Wo der Wald gebrannt hat 
Wanderung von Aguamansa nach Icod Alto


11. November 2022

Vergangene Woche war ich auf der Ostseite des Orotavatals. Heute wandere ich auf der Westseite. Das ist die Ladera de Tigaiga, die westliche Abbruchkante des großen Erdrutsches, mit dem das Orotavatal entstanden ist.

21 Kilometer, 700 Meter bergauf, 1.200 Meter bergab.
Aufgezeichnet mit der Komoot-App.


Tigaiga ist ein Wort aus der Guanchensprache und bedeutet Bergrücken. Unterhalb des Tigaiga-Berghangs ist der Ortsteil Tigaiga der Gemeinde Los Realejos. 


Ausgangspunkt ist bei dieser Wanderung die Bushaltestelle an der ehemaligen Forellenzucht oberhalb von Aguamansa (unterhalb der Caldera). Heute ist hier wieder nur noch eine Waldbaumschule, in der die Bäume zur Aufforstung der Wälder gezogen werden. 1950 entstand eine Forellenzucht, die das Wasser der Galerien nutzte, bevor es in das Trinkwassersystem eingespeist wurde. Als bekannt wurde, dass ein Antibiotikum dem Wasser zugeführt wurde, musste die Forellenzucht schließen.
 

Aguamansa, „ruhiges Wasser“, war das größte Quellgebiet der Insel Teneriffa. Im 16. Jahrhundert gab es hier zahlreiche Quellen, deren Wasser im Barranco durch La Orotava und dann in das Meer floss. Noch heute sind die Stellen zu finden, an denen die vom Augamansa-Wasser angetriebenen Mühlen standen (11 waren es, „Ruta de los Mollinos“ in Orotava).

 

Heute sind die Quellen versiegt. Um mehr Wasser zu bekommen, wurden ab Ende des 19. Jahrhunderts Stollen in die Berge getrieben, die Gallerien, mit denen man noch mehr Wasser aus dem Berg holen wollte.  1840 wurde die erste Gallerie angelegt. Mehr als 1.000 solcher Gallerien gibt es, die zusammen 1.600 Kilometer lang sein sollen. Mit Wasserkanälen wird das Wasser verteilt, über 4.000 Kilometer lang ist das gesamte Kanalnetz der Insel. Das Ergebnis war, dass die Galerien den Quellen das Wasser abgegraben haben und durch die Barrancos nur noch bei heftige Regenfällen Wasser fließt.

 

Bei der Wanderung heute komme ich an mehreren Galerien und Kanälen vorbei. 

Galeria Pino soler

Altes Gleis auf der Abraumhalde des Tunnels

Der erste Abschnitt der Wanderung verläuft oberhalb des Orotava-Tals fast in Ost-West-Richtung und fast auf einer Höhenlinie. Es ist einer der breiten Forstwege, die das Kiefern- und Baumheidegebiet durchziehen. Bis zum Cruz de Luis gehe ich diesen Weg. Früher bin ich von hier aus weiter zur „Área Recreativa de Chanajiga“, einer der vielen großen öffentlichen Grillplätze, gegangen und dann weiter in die die Ladera de Tigaiga hinein. 

         Am Weg stehen viele Erdbeerbäume (sie gehören zu den Heidekraut-
        gewächsen). Sie heißen so, weil die Früchte wie Erdbeeren aussehen
        sollen. Das finde ich aber nicht. Sie sehen eher wie kleine 
        Mandarinen aus. Ist die Schale hart, schmeckt das Fruchtfleisch
        zitronig sauer. Ist sie weich, ist das Fruchtfleisch wie Konfitüre.

Die erste Zistrose blüht am Weg

Der Teide taucht auf

Auch am Wegesrand

Stechpalme (Acebino)

Blick auf die Ladera St. Ursula

Blick auf die Ladera de Tigaiga

Die erste Gänsedistel blüht

Blick auf die Küste

Ich bin näher an der Ladera de Tigaiga:
Die Brandflächen sind deutlich zu sehen.

Schutzhütte Cruz de Luis

Heute will ich „eine Ebene höher“ durch die Ladera wandern. Zunächst gewinnt der Weg mit einer weiten Serpentine an Höhe. Dann kommt eine Strecke in kleineren Kurven direkt hinauf. Bei der Planung hatte ich mir den Weg nicht so genau angesehen, sonst hätte ich bemerkt, dass es eine schmale Piste war, wohl eher für Mountainbiker vorgesehen. Aber auch dieses Stück war (mit Unterstützung der Wanderstöcke) zu schaffen und es kam wieder ein Forstweg. Auf dem erreichte ich dann das Nord-Süd-Wegesystem, das durch die Ladera de Tigaiga führt. Aber nicht ohne (ein kleines) Hindernis. Der Weg war (wieder einmal) gesperrt, wegen Bauarbeiten. Auf dem Weg standen auch Baufahrzeuge. Aber Arbeiter waren nicht zu sehen. Die machten wohl gerade Pause. Also ging ich an der Absperrung und den Fahrzeugen vorbei, geradezu auf einen um die Kurve kommenden Bauarbeiter. Nicht gerade so gut, dachte ich. Doch „pasa“ war die Begrüßung, ich könne dort weitergehen.

Der Forstweg wächst langsam zu

Eine Piste eher für Mountainbiker

Die Bauarbeiter beseitigten die Schäden, die der Waldbrand im Juli verursacht hatte. 3000 Hektar Wald- und Buschfläche hat das Feuer bei Los Realejos zerstört. Wir hatten die Nachrichten in Deutschland verfolgt. Schon von weitem waren vom Wanderweg aus die grauen Flächen am Berghang gesehen. Jetzt bin ich mitten durch das Brandgebiet gegangen. Die Kiefernstämme sind verkohlt. Auf dem Wege lagen Geröll und Holzkohlestücke. Die große Hitze hatte die Steine am Hang gelockert. Hier haben die Bauarbeiter noch lange zu tun, ehe alles wieder in Ordnung ist. Die Natur ist da etwas schneller. An den Kiefern konnte ich das erste Grün der neuen Austriebe sehen. 

Verbrannter Wald:





Am „Corral Quemado“ (verbrannter Hof?) komme ich auf den von Chanajiga kommenden Weg (den ich sonst gegangen bin). Dann kommt der Mirador El Asomadero. Die Forstwege führen in weiten Schleifen den Berg hinunter. Der Wanderweg kürzt die vielen Schleifen ab und man geht auf ziemlich direktem Weg nach Unten und auch ziemlich steil. Da ich diesmal von einer größeren Höhe kam, war die Abwärtsstrecke ein bisschen länger. Die ganze Zeit waren die Wanderwege sehr trocken, aber hier war der Weg stellenweise ziemlich rutschig und die Wanderstöcke eine gute Stütze. Wahrscheinlich ziehen hier nachts Nebelwolken den Berg hinauf und befeuchten auch den Weg. 

Blick in das obere Orotavatal

Der erste Stechginster blüht

Die Höhe, die man hinaufgeht oder hinauffährt (bis Aguamansa), muss man auch wieder hinab. Das Waldgebiet wird durch Kartoffelfelder abgelöst. Es geht weiter hinunter. Die Sendemasten von La Corona sind zu sehen. Daneben ist der Mirador de La Corona, Seit 1922 steht hier ein Kreuz, das Einwohner von Realejos Bajo aufgestellt haben. Vom Aussichtspunkt und der Startrampe für Paragleiter hat man einen weiten Blick hinunter zur Küste. 

Mirador El Asomadero


Die Sendemasten von La Corona

Mirador de la Corona

Etwas zum Naschen und  etwas eher nicht zum Naschen

Am Mirador ist der Abstieg noch nicht beendet. Es geht weiter hinunter, zunächst auf einem Feldweg und dann auf den Dorfstraßen hinein nach Icod Alto. Hinter der Carretera General ist der Mirador de El Lance mit dem Denkmal für den Guanchenanführer Bentor. Der stürzte sich hier vom Felsen in den Tod, um nicht von den Spaniern gefangen genommen zu werden. Danach war der Guanchen-Widerstand endgültig gebrochen.

Denkmal für Mencey Bentor

Der Name der Felsenklippe, El Lance, am Rande des Tigaiga-Abhangs stammt aus der Zeit, als die Baumstämme des Kiefernwaldes hier nach unten geworfen wurden, um in einem am Fuß der Klippe befindlichen Sägewerkes verarbeitet zu werden (lance – werfen).

 

Das war lange nachdem sich Bentor, Mencey von Taoro, die Klippen hinunterstürzte. Mit Bentor’s Tod war die Unterwerfung der Guanchen auf Teneriffa beendet. Nah seinem Tod (1496) kapitulierten auch die anderen Guanchen-Königreiche.


1494 waren spanische Truppen auf Teneriffa gelandet. Die Menceyes von Anaga, Güimar, Abona und Adeje ergaben sich gleich. Der Mencey von Taoro lehnte eine Übereinkunft mit dem Anführer der Eroberer, Alonso Fernándes de Lugo, ab. Ihm schlossen sich die Menceyes von Tegueste, Tacoronte, Icod und Daute an. In der ersten Schlacht im Barranco de Acentejo wurden die Spanier bei Matanza (Gemetzel) von den Guanchen geschlagen. Die zweite Schlacht bei Aquere (dem heutigen La Laguna) entschieden die Spanier für sich. Die Guanchen waren nach der Schlacht bei Acentejo von einer Epidemie, der Guanchenmüdigkeit, geschwächt (es sollen von den Eroberern eingeschleppte Krankheiten gewesen sein). In der zweiten Schlacht bei Acntejo wurden die Guanchen entscheidend geschlagen. Die überlebenden Guanchen zogen sich in das Tigaiga-Gebiet zurück. Nach dem Tod Bentor’s ergaben sie sich.

Blick vom Mirador

Am Mirador de La Lance gab es eine Bar, in der ich auf den Bus nach Puerto de la Cruz warten wollt. Gab und wollte, die Bar ist geschlossen und so musste ich mich mit der Bank an der Bushaltestelle begnügen.


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