Zu Gerhart Hauptmann und den Schlössern im Hirschberger Tal

Eine Fahrrad- und Wanderreise in das Hirschberger Tal und das Riesengebirge in Niederschlesien und Böhmen.  

Vom 9. bis 21. August 2022 

(2) Von Görlitz nach Hirschberg

Mittwoch, 10. August 2022 


87 Kilometer, 830 Meter bergauf, 700 Meter bergab.
(Kilometer-Angabe entsprechend dem Fahrradcomputer)

Görlitz – Zgorzelec – Tylice/Thielitz – Sulikow/Schönberg – Radzimow/Bellmansdorf – Platerowka/Ober Linde - Lesna/Marklissa   Zamek Czocha/ Burg Tzschocha – Stankowice/Rengersdorf -  Złotniki Lubańskie/Goldentraum   Augustow  – Giebultow/Gebhardsdorf – Mirsk/Friedeberg - Rębiszów/Rabishau – Grudza/Birngrütz – Nowa Kamiencia/Neukemnitz - Stara Kamienica/Altkemnitz – Ruine Palac Barcinku - Bobertalsperre/Jezioro Pilchowicki – Wrzeszczyn/Boberrulersdorf - Wohnturm Siedlęcin/BoberröhrsdorfHirschberg/Jelenia Gora.


Der erste Fahrrad-Tag. Fahrt von Görlitz quer durch Niederschlesien in das Hirschberger Tal. Es ist eine landwirtschaftlich geprägte Landschaft. Ackerflächen, Weiden, Wiesen und Wald wechseln sich ab. Ich fahre auf wenig befahrenen Landstraßen. Es ist leicht hügelig bis bergig. Das nahe Isergebirge, dass mich im Süden immer begleitet, hat sein Vorland mit Tälern und Hügelketten geprägt. 

Fahrt durch landwirtschaftliches Land.
Im Hintergrund das Iser-Gebirge.

Es ist eine Fahrt durch altes Grenzland. Grenzburgen und Grenzkirchen bezeugen alte politische und religiöse Grenzen. Im Norden war das Kurfürstentum Sachsen, davor gehörte das Gebiet zum Bistum Meißen. Im Süden war das Königreich Böhmen. Die politischen Grenzen wurden durch Grenzburgen, wie die Burg Tzschoacha in Sucha, gesichert. Das Grenzgebiet wurde Zufluchtgebiet für Glaubensflüchtlinge aus dem katholischen Böhmen und Schlesien (Ende des 16., Anfang des 17. Jahrhunderts).  Grenzkirchen wurden im Norden für protestantische Glaubensflüchtlinge aus dem katholischen Süden gebaut (150 solcher Grenzkirchen entstanden an der Grenze zu Niederschlesien). Neue Ortschaften, wie Goldentraum, wurden von Glaubensflüchtlingen gegründet.      

Und es ist das Gebiet der Deutschen Ostbesiedlung. Bis zum 14. Jahrhundert waren die Flüsse Oder, Bober und Queis die Ostgrenze des Heiligen Römischen Reiches. Über 120 Städte und 1200 Dörfer entstanden in den östlichen Gebieten, wie die Kolonistenstadt Friedeberg.


Aus Görlitz und Zgorzelec fahre ich in südöstlicher Richtung hinaus. Das bleibt auch meine Hauptrichtung bis Hirschberg, angelehnt an den nördlichen Rand der Sudeten-Gebirgskette (Isergebirge und Riesengebirge). In Lesna/Marklissa erreiche ich das Flusstal des Queis/Kwisa (die ab Lesna nach Norden abfließt). Ich fahre im Tal der Queis flussaufwärts weiter (Richtung Osten) bis zur Queis-Talsperre (Talsperre Marklissa/Jezioro Lesnianskie, die den Queis in Ost-West-Richtung aufstaut) und dort zur Burg Tzschocha/Zamek Czocha.   

Fluss Queis/Kwisa

Der Queis entspringt im schlesischen Isergebirge (polnisch Góry Izerskie, tschechisch Jizerské hory) an der Wysoka Kopa/Grüne Koppe, westlich von Oberschreiberhau. Sie fließt durch Lauban und Naumburg an dem Quais und mündet 120 Kilometer nördlich des Quellgebietes in den Bober. Sie bildet die Grenze zwischen der Oberlausitz und Schlesien. 

Fluss Bober/Bobr

Der Bober entspringt in Tschechien im südöstlichen Vorgebirge des Riesengebirges, fließt in einigen Bogen nach Norden und mündet in die Oder (in Höhe von Guben an der Neiße). In Hirschberg nimmt der Bober die Kamenz/Kamienna auf. Der Bober-Nebenfluss entspringt südlich von Oberschreiberau nahe der tschechischen Grenze. Bei den Fahrten durch das Hirschberger Tal werde ich der Kamenz mehrmals begegnen. 

Am Bober liegt auch das Heimatdorf meiner Mutter, Plakwitz bei Löwenberg. Meine Mutter erzählte mir, dass in ihrer Kindheit der Bober im Frühjahr regelmäßig große Überschwemmungen brachte, die bis an den Garten ihres Hauses reichten. Das, obwohl einige Talsperren als Hochwasserschutz (und zur Elektrizitätsgewinnung) entlang des Bober schon gebaut waren.

 

Lesna/Marklissa

An der Queis gelegen, die hier von Osten kommend fast im rechten Winkel nach Norden fließt. Vermutlich Mitte des 13. Jahrhunderts gegründet. Der deutsche Name Marklissa („Mark“ Lissa) kommt von der nicht mehr existierenden Burg Lesne (polnisch „Lesna“), die wahrscheinlich als Grenzburg Böhmens gebaut wurde (der Quaiskreis gehörte damals zu Böhmen). 

Hier treffe ich auf eine erste Grenz- und Zufluchtskirche (Christ König Kirche) (1). Interessant ist eine Steintafel, die in polnischer und deutscher Sprache informiert, dass hier der Friedhof der „ehemaligen Einwohner dieser Gemeinde deutscher Herkunft“ war. Auch alte Grabsteine und Epitaphe sind noch erhalten. 

Grabstein und Epitaph an der Christ König Kirche

Das Barocke Rathaus (2) von 1699 hat immer noch seine Funktion. Der Platz darum mit noch einigen erhaltenen Laubengang-Häusern ist eher unscheinbar. Marklissa ist ein kleines, fast verschlafenes Landstädtchen.

Laubenhäuser am Ring


Sucha/Suchau und Zamek Czocha/Burg Tzschocha

Die Burg Tzschocha (polnisch Zamek Czocha) (3) war eine Grenzburg, die im 13. Jahrhundert an der Grenze zwischen den Besitzungen des Bistums Meißen und der böhmischen Oberlausitz errichtet wurde. Während des 30-jährigen Krieges kam die Herrschaft Tzschocha zum evangelischen Kurfürstentum Sachsen. 

Das wurde im Prager Friede von 1635 zwischen der Katholischen Liga des Kaisers und dem Kurfürstentum Sachsen bestimmt. Kaiser Ferdinand I. konnte zugesagte Zahlungen an Sachsen für dessen Kriegshilfe nicht leisten und musste dafür die verpfändete Ober- und Niederlausitz dem sächsischen Kurfürsten überlassen. 

Jetzt ist die Burg ein Ausflugsziel. Sie ist noch gut erhalten und wird offensichtlich von vielen Touristen und Ausflüglern besucht und besichtigt. An den mittelalterlichen Marktständen vor der Burg herrschte reges Treiben. Mich aber zog es weiter Richtung Hirschberg.

Burg Tzschocha

Der nächste Ort ist Złotniki Lubańskie/Goldentraum. Hier biege ich nach Süden ab. In Mirsk/Friedeberg treffe ich wieder auf die Kwisa, die aus dem Süden kommend durch Mirsk in nördlicher Richtung bis zum Beginn der Aufstauung fließt (Jezioro Lesnianskie/Talsperre Lesna, 1905 errichtet). Ich fahre weiter in süd-östlicher Richtung im Tal mehrerer Zuflüsse der Kwisa. Bis nach Rębiszów/Rabishau.


Złotniki Lubańskie/Goldentraum

Der Ort entstand ab 1662 durch die Ansiedlung von Glaubensflüchtlingen aus Böhmen und Schlesien. Der Name geht auf ein Goldbergwerk zurück, das um 1654 angelegt wurde. Der Bergbau war wenig ertragreich und wurde bald wieder eingestellt. 

Die Glaubensflüchtlinge waren damals sehr willkommen. Das Land war wenig besiedelt und konnte die Neuankömmlinge gut aufnehmen. Durch die neuen Bewohner wurde das Land kolonisiert und nutzbar gemacht. 

Das Rathaus, das ich zuerst erreichte, ist nur noch eine verfallene Ruine inmitten des heruntergekommenen Marktplatzes (4). Besser erhalten ist die Grenz- und Zufluchtskirche St. Josef (von 1694) (5), die jetzt als katholisches Gotteshaus genutzt wird.

 

Landschaft vor Mirsk.

Mirsk/Friedeberg

Die Stadt wurde Anfang des 13. Jahrhunderts als Kolonistenstadt angelegt. Das Gebiet gehörte zum schlesischen Piasten-Herzogtum Jauer (mit den Städten Bunzlau, Hirschberg, Löwenberg). Die Stadt erhielt Stadtrecht nach Löwenberger Stadtrecht.  Die ehemalige evangelische Kirche von 1768/1881 brannte 1956 nieder und ist nur noch eine Ruine (7).

Am Renaissance-Rathaus von 1546 hat man die Wappen der Herren von Schaffgotsch und Zedlitz aus der deutschen Zeit über der Rathaustür belassen (8).

Rathaus Mirsk

Die alten Wappen der Schaffgotsch und Zedlitz.

Gut erhalten und immer noch prächtig ausgestattet ist die Pfarrkirche Mariä Verkündung/ Parafia Zwiastowania Najswietszej Maryi Pannie von 1567 (9). Errichtet wurde sie vom Grundherren Schaffgotsch, die Adelsfamilie, der ich im Hirschberger Tal noch mehrmals begegnen werde. 


Rębiszów/Rabishau

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Bevölkerung wie in allen schlesischen Gebieten vertrieben. Rund 500 Einwohner fanden in Holzminden (an der Weser) eine neue Heimat.

Die ehemalige evangelische Kirche (Kościół Rzymskokatolick sw. Barbary /Barbarakirche) wird gerade saniert (10).  

Barbarakirche.

Über einen Bergrücken führt der Weg, immer noch in Süd-Ost-Richtung, hinüber in das nächste Tal, das der Kamienica/Kemnitz. Sie ist ein Nebenfluss des Bober/Bobr, die ich bei meinen Radtouren durch das Hirschberger Tal noch mehrmals treffen werde. Es folgt die Stadt Stara Kamienica/Alt-Kemnitz. 


Stara Kamienica/Altkemnitz

Altkemnitz war einer der Stammsitze der Gotsche Schoff (Schaffgotsch), die Mitte des 13. Jahrhunderts die Burg an der Kemnitz als Lehen des Piasten-Herzogs von Schlesien bekamen. 

Weitere Schlösser und Güter der Schaffgotsch sehe ich noch einige Male im Hirschberger Tal. 

1562 errichteten sie ein erstes Renaissance-Schloss. Ulrich von Schaffgotsch baute das Schloss 1617 neu. Nach dem Zweiten Weltkrieg brannte es nieder. Nach 2000 wurde die Mauern niedergerissen. Nur noch die Turmruine ist erhalten (Schloss Zamek Piastowski (11).

Die Reste des Schaffgotsch-Schlosses.

Wie die meisten historischen Kirchen ist auch hier die Katholische Kirche (Enthauptung des hl. Johannes/Parafia Ścięcia św. Jana Chrzciciela) von 1370 (das Langhaus) und 1677 gut erhalten und gepflegt (12). Die Kanzel und Apostelfiguren sind aus der 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts, das Taufbecken von 1562. Ich konnte sie aber nicht besichtigen. Die Kirche war verschlossen. 


Von hier wäre jetzt die Landstraße der direkte Radweg nach Hirschberg. Ich möchte aber noch an der Bober-Talsperre vorbei, die nördlich von Hirschberg gelegen ist. Ich folge darum der Kamienica, die zunächst nach Norden und dann nach einem Bogen Richtung Osten fließt und in den Bober mündet. Etwas unterhalb der Einmündung ist die Staumauer des mittleren Bober-Stausees (nördlich und südlich sind weitere Staustufen). Hier überquere ich den Bober. Auf dem weiteren Weg komme ich an der Ruine des Schlosses der Grafen von Rothkirch/Palac Barcinku von 1772 (auf einer Gründung aus dem 16. Jahrhundert) vorbei.  


Bobertalsperre Wrzeszczyn /Boberullersdorf

Die Bobertalsperre (14) wurde von 1902 bis 1912 in der Nähe von Pilchowice/Mauer als Hochwasserschutz und zur Elektrizitätsgewinnung angelegt. Bei ihrer Fertigstellung war es die größte Talsperre in Europa.

Südlich der Hauptstaumauer ist das Wasserkraftwerk Boberullersdorf. Über dessen Staumauer führt mein Radweg über den Bober nach Hirschberg. 

Die Bobertalsperre.

Über die Staumauer muss ich das Rad schieben. Auf der östlichen Talseite des Bober fahre ich weiter nach Hirschberg. Am Übergang über den Bober ist bei Siedlęcin/Boberröhrsdorf noch ein Wohnturm aus dem 14. Jahrhundert vorhanden. Den Übergang nehme ich aber nicht, sondern bleibe auf der östlichen Seite des Bobers.  

Wohnturm Siedlęcin/Boberröhrsdorf

Im 14. Jh. baute der schlesische Piasten-Herzog von Jauer (das Herzogtum Schlesien ist mehrfach geteilt worden) hier am Bober einen Wohnturm (15). Es soll damals einer der größten seiner Art in Europa (?) gewesen sein. Es ist ein rechteckiger Turm mit Verteidigungsmauer und Wassergraben. Später wurde an den Turm ein Wohnhaus angebaut (16. Jh. und 17. Jh.).

Der Wohnturm in Boberröhrsdorf.

Der Turm wurde an den Höfling Jenchin von Redern (ein Nachfahre erhielt später die Herrschaft Friedland in Böhmen, auf meiner Rückreise komme ich durch Friedland) verkauft. Bis Mitte des 15. Jahrhunderts blieb der Wohnturm im Besitz der von Redern. Ab dem 18. Jahrhundert (bis 1945) waren die von Schaffgotsch Eigentümer. 

In Hirschberg überquere ich zunächst die Eisenbahn, die hier in einem Nordbogen um Hirschberg herumgeführt wird. Hinter der Bober-Brücke kommt eine weitere Brücke, die über den Mühlenkanal (Kanal Mlynowka) führt. Der Kanal wurde im Mittelalter an der Nordseite der Stadt angelegt und versorgte Mühlen und Walkhäuser. Über die Straße Podwale fahre ich in das Stadtzentrum.


Hotel Baron

In Hirschberg übernachte ich die nächsten Tage im Hotel Baron. Hier war ich schon bei einem früheren Besuch in Hirschberg. Den Parkplatz gegenüber gibt es immer noch. Damals war er unbefestigt, dafür aber mit einer Tag- und Nacht-Bewachung, was damals wichtig war. Jetzt ist er gepflastert und mit einer automatischen Schrankenanlage versehen.

Hotel Baron.

Seit 1994 gibt es das Hotel. Davor waren es zwei Mietshäuser, die miteinander verbunden wurden.  Eines der beiden Häuser stammt aus der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts und ist denkmalgeschützt. Das andere ist erst hundert Jahre später gebaut worden.

Es ist ein nettes Hotel in der Innenstadt, nicht weit vom zentralen Marktplatz entfernt. Schöne und große Zimmer. Sehr gut geführt. Mit einem üppigen Frühstücksbuffet. Ausgebucht war das Hotel am Wochenende und an Feiertagen. Unter der Woche waren nicht so viel Zimmer belegt. Trotzdem war das Buffet so ausgestattet, als ob es eine Vollbelegung hätte.


Zum Schluss ein Blick in die Küche: