesengebirges) war schon von weitem oben am Rand des Tals zu sehen. Zuerst klein und zierlich. Bei näherem Abstand dann doch ein ziemlicher „Kasten“.
Mitte des 19. Jahrhunderts wurde eine erste Baude dort
errichtet. Nach einem Brand wurde das neue Hotelgebäude 1975 eröffnet, 9
Stockwerke, teilweise in den Hang gebaut. Es wurde ein Urlaubshotel des
kommunistischen Gewerkschaftsbundes Tschechiens.
Nach der Wende privatisiert gehört das Gebäude jetzt einer Holding mit Sitz in Zypern.
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Die Elbfall-Baude |
Die Elbfallbaude befindet sich gegenüber und über dem Großen Elbfall (4). Das Wasser der Elbe fällt nach nur etwa 1 Kilometer unter der Quelle 40 Meter hinab in den Talkessel. Der Höhenunterschied ist schon groß, die Wassermenge aber so kurz hinter der Quelle gering (der Rheinfall bei Schaffhausen hat nur eine Höhe von 23 Metern, aber eine Breite von 150 Metern).
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Der Große Elbfall |
Hinter dem Großen Elbfall folge ich dem Weg und den Wanderern
vor mir. Ich denke, dass alle Wanderer wie ich die Elbequelle als Ziel haben.
Das das nicht so war, merke ich, als ich zur Kontrolle auf meine Komoot-Karte
schaue. Ich war nicht südlich der Elbe, sondern auf der nördlichen Talseite.
Das war der Wanderweg vom Wasserfall hinauf zur ehemaligen Schneegrubenbaude
auf dem Riesengebirgskamm. Dort wollte ich auch noch hin, aber erst nach der Elbequelle.
Also Umkehr, hinunter zur Elbe und wieder hinauf in Richtung
Elbfallbaude. Der Weg zur Elbequelle führt an der Elbfallbaude vorbei und
dahinter hinauf auf die Elbewiese.
Die Elbequelle (5)
Die Elbequelle, die man sieht, ist nicht die Quelle. Die ist weiter oben in einem Hochmoor. Da das geschützt ist und nicht betreten werden soll, hat man unterhalb des Quellgebietes auf Höhe 1.386 Meter einen Betonring als symbolische Quelle aufgestellt. Etwas trostlos und zurzeit (oder immer?) ohne Wasser. Etwas Belebung bringt eine Wappenwand mit den Stadtwappen aller Städte, durch die die Elbe fließt. 1968 wurden die Mosaikwappen angebracht.
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Ausflügler an der Elbequelle |
Ein Bautrupp begann gerade, die Mosaiken auszubessern. Sie
mussten ihr Material mit einer Schiebekarre von der Elbfallbaude, die über eine
Straße erreichbar ist, hinaufschieben. Man sah ihnen die Anstrengung an.
Auch hier an der Elbequelle Scharen von Ausflüglern. Das ging
auch auf dem Riesengebirgskamm so weiter, bis zu den Schneegruben. Wie auf der
Schneekoppe. Mindestens ab der Elbfallbaude müssen sie die Wege zu Fuß
bewältigen. Aber so viele Fahrzeuge standen nicht an der Hotel-Baude. Die
Mehrzahl muss also von Spindlermühle aus hier hochgekommen sein. Eine ganz
ordentliche Leistung.
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Die Wappen-Wand an der Elbequelle |
Von der Elbequelle führt der Wanderweg ziemlich gerade und auch etwas steil direkt auf den Kamm des Riesengebirges.
Riesengebirgskamm (6)
Der Riesengebirgskamm ist die natürliche Grenze zwischen Böhmen und dem Hirschberger Tal.
1526 bestimmte das Habsburger Herrscherhaus den Gebirgskamm als politische Grenze zwischen dem Habsburger Königreich Böhmen und dem Habsburger Herzogtum Schlesien. Jetzt ist es die polnisch-tschechische Grenze.
Seit 1961 wird der Kammweg als „Weg der polnisch-tschechoslowakischen Freundschaft“ bezeichnet (die Tschechei und die Slowakei waren noch ein Land). Angelegt wurde der Wanderweg schon 1881 – 1886 vom Riesengebirgsverein (1880 in Hirschberg gegründet).
Er ist fast durchweg gepflastert. Das war bei der Anlegung des Weges Ende des 19. Jahrhunderts eine große Leistung. Teilweise ist der Weg mit großen natürlichen Steinplatten ausgelegt, gut zu gehen. Teilweise ist er aber recht holprig, wenn der Frost die Platten auseinandergesprengt und der Regen die Lücken ausgewaschen hat.
Oben auf dem Kamm kreuzen sich der Freundschaftsweg (auch als Hauptsudetenweg bezeichnet) und der Böhmische Weg, auf dem man auf der Nordseite des Gebirges bis nach Schreiberhau (Szklarska Poreba) gehen könnte. Mein Weg ist der Weg nach Osten, Richtung Schneekoppe. Es ist ein Kammweg. Das bedeutet aber nicht, das er eben ist. Auf dem Weg geht man schon ordentlich auf und ab, über einige Erhebungen oder an ihnen vorbei.
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Riesengebirge-Kammweg |
Nach der Umgehung des Veilchenstein (7) (polnisch: Lanski Szczyt, tschechisch: Violik – die Grenze verläuft über die Bergspitze) folgt die ehemalige Schneegrubenbaude (8) oberhalb der Schneegruben (8). Daneben steht die Felsformation Rübezahlkanzel (8), eine erste Wollsackverwitterung (s.u.) am Weg.
Schneegruben und Schneegrubenbaude (8)
Die Schneegruben sind Kare, Überbleibsel eiszeitlicher Gletscher, die nach Norden hin durch einen Moränendamm abgeschlossen wurden. Der Schnee auf dem Boden der Kessel kann bis in den Hochsommer liegen bleiben. Bei meiner Wanderung war aus dem Schnee schon Wasser geworden. Die Felswände des Talkessels fallen 200 Meter fast senkrecht ab.
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Die Schneegruben in einem tiefen Kar-Kessel |
Kare entstehen durch kurze Gletscher. Das Gletschereis schürft vor den Felswänden eine Mulde (Karmulde) und schiebt den gelösten Schutt vor sich her, der einen Damm bildet (Karschwelle). Nach Abschmelzen der Gletscher füllen sich in den Karmulden die Karseen.
Oberhalb der Schneegruben wurde 1837 auf Initiative des Grafen Schaffgotsch (dem hier ja alles gehörte) eine erste Herberge (mit 2 Betten) errichtet. Danach wurde durch Schaffgotsch Ende des 19. Jahrhunderts ein Berghotel mit einem Aussichtsturm, die Schneegrubenbaude, gebaut. 1960 wurde in dem Turm eine Fernseh-Relaisstation eingebaut und die Baude geschlossen.
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Die ehem. Schneegruben-Baude über den Schneegruben |
Die nächste Erhebung ist das Hohe Rad (9). Die Grenze verläuft direkt über den Gipfel. Der Wanderweg wird um den Berg aus Granitgeröll geführt. Dann folgen die Wollsackverwitterungen Mannsteine (10) und Mädelsteine (11).
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Mädelsteine |
Die
Felsgruppen sind durch Wollsackverwitterung entstanden. Durch wiederholtes Gefrieren und
Auftauen des Wassers in den Gesteinsritzen entstanden und entstehen immer
breitere Klüfte, bis das Gestein ausbricht und kantengerundete Gesteinsblöcke
stehen blieben, die aussehen wie über-
und nebeneinander gestapelte Wollsäcke.
Es folgt die Peterbaude (12). Ich hatte mich schon auf eine Pause mit einem kühlen Bier gefreut. Doch vergebens. Die Baude hat keine Bewirtschaftung. Es ist wohl nur ein Bauernhof. Auf den abschüssigen Wiesen neben der Baude wurde gerade Heu gewendet, von Hand mit Harken und Gabeln.
Seit 1790 stand an einer Senke die Sennerhütte einer Familie Pitterman (würde man gedanklich steil nach Norden hinuntergehen, käme man zu dem Ort Agnetendorf mit dem Haus von Gerhart Hauptmann). 1811 ließ Johann Pittermann an ihrer Stelle eine ganzjährig bewohnbare Bergbaude errichten. Nach ihrem Eigentümer (den Pieterleuten) wurde sie Pieterbaude/Peterbaude genannt.
Also ohne Pause weiter. Aber das Ziel war schon zu sehen, die Spindlerbaude und die Jugendherberge. Ich musste nur noch den Hang hinunter zum Spindlerpass.
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Das Ziel ist schon zu sehen: Das alte Jugendkammhaus (Hostel Schronisko) und die Spindlerbaude |
Spindlerpass (13)
Der Spindlerpass ist hier die niedrigste Stelle des in Ost-West-Richtung verlaufenden Hauptkamms des Riesengebirges. Er verbindet das polnische (früher deutsche) Hirschberger Tal mit dem tschechischen (früher böhmisch-österreichischen) Nordböhmen.
Über den Pass führte der „Schlesierweg“, eine alte Handelsstraße,
die im 12. Jahrhundert die böhmische Seite des Gebirges (Stadt
Hohenelbe/Vrchlabi südlich von Spindlermühle) mit der schlesischen Seite verband
(Krummhübel und Hirschberg).
Der deutsche Name Spindlerpass stammt von dem Mühlenbesitzer im Ort Spindlermühle, der am Pass Mitte des 19. Jh. eine Baude errichten ließ, die Spindler-Baude. Der polnische Name ist „Przełęcz Szpindlerowska“ (Spindler Pass) oder „Przełęcz Karkonoska“ (Rübezahl Pass).
Ursprünglich hatte ich geplant, mit dem Fahrrad über den Spindlerpass
nach Spindlermühle zu fahren und von hier die Wanderungen zur Schneekoppe und
zur Elbequelle zu beginnen. Das habe ich aber aufgegeben, als ich den Anstieg
und Zustand des Weges nachgelesen hatte.
Bis 24 % Steigung werden erreicht. Bei Mountainbikern soll die Strecke
beliebt sein. Aber dazu zähle ich mich nicht.
Eine geplante Passstraße wurde nie fertiggestellt. Nur auf der tschechischen Seite besteht eine Straßenverbindung nach Spindlermühle. Auf der damals deutschen Seite wurde der Straßenausbau wegen der herannahenden Front des 2. Weltkriegs aufgegeben.
Spindlerbaude (14)
Auf der tschechischen Seite des Riesengebirgskamm steht das Hotel Spindlerbaude, direkt an der Grenze zu Polen. Ein erstes Gebäude stand hier vermutlich schon 1784. In der jetzigen Form wurde es 1824 errichtet und nach den Bauherren, dem Mühlenbesitzer und Ortsrichter Franz Spindler aus Friedrichsthal (heute Teil von Spindlermühle) benannt. Es wurde durch Brand zerstört und neu aufgebaut. Während des Zweiten Weltkriegs diente die Baude als deutsches Internierungslager für gefangene alliierte Offiziere. Nach dem Weltkrieg wurde das Hotel enteignet, 1989 privatisiert. Nach einem erneuten Brand wurde das Hotel komplett saniert und 2005 als Vier-Sterne-Hotel eröffnet.
Geplant hatte ich, in dem Hotel Spindlerbaude auf der tschechischen Seite zu übernachten. Das hatte ich für die 2020 vorbereitete Reise schon gebucht. Aber für diese Tour ging das nicht. Das Hotel hat jetzt einen Mindestaufenthalt von 5 Tagen. So lange wollte ich ja nun nicht bleiben. Also musste ich umplanen und habe das gleich in der Nähe gelegene Jugendhotel auf der polnischen Seite gebucht, die ehemalige Jugendherberge Jugendkammhaus Rübezahl, heute das Hostel Schronisko Odrodzenie.
Hostel Schronisko PTTK Odrodzenie (15)
„Herberge der Wiedergeburt“ ist der Name des PTTK-Hauses auf
der polnischen Seite des Riesengebirgskamms. Der PTTK, die polnische
Gesellschaft für Tourismus und Heimatkunde, gehört das Kammhaus jetzt.
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Das Jugendkammhaus - Hostel Odrodzenie |
1929 wurde es als Jugendfreizeitheim gebaut und erhielt den Namen „Jugendkammhaus Rübezahl“. 210 Betten hatte es und zusätzlich noch etwa 70 Plätze in einem Bettenlager. Träger war der Deutsche Jugendherbergsverband Niederschlesien in Görlitz. Entworfen hat es der gleiche Architekt, der zuvor das Schlesierhaus am Fuß der Schneekoppe geplant hat.
Die Staffelgeschosse des Gebäudes erinnern etwas an einen Pyramiden-Bau. Errichtet wurde das Gebäude auf dem Grund und Boden der von Schaffgotsch. Wie konnte es auch anders sein. Besaßen die doch fast das ganze Riesengebirge. Das Heranschaffen der Baumaterialien war allerdings schwierig, weil nur ab Spindlermühle auf der tschechischen Seite eine schmale Passstraße bestand.
Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Herberge 1949 wieder in Betrieb genommen. Mit den Jahren wurde die Unterkunft aber heruntergewirtschaftet. 2009 begann dann mit einem neuen Pächter, Piotr Kaczmarek, die „Wiedergeburt der Herberge“ als Hostel, wie es die Inhaber auf ihrer Internet-Seite beschreiben.
Obwohl ich kurz vor dem Ziel war, bin ich noch in der Baude eingekehrt. Wenn ich schon nicht übernachten konnte, wollte ich hier wenigstens ein Bier trinken. Auch als Ersatz für das ausgefallene Peterbauden-Bier. Ich konnte auch meine letzten tschechischen Kronen ausgeben. Die hatte ich noch von einem Prag-Aufenthalt vor vielen Jahren. Sie waren noch gültig und ich hatte auch schon das Abendessen in Spindlermühle damit bezahlt.
Das Hostel
Schronisko war
eine Jugendherberge, wie ich sie aus meiner Jugendzeit kannte. Recht einfach.
Ich hatte aus dem Internet-Auftritt angenommen, dass es ein etwas moderneres
Hostel war. War es aber nicht, was ich eigentlich auch aus dem
Übernachtungspreis hätte schließen können. Dafür hatte ich ein Zweibettzimmer
zur Einzelnutzung, allerdings ohne Waschbecken und Steckdose (die war für das
Handy-Aufladen unten im Gemeinschaftsraum), Gemeinschaftsdusche und Toilette
auf dem Flur. Aber das Zimmer war ordentlich und sauber. Und das Essen war gut.
Richtige polnische Küche am Abend und ein reichhaltiges Frühstück am Morgen.