Mit dem Rad von Pforzheim bis Karlsruhe

15. bis 25. August 2023

540 Fahrrad-Kilometer durch den Schwarzwald und das Oberrhein- tal mit Beginn in Pforzheim und Ende in Karlsruhe.


2. Etappe am 17. August 2023

Freudenstadt bis Villingen:

Freudenstadt – Loßburg – Rötenberg -  Aichhalden – Sulgen – Hardt – Königsfeld  – Mönchweiler – Villingen.

 

66 Kilometer
Bergauf 780 Meter, Bergab 790 Meter
Höchster Punkt 770 Meter

Meine erste Umplanung.

Ich wollte hinter Loßburg im Kinzig-Tal über Alpirsbach bis Rötenbach  und dann im Rötenbach-Tal hinauf nach Rötenberg fahren. Die Familie, bei der ich am Stadtrand von Freudenstadt gestern bei dem letzten Gewitterschauer untergekommen war, hat mir eine andere Strecke mit weniger Anstieg empfohlen. Ich könnte hinter Loßburg oberhalb des Kinzing-Tals bleiben und bei Rötenberg wieder auf der geplanten Strecke weiterfahren. Es ist die Strecke des Panorama-Radwegs. Bei schlechtem Wetter erschien mir das als die bessere Alternative. So habe ich es dann auch gemacht und bin nicht im Tal der Kinzig gefahren. 

Das Wetter wurde dann doch schön, Sonnenschein und kein Regen. 


Der Weg, den ich nicht gefahren bin

Entgangen ist mir das Kinzig-Tal und das Kloster Alprisbach.

Die Kinzig entspringt südlich von Freudenstadt bei Loßburg, fließt am östlichen Rand des Schwarzwaldes nach Süden, schwenkt nach Westen und durchquert den mittleren Schwarzwald, wendet sich dann im westlichen Schwarzwald nach Norden und mündet hinter Kehl in den Rhein.

Die Römer bauten im Ost-West-Verlauf des Kinzigtals eine Straße durch den Schwarzwald, die von Offenburg nach Rottweil und weiter nach Tuttlingen führte (73/74 n.Chr.). Sie verkürzte die strategisch wichtige Verbindung von Mainz nach Augsburg, die vorher über das Rheinknie bei Basel verlief.

Nach dem Ende der Römerzeit folgten auf der Kinzigtalstraße christliche Missionare aus Irland und Schottland. Zahlreiche Klöster entstanden im Tal der Kinzig. 

In der Kinzig wurden bis Ende des 19. Jahrhunderts Schwarzwald-tannen in Flößen zum Rhein und weiter nach Holland gebracht. Die Flöße waren bis zu 600 Meter lang. Tannenstämme aus dem Schwarzwald wurden so schon lange transportiert. Der Dom zu Speyer (1050) und das Münster in Straßburg (1176) wurden mit geflößtem Holz aus dem Schwarzwald gebaut. Der Aufstieg der Niederlande zur Seemacht wurde auch durch die „Holländertannen“ (besonders hohe) als Schiffsmasten ermöglicht. Beendet wurde der Transport auf dem Wasser mit dem Aufkommen der Eisenbahn.

Auch auf der Enz bei Pforzheim wurde geflößt. 1501 erließ der Markgraf von Baden eine Verordnung zur Flößerei. In Pforzheim wurden die auf der Enz, Nagold und Würm transportierten Einzelstämme und Kleinflöße aus dem Schwarzwald zu Großflößen umgebunden und über Enz und Neckar und Rhein weiter transportiert. 

Eines der Klöster im Kinzigtal ist das 1095 mit Mönchen aus St. Blasien vom Konstanzer Bischof gegründete Kloster Alpirsbach Ein erster hölzerner Bau wurde 1099 durch eine steinerne Kirche abgelöst. Der Kapitelsaal (Versammlungsraum) stammt aus dem 12. Jahrhundert. Kreuzgang und Klausur entstanden bis Mitte des 15. Jahrhunderts.

Zur Ausstattung des Klosters gehörte auch der Nachbarort Rötenbach.  Mit dem Augsburger Religionsfrieden wurde das Kloster 1555 evangelisch. Evangelische Äbte gab es bis 1806. Danach wurden die Klostergüter dem Königreich Württemberg einverleibt. Die Klostergebäude (heute ein Museum) und die Klosterkirche sind noch erhalten.

Nach der Reformation wurde das Kloster mit katholischen Zwischenphasen (Augsburger Interim von Kaiser Karl V., Restitutionsedikt Kaiser Ferdinand II.) aufgelöst. In Folge der Napoleonischen Eroberungen kam das Kloster in den Besitz des Königreichs Württemberg.  


Die Radtour

Noch in Freudenstadt ist erst einmal ein etwas stärkerer Anstieg zu fahren. Hinauf auf die Friedrichshöhe des Kienberges.

Auf dem Kienberg steht seit 1899 der Herzog-Friedrich-Turm in Erinnerung an den 300. Jahrestag der Gründung Freudenstadts durch Großherzog Friedrich I. von Württemberg. 

Kienberg und Wandergruppe am Morgen

An zwei langgezogenen Wandergruppen musste ich vorbei, die sich mit langsamen Wanderschritten vom Anstieg auf den Kienberg erholten. Danach war Ruhe und ich hatte den Waldweg für mich allein. 

Hinunter bis Loßburg, gefolgt von einer ziemlich ebenen Strecke bis Sulgen. Von dort aus führt die Route überwiegend bergab durch die Orte Hardt, Königsfeld und Mönchweiler nach Villingen. 

Richtung Loßburg

Zur Gemeinde Loßburg gehört der Ortsteil „24 Höfe“. Es ist eine Streusiedlung, die aus einzelnen Weilern (Siedlung mit wenigen Häusern), Einzelhöfen und Doppelhöfen besteht, 24 Höfe insgesamt. Entstanden sind die Höfe im Mittelalter auf Flächen des Klosters Alpirsbach. Das Kloster hatte die Güter von in Geldnot geratenen Adligen erworben. 


Der Name Sulgen geht auf das altdeutsche „sul“ – sumpfige Stelle, Wasserlache – zurück. Die Bedeutung steckt heute noch im Wort Suhle (Wildschweine wälzen sich in einer Suhle, einer Wasserlache).

Hochschwarzwaldstraße vor Rötenberg

Vor Hardt

Vor Königsfeld: Burgruine Waldau, Anfang des 13. Jahrhunderts von einem  schwäbischen Adelsgeschlecht errichtet, und der Hof Beck, 1822 erbaut und weitgehend unverändert erhalten.


Königsfeld ist eine planmäßige Siedlung der Herrnhuter Brüdergemeinde von 1806. Es war die erste Siedlungsgründung der Herrnhuter im heutigen Baden-Württemberg.
 

Die Herrnhuter Brüdergemeinde geht auf den Reichsgrafen von Zinzendorf zurück. Er ermöglichte 1722 vertriebenen böhmischen Exilanten (Glaubensflüchtlinge) die Ansiedlung auf seinem Gut in Bethelsdorf in der Nähe von Görlitz. Daraus entstand der Ort Herrnhut.


Die Herrnhuter Brüdergemeinde (auch: „Evangelische“ oder „Erneuerte Brüder-Unität“) ist eine auf die Böhmischen Brüder zurückgehende Kirche. Die Böhmischen Brüder beriefen sich auf die Lehre des 1415 verbrannten böhmischen Reformators Jan Hus. Infolge der Gegenreformation und der Rekatholisierung im Habsburger Reich wurden die Böhmischen Brüder vertrieben.


Von Herrnhut aus missionierten die Herrnhuter Brüder und zogen in andere Landesteile. 1806 gründeten sie in Königsfeld eine Gemeinde. Davor, 1737, gründeten sie Böhmisch-Rixdorf, damals bei Berlin, heute ein Teil des Berliner Bezirks Neukölln. 

Königsfeld wurde ein Schulungsort für die Brüdergemeinde. Das führte zu einem regen Besucherverkehr, der Unterkünfte erforderte. Außerdem hatte die Siedlung in der Gründungsurkunde des württembergischen Königs die Niederlassung eines Arztes und einer Apotheke genehmigt bekommen. Aus allen diesen Umständen entwickelte sich der Ort Ende des 19. Jahrhunderts zu einem Höhenluftkurort. 

1810 errichtete die Herrnhuter Brüdergemeinde ihr Gemeindehaus mit dem Kirchensaal im klassischen Herrnhuter Stil, alles schlicht weiß, als geistigem Mittelpunkt.

Gemeindehaus mit Kirchensaal

In Königsfeld baute Albert Schweitzer (1875 – 1965) ein Haus für seine Familie, bevor er nach dem 1. Weltkrieg als Arzt nach Lambarene im zentralafrikanischen Gabun ging. Seine Frau kannte Königsfeld von früheren Kuraufenthalten. Albert Schweitzer, der sich hauptsächlich in Lambarene aufhielt und dort arbeitete, war nur während kurzer Aufenthalte in dem Haus. Hier gewohnt haben ab 1923 seine Frau und seine Tochter. Seine Frau konnte wegen eines Lungenleidens nicht mit nach Lambarene gehen. Heute erinnert eine Ausstellung an Albert und Helene Schweitzer.

Albert-Schweitzer-Haus - (es war leider geschlossen)

Albert Schweitzer war Arzt (Approbation und Promotion, um als Missionsarzt zu arbeiten), Philosoph (Promotion zum Dr. Phil.), Musikwissenschaftler und evangelischer Pfarrer (Promotion und Habilitation in Evangelischer Theologie). Er gründete 1913 in Lambarene eine Klinik und wurde als „Urwaldarzt“ bekannt. Er wurde im damaligen Elsass-Lothringen geboren und starb in Lambarene. 1952 erhielt er den Friedensnobelpreis.

Seine Frau musste als Jüdin vor den Nazis aus Deutschland und Frankreich fliehen und konnte 1941 nach Afrika ausreisen.

  

Villingen

Das badische Villingen ist seit 1972 mit dem württembergischen Schwenningen eine Doppelstadt.
Regierungsbezirk Freiburg
90.000 Einwohner

 

Villingen erhielt 999 von Kaiser Otto III. das Stadtrecht. Ab 1283 erhielten die Grafen von Fürstenberg (Hauptresidenz in Donaueschingen) die Stadt als erbliches Lehen.

1230 wurde das Kloster St. Clara gegründet, das bis 2015 (zuletzt als Ursulinenkloster) bestand. Insgesamt hatte Villingen einmal 7 Klöster.

Von 1326 bis 1805 gehörte die Stadt zum habsburgischen Österreich. Der Graf von Fürstenberg hatte Villingen als Reichslehen erhalten, musste es aber den Habsburgern überlassen, in deren Diensten sie standen.

1806 kam Villingen zum Großherzogtum Baden.


Auch Villingen hat (wie Freiburg) ein System von Bächen, die Wasser durch die Straßen der Stadt leiten. Dazu wurde 1175 die Brigach mit Kanälen in die Stadt umgeleitet. 

Ein Bächle in Villingen

Villingen-Schwenningen ist ein Zentrum der Elektro-, Messgeräte- und Uhrenindustrie (u.a. Kienzle-Uhrenfabrik, seit 1822).  

Der Verlauf der Stadtmauer mit ihren Toren und Türmen (Romäustor, Elisabethturm, Riettor, Oberestor, Bickentor, Kaiserturm) ist im Stadtbild noch deutlich sichtbar. Ringstraßen (Romäusring, Benediktinerring, Klosterring, Kaiserring) und die jetzt begrünte Wallanlage umfassen die historische Kernstadt. Im 19. und 20. Jahrhundert wurde die Stadtmauer weitgehend abgebaut.

Stadtmauer mit Elisabethturm und Romäusturm

Romäusturm - Riettor
Oberestor - Bickentor
(die drei Stadttore unterscheiden sich durch die
Farbe ihres Ziffernblattes)


Johanniskirche

Die Johanniskirche aus dem 14. Jahrhundert (1711 im Stil des Barocks umgebaut) war die Kirche der Johanniter-Kommende Villingen.

Mitte des 13. Jahrhunderts holte der Graf von Fürstenberg die Johanniter nach Villingen. Sie sollten ihn gegenüber der Bürgerschaft unterstützen. 
Heinrich zu Fürstenberg wurde Vorsteher aller Ordenshäuser der Johanniter in Deutschland (ab 1255) und war Stellvertreter des Großmeisters des Ordens in Akkon. Anfang des 19. Jahrhunderts erlosch die Kommende Villingen und der Besitz ging an das Großherzogtum Baden.

 

Der Johanniterorden ist aus einem Pilger-Hospital in Jerusalem entstanden, das Johannes dem Täufer geweiht war. Den Laienbrüdern des Hospitals schlossen sich christliche Ritter an. Aus der Spitalbruderschaft wurde ein geistlicher Ritterorden (12. Jahrhundert).

Nach dem Verlust Akkons (1291, im Norden des heutigen Israel gelegen, letzter Stützpunkt der Kreuzfahrer nach der arabischen Eroberung Jerusalems) wurde der Hauptsitz des Ordens nach Zypern verlegt, dann nach Rhodos. 1530 erhielt der Orden von Kaiser Karl V. die Insel Malta als Lehen (der Orden wurde danach auch als Malteser-Orden bezeichnet).


In der Säkularisierung wurde der Orden 1810 aufgelöst und das Vermögen eingezogen. Mit den Erlösen aus dem Vermögensverkauf wurden Reparationen an das französische Kaiserreich (Napoleon) bezahlt.


1852 erneuerte der preußische König den Johanniterorden als evangelischen Orden. Aufgabe war wie bei den Maltesern die Krankenpflege.

1857 wurde der Jerusalemer Johanniterorden als katholischer Malteserorden wieder gegründet. Bekannt ist der Malteserhilfsdienst.


Die Kirche wurde Militärmagazin und Gefängnis. Ende des 19. Jahrhunderts erwarb die evangelische Gemeinde die ehemalige Ordenskirche.


Das Kloster des Franziskanerordens bestand von 1268 bis 1797
Die Franziskaner hatte Graf Heinrich von Fürstenberg nach Villingen geholt, so wie den Johanniterorden. 1797 wurde das Kloster aufgehoben, nachdem es schon sechs Jahre ohne Mönche war. Heute beherbergt das Klostergebäude ein Museum und das Kulturzentrum der Stadt.

Franziskanermuseum

Villinger Münster

Münster Unserer Lieben Frau
Die katholische Hauptkirche am Münsterplatz mit dem Münsterbrunnen wurde 1130 im romanischen Stil begonnen und 1284 gotisch fertiggestellt.

Bronzeportale des Münsters

Kirchenschiff

Apostelfiguren und Ausmalungen an den Seitenwänden

Der Münsterbrunnen von 1989 erzählt die 100-jährige Geschichte Villingens.


St. Ursula Schule
Ursprung ist das 1479 gegründete Klarissenkloster am Bickentor. 1782 wurden alle Klöster durch den österreichischen Kaiser Joseph II. aufgelöst. Schwestern des Lehrordens der Ursulinen zogen in das Kloster ein und gründeten die St. Ursula Schule. Heute gehört die St. Ursula Schule zur Schulstiftung der Erzdiözese Freiburg.

Eingangsportal der St. Ursula Schule am Bickentor


Zehntscheuer
Heute Haus der "Historischen Narrozunft Villingen"

Zehntscheuer der Universität Freiburg 
Aus Anfang des 16. Jahrhunderts. Die Universität Freiburg ist 1457 von Erzherzog Albrecht VI. von Österreich gegründet worden (Freiburg gehörte zu Vorderösterreich). Sie muss mit Pfründen auch in Villingen ausgestattet worden sein. In dem Zehntscheuer wurden die Abgaben (der Zehnt, zehn Prozent der Ernte) der steuerpflichtigen Untertanen der Universität gelagert. 


Villingen war eine AckerbürgerstadtViele Häuser haben noch heute einen Giebel mit einem Aufzugsbalken.

Häuser mit Aufzugsgiebel

Andere Häuser haben hübsche Erker.
Ein Zeichen für den Wohlstand ihrer Erbauer.


Übernachtung im Hotel Bären












Abendessen im Gasthaus Ott
Schwäbische Käsespätzle


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