An der polnischen Ostseeküste
Mit dem Rad von Bansin nach Danzig

11.Tag
20. Juni 2024

Danzig - Solidarnosc und Danziger Werft

Unser letzter Tag in Danzig galt der Solidarnosc. Wir sind zum alten Werftgelände der Danziger Werft (Lenin-Werft) und dem Europäischen Zentrum Solidarnosc gegangen. Die Gewerkschaft Solidarnosc hat mit ihrer 1980 begonnenen Streikbewegung das kommunistische Regime in Polen beendet. 1990 wurde der Gewerkschaftsvorsitzende Lech Walesa der erste demokratisch gewählte Staatspräsident.


Schon bei unserem Stadtrundgang gestern durch Danzig sind wir auf die Solidarnosc gestoßen. Ganz in der Nähe der Katharinenkirche sahen wir an einer Backsteinwand mehrere Metallfähnchen mit dem Solidarnosc-Schriftzug. Sie waren an der Gebäudemauer der Brigittenkirche angebracht.

Die Brigittenkirche war während der Solidarnosc-Streikbewegung Treffpunkt und Aktionszentrum der freien Gewerkschaft. Der Kaplan der Kirche unterstützte die Streikbewegung und ihren Vorsitzenden Lech Walesa.



Brigittenkirche/Bazylika Sw. Brygidy

Die Brigittenkirche grenzt an den Kirchhof der Katharinenkirche und war die Klosterkirche des Brigittenklosters. Der Name geht auf Brigitta von Schweden zurück, die als Heilige verehrt wird. Ihr Leichnam wurde auf dem Weg von Rom nach Schweden in Danzig aufgebahrt. Das nahm der Hochmeister des Deutschen Ordens 1396 zum Anlass, eine Kapelle an der Stelle der Aufbahrungs-Kapelle zu bauen und das dort seit 1386 bestehende Nonnenkloster der Heiligen Brigitte zu erweitern.

Brigitta von Schweden bzw. Brigitta Birgerdotter (1303 – 1373) gehörte zum schwedischen Hochadel. Sie gründete 1346 den „Orden des Allerheiligsten Erlösers“, auch Erlöserorden oder Brigittenorden genannt.

Bei der Besetzung Danzigs durch Napoleons Truppen (1807 bis 1814) wurden die Klostergebäude als Kaserne umgenutzt. Als das überstanden war, wurde das Kloster von Preußen säkularisiert und die Nonnen des Brigittenordens mussten dauerhaft weichen. 1849 wurden die Klostergebäude abgerissen, nur die Kirche hatte Bestand. Im 2. Weltkrieg brannte die Kirche aus. Der Wiederaufbau dauert bis 1987.

Ab 2001 ist in der Kirche ein 11 Meter hoher Bernsteinaltar in der Form einer aufstrebenden Lilie errichtet worden. Es soll der größte Bernsteinaltar der Welt sein.

Der Bernsteinaltar

In der Mitte wird die Muttergottes "Unsere Liebe Frau - Beschützerin der Werktätigen" abgebildet. Über ihr schwebt der polnische Adler. Begleitet wird sie von der Heiligen Brygid (Brigitte) und St. Mary Elizabeth Hesselblad (sie gründete in den 1990er Jahren einen Zweig des Brigittenordens, der auch das Ordenshaus Santa Brigida in Rom betreut).

Über allem schwebt der polnische Adler


Grab des Paters der Brigittenkirche, Hendryk Jankowski, 
der der Solidarnosc die Kirchenräume zur Verfügung stellte.

 

Europäisches Zentrum Solidarnosc

Vor 10 Jahren (2014) wurde die Erinnerung an die Revolution der Solidarnosc auf dem alten Werfgelände eröffnet. An der Stelle, an der die Streikbewegungen begannen, wurde ein eindrucksvoller Neubau mit Museum, Zentralarchiv, Multimedia-Bibliothek und Bildungszentrum geschaffen.

Die Dauerausstellung beschreibt den Beginn der Streikbewegung und die 10 Jahre des Kampfes der „Unabhängige selbstverwaltete Gewerkschaft Solidarität“. 1980 wurde sie gegründet. Hervorgegangen ist sie aus mehreren Streikbewegungen, u.a. den „Freien Gewerkschaften der Küste“, die die Streiks in der Danziger Werft organisierten. Es ging um Lohnerhöhungen und Verbesserungen der Versorgung. Und es wurde die Wiedereinstellung der kurz vor ihrem Rentenbeginn willkürlich entlassenen Anna Walentynowicz gefordert (sie starb 2010 beim Absturz eines Flugzeugs auf dem Weg zu einem Gedenken an das Massaker in Katyn zusammen mit dem polnischen Staatspräsidenten Lech Kaczynski).

Die Dauerausstellung des Museums veranschaulicht die Entstehung und den Kampf der Solidarnosc mit den kommunistischen Regierungen bis zur Wahl Lech Walesas zum polnischen Staatspräsidenten 1990. 

Danziger Werft Tor 2
Hier verkündete Lech Walesa 1980 die Einigung des Streikkomitees mit der Regierungskommission über die Gründung unabhängiger Gewerkschaften

EZS Europäisches Zentrum Solidarnosc






Gewerkschaftsausweis Nr. 1 für Lech Walesa

Das alte Werftgelände

Die Werft in Danzig, die zum Zentrum der Streikbewegung wurde, gibt es so nicht mehr. Die Danziger Leninwerft war 1945 nach Enteignung der deutschen Eigentümer entstanden. 1990 wurde der Staatsbetrieb in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. In der Zeit der polnischen PIS-Regierung wurde die Mehrheit der Aktien an einen ukrainischen Stahl- und Hüttenkonzern verkauft. Die meisten Hallen auf dem einstigen Werftgelände verfallen oder werden von anderen Betrieben genutzt. Daraus soll eine neue Stadt entstehen, „Mlode Miasto – Junge Stadt“, mit Büros, Läden und Wohnungen.

Blick vom Dach des ESZ über das ehemalige Werftglände

Neubauten auf dem Werftgelände

Hier war von 1884 bis 2002 die Werkfeuerwehr der Werft. Jetzt hat dort ein Weinimporteur und Gastronom eine Vinothek und Weinbar eröffnet. Wir haben dort Pause gemacht. Die Küche war beeindruckend gut.

Schiffdogs gegenüber dem alten Werftgelände

Wegweiser durch das Werftgelände:
Informationstafeln berichten von der Geschichte der ehemals kaiserlichen Werft und erinnern an die Zeit der Solidarnosc

Werftkran vom Typ M3 zum Besteigen:
130 steile und luftige Stufen muss man steigen, um von der 30 Meter hohen Plattform über die alten und neuen Werften und wenn man gute Sicht hat bis nach Oliwa zu schauen.

Angelika und Andreas haben das gemacht. 
Mir hat der Ausblick vom Dach des EZS genügt


Neue Nutzung einer alten Halle.

Den Sicherungskasten aus deutscher Zeit gibt es noch.

Metallkunst 

Neues Schiff - neue Arbeit

Drei-Kreuze-Denkmal für die gefallenen Werftarbeiter 1970

Schon damals hatte es Streiks und Aufstände in Danzig, Gdingen und Stettin  gegeben, die von der kommunistischen Regierung blutig (42 Tote an der Ostseeküste) niedergeschlagen wurden.

Reliefs mit Szenen aus dem Leben der Werftarbeiter

1980 wurde das Denkmal in der Nähe des Tores 2 der Lenin-Werft errichtet. Das war eine der Bedingungen der Streikkomitees in dem "Danziger Abkommen" von 1980, in dem eine kommunistische Regierung erstmals eine Opposition legalisiert.


Rückfahrt nach Berlin am nächsten Tag (Samstag, 22. Juni), bequem mit dem Tesla von Andreas. Wir brauchten uns keine Sorgen machen, wie wir mit der Bahn und unseren Fahrrädern nach Berlin kommen. 

Die hatten wir zu Beginn der Reise (als noch nicht feststand, dass wir ein Begleit-Auto haben - siehe ersten Bericht). Wir konnten bei der Bundesbahn keine Bahnkarte mit Fahrradmitnahme buchen. Das von der Polnischen Staatsbahn zugeteilte Kontingent sei ausgebucht, hieß es bei der Bahnauskunft. Wir könnten ja versuchen, direkt bei der polnischen Bahn zu buchen. Das wiederum funktionierte nicht. Die Karten für die Fahrradmitnahme könne man nur am jeweiligen Bahnhof buchen, waren die Informationen im Internet. Ein Risiko, wenn die Anreise- und Abreisetage fest geplant sind. Wir hatten uns schon entschieden, das Risiko einzugehen und eventuell den Danzig-Aufenthalt zu verlängern, bis wir Karten bekommen würden. Die Überlegungen brauchten wir jetzt nicht mehr anstellen.


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