Zu Fuß durch die Alpen
(4) Über den Reschenpass und durch den Vinschgau
Über den Reschenpass sind wir am Mittwoch (18. August) gegangen. Start war in Nauders und das Tagesziel in St. Valentin (8. Wandertag). Hinter dem Reschenpass beginnt der Vinschgau. Wir wandern im Tal der noch kleinen Etsch nach Schluderns (9. Wandertag) und weiter nach Schlanders (10. Wandertag). Die nächste Station war dann Naturns (11. Wandertag) und am letzten und 12. Wandertag haben wir Meran erreicht.
8. Wandertag: Nauders – St. Valentin
Von Nauders führt der Weg im Tal des Stiller-Bach flussaufwärts und leicht bergauf in Richtung Reschensee.
Der Reschenpass/Passo
di Resia (Passhöhe 1507 Meter) überquert den
Alpenhauptkamm und liegt zwischen den Ötztaler Alpen im Osten und der
Sesvennagruppe im Westen.
Der Name des Passes soll im Mittelalter von
einem Hof in der Nähe des Passes abgeleitet worden sein („Reschen“ bedeutete
„der Barsche, der Schroffe“). Italien nannte ihn im Rahmen der Italianisierung
„Passo di Resia“.
Der Reschenpass ist auch eine Wasserscheide zwischen dem Einzugsgebiet der Donau (nach Norden) und zur Po-Ebene (nach Süden). Der Stiller Bach,
durch den wir zum Reschenpass wandern, gehört zu den nach Norden entwässernden Flüssen (er fließt in den Inn und der in die Donau). Die Etsch, zu der wir hinter dem Reschenpass kommen, fließt nach Süden und dann durch die Po-Ebene bis zum Mittelmeer.
Die
Grenze zwischen Österreich und Italien ist zwei Kilometer vor der Pass-Höhe. Nach dem 1. Weltkrieg wurde sie
festgelegt. Das Habsburger Reich wurde aufgelöst. Die Tschechoslowakei und das
Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen wurden gegründet. Große Gebiete
gingen an angrenzende Länder. Österreich
musste auch auf Südtirol und Welschtirol (Trient) verzichten.
(siehe
ausführlicher: Radreise Berlin – Verona, Teil 5 Geschichte)
Der Reschensee kommt in Sicht. Aber wir gehen nicht direkt auf ihn zu. Wir machen einen kleinen Umweg, um die Quelle der Etsch zu sehen und einen Schluck Etsch-Quellwasser zu trinken, von dem Fluss, der einmal als der geografische Beginn des Deutschen Reiches besungen wurde ("Von der Etsch bis an die Memel", Heinrich Hoffman von Fallersleben, Lied der Deutschen) – das war einmal, ist lange her und wird nie wieder so sein. Inzwischen ist es ein italienischer Fluss und zwischen der Etsch-Quelle und Deutschland liegt Österreich. Und alles ist Europa – s.o. die nicht sichtbare Grenze.
Die Etsch, italienisch Adige, entspringt am Reschenpass, durchfließt den Vinschgau, dann die nördliche Po-Ebene und mündet bei Venedig in die Adria. In Meran
fließt die Passer in die Etsch. In Bozen nimmt die Etsch die vom Brenner kommende Eisack auf.
Die Etsch ist der wichtigste Fluss Südtirols
und nach dem Po der zweitlängste Fluss Italiens. Von Mori bei Rovereto bis
Torbole wurde 1959 ein Verbindungstunnel unter dem Monte Baldo hindurchgeführt,
der Etschwasser zum Gardasee ableitet,
um Verona vor Überschwemmungen zu schützen.
Neben der Quelle steht einer von mehreren Bunkern und Verteidigungs- anlagen in Reschen, die von Italien als Alpenfestung /Vallo Alpino (von den Seealpen bis Rijeka/Fiume am Mittelmeer) zur Grenzsicherung gegen Deutschland gebaut wurde. Begonnen wurde damit schon 1920, kurz nach Beendigung des 1. Weltkrieges und den neuen Grenzziehungen. Der italienische Diktator Mussolini forcierte den Bunkerbau nach seiner Machtübernahme 1926.
Als kleiner Bach fließt die Etsch in den Reschensee. Wir gehen am Ostufer des Sees entlang und kommen an dem Kirchturm im See vorbei, das Wahrzeichen des Reschen Sees, der 1950 eine ganze Ortschaft verschlungen hat.
Der Kirchturm
gehörte einst zur Kirche St.
Katharina des Dorfes Graun am See. 1950 wurde die Etsch aufgestaut. Zwei kleine Seen, der Reschen See und den
Mittelsee, und Teile des Ortes Reschen und der ganze Ort
Graun versanken im See. Das Dorf Graun entstand neu an höher gelegener Stelle. Die alten Häuser
wurden gesprengt und abgetragen. Nur den Kirchturm der Pfarrkirche St.
Katharina ließ man stehen. Er ragt auch bei hohem Wasserstand aus dem Wasser
und ist ein Wahrzeichen des Sees geworden, der eine Länge von 6 Kilometern
erreicht hat.
Wir erreichen St. Valentin auf der Haide am Haidersee und die Jugendstilvilla des Boutique Hotels Villa Waldkönigin. Es ist ein wirkliches Wellness- und Wohlfühlhotel. Allerdings war unser Schwerpunkt nicht Wellness. Dafür haben wir uns nicht die Zeit genommen. Wir sind immer früh ins Bett gegangen und morgens früh aufgebrochen. Aber den Wohlfühl-Teil des Restaurants und des Frühstücksbüfett haben wir genossen. Die Familie Punt-Licata hat die Jugendstilvilla sehr schön renoviert und mit einem Neubau ergänzt.
Die Besiedlung des Ortes geht zurück auf die
Gründung eines Hospizes 1140. Es war ein Gasthaus, das Pilger, Wanderer,
Kranke, Arme und Hilfsbedürftige aufnahm. Es war neben dem Hospiz St. Bernhard
in der Schweiz (Bernhard-Pass) die erste Einrichtung dieser Art. Bekannt wurde das Hospiz auch durch die Bernadiner-Hunde, die bei der Suche und Rettung von Vermissten eingesetzt wurden.
Neben dem Hospiz wurde eine dem Heiligen Valentin gewidmete Kapelle gebaut. Valentin missionierte als Wanderbischof um 435 im Vinschgau und im Engadin.
Der Namenszusatz „Haide“ stammt von der
Malser Haide, ein Schwemmkegel (Schotterablagerungen), der größte in den Alpen,
auf dem der Ort steht.
Südlich von St. Valentin liegt der Haidersee auf 1.450 Meter Meereshöhe.
9. Wandertag: St. Valentin – Schluderns/ Sluderno
Der Vinschgau ist eines der regenärmsten Gebiete der Ostalpen. Die jährliche
Niederschlagsmenge genügt nicht, um ohne künstliche Bewässerung eine ausreichende
Ernte zu erzielen. Deshalb besitzt/besaß das Tal das dichteste Bewässerungsnetz
der gesamten Alpen, die Waale.
Die Waale sind künstlich angelegte Bewässerungskanäle. Der Name ist aus dem Lateinischen „aqualis" - Wasserlauf - abgeleitet. Das Wasser wird meist aus einem Bach zu den hiervon oft sehr weit entfernt gelegenen landwirtschaftlichen Kulturen geleitet.
Der Bau neuer Waale, oft in
unwegsamen Gelände, sowie die Wasserentnahme aus den Bächen durfte natürlich
nicht nach Gutdünken erfolgen, sondern musste entweder von den Klöstern, die
den großen Grundbesitz und mit diesem auch die Bäche besaßen, oder vom
Landesfürsten, bzw. von den Grafen, die seit dem 13. Jahrhundert die
Hoheit über die Gewässer innehatten, gestattet werden. Die Bauern hatten für
das verliehene Wasser meist in Naturalien zu zahlen.
Zwar sind viele dieser Waal-Systeme
fast gänzlich verschwunden. Sie sind Flurbereinigungen zum
Opfer gefallen und durch moderne Bewässerung ersetzt worden. In Schluderns sind noch der "Perkwaal" sowie der
längste Waal des Vinschgaus, der "Gschneirer
Waal" (10
km lang, er besteht heute noch in einer Länge von 3 km) in seiner
ursprünglichen Form erhalten.
Auf dieses ausgeklügelte
Bewässerungssystem ist unter anderem zurückzuführen, dass insbesondere die
Umgebung von Schluderns einmal die Kornkammer Tirols war. Aber das war
einmal. Heute beherrschen die Apfelplantagen das Tal und die Hänge, was wir auf
unserer Wanderung sehen werden.
Hinter St. Valentin gehen wir durch das Dorf Döfl, das zur Gemeinde Graun gehört. Zur Römerzeit soll hier eine Pferdestation gewesen sein. Es ist ein kleines Dorf, das in seinem Ursprung weitgehend erhalten geblieben ist.
Wir befinden uns auf dem „Vinschger Höhenweg“ in Richtung Planeil. Das Bergbauerndorf Planeil liegt etwas eingeschnitten in einem Seitental oberhalb der Malser Heide.
Uns gegenüber liegt auf der anderen Talseite Burgeis. Der Name soll auf eine Römerbefestigung an der Via Claudia Augusta zurückgehen. 1160 wird der Ort erstmals als „Burgusia“ genannt.
Es folgt Mals. Aus
römischer Zeit wurden Reste einer „Villa rustica“ (ein Landgut) gefunden. 1094
wurde Mals als „Malles“ in einer Schenkungsurkunde des bayrischen Herzogs Welf
IV. genannt, mit der er einen Hof in Malles dem Kloster Weingarten überträgt
(Das Kloster in der nach dem Kloster benannten Stadt Weingarten in
Baden-Württemberg war das Hauskloster der Welfen).
Hinter Mals weichen wir vom Claudia-Wanderweg ab und gehen über Glurns, an der Etsch gelegen. Glurns gilt als das Rothenburg Südtirols.
Glurns ist mit 900 Einwohnern eine der kleinsten
Städte im Vinschgau. Aufgrund der überdurchschnittlich gut erhaltenen
mittelalterlichen Bausubstanz, die mit dem Stadtbild von Rothenburg ob der Tauber verglichen wird, wird Glurns auch als
das Rothenburg Südtirols genannt. Darum machen wir den
„Umweg“ über Glurns.
Schon zu Römerzeiten kreuzten sich hier die Via
Claudia Augusta und Handelswege in die heutige Schweiz.
Die erste urkundliche Erwähnung stammt von
1163. Der Ort erhielt 1227 eine eigene Pfarrei, die dem Bischof von Chur (Graubünden) unterstand.
In Konkurrenz zu dem Bischofs-Dorf Glurns
förderten die Tiroler Landesfürsten
eine Ansiedlung neben dem Dorf (um die heutige Laubengasse) mit einer
10-jährigen Abgabenbefreiung (schon damals gab es also
Wirtschaftsförderung). 1291 erhielt Glurns das Marktrecht und 1304 hatte der Ort
das Stadtrecht.
Durch
die günstige Lage an der Grenze
Tirols zur Schweiz und die Kreuzung mehrerer Handelswege wurde der Markt
schnell bekannt und die Stadt reich. Sie profitierte von Wegegebühren und
Niederlagsgebühren (die durchreisenden Kaufleute waren verpflichtet, ihre Waren
umzupacken und auf dem Markt anzubieten).
Der
Niedergang der Stadt begann gegen
Ende des 16. Jahrhunderts. Der Handelsweg über den Brenner war attraktiver
geworden. Im 19. Jahrhundert war aus der Handelsstadt eine Bauernstadt
geworden.
Durch die Erbschafts-Realteilung wurden die
landwirtschaftlichen Grundstücke immer kleiner. Sie reichten als Erwerbsquelle
nicht mehr aus. Manche Bewohner versuchten sich als „Karner“, d.h. sie wurden Wanderhändler, die auf ihren Karren Südfürchte und Kastanien in den Norden lieferten und von dort Haushaltsgeräte
mitbrachten.
Schon seit dem 17. Jahrhundert (bis zum 1.
Weltkrieg) gab es die „Schwabenkinder“.
Im Februar und März wanderten die 7- bis 15-jährigen für eine Saison nach
Deutschland und in die Schweiz, um gegen geringen Lohn zu arbeiten.
Die Geschichte Schluderns entspricht weitgehend der des benachbarten
Glurns. Geringe Einkünfte durch Karner-Wirtschaft und Schwabenkinder prägten
auch hier die Menschen.
Beherrscht wurde der Ort von der hoch über dem Dorf stehenden Churburg/Castel Coira. Es ist die besterhaltenste
Burganlage Südtirols. Um 1250 ließ der Fürstbischof von Chur
die Burg bauen, um die Vögte des Vinschgau zu kontrollieren. Doch schon ein
halbes Jahrhundert später war die Burg in der Hand der Matscher Vögte. Nach dem
Tod des letzten Matscher Vogts kam die Burg in den Besitz des Grafen von Trapp,
ein steierisches Adelsgeschlecht, dem die Burg heute noch gehört,
10. Wandertag: Schluderns/Sluderno – Schlanders/Silandro
Ein Wandertag ohne Orte. Zwischen Schluderns und Schlanders blicken wir nur auf Ortschaften unten im Tal, durchwandern sie aber nicht.
Eyrs/Oris war
ursprünglich im Besitz des Hochstifts Freising, ab 1238 im landesfürstlichen
Besitz. Wirtschaftlicher Aufschwung erfolgte durch eine K.u.K. Poststation ab
1822.
Laas/Lasa ist durch
Marmor-Vorkommen bekannt, die am Nördersberg (das Bergmassiv gegenüber dem
Sonnenberg am rechten Etsch-Ufer)
wahrscheinlich schon in römischer Zeit abgebaut wurden.
Ein 600 Meter langes, hölzernes Viadukt des Kandlwaals über die Etsch ist mit
32 bis 15 Meter hohen steinernen Pfeilern noch erhalten.
Wir wandern weit oberhalb der Etsch im Sonnenberg (italienisch Monte Sole oder Monte Mezzodi) und erfahren, warum die Berge am linken Etschufer Sonnenberg heißen. Es ist sehr warm bis heiß, der Berg liegt den ganzen Tag im Sonnenschein.
Der Weg am Sonnenberg:
Das Tal, in das wir hinabsehen, wird von Apfelplantagen beherrscht.
Apfel-Spalier soweit das Auge reicht.
Im 20. Jahrhundert wurde der Kornanbau im Vinschgau durch den Obstbau verdrängt. Mit 18.400
Hektar ist Südtirol das größte geschlossene Apfelanbaugebiet in Europa (das
Alte Land bei Hamburg hat 10.500 Hektar, auch hier 90% Apfelbäume). Der Anbau
ist kleinteilig organisiert, es gibt etwa 8.000 Familienbetriebe. 950.000
Tonnen Äpfel werden jährlich geerntet. Deutschland ist der wichtigste
Exportmarkt.
Dass es im Vinschgau fast nur Apfelbäume und keine Birnbäume gibt, liegt wohl an der deutlich höheren Nachfrage nach Äpfeln (in Deutschland wurden 2019/2020 pro Kopf 22 Kilogramm und nur 2,5 Kilogramm Birnen konsumiert. Doppelt so viel wie Birnen werden Tafeltrauben gekauft, 5 Kilogramm).
Erst in Schlanders treffen wir
wieder auf Häuser und unseren heutigen Übernachtungsplatz. Das Hotel Goldener
Löwe ist im Ort als „Schupferwirt“ bekannt. Als 1773 der Gastbetrieb begann,
wurde in der benachbarten Scheune, dem „Schupfer“ die Postkutsche abgestellt.
Die Gastwirtschaft neben dem Schupfer war der Schupferwirt.
Urkundlich
1077 genannt. Der römisch-deutsche Kaiser übertrug dem Brixener Bischof in
Schlanders umfangreiche Besitzungen als Reichslehen. Dafür sollte er den Weg
über die Alpen schützen, damit die deutschen Kaiser sicher in ihre
oberitalienischen Gebiete und nach Rom reisen konnten.
1235 übertrug
Kaiser Friedrich II. die Kirche zu Schlanders an den Deutschen
Ritterorden/Deutschherrenorden (Orden der Brüder vom Deutschen Hospital Sankt
Mariens in Jerusalem). 1305 gründeten sie die Landkommende (Niederlassung des
Ritterordens) Schlanders. 1643 wird ein Kapuzinerkloster mit Hospiz errichtet.
Der Kirchturm ist mit über 90 Metern der höchste in Tirol. 1499 ist er in der heutigen Form entstanden. Das Kirchenschiff wurde Ende des 18. Jahrhunderts erweitert und barockisiert. An die Kirche angefügt ist die Michaelskirche. Deren Unterkirche diente als Gruft.
Es wird vermutet, dass die Pfarre Schlanders schon im 7. oder 8. Jahrhundert entstand. Sie gehörte zum Bistum Chur im Osten der Schweiz. Ab 1235 (1215?) gehört die Pfarrkirche dem Deutschen Orden, der die Gemeinde seelsorgerisch betreute.
Die dem Heiligen Johannes der Täufer geweihte Kirche und das Kloster
stammen von 1644. Bis 2018 lebten Kapuziner-Padres in dem Kloster. Wegen
Nachwuchsmangel musste der Orden das Kloster schließen. Danach übernahmen
Missionare des Heiligen Franz von Sales das Kloster (1872 in Frankreich
gegründeter Orden).
Ehemaliger Wohnturm aus dem Mittelalter, der zu einem Ansitz ausgebaut wurde, als Ansitz Freienturm , auch Plawennhaus, bezeichnet.
In der heutigen Form von um 1720/1730. Besonderheit ist die Kapelle in der Hausmitte, mit einem kleinen Turm und Lichthaube. Das Inventar der Hauskapelle ist ziemlich vollständig erhalten (als wir dort waren, war das Rathaus verschlossen).
Ehemalige Kommende des Deutschen Ordens (1235 - 1811)
Seit 1860 ein Pfarrwidum (Wohn-und Wirtschaftsgebäude der Pfarre).
Aus Schlanders hinaus wandern wir zunächst nicht auf dem Claudia-Wanderweg. Der führt wie am gestrigen Tag am Hang des Sonnenberges mit viel auf und ab entlang. Das wollten wir heute etwas abkürzen und haben einen Weg näher an der Etsch gewählt. Mitten durch die Apfelplantagen sind wir gegangen. Ein kurzes Stück auch hinter Schlanders durch ein Gewerbegebiet.
An einer der großen Hallen roch es angenehm nach Speck und Rauch. Wir haben
Hinter Latsch rücken die Berge näher an die Etsch heran. Hier ist auch
das Schloss Juval von Rainer Messmer. Seinen Wein (bzw. den seines Sohnes)
trinken wir am Abend im Hotel Lamm (stimmt nicht ganz, siehe unten). Wie an den vergangenen Tagen sind Waalwege lange Zeit unser Wanderweg.
Einer ist der Latschander Waal von Latsch bis hinter Kastelbell. Es ist der letzte im Vinschgau angelegte Wasserwaal, 1873 gebaut.
Schloss Goldrain sehen wir in der Ferne. Erbaut wurde es in der 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts. Bis 1863 waren die Grafen Hendl von Goldrain Eigentümer. Heute ist das Schloss eine genossenschaftliche Bildungseinrichtung.
Die Adelsfamilie gab auch dem Ort Goldrain/Coldrano seinen Namen.
Die Herren Hendl waren ein Tiroler Adelsgeschlecht. Sie waren u.a. Verwalter auf
den Burgen Fernstein und Ehrenberg. Von hieraus schafften sie ihren Aufstieg,
den ihre vollständige Titulierung dokumentiert: Grafen zu Goldrain und Kastelbell,
Freiherren zu Juval, Maretsch, Reichenberg, Hendlsburg und Schlandersburg,
Herren zu Ober- und Niederreichenberg, Galsaun und Kasten.
Unterwegs werden wir vor der Einmündung des Schnalserbachs in die Etsch an „Ötzi“ erinnert.
Ötzi, eine Gletschermumie
aus der Kupferzeit, hat man 1991 in den Ötztaler Alpen am Tisenjoch (unweit des
Similaun-Gipfels, in der Nähe des Vernagt-Stausees) im oberen Schnalstal gefunden.
Die Radiokohlenstoffdatierung bestimmte den Todeszeitpunkt des Mannes zwischen
3.359 und 3.106 v.Chr.
Auf einem Hügel vor dem Schnalstal steht die Burg Juval. Bekannt geworden ist sie, als der Südtiroler Bergsteiger Reinhold Messmer die Burg kaufte und sanierte. Die gehörte im 13. Jahrhundert den Herren von Montalban.
Die von Montalban besaßen im Vinschgau
großen Lehensbesitz und die wichtigsten Burgen (auch Montalban, Schlandersberg,
Galsaun, Schnals, Untermontani). Ein Familienangehöriger, Friedrich von
Montalban, war 1279 bis 1282 Bischof von Freising.
Unter dem Grafen Meinhard II. von Tirol
verloren die Herren von Montalban Ende des 13.
Jahrhunderts die Burg Juval an die Grafen von Tirol. Es folgten mehrere
Lehensvergaben, u.a. an die Herren von Starkenberg (1388 – 1422, in Tarenz bei
Imst ist das Schloss Starkenberg).
In Naturns passierte,
was nicht passieren durfte. Ich hatte auf der Komoot-Karte den Zielpunkt
falsch gesetzt. Nichts ahnend, wir hatten 22 Wander-Kilometer hinter uns,
wanderten wir entlang der Etsch zur Ortsmitte, fanden den Karten-Zielpunkt –
aber nicht unsere Unterkunft, das Hotel Lamm. Was also machen? Auf dem Handy
„Google Maps“ aufrufen und Hotel Lamm eingeben. Google Maps hat das sofort
gefunden, am Ortsanfang von Naturns, an dem wir vor gut einem Kilometer
vorbeigegangen waren. Also hieß es, zurück zum Anfang, an den Anfang des Ortes
mit dem Hotel Lamm. Zwei Kilometer Umweg und das am Ende der Wanderung. Sorry,
gegenüber meinen beiden Mitwanderern Eva und Eckhard.
5.900 Einwohner, Provinz Bozen-Südtirol, Region Trentino-Südtirol.
Naturns ist eine Marktgemeinde. Marktgemeinde dürfen sich in Italien Ortschaften nennen, die schon zur Zeit der Habsburgermonarchie diese Bezeichnung hatten.
Urkunden erwähnen den Ort 1158 als „Nocturnis“ und 1182 als „Naturnes“.
Vorromanische und gotische Fresken aus dem 11. und 14. Jahrhundert.
Aus dem 12./13. Jahrhundert.
Erbaut von den Herren von Naturns, die Ministeriale des Grafen von Tirol waren. Danach Lehen der Grafen von Tirol und später der Habsburger Erzherzögen (Tirol kam 1363 zu den Habsburger Erblanden).
1563 kaufte der Lehensnehmer Abundus von Tschötsch die Burg. Sie wurde
damit ein freies Allod (Eigenbesitz).
1568 nach einem Brand wiederaufgebaut, erhielt die Burg einen „Saal der Reformatoren“, Bilder von Luther, Hus, Calvin, Zwingli. Heute privater Wohnsitz.
12. und letzter Wandertag: Naturns/Naturno – Meran/Merano
Der letzte Wandertag. xxx Kilometer liegen hinter uns. Jetzt sind nur noch „läppische“ 20 Kilometer vor uns.
Zunächst geht es aus Naturns hinaus und noch einmal ein Stück bergauf. Wir gehen am teilweise ziemlich steilen Hang. Die Apfel-Plantagen ziehen sich den Hang hinauf. Dann folgen bewaldete Abschnitte, Steineichen, eher Büsche als Bäume. Oberhalb von Rabland folgen wir wieder einem Waalweg, dem Rablander Waalweg.
Unten in Rabland, an der Etsch, wurde ein römischer Meilenstein der Via Claudia Augusta aus dem Jahr 46 n.Chr. gefunden (aufgestellt ist dort aber nur eine Nachbildung, das Original ist m Stadtmuseum Bozen).

Unser nächster Ort ist Partschins. Wegen der Nähe zu Meran gehört
die Vinschgau-Gemeinde politisch zum Burggrafenamt mit Meran als Hauptstadt.
1547 von den Herren von Partschins, Nachfahren der Familie Tarant (s. Dorf Tirol), erworben. Heute ist die Burg ein Weingut im Besitz der Familie von Kripp.
Ein römischer Grabstein ist am Hochhueb Hof in der Nähe des Ansitzes Spauregg erhalten.
Der Hochhueb Hof war 1418 ein Lehen des
Bischofs von Salzburg.
Neben der Haustür ist ein römischer Grabstein eingelassen: „Den Schattengöttern
des Quintus Caecilius Eutropius. Marcus Ulpius Primigenius (hat) seinem Sohn
(diesen Stein errichtet). Er lebte 21 Jahre, 11 Monate“.
Unten an der Etsch ist der Stadtteil
Töll/Tel. Die Etsch hat hier eine Talstufe mit einem Höhenunterschied von
200 Metern.
In Töll war in römischer Zeit eine Zollstation. Hier war die Grenze zwischen den Provinzen Raetien (Hauptstadt
Augsburg) und Venetia (Hauptstadt Aquileia im heutigen Friaul). Es ist noch heute die
Grenze zwischen dem Tiroler Vinschgau und dem Burggrafenamt.
Der Name Töll kommt von dem lateinischen
Teloneion (Zollhaus).
In Partschins war Peter Mitterhofer (1822 -1893) zu Hause. Er war Tischler und
Zimmermann. 1864 entwickelte er seine erste hölzerne Schreibmaschine. 1866 stellte er eine Weiterentwicklung
dem österreichischen Kaiser in Wien vor. Eine kaiserliche Expertenkommission
beurteilte die Schreibmaschine positiv, sah aber keinen Nutzen darin.
Seine 1869 gebaute Schreibmaschine hatte 82 Tasten für
Groß- und Kleinbuchstaben, Ziffern und Sonderzeichen.
Zur Erinnerung an die Erfindung Peter Mitterhofer´s wurde 1998 in Partschins ein Schreibmaschinenmuseum errichtet.
Hinter Partschins gehen wir hinunter zur Etsch und dann weiter auf dem Algunder Waalweg. Wir bleiben auf der Höhe der Etsch vor dem Töll-Talfall und sind trotzem oberhallb des Etsch-Tals. Durch den Talfall ist das Tal rd. 200 Meter tiefer.
Der Algunder Waalweg ist touristisch ausgebaut, ein breiter Weg und sogar mit einer Tunnelführung.
Dem Algunder Waalweg folgt fast unmittelbar die Tappeiner Promenade. Das ist unsere
letzte Strecke.
Der Wanderweg Claudia Augusta verläuft
ab Partschins weiter am Rand des Sonnenbergs bis nach Algund. Dort wechselt er auf
die westliche Uferseite der Etsch und folgt dem Rand der Bergkette und weiter
bis nach Kaltern und dem Kalterer See und letztlich bis Valmareno in der Region
Venetien.
Der historische Römerweg führt noch
etwas weiter bis an die Adria bei Venedig.
Wir sind hinter Partschins zur Etsch abgebogen und dann oberhalb von Algund über den Algunder Waalweg und die Tappeiner Promenade nach Meran gegangen.
Den Tappeinerweg verlassen wir vor dem
Pulverturm und gehen die Treppen hinunter zur Pfarrkirche St. Nikolaus und sind
dann gleich in der Laubengasse und unserer Unterkunft „Liszt“ in der
Laubengasse.