Eine Fahrt in die Normandie und die Bretagne

Juli 2023  

Die Etappen:
1.  Von Paris nach Rouen (2.  Tag)
2. Rouen (3. Tag)
3. Von Rouen nach Mont Saint Michel (4. Tag)
4. Mont Saint Michel (5. Tag)
5. Fahrt nach Saint Malo (6. und 7. Tag)
6. Paris (8. bis 11. Tag)  

4. Etappe: Mont Saint Michel 

Am Freitag
haben wir uns Mont Saint Michel, das Kloster auf dem Berg im Meer, angesehen. Unser Quartier war vor dem Inselberg an der Parkplatzanlage für die Besucher des Klosters. Zwischen dem Parkplatz pendeln kostenlose Busse zur Insel. Autos dürfen dort nicht fahren. Das wäre angesichts der kleinen Gasse und der vielen Touristen auch nur schwer möglich.
 
Mont-Saint-Michel

Es war ein Strom von Menschen, der sich den Berg hinauf- und herunterschob. Heute waren wohl besonders viele Touristen, aber auch Franzosen unterwegs. Das hatten wir auch schon in Rouen erlebt und dann noch einmal genauso in unserem nächsten Ziel, Saint Malo. In Frankreich sind Ferien und zudem war heute der französische Nationalfeiertag. Davon haben wir aber nicht viel mitbekommen. In Mont Saint Michel sei das Nationaltag-Feuerwerk schon am Vortag gewesen, erhielten wir als Auskunft, heute müssten wir nach Rouen (das hatten wir schon hinter uns) oder nach Saint Malo (dort sind wir erst morgen) fahren. Dort würden es große Feuerwerke geben. Also haben wir den Abend ohne Feuerwerk verbracht.


Und dann erhielten wir noch eine Mitteilung der Fähre nach Jersey. Wegen eines drohenden Sturms sei die Abfahrt vorverlegt worden und wir müssten wegen der Passformalitäten (Jersey gehört zu Großbritannien und das ist ja aus der EU ausgetreten) eineinhalb Stunden vor Abfahrt am Fährterminal sein. Das wäre dann 5 Uhr 30 gewesen. Wäre, denn das war uns doch entschieden zu früh. Und dann noch eine Seefahrt im Sturm. Also haben wir beschlossen, den Jersey-Tag in Saint Malo zu bleiben und die Fähre fahren zu lassen, ohne uns.

Le Mont-Saint-Michel

Die Geschichte des Ortes und des Klosters beginnt im 1. Jahrtausend. Damals hieß der Berg Mont Tombe (Grabesberg, er sah ohne Bebauung grabähnlich aus) und war eine Felseninsel im Wattenmeer der Mündungsbucht des Couesnon. Es ist die westlichste Bucht der Normandie. Dahinter beginnt die Bretagne. 

Mont-Saint-Michel bei Ebbe

Begründet wurde das Kloster durch den Bischof von Avranches, Aubert. Der Legende nach erschien ihm der Erzengel Michael und forderte ihn auf, auf der Felseninsel eine Kapelle zu bauen. 709 wurde  eine erste Kapelle geweiht. Sie wurde mit einer Reliquie des Erzengels Michael ausgestattet, die aus der Kirche San Michele in Monte Sant’Angelo (Italien, Apulien) beschafft wurde. 


Nach seinem Tod wurde Bischof Aubert im Jahr 725 in der Kapelle auf dem Mont Saint-Michel bestattet (während der Französischen Revolution wurde das Grab wie viele andere zerstört).

 

Die Gründung des Klosters erfolgte in der Zeit des Frankenreiches, das nach dem Untergang des Weströmischen Reiches entstand. Bedeutendster Herrscher war Karl der Große (Kaiserkrönung im Jahr 800). Nach der Aufteilung des Frankenreiches (Vertrag von Verdun 843) unter den Enkeln Karls des Großen gehörte der Mont Saint-Michel zum Westfrankenreich (Ursprung des späteren Frankreichs, das Ostfrankenreich wurde zum Ursprung des späteren (deutschen) Heiligen Römischen Reiches).

 

911 erhielten die Wikinger das Gebiet der heutigen Normandie von dem Westfränkischen König als Lehen. Er wollte damit die Normannen sesshaft machen und die andauernden Überfälle und Raubzüge beenden (die Wikinger hatten Paris, Köln und Aachen geplündert). Der Wikinger-Anführer Rollo nahm den christlichen Glauben an.

 

Nach dem 100-jährigen Krieg zwischen England (die normannischen Herzöge waren Könige von England) und Frankreich (Königreich der Kapetinger, große Teile Frankreichs  gehörten zum Angevinischen Reiche des englischen Königs: Normandie, Bretagne und andere Gebiete) und dem Sieg des französischen Königs wurde die Normandie Teil der Königsgüter. 


Die ersten Mönche des Klosters auf dem Mont-Saint-Michel waren Benediktiner. Wegen der Reliquie des Heiligen Michael wurde die Abtei das Ziel großer Pilgerströme.  Unterhalb der Abtei entstand ein kleines Dorf.           


Im Mittelalter (zwischen 500 und 1.500) wurden Wallfahrten zum Glaubenszeugnis. Die Wallfahrten waren für die Wallfahrtsorte und die Durchreiseländer ein einträgliches Geschäft (vergleichbar mit den Einnahmen, die heute durch den Tourismus erzielt werden). Die zwei wichtigsten Pilgerziele war Jerusalem und Santiago de Compostela. Nach Mont-Saint-Michele pilgerten die Gläubigen wegen der Reliquie des Heiligen Michael. 


Im 13. Jahrhundert erfolgte der Ausbau des Klosters im gotischen Stil.

Mont Saint-Michel gehörte dem französischen König. Die benachbarte Insel Tombelaine gehörte zu England. Von hier aus beschossen die Engländer Mont Saint-Michel und zerstörten die Ortschaft mit Artilleriebeschuss. Trotzdem blieb das Kloster Ziel von Pilger-Wallfahrten. 


1520 wurde der Chor der Abteikirche im spätgotischen Flamboyantstil fertiggestellt.  Dann beendete die Reformation die Blütezeit des Klosters. 1790 verließen die Benediktinermönche Mont-Saint-Michel. 

In der Zeit der Französischen Revolution wurde das Kloster ein Gefängnis und blieb es fast ein Jahrhundert lang. Viele Bauten zerfielen. Anfang des 19. Jahrhunderts begann die Restaurierung der Klostergebäude. 

Victor Hugo (1802 – 1885, französischer Schriftsteller und Politiker, u.a. „Notre Dame de Paris – Der Glöckner von Notre Dame“, „Les Misérabeles- Die Elenden“) setzte eine Bewegung zur Erhaltung des Klosters in Gang. Das Gefängnis wurde geschlossen. Mont-Saint-Michele wurde zu einem nationalen Denkmal.      

   

Seit 1966, zur Jahrtausendfeier des Klosters, sind wieder Ordensleute in die staatlich gebliebene Klosteranlage eingezogen, Brüder und Schwestern der „Monastischen Gemeinschaft von Jerusalem“ (1975 gegründet). Die Mitglieder des Ordens arbeiten halbtags für ihren Lebensunterhalt.  In Deutschland ist der Orden in der Kölner Kirche Groß St. Martin.
 

Bis Ende des 19. Jahrhunderts war der Felsen Saint-Michel nur bei Niedrigwasser über das Wattenmeer zu erreichen. Das änderte sich, als ein Damm gebaut wurde, der die Insel gezeitenunabhängig mit dem Festland verband. Dadurch und durch die Kanalisierung des Flusses Couesnon, der in die Bucht mündete, versandete die Bucht zunehmend und der Inselcharakter des Felsens ging verloren.

 

Anfang dieses Jahrtausends wurde damit begonnen, die Versandung der Bucht rückgängig zu machen und den Felsen wieder zu einer Insel werden zu lassen. Ein Gezeitenkraftwerk an der Mündung des Couesnon (Tidenhub bis 14 Meter) lässt bei Ebbe das während der Flut in das Flussbett geflossene Meerwasser in die Bucht strömen, wodurch Sand und Sedimente aus der Bucht in das Meer gespült werden. So soll der Inselcharakter von Mont Saint-Michel langfristig wiederhergestellt werden. Statt des Damms wurde ein Stahlsteg zur Insel gebaut.

Das Gezeitenkraftwerk

Eines der Tore


Abtei Le Mont-Saint-Michel

Die Gebäude und die Kirche des Klosters wurden weitgehend aus Granit gebaut, der auf einer benachbarten Insel gebrochen und mit Schiffen und Flößen zur Baustelle transportiert wurde. Deswegen sind auch wenig Schmuckelemente vorhanden. Nur an einigen geschützten Stellen wurde Kalkstein (aus Caen) verbaut, der feiner zu bearbeiten war. Der Bau des Klosters dauerte über 300 Jahre. Im Hundertjährigen Krieg (zwischen Frankreich und England, 1337 bis 1453) wurde das Kloster und der Berg zu einer Festung umgestaltet. 

Die hohen Mauern der "Klosterfestung"

Der Klosterbau hat drei Ebenen: 

In der unteren Ebene waren während der Bauphase wohl alle notwendigen Räume für ein Kloster untergebracht. Nach Fertigstellung der oberen Ebenen wurden in den Kellerräumen u.a. der Almosensaal (Speise- und Schlafraum für die Pilger), und der Vorratskeller eingerichtet. Die Aquilon Krypta (Unterkirche) aus dem 11. Jahrhundert wurde lange Zeit als Krankensaal genutzt. 

In der mittleren Ebene entstanden:

Wandelsaal der Mönche aus dem 11. Jahrhundert, ursprünglich ein Kreuzgang.

Kapelle der 30 Kerzen

Notre-Dame-sus-Terre, Klosterkirche aus dem 10. Jahrhundert, beim Umbau zugeschüttet und im 19. Jahrhundert entdeckt.

St. Martins Kapelle, 11. Jahrhundert.

Krypta der dicken Pfeiler, Unterkirche aus dem 15. Jahrhundert.

Die dicken Säulen stützen den Chor der Abteikirche

Zisterne (das Regenwasser musste gespeichert werden, da es keinen Brunnen gab).

Rittersaal aus dem 13. Jahrhundert, wahrscheinlich das Skriptorium (Schreibsaal). Nach der Erfindung des Buchdrucks nicht mehr benötigt wurde er repräsentativer Kapitel- oder Empfangssaal.


Der Rittersaal

Kapelle Saint-Etienne vor dem Skriptorium
mit den Fragmenten einer Wandmalerei aus dem 13. Jh.

Gästesaal. 

In der oberen Ebene war die dreigeschossige Abteikirche. Die doppeltürmige Westfassade wurde im 18. Jahrhundert wegen Bauschäden abgebrochen. Neben der Klosterkirche befand sich der mittelalterliche Schlafsaal der Mönche, der beim Abriss der Westfassade teilweise zerstört und zur Sakristei wurde. Ein im Westen des Kreuzgangs geplanter Kapitelsaal für die Beratungen der Mönche wurde nie gebaut.

Die Abteikirche

Abteikirche, Baubeginn 1023, Bauzeit 61 Jahre. Neubau 1446 bis 1521. Dreigeschossig mit Arkaden, Emporen und Fensterzone.

Langhaus, Chor (Altarraum) und Querhaus (der dem Bau den Grundriss eines Kreuzes gibt).

Dormitorium (neben der Kirche), mittelalterlicher Schlafsaal der Mönche. Nach dem 16. oder 17. Jahrhundert teilweise abgerissen und heute die Sakristei.


Refektorium (Remter, Speisesaal) aus dem 13. Jahrhundert.
Er ist architektonisch interessant, mit 40 Fenstern, die mit tiefen Seitenwänden gegliedert sind, wohl zur Stabilisierung der Außenwände gegen Winddruck. Wegen der guten Akustik wird der Saal heute für Konzerte genutzt.

Das Refektorium


Kreuzgang, 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts, als umlaufende Galerie mit 137 Säulen zum inneren Garten. Errichtet aus Caen-Stein und Marmor von der Südküste Englands (Purbeck).

Der Kreuzgang

Archiv.

Westterrasse mit schöner Aussicht. Eine Spitzentreppe führt von der Kirche hinauf zu den Zinnen der Abtei.


Der Weg durch das Dorf zur Klosterpforte

Der Weg durch das Dorf zur Klosterpforte

Das Dorf Le Mont-Saint-Michel

Mit dem Besucherstrom sind wir die enge und auch steile Gasse des Dorfes hinaufgegangen. Fast jedes Haus ist ein Andenkengeschäft oder Restaurant, einige auch mit Hotelzimmern. Dass der Klosterberg auch eine Festung war, erfährt man gleich zu Beginn. Die Besuche gehen durch eine doppelte Toranlage mit einer Zugbrücke wie zu einer Burg. Um den Berg herum steht noch die hohe Verteidigungsmauer mit ihren Wehrtürmen. 

Ziemlich steil hinauf

(1) Porte et logis du Roi, Zugbrücke

Durch die Zugbrücke muss man gehen

(2) Mairie Rathaus

(3) Grand Rue Hauptstraße


Grand Rue

(4) Eingang zum Kloster 

Am Ende der Straße beginnen die noch steileren Treppen hinauf zur Pforte des Klosters, gefühlt genau so lang wie die Dorfstraße. 

Die Treppe zur Klosterpforte

(5) Tour du Nord

Teil der Stadtbefestigung. Eine erste steinerne Befestigung der Insel wurde im 13. Jahrhundert begonnen, die später mit Türmen und Stadttoren verstärkt wurde. Im Hundertjährigen Krieg wurde die Insel mehrfach von den Engländern angegriffen, konnte aber nie erobert werden. 

(6) Logis Tiphaine


Das historische Wohnhaus des Ritters Bertrand du Guesclin, eines Militärführers der königlichen Armee (14. Jahrhundert) und seiner Ehefrau Tiphaine de Raguenel, einer berühmten Astrologin, die in den Sternen das Schicksal der Welt las.
Mobiliar aus der Epoche, Hochzeitszimmer, Keuschheitsgürtel aus dem Mittelalter, Rüstung des Ritters Bertrand du Guesclin, Astrologiezimmer von Tiphaine de Raguenel. 

(7) Kirche St. Pierre

Im östlichen Teil der Insel gelegen. Davor ist der Friedhof des Dorfes.  St. Pierre ist die Pfarrkirche des Ortes. Im 11. Jahrhundert erstmals errichtet, im 15. und 16. Jahrhundert stark verändert. 

(8) Kapelle Saint-Aubert 

Sie liegt auf einem Felsvorsprung im Westen des Klosters. Vermutlich aus dem 12. Jahrhundert. Sie ist nur bei Ebbe zugänglich und da das Wasser gerade zurückgegangen war, konnte wir sie bei unserer Umrundung des Inselfelsens besuchen. 

Saint Aubert


Umrundung  des Klosterbergs

Nach dem Klosterrundgang geht es den gleichen Weg hinunter, über die Treppen und durch die Gasse. Unten angekommen beschließen wir, den Klosterberg auch noch zu umrunden. Es ist Ebbe, und da ist es möglich. Aber wir merken auch den Sturm, den die Reederei für die Küstenregion angekündigt hatte. Landseitig haben wir den Wind im Rücken und es war interessant zu beobachten, wie der Sand aufgewirbelt und weggetrieben wurde. Auf der anderen Seite der Insel hatten wir den Wind von vorn und mussten gegen ihn angehen und beim Fotografieren auf das Handy achten. Der Wind war so stürmisch, dass es Uschi einmal kräftig gegen den Felsen gedrückt hat. Wir fühlten uns bestätigt, morgen nicht die Überfahrt nach Jersey zu machen.

Es ist Ebbe

Die Klosterfestung

Sand weht über das Watt

Die grüne Nordseite des Berges

Porte de l'anvancée - Vorabtor

Übernachtung im Hotel Mercure Mont Saint Michel.


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