Zu Fuß durch die Alpen

August 2021

(3) Durch das Tiroler Oberinn-Tal

Vom Fernpass kommend waren wir am Vortag durch das Gurglbachtal bis nach Imst gewandert. Hinter Imst mündet der Gurglbach in den Inn. Unser Wanderweg folgt heute und in den nächsten Tagen dem Inn bis Altfinstermünz.

Von Imst gehen wir am 5. Wandertag nach Landeck. Am 6. Wandertag führt uns der Claudia-Wanderweg über die Fliesser Platte mit römischen Wagenspuren, dann  über Ried bis zu dem kleinen Ort Tschupbach hinter Tösens mit nur ein paar Bauernhöfen.  Von hier gehen wir am 7. Wandertag bis Altfinstermünz und dann hinauf zum Stiller Bach, der einige Kilometer weiter in den Inn mündet, und weiter bis Nauders.

 

5. Wandertag: Imst – Landeck


Sonntag, 15. August 2021.
Imst – Inntal – Mils – Schönwies – Kronburg – Zams – Landeck.
Übernachtung im Hotel Tramser Hof


22 Kilometer - 460 Meter bergauf,  340 Meter bergab.
Höchster Punkt 1030 Meter 

Von Imst aus gehen wir hinunter in das Inntal. Der Gurglbach mündet bei Imst in den Inn. 

Wir gehen hinunter in das Inn-Tal

Eine andere Wanderstrecke hatte ich mir auch angesehen, mich dann aber für den Römerweg durch den Vinschgau entschieden. Die andere Strecke biegt nach Imst in das Ötztal ab. Die Ötztaler Ache mündet östlich des Gurglbachs  in den Inn. Über Sölden führt der Weg nach Obergurgl. Hier muss man den Bus hinauf auf die Timmelsjoch-Hochalpenstraße nehmen. Die Strecke von Obergurgl hinauf auf das Timmelsjoch ist für eine Tagestour zu weit und zwischendrin gibt es keine Übernachtungsmöglichkeit. Hinter dem Timmelsjoch geht es dann zu Fuß hinunter zum Passeiertal und im Tal über St. Valentin im Passeiertal weiter nach Meran. 

Der Inn vor Mils


Es folgt eine fast ebene Strecke im Inntal flussaufwärts. Wir gehen durch eine große Auenlandschaft bis
Mils. Hier queren wir den Inn und gehen am östlichen Ufer weiter.

Auenlandschaft bei Mils 

Die Auenlandschaft ist am Ufer des Inn durch Schmelzwasser der Gletscher entstanden. Der sich dort im Laufe der Zeit angesiedelte Auenwald wurde gerodet und die Aue als Weide genutzt.

 

Ried am gegenüberliegenden Ufer

Bei Schönwies queren wir den Inn

Das Inntal bei Schönwies

Der Berg als Rohstoff-Quelle. Kalkstein-Werk bei Schönwies

Bei Schönwies verlassen wir die Tallandschaft und gehen den Berg hinauf Richtung Kronburg. Wir überqueren den Kronburger Bach, der den Namen von der Kronburg hat, an der er vorbeifließt. Seine Quelle ist weiter oben am Venetberg der Ötztaler Alpen.

 

Schönwies war schon in der Bronzezeit (3. Jahrtausend vor Chr.) besiedelt. Im 6. Jahrhundert n.Chr. begann die Besiedlung durch Bajuwaren. 1288 wurde der Ortsteil Saurs (bedeutet „feucht) erwähnt, 1535 Schönwies („fruchtbare Wiese“).


Wir haben das Inntal verlassen

Wir passieren die Kronburgschlucht,
ein 80 Meter tiefer Canyon mit 20 Wasserfällen.

Die Kronburg sehen wir vom Gasthof unterhalb der Burg. Das Wirtshaus gehört zum Wallfahrtsort mit der Wallfahrtskirche Maria Hilf. 1673 wurde sie errichtet. Wir machen hier erst einmal eine Pause und haben Glück, dass wir einen freien Tisch im Wirtsgarten finden. Es ist Sonntag und scheinbar ist der Wallfahrtsort ein beliebtes Ausflugsziel.

Kronburg und der Gasthof des Klosters
 

Zwischen Schönwies und Zams baute 1380 Hans von Starkenberg auf einem Felssporn die Festung Kronburg. Schon 1423 kam die Burg in den Besitz des Tiroler Herzogs. In der bayrischen Zeit wurden die Kronburg und das zugehörige Gut verkauft.

Unterhalb der Kronburg ist in einer Senke die Wallfahrtskirche „Maria Hilf“ 1673 errichtet worden.

1845 wurde unterhalb der Kronburg neben der Wallfahrtskirche ein Kloster für die Ordensgemeinschaft der Schulbrüder (zur Erziehung Jugendlicher) errichtet. Das Projekt scheiterte. Es folgten die „Armen Schulschwestern“ aus München. Seit 2005 gehört das Klostergebäude den „Barmherzigen Schwestern“ aus Zams, die auch das Wirtshaus bewirtschaften.

 

Die Wallfahrtskirche Maria Hilf

In der Kirche

Der Friedhof der Kirche: Nur für die Schwestern des Klosters

Wir bleiben auf der Höhe über dem Inntal, allerdings mit einigem Auf und Ab. Zams sehen wir unten im Inntal.


Unter uns das Inntal
 

In Zams gab es wahrscheinlich schon vor den Römern eine keltische Siedlung.  726 bestand eine Herberge, der heutige Postgasthof Gemse. Im 18. und 19. Jahrhundert war Zams für seine Textilproduktion bekannt (Seide und Baumwolle).

 

Auf dem Weg nach Landeck

Oft an Scheunen zu sehen:
Der Kopfschmuck der Kühe vom Almabtrieb

Unsere heutige Unterkunft, das Hotel Tramser Hof, liegt oberhalb von Landeck. Trams ist eine kleine Hochebene mit zwei künstlich angelegten Teichen, die einmal als Wasserspeicher für die Landwirtschaft aufgestaut wurden.

Der Tramser Hof
 
Landeck

7.700 Einwohner, Bundesland Tirol, Bezirk Landeck.

Landeck entstand erst 1900 durch die Zusammenlegung der Gemeinden Perfuchs (vom lateinischen „profusio“ – Überschwemmungsgebiet – abgeleitet) und Angedair (vom keltischen „ankataria“ – Gebiet an der Biegung – abgeleitet).

In römischer Zeit war hier eine „Maniso“, eine Raststation an der Via Claudia Augusta. Eine erste Kirche bestand schon um 430 bis 480. Fundamente einer Taufkapelle, die um 500 bestand, sind erhalten.

Der Landecker Talkessel wurde durch drei Burgen gesichert, Schloss Landeck (wir sehen sie morgen), Burg Schrofenstein über dem westlichen Inn-Ufer und die Burg Kronburg, an der wir vorbeigekommen sind.



* * *


6. Wandertag: Landeck – Tösens/Tschuppbach


Montag, 16. August 2021.
Landeck – Fließer Platte - Fließ – Pontlatzer Brücke – Prutz (gegenüberl. Ufer) – Ried (gegenüberl. Ufer) – Tösens – Tschuppbach.
Übernachtung im Gasthof Tschuppbach.

25 Kilometer – 460 Meter bergauf, 430 Meter bergab.
Höchster Punkt 1.110 Meter

Von der Tramser Höhe gehen wir zunächst hinunter in die Stadt Landeck und am Schloss vorbei.


Landeck liegt unten im Tal


Schloss Landeck

 

Schloss Landeck wurde als landesfürstliche Gerichtsburg Ende des 13. Jahrhunderts mit einem großen Bergfried (Wehrturm) gebaut. 

Gerichte hatten in der Grafschaft Tirol die Aufgabe der Rechtsprechung und der Verwaltung. Sie waren territoriale Gliederungen der Tiroler Grafschaft.

Die Burg und der Gerichtsbezirk wurden von den Tiroler Landesherren öfter als Pfandlehen vergeben, u.a. von 1518 – 1549 an die Ritter von Schrofenstein, die auf der Burg Schrofenstein in Stanz bei Landeck saßen. Das war damals der übliche Weg der Geldbeschaffung (es müssen also ordentliche Einnahmen mit dem Lehen verbunden gewesen sein). 

Bis 1840 war die Burg Gerichtssitz. Jetzt gehört die Burg der Stadt Landeck und beherbergt ein Bezirksmuseum.

 

Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt, vor 1296 (erste Erwähnung) errichtet und damit ziemlich zeitnah nach der Burg Landeck gebaut. Unter der Kirche wurden Reste früherer Kirchen gefunden. Eine erste Kirche wird zwischen 430 bis 480 vermutet. Es muss also schon im 5. Jahrhundert eine christliche Gemeinde gegeben haben.

Bedeutend ist der Schrofensteinaltar (von 1530), von den Rittern von Schrofenstein gestiftet. 


Landeck mit der Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt

Dann müssen wir ziemlich steil den Berg hinauf, fast klettern, um auf die Höhe der Fließer Platte zu kommen. Auf das Plateau wollen wir hinauf, weil dort die Spuren von drei historischen Wegen zu erkennen sind:


Ein steiler Weg hinauf auf das Plateau

Die Ur-Trasse aus rätischer Zeit (Räter waren die Ureinwohner vor der römischen Eroberung).

Darüber verläuft die Römerstraße. Die Römer benutzten beim Bau der Via Claudia Augusta die vorhandene rätische Trasse.
Unterhalb der Römerstraße wurde im Mittelalter (15. Jh.) ein weiterer Fahrweg in den Felsen gebrochen. 

Die Wagenspur mit einer Eisenrad-Nachbildung

Der mittelalterliche  Weg (?)

Die Bergkuppe des Römerweges

Wir gehen auf dem Römer-Weg weiter durch den Wald. Es regnet. Heute ist der Regentag unserer Wanderung. Später, am Ende des Tages wird es uns noch stärker erwischen.


Wanderung im Regen

Dabei gehört das Gebiet um Fließ zu den regenarmen Gebieten. Landwirtschaft war nur mit Bewässerung möglich. Ein Netz von Kanälen, die Waale (Im Vinschgau werden wir öfter auf Waal-Wegen gehen), durchzog früher die Fließer Trockenhänge. 


Regenwolken im Tal

Langsam klärt es auf:




Am Ortsanfang von Fließ sehen wir die Neue Pfarrkirche der Gemeinde, St. Barbara, ein großer, spätbarocker Kirchenbau mit einem Doppelturm von 1804. Älter ist die Alte Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt. Ihre Grundmauern stammen aus dem 6. Jahrhundert.


Neue Pfarrkirche Mariä Hilf

Fließ besteht aus mehreren Ortschaften und etwa 70 Weilern (kleine Orte). Das Dorf liegt am Ende des Plateaus, auf dem wir von der Fließer Platte aus gegangen sind und das wir hier in Richtung Inn wieder verlassen.


Bauernhaus von 1360

Alte Pfarrkirche Mariä Hilf
Turm aus dem 13. Jahrhundert

"Modernes" altes Bauernhaus

Altes Bauernhaus - noch gut erhalten

Am Scheunentor:
Auszeichnungen der Landwirtschaftskammer Tirol

Schloss Bidenegg aus dem 14. Jahrhundert
in der Gestaltung des 16. Jahrunderts.
Im 17. Jahrhundert kam die Burg an 
eine Familie Bideneck, die sie bis 1994 besaßen.
Danach kaufte der Tiroler Industrielle Hans Pöll die Burg,
der die Restaurierung fortsetzte und Ferienwohnungen einrichtete.

 

Fließ ist ein archäologisch interessanter Ort. Ein hallsteinzeitlicher Fund (Hallsteinzeit etwa ab 800 v.Chr.) und ein bronzezeitlicher (Bronzezeit etwa 2200 bis 800 v.Chr.) Fund bezeugen eine lange Besiedlung.

Die Kapelle des Hl. Philomena (am südlichen Ortsrand) steht auf einem Schalstein aus der Jungsteinzeit (etwa ab 4.000 v.Chr.), in den rund 70 Schalen eingemeißelt sind (für Opfergaben?).

In der Römerzeit war in Fließ eine Raststation. Funde davon und von den archäologischen Funden sind im Museum ausgestellt.



 

Der Inn unterhalb von Fließ


Wiesenblume

Das Inntal wird enger

Die Pontlatzer Brücke über den Inn

So kann die römische Brücke vielleicht ausgesehen haben


Wir gehen hinunter in das Inntal und überqueren den Inn auf der Pontlatzer Brücke.  An der Stelle querte schon die Via Claudia Augusta den Inn. Der Weg verläuft danach fast eben bis nach Ried und Tösens. 


Erinnerung neben der Brücke an den Tiroler Widerstand:
1703 gegen die Truppen des bayrischen Kurfürsten.
1809 wieder gegen bayrische Truppen und gegen Napoleon.

Hinter der Fließer Platte war das Wetter wieder trocken geworden. Unten im Inntal ballten sich zwar noch die Wolken zusammen, aber der Regen hatte aufgehört. Bis wir unten im Inntal den kleinen Ort Prutz erreichten.


An einem Bauernhof vor Prutz,
die Glocken für den Almauftrieb.

Das Besondere des Ortes ist ein „Sauerbrunnen“, eine Quelle mit natürlicher Kohlensäure. Natürlich füllen wir gleich unsere Trinkflaschen mit dem leicht sprudelnden Quellwasser.

Die Gemeinde Prutz hat die Quelle in einem Brunnen gefasst und am Felsen eine Überdachung geschaffen. Die war unser Glück. Wir hatten gerade die Quelle erreicht, als ein heftiger Gewitterregen losbrach. Es war der erste Gewitterguss des heutigen Tages, den wir hier unter dem Brunnendach gut überstanden. 

Nach dem Gewitter war alles wieder gut. Wir erreichen Ried und machen an der 1894 errichteten Lourdes-Grotte am linken Inn-Ufer eine Pause.


Der Inn hinter Prutz

Der Weg im Inntal

Lourdes-Grotte bei Ried
Danach entfernt sich der Weg vom Inn und verläuft etwas erhöht im Wald des Bergrandes.
 
Ried
1.500 Einwohner, Bezirk Landeck, Bundesland Tirol.

Der Name bedeutet „versumpftes Gebiet“.

Im 12. Jahrhundert hatte das Stift Rottenburg (zum Bistum Freising gehörend) Besitz in „Rieden“, wie der Ort damals hieß. Ebenso hatte das bayrische Kloster Reichenbach (Bistum Regensburg) hier Grundbesitz.

Der Ort entstand um einen Wehrturm, vom dem aus der Handelsweg kontrolliert wurde. Er war Stammsitz der Herren von Ried. 


Wander-Weg oberhalb des Inn
Hier begann der zweite Gewitter-Regen. Die ganze Zeit hatten wir schon das Gewitter-Grummeln hoch in den Bergen gehört. Jetzt war das Grummeln mit kräftigen Donnerschlägen und Blitzen heruntergekommen. Es goss wie aus Eimern geschüttet. Unterstellen und warten? Wo unterstellen? Wir waren im Wald und die Bäume hielten den Starkregen auch nicht auf. Und warten? Worauf? Es sah nicht so aus, dass das Gewitter bald wieder aufhören würde. Außerdem waren wir nicht so weit von Tösens entfernt. Also weiter im Gewitter-Regen. Den Donner überhörten wir, die Blitze sahen wir nicht. 

Tösens
750 Einwohner, Bundesland Tirol, Bezirk Landeck.

Im 15. Jahrhundert wurden Erze mit Silber, Bleiglanz und Schwerspat abgebaut. Die Bergwerke im gegenüberliegenden Platzertal gehörten zu den höchstgelegenen Bergwerken in den Alpen.


Tschuppbach 

ist ein Weiler der Gemeinde Serfaus im Inntal, die mit ihrem Hauptort 500 Meter oberhalb des Inntals, am Rand der Samnaun-Gebirgsgruppe, liegt. Der Weiler hat nur einige Häuser und einen Gasthof (in dem wir übernachtet haben). 


Auf der Römerbrücke im Gewitter-Regen.
Die Brücke ist aus dem Mittelalter,
 aber in traditioneller römischer Technik gemauert
Daher der Name Römerbrücke.

Die Römerbrücke neben dem Inn bei Tösens erkennen wir erst, als wir schon auf ihr sind. Noch ein Stück durch den Wald und dann kommen wir auf einen befestigten Weg und dann auf die Dorfstraße von Tschupbach. Das Ziel ist erreicht. Es regnet immer noch kräftig. Unser Gasthof hat einen Skiraum, in dem wir unsere nassen Sachen und Schuhe trocknen können. Und einen gemütlichen Gastraum. Und das Gewitter zog weiter. Wir konnten noch einen kleinen Rundgang ohne Regen unternehmen.


Unsere Unterkunft, der Gasthof Tschupbach

Maria Hilf Kapelle von 1688

Blick in das Tal des Tschuppbach, ein Zufluss des Inn,
der seine Quelle im Skigebiet Serfaus-Fiss-Ladis hat.

Abendstimmung: Blick auf die Reschenstraße

Abendstimmung: Die Maria Hilf Kapelle

* * *


7. Wandertag: Tschuppbach – Nauders


Dienstag, 17. August 2021
Tschuppbach – Lafairs – Birkach – Pfunds – Burg Altfinstermünz - Festung Nauders – Nauders.
Gasthof zum Goldenen Löwen

20 Kilometer – 700 Meter bergauf, 310 Meter bergab.
Höchster Punkt 1.420 Meter
 

Der Regen war vorbei. Unsere Anoraks und Wanderschuhe waren wieder trocken. Frohgemut konnten wir in den neuen Tag starten.


Tschuppbach und dahinter Tösens

Erdpyramiden am nördlichen Hang des Tschupbachs.
Wir sehen Erdpyramiden noch einmal bei Dorf Tirol.
Erdpyramiden entstehen durch Decksteine, die die Erosion
des darunter befindlichen Lehmbodens verihndern.

Im Tschupbach-Tal gehen wir bergauf bis zur Waldkante. Hier irritiert uns zunächst der Weg, der an einer Villa am Hang endet. Hinter dem Haus gibt es nur einen schmalen, rutschigen Pfad, die Bergkante hinauf, offensichtlich kaum begangen. Vorsichthalber gehen wir zurück zur Villa. Aber es gibt keinen anderen Weg außer diesem unscheinbaren Pfad. So gehen wir ihn. Es ist der richtige Weg, der nach einem steilen Anstieg ziemlich eben verläuft und ein Forstweg wird. 


Zuerst Naturpfad und dann Forstweg


Der Aufstieg aus dem Tal sollte nicht die einzige Irritation bleiben. Nach dem Forstweg folgt wieder ein schmalerer Pfad und das nächste Tal, das des Marchtalbachs, der weiter unten zwischen Schönegg und Stein in den Inn fließt. Über den Bach mussten wir hinüber. Aber der Bach war kein kleines Rinnsal, die Ufer an beiden Seiten steil. Das Wanderbuch beschreibt den Bach als „Rinne, durch die alljährlich Geröll zu Tal donnert“. Das habe ich aber erst jetzt, bei der Beschreibung unserer Wanderung, nachgelesen. Ein Übergang war nicht zu erkennen. Wir überlegten kurz, ob wir zurückgehen sollten. Aber der Blick die „Rinne“ hinunter versprach keinen besseren Übergang. Also über die glitschigen Steine und mit den Wanderschuhen durch das Wasser hinüber an den anderen Rand. Es ist gut gegangen, keiner ist in den Bach gefallen. 


Schwieriger Übergang

Der weitere Weg war gemütlich. Fast eben folgten wir dem Inn mit etwas Abstand an seinem westlichen Talrand. Durch die kleinen Orte im Tal, Lafairs und Birkach, bis nach Pfunds.


Hinter dem Bach-Übergang

Ein ebenes Tal

Die haben wir auch getroffen:
Ringelnatter oder Glattnatter (ungiftig)

Pfunds
 

Pfunds (von lateinisch „fundus“ – nutzbarer Boden) wird 1282 erstmals urkundlich genannt. Durch die Lage am Handelsweg von Venedig nach Augsburg gelangte Pfunds im Mittelalter zu Wohlstand.  Die großen Bauernhäuser im Engadiner Stil (Haustyp im Engadin, Vinschgau und Oberinntal), zum Teil mit Fassadenmalereien im Sgraffiti-Stil, bezeugen das noch heute.


Sgraffito (vom italienischen sgraffiare – kratzen) entstehen, indem verschiedenfarbige Putzschichten aufgebracht werden und danach Teile der oberen Putzschicht ab- oder ausgekratzt werden.

Angewendet wurde die Sgraffito-Technik vor allem in der Renaissance in Italien. Im 16. Jahrhundert kam sie mit italienischen Baumeistern nach Österreich und Deutschland. 


In der Liebfrauenkirche sind Wandfresken (um 1500) erhalten.


Bauernhäuser im Engadiner Stil:



           


Liebfrauenkirche:


Liebfrauenkirche im Ortsteil Stuben (westl. Inn-Ufer).
Seit 1511 besteht eine Heiliggrab-Bruderschaft, 
die jedes Jahr zu Ostern in der Kirche das Heilige Grab aufstellt . 
Die Bruderschaft ist Teil der nationalen Liste des immateriellen 
Kulturerbes Österreichs. 

Fresken aus der Erbauungszeit 1470:





Nach Pfunds bleiben wir auf der westlichen Talseite des Inn. Das Tal wird schmaler. Der Wanderweg verläuft oberhalb der Reschenstraße, die den Inn überquert und auf der anderen Talseite weiterführt. Wegen der Enge des Tals muss die Straße dort teilweise in Gallerien dicht am Hang geführt werden. 


Im Inntal

Die Schweizer Grenze ist nicht weit

Straßengalerie der Reschenstraße

Die Straßenquerung des Inn verläuft über die Kajetansbrücke, heute eine mächtige Steinbogenbrücke (1957 fertiggestellt). Die ursprüngliche Brücke war eine Holzbrücke, die 1850 bis 1854 beim Bau der neuen Reschenstraße errichtet wurde. Kajetan (Cajetan von Bissingen-Nippenburg, 1806 – 1890) war damals Statthalter für Tirol und Voralberg des österreichischen Kaisers Franz-Joseph I. .


Kajetansbrücke

Die neue Reschenstraße (auf der östlichen Inn-Seite) ersetzte die alte Via Claudia vom Reschenpass über Nauders bis zur Kajetansbrücke südlich von Pfunds. Die alte Reschenstraße verlief wie die Via Claudia Augusta bis zur Burg Altfinstermünz auf der westlichen Inn-Seite und querte dort den Inn. 


Blick auf die Berge der Schweizer Samnaun-Gruppe

Wir bleiben bis Altfinstermünz am westlichen Innufer. Die Schweiz ist hier ganz nah. Unweit vor Altfinstermünz quert die österreichisch-schweizer Grenze die Engadiner Straße und stößt auf den Wanderweg der Via Claudia Augusta. Wir gehen noch auf österreichischem Boden, der westliche Hang daneben gehört schon zur Schweiz. 


Grenzmarkierungen

Bei Altfinstermünz führte schon die Claudia Augusta über den Inn. Im Mittelalter war es eine wichtige Verbindungsstraße zwischen dem Vinschgau und dem Inntal zum schweizerischen Engadin. An der Engstelle des Inn, der Finstermünzschlucht, wurde ab dem 13. Jahrhundert Zoll erhoben. Im 15. Jahrhundert sicherte der Herzog von Tirol, Sigismund von Österrreich, die Engstelle durch eine Festung.

 

Altfinstermünz (bis 1856 – Bau der neuen Reschenstraße - nur Finstermünz) wurde 1472 als Grenzbefestigung zum Schutz vor Einfällen aus dem Engadin zusammen mit der Innbrücke errichtet. Der Inn ist hier Grenze zwischen der Schweiz und Österreich.

Der Name Finstermünz ist von "mintsja"  (indogermanische, vorrömische Sprache) abgeleitet, was "emporragender Fels" bedeutet.

Die Festungsanlage besteht aus einem im Inn stehenden Festungsturm und Holzbrücken zu den beiden Ufern. Am östlichen Ufer steht die eng an den Berg gelehnte Burg Sigmundseck (benannt nach dem Herzog von Tirol) und ein fünfstöckiger Wohn- und Wehrturm (Klausenturm, heute Gaststätte).

Die Brücke und die Befestigung verloren ihre Bedeutung, als Ende des 19. Jahrhunderts hinter Pfunds die Innbrücke (Kajetansbrücke) gebaut wurde und die Hochfinstermünzstraße (Reschenstraße) über den Finstermünzpass (Festung Nauders) nach Nauders geführt wurde.

Die Anlage diente Louis Trenker als Kulisse für seinen 1932 gedrehten Film „Der Rebell“.

Festungsturm im Inn

Östliche Holzbrücke des Festungsturms
mit Klausenturm im Hintergrund,
links oben die Festung Sigmundsegg.

Festungsturm (auch: Brückenturm)

Die tiefe Schlucht des Inn

Klausenturm

Die Klausenturm-Gaststätte war geschlossen, obwohl sie am Dienstag immer geöffnet hat. Der Grund war eine Schlammlawine, die den nahen Bach am Vortag heruntergekommen war und den Zugang von der nahen Reschenstraße her unpassierbar machte (wir waren an dem Tag weiter nördlich vor Tschupbach im Gewitter unterwegs). Die Gäste konnten nur über die Altfinstermünz-Brücke kommen (wie wir) und das waren offenbar zu wenige. Wir mussten aber weiter Richtung Reschenstraße. Auf Baumstämmen und Geröll sind wir über den Schlamm und durch den Schlamm über die Mure gegangen. Die Schuhe sahen entsprechend aus. 


Die Schlammlawine hat den Weg versperrt

Ein steiler Hang zum Inn

Am Wegrand: Sommerwurz.
Eine Schmarotzerpflanze, die sich vollständig
durch ihre Wirtspflanze ernährt.

Hinter der Schlamm-Mure durften wir erst einmal kräftig aufsteigen, bis wir nach einer Serpentinenstrecke auf die aufgegebene alte Reschenstraße kommen.

Der zur Straße gehörende Straßentunnel von 1856 ist zwar für „alle Fahrzeuge und Personen“ gesperrt, aber zugänglich und gut passierbar. Die Alternative wäre, entlang der etwas oberhalb verlaufenden (verkehrsreichen) neuen Reschenstraße zu gehen, oder dort mit dem Bus zu fahren (Empfehlung des Wanderbuches). Das wollten wir nun gar nicht. Also sind wir auf der aufgegebenen Straßenführung geblieben und durch den Tunnel gegangen. 

Die Trasse endete vor dem Hochfinstermünz-Tunnel der neuen Reschenstraße. Ein zunächst nicht erkennbarer Pfad umging die Tunnelstrecke am Hang des Tunnelberges, mit schönem Blick in das Inntal, das hier – ein wenig steil – unter uns lag. Noch ein kurzes Stück in der Tunnel-Galerie der neuen Straße (das war sogar ausgeschildert) und wir waren an der Festung Nauders und am Stiller Bach, in dessen Tal wir nun weiter bis nach Nauders gehen würden.


Die alte Straße mit dem Tunneleingang

Blick aus dem Tunnel

Tunnelende

Durch den neuenTunnel der Reschenstraße
durften wir nicht gehen. Also mussten wir
rechts an der Straße vorbei.

Umgehung des Tunnelberges

Wir sind hoch über dem Inn

Der Weg um den Tunnelberg ist gut gesichert

Jetzt noch ein Stück durch die Tunnelgalerie
und wir sind an der Festung Nauders

 

Die Festung Nauders wurde 1834 bis 1840 von Österreich als Teil seiner südlichen Verteidigungslinie errichtet.  Die Festung klebt fast am Berg und wurde teilweise in den Felsen hineingebaut. Heute ist in der Festung ein Museum.

Schon im Mittelalter (1513 bis 1522) war die Engstelle im Tal des Stiller Bach mit einer Verteidigungsmauer gesichert, der Niklasmauer. 


Festung Nauders

Nauders liegt etwa auf der Hälfte zwischen Altfinstermünz und dem Reschenpass. Der Weg führt uns zunächst durch einen Wald-Abschnitt und dann durch das freie Tal des Stiller Bach nach Nauders, immer kontinuierlich aufwärts. Die Reschenstraße hat einige Schleifen, um die Höhe zu erreichen. 


Die Reschenstraße

Stiller Bach und Waldweg nach Nauders


Nauders

Nauders
1.500 Einwohner, Bundesland Tirol, Bezirk Landeck.

In Nauders wird die römische Straßenstation „Inutrium“ an der Via Claudia Augusta vermutet.       


Straßenstationen (Lateinisch: Maniso – Rast, Aufenthalt) entstanden ab dem Jahr 20 v.Chr. (Kaiser Augustus) an allen wichtigen römischen Straßen. An den Straßenstationen wurden zunächst Melde-Läufer und später Kurierwagen stationiert, die Nachrichten zwischen den Provinzen und Rom weiterleiteten. Sie lagen etwa eine Tagesreise auseinander.

 

Aus Nauders stammt der Gründer des Alpenvereins, der Pfarrer Franz Senn (1831 – 1884).

Die Einwohner (1550 – Anfang 2021) leben von der Landwirtschaft und dem Sommer- und Wintertourismus (4200 Gästebetten). 

Über dem Ort steht die landesfürstliche Burg Schloss Naudersberg, Anfang des 14. Jahrhunderts errichtet.


Kirche Maria Hilf von 1659
Stiftung eines Freisassen (Besitzer eines Freihofs, der
frei von den Pflichten für die örtliche Grundherrschaft ist)

Pfarrkirche Heiliger Valentin
(Valentin von Terna. Er soll in Rom trotz Verbots Liebespaare
christlich getraut haben und wurde dafür hingerichtet - das war vor 
der Erklärung des Christentums als römische Staatsreligion im Jahr 380 - .
Sein Todestag 14. Februar ist der Valentinstag)
Eine erste Kirche bestand schon 1093. 
Die jetzige spätgotische Kirche stammt von 1512
mit einem 1830 im Barock-Stil erweiterten Langhaus.

Innenraum von St. Valentin

Kirchentür von St. Valentin

Spitalkirche und Hospiz Zum Heiligen Geist.
1485 gestsiftet, die Kirche wurde 1662 geweiht.

Lourdes-Grotte in der Spitalkirche.
1888 von einenmKuK-Postmeister gestiftet, nachdem 
seine Tochter auf wundersame Weise gesund wurde-


Schloss Naudersberg
Ein fürstliche Landesburg von Anfang des 14. Jahrhunderts 
zur Verwaltung des Landes.
Seit 1980 in privatem Eigentum, Gastronomie und Museum. 


Gasthof zum Goldenen Löwen, unsere Unterkunft in Nauders.
Schon 1563 soll es eine "Löwenwirtsbehausung" gegeben haben.


* * *