Barranco Infierno oder das Guanchen-Tal
 

Teneriffa, Wanderung in Adeje
Februar 2018

Und einige Informationen über die Altkanarier, die Guanchen.


Baranco Infierno – Höllenschlucht ist der Name des Tales oberhalb von Adeje. Aber Hölle ist nicht die richtige Bezeichnung. Eine passendere Beschreibung wäre Baranco Bonito, schönes Tal. Oder Guanchen Tal. Archäologische Funde belegen, dass die Altkanarier, die Guanchen, in den Felsenhöhlen der Berghänge gewohnt haben. Hier konnten sie sich bei Überfällen anderer Guanchen ganz gut verteidigen. 

Am Samstag (17. Februar 2018) sind wir – Marianne, Maria, Irene und Erich, Uschi und ich – im Baranco gewandert. Von Puerto de la Cruz nach Adeje mit dem Auto. Man kann für die Hin- bzw. Rückfahrt die Süd-Autobahn über Los Christianos oder die ausgebaute Nord-Strecke über Santiago del Teide nehmen. Der zeitliche Unterschied ist gering. Für die Wanderung im Baranco muss man sich vorher per Internet anmelden, ein freies Zeitfenster wählen und 8 EUR überweisen. Nur 300 Personen am Tag dürfen zum Schutz der Natur in das Tal. Wir hatten das Zeitfenster für 13.oo Uhr und waren an dem Tag die letzten Wanderer. Die 300-Besucher-Grenze war erreicht.
Es war unser zweiter Anlauf. Eine Woche vorher hatten wir auch schon eine Tour in den Baranco gebucht. Aber am Morgen kam die Absage der Tal-Verwaltung. Schneesturm am Teide und Sturm im Gebirge war angesagt. Und der kann wohl sehr heftig durch den Baranco fegen. Sicherheitshalber wurde gesperrt.

Ein paar Informationen über die Guanchen, die einst in dem Tal gelebt haben:

Die Guanchen waren die ersten Einwohner der Kanarischen Inseln. Woher und wann sie kamen, liegt im Dunkeln. Eine der Theorie sagt, dass es Berber aus Nordafrika waren, die 500 Jahre vor Christus auf einfachen Schilfbooten die 100 km zur nächstgelegenen Insel Fuerteventura überwanden.

Im unteren Infierno-Tal
Dass man sogar den Atlantik mit einem Schilfboot überqueren konnte, bewies 1970 der norwegische Forscher Thor Heyerdal. Mit einem 12 Meter langen Boot aus Papyrus segelte er mit einer kleinen Mannschaft von Marokko nach Barbados in der Karibik. Er wollte damit beweisen, dass bereits vor der Entdeckung Amerikas kulturelle Kontakte zwischen den Kontinenten möglich waren.
Auf Teneriffa ließ er bei Guimar 1990 bis 1998 die Stufenpyramiden ausgraben. Unterstützt wurde er von der norwegischen Familie der Olsen-Reederei (Betreiber der  Fährverbindungen der Kanaren). Die Pyramiden bei Guimar sind pyramidenförmige Terrassenbauten aus mörtelfrei aufeinandergeschichteten Lavasteinen. Es gab ursprünglich 9 Pyramiden, von denen nur noch 6 erhalten sind. Heyerdahl sah eine Verbindung zu den ägyptischen Pyramiden und den Maya-Bauten in Mittelamerika.
Dagegen sprechen Grabungsergebnisse der Universität La Laguna, die die Pyramiden in das 19. Jh. datieren. Überlieferungen und alte Darstellungen zeigen, dass Pyramiden auch an anderen Stellen der Inseln standen. Sie wurden jedoch abgerissen und als Baumaterial verwandt. Ungeklärt ist die Funktion der Bauten.
Mitarbeiter des Astrophysikalischen Instituts der Kanaren glauben, dass die Bauten auf die Sonnenwenden orientiert seien. Von der größten der Guimar-Pyramiden kann man am Tag der Sonnenwende einen zweifachen Sonnenuntergang erleben (die Sonne versinkt hinter einer Bergspitze und taucht dann wieder auf). Wegen der Symbolik der Freimaurer (u.a. Licht und der fünffach gebrochene Lichtstrahl, das Pentagramm) und weil die Eigentümer der Pyramidengrundstücke Freimaurer waren, bringen sie die Pyramiden mit den Freimaurern in Verbindung. Gesichert ist das nicht.
Heyerdahls letzte Frau, Jacqueline Beer (Heirat 1996, sie war seine dritte Frau), wohnt in La Paz in Puerto de la Cruz im selben Haus wie unsere Freunde auf der Insel. Thor Heyerdahl starb 2002 in Andorra im Alter von 88 Jahren.

Die Guanchen wohnten auf den kanarischen Inseln bis zur spanischen Eroberung in einer steinzeitlichen Kultur. Das Wort Guanche stammt von dem einheimischen
Wasseerkanäle oberhalb des Weges
Begriff „Guan-Achinech – Sohn des Vulkans“ (andere Ableitung: „Guan Chinet – Mensch aus Teneriffa“). So bezeichnete sich die Bevölkerung Teneriffas. Die Ureinwohner z.B. Gran Canarias  waren die Kanarii.  Später wurde „Guanche“ zu einer Sammelbezeichnung für die Bewohner aller Inseln..
Die Sprache der Guanchen starb nach der Eroberung aus. Einige   Ortsnamen  und Begriffe auf Teneriffa sind allerdings der Guanchen-Sprache entliehen. „Taoro“ war bei den Guanchen ein Versammlungsplatz. „Bailador“ war ein Ziegenpferch. „Tafuriaste“ war ein Tanz der Guanchen (und heute der Name einer Bodega in La Orotava).
Die Guanchen betrieben Viehzucht und Ackerbau. Da es für den Ackerbau nur wenig ebene Flächen gab, legten sie Terrassen-Felder mit Natur-Steinmauern an (Die vielen Trockenmauern und Terrassen, die wir überall auf Teneriffa sehen, sind aber wohl jüngeren Datums. Für die geringe Guanchen-Bevölkerung sind es zu viele Mauern und Terrassen).
Gofio war das wichtigste Nahrungsmittel und bestand aus gerösteter und gemahlener Gerste, manchmal auch aus Hülsenfrüchten. Kolumbus soll es mit auf seine Reisen nach Amerika genommen haben. Gofio ist heute noch Bestandteil der Kanarischen Küche, jetzt meist aus Mais (z.B. Escaldón mit Gofio – eine dickliche Fleisch- oder Fischbrühe).
Die Guanchen waren in Stämmen unter einem König – Mencey -  organisiert. Adeje war eines der Königreiche auf der Insel. Zur Zeit der spanischen Eroberung
gab es 9 Königreiche (siehe Wanderbericht „Der schmale Küstenstreifen von La Orotava“).
Tote Adlige/Stammesälteste wurden wie in Ägypten mumifiziert und in Ziegenfelle eingenäht. Im „Museum für Natur und Mensch“ in Santa Cruz sind noch Mumien erhalten (eine mumifizierte Frauenleiche ist seit 1802 in einer Sammlung der Universität Göttingen).
Vor der spanischen Eroberung (1496 wurde die letzte Festung erobert) gab es auf den Kanaren etwa 50.000 bis 70.000 Einwohner. In den Eroberungsschlachten wurden viele umgebracht, viele wurden versklavt. 100 Jahre später wurden nur noch etwa 100 gezählt. Dennoch haben Blutuntersuchungen ergeben, dass etwa 40 % der kanarischen Einwohner Guanchen-Vorfahren haben. Die Männer wurden in den Kämpfen getötet oder danach versklavt. Die Frauen wurden von den
spanischen Soldaten und Siedlern geheiratet.

Der Wanderweg beginnt auf etwa 300 Meter Höhe und ist hin und zurück etwa 7  km lang, mit ca. 300 Höhenmetern. Zunächst folgt der Wanderweg einem ehemaligen Hirtensteig. Die gesamte Wegstrecke ist gut ausgebaut. Es geht ein wenig bergauf und bergab, eben die 300 Höhenmeter. Aber die vielen Trittstufen können wegen ihrer Ungleichmäßigkeit auch anstrengend werden.

Teneriffa-Glockenblume
Der Baranco gehört zum Massiv von Adeje. Die ursprüngliche Größe der Berge ist durch Verwitterung verloren gegangen. Das Massiv bildet den Südwest-Teil des großen Kraterkessels (Caldera) der Las Cañadas. Der Kessel stammt von einem früheren Vulkan, dessen nach Ausbrüchen entleerte Magmakammer in sich zusammenfiel. In der nördlichen Zone des Kraters ist durch spätere Eruptionen der Vulkan-Kegel des Pico del Teide entstanden. Im südlichen Teil des Adeje-Massivs ist der Roque del Conde größte Erhebung.

Parallel zum Weg sieht man die alten Wasserrinnen, mal oberhalb des Weges, mal unterhalb. Die Wasserkanäle fließen immer mit leichtem Gefälle Richtung Talausgang. Aber der Weg geht mal bergauf und dann wieder bergab. Irgendwann ist der Talboden erreicht. Es ist nur wenig Wasser in dem kleinen Bachlauf. In dieser
Saison hat es zu wenig geregnet. Die wasserreiche Zeit ist normal von November bis April,
erklärte uns einer der Talwärter am Weg. Aber in diesem Jahr sei das leider anders. Zu wenig Regen. Im unteren Teil des Barancos sieht man richtig, dass die Pflanzen dringend Feuchtigkeit brauchen. Keine Blüten, obwohl jetzt Frühjahr ist. Viel Staub auf dem Weg. Der ist auch auf unseren Wanderschuhen und Hosen. Es ist ganz schön warm. Die Sonne kann voll in das zu Anfang noch breite Tal scheinen.

Malwen-Blüte
Dann rücken die Berge näher zusammen. Es wird schattiger und kühler. Es wird grüner. Einige alte, knorrige Esskastanien-Bäume stehen unten am Bach, eher ein Bächlein. Weidenbäume blühen. Ein paar Malven-Büsche blühten (erst dachten wir, es wären Mandelblüten, die waren bei Santiago in voller Blüte). Und die Teneriffa-Glockenblume. Die kennen wir von unseren Wanderungen nach Masca und auch im Anaga-Gebirge haben wir sie gesehen. Also doch noch Frühlingsblumen am Wegesrand.

Und Teneriffa-Rebhühner, „Perdiz roja“,  haben wir gesehen. Das erste Mal auf der Insel ganz nah. Sonst haben wir sie nur auf gescheucht wegfliegen gesehen, in einem andern Baranco oberhalb von Puerto de la Cruz. Hier pickten sie in aller Ruhe am Rande des Weges, sie wussten wohl, dass die Baranco-Besucher keine Jäger sind. Zwei Sperber (?) nutzen die Aufwinde an den Steilhängen der Berge. So wie einige Paragleiter über dem Tal, die später am Strand von Adeje landen. Sonst konnten wir Vögel nur hören.
Teneriffa-Rebhühner
Im Sommer ziehen Gelbschnabel-Sturmtaucher (50 cm lang, Flügelspannweite 115 cm)  ihr Junges  (sie legen nur ein Ei) in den Steilhängen des Barranco auf, erzählte uns ein Talwärter am Ausgang. Die Sturmtaucher sind nachtaktiv und fischen auf dem Meer vor Adeje. Im September sind die Jungvögel flügge und stürzen sich instinktiv in den Baranco und fliegen. Im Oktober zieht es die Vögel an die Küste Südamerikas.

Dann kommen wir zum Wasserfall.
Der Wasserfall am Ende des Tals
Vorher haben wir den Bachlauf ein paar Mal gekreuzt. In zwei Stufen fällt das Wasser steil in das Tal. In anderen Jahre ist das wohl etwas mehr. Wenigstens kommt noch etwas Wasser den Berg hinunter. Aber es ist nicht genug, dass das Laub im Bachlauf hinweg gespült wird. Ein Tal-Wärter hat das mit dem Kehrbesen besorgt.

Die Quelle des Baranco-Bachs ist nicht der Wasserfall am Ende der Schlucht und des Wanderweges. Sie liegt viel weiter oberhalb im Gebiet des Roque de Abinque (ein Guanchen-Ortsname). Mit 14 km ab dem Besucherzentrum soll es der längste Baranco Teneriffas sein. Hinzurechnen kann man dann noch die 6 km talabwärts bis zum Meer.

Noch ein Foto mit dem Wasserfall im Hintergrund. Dann gehen wir den gleichen Weg zurück. Es gibt nur diesen einen. Ein wenig kühl ist es. Dann wird es heller. Das Tal wird wieder breiter. Die Sonne scheint ins Tal hinein. Es ist wieder warm.

Am Talausgang geben wir unseren Schutzhelm ab. Nach einem tödlichen Unfall durch Steinschlag besteht Helmpflicht.  3 ½ Stunden haben wir gebraucht, aber auch nicht mehr. Beim Start hatten wir entgegenkommende Wanderer gefragt, wie lange sie gebraucht hätten. 2 ½ Stunden hatten sie angegeben. Wir sind eben nicht auf Tempo gegangen und haben uns das Tal und die Berge rechts und links angeschaut.

Der Barranco Infierno, in Adeje auch als Barranco del Agua bezeichnet, verläuft nach dem Talausgang weiter durch Adeje Richtung Meer. Er mündet dort zwischen dem „Hotel Riu Palace Tenerife“ und dem „Sheraton La Caleta Resort“. Wir sind durch den Baranco gegangen, als wir den Küstenweg von Adeje nach La Caleta gegangen sind, ohne es zu merken (Wasser hatte der Baranco dort nicht. Siehe oben: Wassermangel).

Dann gab es ein erfrischendes „Caña“, ein kleines Bier, gleich in dem Restaurant neben dem Besucherzentrum. Und wir beschließen, in einem Pollo-Restaurant im Ort zu essen. Adeje
rühmt sich die „besten Pollos“ – Hühnchen – der Insel zu haben. Auf dem Weg dorthin können wir uns auch noch den Wasserbrunnen „Los tres chorros“ ansehen, die Reste einer alten Gofio-Mühle und die etwas verfallene Anlage der „Casa fuerte“. Gleich hinter der Kirche St. Ursula finden wir in der „Calle Grande“ unser Restaurant.

Brunnen "Los tres chorros"
Das Besucherzentrum des Barancos ist am oberen Ende der Calle de los Molinos, Straße der Mühlen.
Hier, am Ausgang des Tals, wurde das in der Schlucht gesammelte Wasser über die Mühlräder zweier Gofio-Mühlen geleitet. Das Mühlenrad lag horizontal und die senkrecht stehende Achse war direkt mit dem darüber angebrachten Mühlstein verbunden.  
Der Wasserkanal wurde in der ersten Hälfte des 16. Jh. gebaut, also gleich zu Beginn der Besiedlung.
Später, zum Ende des 19. Jh., wurde an dem Wasserkanal ein öffentlicher Brunnen angelegt, der „Los tres Chorros“, der Brunnen der drei Wasserstrahle (Chorros). Von hier aus transportierten die „Aquadores“, die Wasserfrauen, das Wasser in Tontöpfen auf Eseln zu den Häusern.

"Casa fuerte"
Am Anfang der „Los Molinos“ befindet sich die „Casa Fuerte“, das starke Haus,  aus dem 16. Jh.. Es ist eines der ältesten Häuser der Insel, ein Komplex mit mehreren Gebäuden und einem Turm mit einer Artellerieplattform, der den Zugang zum Wasser des Barancos sicherte und den Ort bei Einfällen französischer und englischer Piraten schützte. 17 Kanonen soll es gegeben haben. Die Küste von Adeje wurde damals häufig von Piraten geplündert. Der Bauherr des Hauses, Pedro de Ponte, Markgraf von Adeje und Graf von La Gomera, benötigte für den Bau des befestigten Hauses die Genehmigung des spanischen Königs. Der Vater von de Ponte war ein genuesischer Kaufmann, der die Eroberung der Insel finanziert hatte. Er erhielt dafür von dem Teneriffa-Eroberer Fernández de Lugo Land bei Adeje und Wasserrechte für den Zuckeranbau. Sein Sohn gründete 1567 Adeje.
Die Unterlagen der Casa Fuerte werden heute im Gemeindearchiv von Adeje aufbewahrt. Dazu gehören die Verwaltungsakten der Markgrafschaft von Adeje, der Grafschaft von La Gomera und von El Hiero aus dem 16. bis 19. Jh.. Ein wichtiger Teil der Geschichte Teneriffas – leider reichen die Spanisch-Kenntnisse nicht für ein Studium der historischen Dokumente.

Erwähnenswert ist die Kirche Santa Ursula. Das linke Kirchenschiff, die Rosario
Kirche St. Ursula, links die Rosenkranz-Kapelle
(Rosenkranz)-Kapelle, stammt aus der Gründungszeit Adejes (16. Jh.). Das Hauptschiff ist eine Erweiterung aus dem folgenden Jahrhundert. Die Dachkonstruktion wurde im Mudejar-Stil errichtet (Verbindung von maurischer Baukunst mit christlichen Baustilen. Mudejares waren Mauren, die nach der christlichen Rückeroberung in Andalusien bleiben durften, 13. – 15. Jh.). An den Außenbereichen sind Sgraffito-Verzierungen angebracht (Auf zwei- oder mehrfarbigen Putzschichten werden Teile abgekratzt, so dass Farbkontraste entstehen. In der Renaissance-Zeit in Italien entstanden, im 16. Jh. nach Deutschland und Spanien gebracht).

Heute verbindet man mit dem Ort Adeje die Costa Adeje. Der Touristen-Badestrand, der mit der Playa de las Americas und Los Christianos ineinander übergeht. Ein Küstenstreifen mit vielen (guten und sehr guten) Hotels, Appartementhäusern und (teilweise sehr hässlichen) Bungalow- und Reihenbebauungen. Der Loro-Park von Puerto de la Cruz hat an der Küste mit dem Wasserpark „Siam-Park“ einen Ableger geschaffen. Die Promenade und der Küstenweg sind eine gute Abwechslung, wenn Wanderungen im Norden wegen Regen nicht möglich sind. Und viele Restaurants haben eine gute Küche. Sonst ist dort aber nur Tourismus.

Auch die Rückfahrt ist die gleiche. Über Santiago del Teide nach Puerto de la Cruz. Der Unterschied zur Hinfahrt ist nur, dass es jetzt langsam dunkel wird.


🔄Link zum Beitrag: Der schmale Küstenstreifen von La Orotava