Eine Fahrt in die Normandie und Bretagne

Juli 2023 

Die Etappen:
1.  Von Paris nach Rouen (2.  Tag)
2. Rouen (3. Tag)
3. Von Rouen nach Mont Saint Michel (4. Tag)
4. Mont Saint Michel (5. Tag)
5. Fahrt nach Saint Malo (6. und 7. Tag)
6. Paris (8. bis 11. Tag)  

3. Etappe: Von Rouen nach Mont Saint Michel

Am Donnerstag

Rouen bis Mont-Saint-Michel

Die nächste Station war Mont-Saint-Michel am Atlantik mit dem berühmten Kloster auf der Insel im Meer. Aber auf dem Weg dorthin gibt es noch einiges zu sehen. Und für die Klosterinsel haben wir uns einen ganzen Tag Zeit gelassen. 

Als erstes machen wir in Caen halt. Es ist die größte Stadt im Department Calvados und Sitz der Präfektur. Eine wichtige Stadt war Caen schon zur Zeit Wilhelms des Eroberers (Herzog der Normandie und König von England). Der ließ die Burg Chateau Caen bauen und zwei Klöster, eins für Nonnen und eins für Mönche, als Wiedergutmachung für die Zerstörungen durch seine Vorfahren während der Wikinger-Überfälle. 


Durch Caen fließt die Orne, die bei Ouistreham in den Atlantik mündet. Ouistreham ist der Atlantikhafen von Caen. Der Hafen lag bei der Landung der Alliierten im 2. Weltkrieg im Strandabschnitt Sword Beach. Die Quelle ist im Hügelland von Le Perche nördlich von Le Mans. 

Von Caen aus wollten wir an die Atlantikküste fahren, zu den Stränden der Normandie, an denen zum Ende des 2. Weltkriegs die Alliierten gelandet sind. Das haben wir uns am Morgen beim Start in Rouen doch noch anders überlegt. Es wäre zeitlich knapp geworden und wir wären sehr spät in Mont Saint Michel angekommen. 

Also lassen wir die Atlantikküste rechts liegen (d.h. im Norden) und fahren von Caen aus direkt nach Bayeux, um die berühmten Wandteppiche anzusehen. In Mont-Saint-Michel bleiben wir einen weiteren Tag, um in Ruhe und ohne Stress das Dorf und das Kloster auf dem Felsen im Meer zu besichtigen. Wobei die Felseninsel gar nicht mehr mitten im Wasser steht. Aber das soll in den nächsten Jahren wiederhergestellt werden. 

Wir übernachten nicht auf der Insel (die fest mit dem Land durch einen Steg verbunden ist), was zunächst geplant war. Aber mit dem Auto kommt man nicht dorthin. Zwei Kilometer vor der Insel ist ein großer Parkplatz angelegt worden, von dem aus ein Shuttle-Bus die vielen Touristen auf die Insel bringt. Hier hätten wir auch unser Auto parken müssen, wenn wir uns ein Hotelzimmer auf der Insel genommen hätten.

Die Hotels auf der Insel sind vielleicht romantisch, aber schon älter und entsprechend sind wohl auch die Zimmer. Darum haben wir uns für ein Hotel an der Parkplatzanlage entschieden.


Caen

Département Calvados.
110.000 Einwohner.
An der Orne gelegen. Die Orne entspringt im Süden der Normandie und mündet in den Ärmelkanal.
Hauptort des Departements Calvados.

Im 11. Jahrhundert war Caen eine bedeutende Stadt in der Normandie. Sie lag an der Kreuzung wichtiger Straßen, hatte mehrere Märkte und besaß einen Hafen am Ufer der Orne (heute ist Caen über einen Schifffahrtskanal mit dem Meer verbunden). Über den Hafen wurde ein wichtiges Exportgut nach England verschifft, der Pierre (Stein) de Caen.

Pierre de Caen wird ein Kalkstein genannt, der bei Caen unterirdisch abgebaut wurde. Die meisten Bauwerke in Caen wurden damit gebaut und Skulpturen daraus gefertigt. Während der Herrschaft Wilhelm II. der Eroberer (Herzog der Normandie und König von England, 11. Jahrhundert) wurde der Kalkstein über den Ärmelkanal transportiert. Westminster Abbey und das Parlamentsgebäude in London, Windsor Castle und die Kathedrale von Canterbury wurden damit gebaut. Auch im Kölner Dom (Bauzeit 1248 bis 1880) und der Saint Patrick Kathedrale in New York (Grundsteinlegung 1858) wurde der Kalkstein verbaut.           

Der Herzog der Normandie, Wilhelm der Eroberer (er eroberte England und wurde König von England), ließ in Caen die Burg Chateau de Caen bauen, außerdem zwei Klöster, eines für Frauen und eines für Männer, die Abbaye Sainte-Trinité (Nonnen) und die Abbaye Saint-Ètienne (Mönche). 

Caen war danach eine der Hauptresidenzen des englischen Königs Heinrich I., Sohn von Wilhelm dem Eroberer. Im 12. Jahrhundert war die Stadt Sitz des höchsten Gerichts- und Rechnungshofs des Herzogtum Normandie. 

In Caen wurde 1432/1436 eine der ältesten Universitäten Frankreichs gegründet (die Prager Universität etwa 100 Jahre vorher (1348), die Sorbonne ist die älteste französische Universität (1257)). Jetzt hat die Universität etwa 25.000 Studenten. 

Die von Deutschen besetzte Stadt wurde 1944 bei der Eroberung durch alliierte Truppen fast vollständig zerstört, Wiederaufbau bis 1962. 


Rundgang Caen


(1) Abbaye Sainte-Trinité (Kloster für Nonnen)
Pl. Reine de Mathilde
(Zu den beiden ehemaligen Klöstern fahren wir direkt mit dem Auto. Am Chateau parken wir den Wagen).
Das Nonnen-Kloster Sainte-Trinité wurde 1060 von der Frau Wilhelms der Eroberer gestiftet. 1083 wurde sie in der Kirche beigesetzt.  Die Kirche ist wie Saint-Etienne ein bedeutendes Bauwerk der Romanik in der Normandie.

In der französischen Revolution wurde das Kloster aufgelöst. Die Klosterkirche wurde eine Pfarrkirche. Das Klostergebäude war bis 2013 Sitz des Regionalrates der Region Basse-Normandie. 

Kirche des Klosters Sainte-Trinité


(2) Le Vaugueux
Ältestes Viertel der Stadt, von den Bombenangriffen im 2. Weltkrieg verschont. Mittelalterliche Fachwerkhäuser. 

Tour Leroy
Teil der ehemaligen Stadtbefestigung (14./15. Jh.)

(3) Château de Caen
Rue du Vaugueux
Um 1060 von Wilhelm der Eroberer errichtete Residenz der Herzöge der Normandie. Es war eine der größten befestigten Anlagen in Europa. Später war es u.a. eine Kaserne. Der Grundriss der Mauern und Türme entsprechen der Anlage im 11. Jahrhundert. 

Chateau de Caen

Große Teile der Burganlage wurden vor und während des 2. Weltkriegs zerstört und teilweise wiederaufgebaut. Zurzeit ist das Chateau wieder eine große Baustelle. Bis 2025 sollen im Rahmen der „Operation B“ archäologische Untersuchungen und weitere Rekonstruktionen erfolgen.


Ein Teil der Burganlage mit Ausschachtungen

Unser Rundgang durch die Burganlage:

(4) Porte Saint-Pierre (Peterstor)
Es war der Zugang zur Stadt.

(5) Église Saint-Georges
Pfarrkirche auf dem Schlossgelände (heute Ausstellungsraum).

Saint-Georges heute 
und vor der Rekonstruktion (abfotografiertes Foto)

(6) Logis des Gouverneurs
Gebäude für den Statthalter des Königs.


(7)
Salle de I‘Echiquier de Normandie
Es war der Empfangsraum des Herzogs der Normandie. In dem Gebäude tagte der herzogliche Gerichtshof, das Echiquier.

Salle de I'Echiquier

Daneben stand einmal der herzogliche Palast, der Vieux Palaise (Altes Schloss).

(8) Donjon
Viertürmige Anlage, die um einen Bergfried (Wehr- und Wohnturm) gebaut wurde. Der Bergfried wurde später gesprengt.

Die Ausmaße des Donjon sind gut zu erkennen

Rekonstruktionszeichnung des Donjon

(9) Porta des Champs (Tor der Felder)
Es ist das Haupttor der Festung, 1204 errichtet. Es ist am wenigsten zerstört worden. 

Porta des Champs

(10) Saint Pierre de Caen
Pl. Saint-Pierre
Es war die größte Kirche im Mittelalter von Caen. Gebaut zwischen dem 13. und 16. Jahrhundert. 


Saint Pierre


(11) Hôtel d'Escoville

Pl. Saint-Pierre
Ein Anfang des 16. Jahrhunderts gebautes Herrenhaus im alten Stadtzentrum von Caen. Ein wohlhabender Getreidehändler ließ sich das vierflügelige Gebäude mit einem Innenhof 1533 nicht weit entfernt von dem Stadthafen (der damals noch nicht versandet war) bauen. 

Innenhof des Hotel d'Escoville

Rue Arcosse de Caumont
Als alte (Vieux) Kirche des Heiligen Stephan wird sie bezeichnet, um sie nicht mit der Klosterkirche Saint-Étienne zu verwechseln. Gebaut wurde sie vor den beiden Klosterkirchen. Sie war die katholische Hauptkirche in Caen. Hier fanden die wichtigen offiziellen Zeremonien statt. Nach der französischen Revolution wurde die Kirche nicht mehr genutzt. Die Aufgabe als Pfarrkirche ging an die Kirche des ehemaligen Männer-Klosters über. Nach teilweiser Zerstörung im 2. Weltkrieg ist sie heute eine Ruine. 

Die Ruine der älteren Saint-Etienne-Kirche

(13) Abbaye Saint-Ètienne
Esplanade Jean-Marie-Loufel
Das Männer-Kloster Saint-Ètienne wurde 1060 von Wilhelm der Eroberer gestiftet. In der Klosterkirche wurde er 1087 bestattet. Während der Hugenotten-Besetzung wurde das Grab zerstört, später noch einmal während der französischen Revolution. Seit 1802 erinnert eine Grabplatte an das zerstörte Grab.

Die Kirche ist heute Pfarrkirche. Im Klostergebäude ist das Rathaus der Stadt.

Klostergebäude (heute Rathaus) und Kirche Saint-Etienne

Abbaye Saint-Etienne

Der Kreuzgang

Einer der großen Säle des ehem. Klosters
 

Weiterfahrt von Caen nach Bayeux.

 

Wandteppich von Bayeux

La Tapisserie de Bayeux
Ein Wandteppich aus dem 11. Jahrhundert mit Stickereien auf einem 68 Meter langen und 50 cm hohen Leinentuch. Dargestellt werden in 58 Bildern Szenen der Eroberung Englands durch den Normannenherzog Wilhelm der Eroberer. Es fehlen wohl einige (Schluss-)Szenen, so dass die ursprüngliche Länge des Tuches größer war. 

Hergestellt wurde der Teppich wahrscheinlich in Südengland, ziemlich zeitnah nach der Eroberung Englands und der Inthronisierung Wilhelms I. 1066. Wer den Teppich in Auftrag gab, ist unbekannt. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts gehörte der Teppich wohl der Kathedrale Notre-Dame de Bayeux, in der der Teppich jährlich ausgestellt worden sein soll. 1803 wurde der Teppich auf Veranlassung Napoleon I. kurze Zeit im Louvre ausgestellt und wurde danach wieder in Bayeux aufbewahrt. 





In den 1880er Jahren wurde eine Kopie des Teppichs in Reading in England hergestellt. Etwa 40 Frauen arbeiteten daran 2 Jahre. 

In Bayeux ist 1948 für den Teppich ein Museum im ehemaligen Priesterseminar eingerichtet worden. 

Das ehem. Priesterseminar aus dem 17. Jahrhundert

Beeindruckend ist die Kathedrale von Bayeux, die wir aber nicht besucht haben. Davon haben wir schon einige gesehen. Sie ist aber eines der bedeutenden Baudenkmale in der Normandie. Im 5. Jahrhundert wurde das Bistum Bayeux gegründet und eine erste Kathedrale errichtet. Ein karolingischer Vorgängerbau wurde 891 von den Normannen zerstört. Die neue Kathedrale wurde 1077 von dem Bischof Odo von Bayeux, einem Halbbruder Wilhelms der Eroberer, geweiht.

Notre Dame de Bayeux


In der französischen Revolution wurde der Kirchenbau wie viele andere Kirchen auch zum „Tempel der Vernunft und des höchsten Wesens“ erklärt. Der deistische Kult (nur Vernunftgründe und nicht die Offenbarung sind die Grundlagen theologischer Aussagen) sollte das Christentum und insbesondere den Katholizismus ablösen. Unterstützt wurde der Kult von Robespierre. Nach seinem Sturz wurde auch der Kult des höchsten Wesens beendet. 

Der Bischofspalast neben der Kathedrale ist das Rathaus der Stadt geworden.

Das ehem. Bischofspalais

              Seine erste Rede wieder auf französischem Boden hielt der spätere              Staatspräsident de Gaulle 1944 in Bayeux.

Weiterfahrt nach Mont Saint Michel und Abschluss des Tages mit einer Flasche Cidre (den hatten wir schon in Rouen „entdeckt“).




Übernachtung im Hotel Mercure Mont-Saint-Michele

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