Radtour nach Oranienburg
13. Mai 2018

Strecke: Drakestraße – Wannsee – Kladow – Spandau - Hennigsdorf – Oranienburg.
65 Kilometer


Eine Radtour entlang der Havel, entgegen dem Flussverlauf.  Denn die Quelle liegt nördlich von Berlin. Die Mündung aber auch.

Die Havel  bei Oranienburg
Die Havel entspringt in der Nähe des Müritz-Sees, bei Ankershagen, rd. 10 km Luftlinie östlich der Müritz. Die Müritz gehört zur Mecklenburgischen Seenplatte.

Das Quellgebiet liegt auf der Wasserscheide zwischen Nord- und Ostsee. Die Havel fließt von der Quelle nach Süden ab (und später über die Elbe in die Nordsee). Nur unweit östlich entwässert der Tennessee über die Peene in die Ostsee (Peenemünde).

Die Entfernung zwischen Havel-Quelle und der Mündung in die Elbe ist Luftlinie nur  94 km. Aber 334 km muss die Havel zurücklegen, um die Elbe zu erreichen. Das liegt an dem großen Bogen, den der Fluss zunächst nach Süden (bis Potsdam – Obere Havel), dann nach Westen (bis Brandenburg Mittlere Havel) und ab hier nach Norden bis Havelberg (Untere Havel) machen muss.
Schon von der Quelle an hangelt sich die Havel von See zu See. Es beginnt im Mühlensee, dann Dambecker See, Röthsee, Käbelicksee, Granziner See usw. Bei Berlin und Potsdam sind es Wannsee, Tiefer See, Templiner See, Schwielowsee, Großer Zernsee usw.

Den Abschnitt der Oberen Havel von Oranienburg bis Berlin bin ich von Wannsee aus gefahren.

Die Havel wurde schon früh als Schifffahrtstraße genutzt. An vielen Stellen wurde der Fluss kanalartig ausgebaut.

Um Berlin mit der Oder zu verbinden wurde der Oder-Havel-Kanal gebaut. Schon vor dem 30-jährigen Krieg wurde (1605 – 1620) ein Vorläufer, der Finow-Kanal gebaut. Er gilt als ältester deutscher Schifffahrtkanal, der noch in Betrieb ist. Im 30-jährigen Krieg wurde er verwüstet und ab 1743 wieder hergestellt. Er verband die Havel bei Liebenwalde über den kleinen Fluss Finow mit der Oder. Möglich wurde das durch den Einbau von Kammerschleusen zur Überwindung der Höhenunterschiede.

Um Berlin zu umgehen, wurde der Havelkanal gebaut. Er zweigt bei Nieder Neuendorf nördlich Berlin von der Havel ab und erreicht die Havel wieder westlich Berlin bei Paretz. Gebaut wurde der Kanal 1951/1952 von der DDR damit die Frachtkähne nicht mehr durch West-Berlin fahren mussten.

Start der Radtour war in Lichterfelde-West. Dann entlang der B 1 bis zum Fähranleger am Großen Wannsee. Etwas langweilig, aber auf einem guten Radweg, die kürzeste Verbindung zum eigentlichen Ausgangspunkt.

Großer Wannsee

Der Große Wannsee ist eine Ausbuchtung des breiten Havel-Sees, der sich von der Glienicker Brücke im Süden bis zur Scharfen Lanke und dem Stößensee im Norden, am Pichelswerder in Spandau, ausdehnt.
Der Kleine Wannsee ist die kanalartige Fortsetzung des Großen Wannsees nach Süden. Es folgen Pohlesee, Stölpchensee, Griebnitzsee und Glienicker Lake, die an der Glienicker Brücke zwischen Berlin und Potsdam die Havel erreicht. Und damit ist der Berliner Ortsteil Wannsee mit dem Düppeler Forst praktisch eine Insel, überall umgeben von Wasser.  Die B 1 verläuft als Königstraße vom Großen Wannsee bis zur Glienicker Brücke quer über die Insel.
           
Die Königstraße wurde Ende des 18. Jh. als eine der ersten befestigten Straßen in Preußen zwischen den Residenzstädten Berlin und Potsdam angelegt.
Sie ersetzte den 60 Jahre zuvor angelegten Königsweg, der weiter südlich über Kohlhasenbrück führt. Heute ein schöner Radweg, der teilweise auf der Grenze von Brandenburg und Berlin verläuft.

Von der Glienicker Brücke bis etwa in Höhe der Pfaueninsel ist die Havel-Mitte die Grenze zwischen Berlin und Brandenburg und bis zur Wende war das auch die Grenze zur damaligen DDR.
           
Woher der Name „Pfaueninsel“ stammt ist unklar. Auf jeden Fall nicht von den Pfauen, die dort später einmal hingebracht wurden. Vor-Namen waren u.a. Pauenwerder, Pfauenwerder, im Volksmund auch Kaninchenwerder. Im 17. Jh. ließ der Brandenburger Kurfürst eine Kaninchenzucht anlegen, mit 800 Kaninchen, die ihm 200 Taler im Jahr einbrachte. Die Staatseinnahmen waren damals noch nicht so hoch. Auch Milchvieh wurde später auf der Insel gehalten. Das Meierei-Gebäude zeugt noch davon.

Auf der Insel betrieb auch der Alchemist und Glasmacher Johannes Kunckel (1630 – 1703) eine Glashütte. Kurfürst Friedrich Wilhelm hatte ihm dafür die Insel Pfauenwerder zur Verfügung gestellt. Zuvor hatte Kunckel in Potsdam eine Kristallglashütte geleitet. Die Hütte produzierte farbige Glasperlen für den Tauschhandel in den afrikanischen Kolonien. Es gelang Kunckel auch, Goldrubinglas herzustellen, das als gefragter Luxusartikel gut exportiert werden konnte.
Das entsprach der Wirtschaftspolitik des Kurfürsten, der die Folgen des Dreißigjährigen Krieges durch die Förderung von Exporten durch die Nutzung einheimischer Rohstoffe (Sand gab es ja) mildern wollte.

Heute ist die Pfaueninsel ein Landschaftspark, der von dem preußischen Gartenarchitekten Lenné ab 1816 angelegt worden ist. Bekanntes Gebäude auf der Insel ist das Lustschloss, das Friedrich Wilhelm II. (1744 – 1797) für seine Geliebte Wilhelmine Enke, später als Gräfin von Lichtenau geadelt, bauen ließ.

Die Fähre der Berliner Verkehrsbetriebe verbindet die Ortsteile Wannsee im Bezirk Steglitz-Zehlendorf mit dem Ortsteil Kladow im Bezirk Spandau. Sonst müsste man einen großen Umweg über Spandau machen. Die Fähre ist beliebt für Ausflüge nach Kladow. An Wochenenden ist das Fährschiff immer voll besetzt und wenn man Pech hat, stehen mehr als 60 Fahrräder vor einem und man muss auf die nächste Fähre warten. Die Fähre verkehrt im Stundentakt. Ich war diesmal sehr früh am Anleger und ohne Sorge.

Es war schönstes Segelwetter. Sonne, blauer Himmel und Wind, gleichmäßig von Nordost und nicht böig. An Backbord lag die Villenkolonie Alsen mit den Yachtclubs und Villen, die Liebermann-Villa, das Haus der Wannseekonferenz.

Alsen-Kolonie: Mit der Industriealisierung wuchs die Bevölkerung Berlins rasant. Bis 1850 wurden zahlreiche Industriebetriebe gegründet (z.B. Borsig, Siemens). 1861 wurde Berlin um die Gemeinden Wedding und Moabit sowie Tempelhofer und Schöneberger Vorstadt erweitert. In dieser Zeit entwickelte Wilhelm Conrad, Direktor der 1856 gegründeten Bank „Commanditgesellschaft auf Actien der Berliner Handelsgesellschaft“ hatte die Idee einer Landhauskolonie am Wannsee, der damals weit außerhalb der Stadt Berlin lag. Er kaufte ab 1863 große Flächen an der Reichsstraße 1 (heute B 1). Mit der Bebauungsplanung beauftragte er Gustav Meyer.

(Gustav Meyer war ein Lenné-Schüler, der verschiedene Erholungsparks in Berlin entworfen hat - Volkspark Friedrichshain, Humboldthain, Treptower Park, Kleiner Tiergarten, etc.).

Die parzellierten Flächen (keine kleiner als 1 preußischer Morgen, 2.553 m²) verkaufte er an Industrielle, Bankiers, Künstler, Wissenschaftler. Dabei nutzte er seine Mitgliedschaft im Berliner Herrenclub “Club von Berlin“ (im Volksmund Millionenclub genannt, Mitglieder u.a. Stresemann, Prof. Sauerbruch, Richard Strauss).

Das erste fertiggestellte Haus war 1870 Conrads Sommersitz „Villa Alsen“, inzwischen abgerissen (Grundstück Königstraße 3 gleich hinter dem Potsdamer Yachtclub).

Zur Anbindung der Villenkolonie an Berlin baute  die „Berlin-Potsdam-Magdeburger Eisenbahngesellschaft“ (ab 1880 Teil der „Preußischen Staatseisenbahnen“), deren Aufsichtsrat-Vorsitzender Conrad war, die Wannseebahn mit Anschluss an die Stammbahn von Berlin nach Potsdam in Zehlendorf.

Etwa zur gleichen Zeit entwickelte Wilhelm Carstenns die Villenkolonie Lichterfelde (ab 1865).

Der Name „Colonie Alsen“ ist, entsprechend der damaligen nationalistischen Stimmung, dem Sieg des Norddeutschen Bundes (unter Führung Preußens) im Dänischen Krieg 1864 auf der dänischen Insel Alsen gewidmet. Conrads Schwager war preußischer General und ihn erinnerte die Wasserlandschaft des Wannsees an die Insel Alsen.

Der Dänische Krieg war Teil der sog. Einigungskriege, mit denen Bismarck die kleindeutsche Lösung (ein Kaiserreich ohne Österreich unter Führung Preußens) durchsetzte:

Deutsch-Dänischer Krieg 1864 (das dänische Herzogtum Schleswig kam zu Preußen, das Herzogtum Holstein zunächst zu Österreich, später auch zu Preußen),
Deutscher Krieg gegen Österreich 1866 (das Königreich Hannover kam zu Preußen, der Deutsche Bund mit Österreich wurde aufgelöst), 
Deutsch-Französischer Krieg 1870/71 (Frankreich musste Lothringen und das Elsass an Deutschland abtreten und 5 Mrd. Goldfranc zahlen,). Gründung des Kaiserreichs und Proklamation des preußischen Königs zum deutschen Kaiser in Versailles 1871.

Flensburger Löwe am Großen Wannsee

Zum Gedächtnis an den deutschen Sieg wurde am Ufer des Wannsees 1874 eine Kopie des Flensburger Löwen aufgestellt.

Das Original dagegen war eine Erinnerung an einen dänischen Sieg über die aufständischen Schleswig-Holsteiner in der Schlacht bei Idstedt 1850, aufgestellt im damals dänischen Flensburg.
Das war vor dem deutsch-dänischen Krieg. Nach dem Sieg preußischer Truppen im deutsch-dänischen Krieg ging der Löwe als Kriegsbeute nach Berlin (1864). Nach dem Zweiten Weltkrieg kam der Original-Löwe wieder zurück nach Dänemark und wurde in Kopenhagen aufgestellt, bis er schließlich 2011 an seinen Original-Standort in dem seit dem deutsch-dänischen Krieg  deutschen Flensburg zurückkam.

Bekannte Villen sind die des Malers Liebermann und das heutige Haus der Wannseekonferenz.

Max Liebermann (1847 – 1935) war ein bedeutender Maler des Übergangs vom Naturalismus zum Impressionismus. Er war Präsident der Berliner Akademie der Künste und Vorsitzender der Künstlergruppe Berliner Secession (Mitglieder u.a.  Barlach, Max Beckmann, Emil Nolde, Schmidt-Rottluff, Käthe Kollwitz, Heinrich Zille). Nach Liebermanns Tod wurde seine Witwe als Jüdin von den Nazis gezwungen, die Villa zu verkaufen. Der Deportation in das KZ Theresienstadt entzog sie sich 1943 durch Selbsttötung.

Haus der Wannsee-Konferenz
Die Villa der Wannseekonferenz wurde für einen Berliner Pharmazie-Fabrikanten gebaut (Ernst Marlier). Er verkaufte die Villa an den Generaldirektor des Stinnes-Konzerns (Friedrich Minoux), der Haus und Grundstück an eine NS-Stiftung verkaufte. Die nutzte das Gebäude als SS-Gäste- und Erholungsheim.
1942 fand unter Leitung von Heydrich eine Konferenz zur „Endlösung der Judenfrage“, die Wannsee-Konferenz, statt, die die Grundzüge für die Deportation der gesamten jüdischen Bevölkerung in Europa zur Vernichtung im Osten beschlossen.
1992 wurde die Gedenk- und Bildungsstätte „Haus der Wannsee-Konferenz“ eröffnet.

An Steuerbord waren hinter den grünen Uferbergen der Grunewaldturm und die große Antennenkuppel auf dem Teufelsberg zu sehen. Am Ufer das Strandbad Wannsee und Schwanenwerder.

Grunewaldturm: Der Aussichtsturm (36 Meter hoch) mit Restaurant ist ein Denkmal  an Kaiser Wilhelm I., das 1897 vom Landkreis Teltow in Auftrag gegeben wurde. Der Wannsee gehörte damals noch zum Landkreis Teltow. 1920 erfolgte die Eingemeindung nach Berlin.

Grundewaldturm und Teufelsberg-Antennenkuppel

Der Teufelsberg im Grunewald ist ein Trümmerberg aus dem Schutt der im Zweiten Weltkrieg zerbombten Berliner Häuser. Etwa ein Drittel der zerstörten Häuser Berlins wurde hier aufgeschichtet.
Davor sollte auf dem Gelände eine Wehrtechnische Fakultät als Teil der „Welthauptstadt Germania“ entstehen. Zum Kriegsende war der Rohbau schon fertiggestellt. 
In den 1950er Jahren bauten die Amerikaner auf dem Schuttberg eine Abhörstation und Anlagen zur Überwachung des Luftraums. Die Gebäude und die Hüllen der Radarschirme sind zum Teil noch erhalten, verfallen aber zunehmend. Der Berg selber ist inzwischen bewachsen und ein Naherholungsgebiet mit Kletterfelsen und im Winter einer Rodelbahn.

Wannseebad

Das Strandbad Wannsee besteht seit 1907. Der Landrat des Landkreises Teltow erlaubte das Baden am Ostufer des Wannsees. 1929/30 wurden die Gebäude errichtet und ein über 1 km langer Sandstrand angelegt. Seit 1956 mit Ostsee-Sand vom Timmendorfer Strand (warum Ostsee- und nicht märkischer Sand?).
  
Nur über eine schmale Brücke erreicht man die Villen-Insel Schwanenwerder (früherer Name Sandwerder). 1882 erwarb der Lampenfabrikant  Wilhelm Wessel (er hatte sein Geld mit der Erfindung eines Petroleum-Rundbrenners gemacht) die Insel, baute die Brücke und parzellierte die Insel in 40 Grundstücke. Es war die Zeit der Grundstücksentwickler, 1863 die Alsen-Kolonie, 1865 Lichterfelde und 1882 Schwanenwerder.

Auf dem höchsten Inselpunkt baute Wessel für sich die Villa Schwanenhof. 
Weitere Inselbewohner wurden:
Berthold Israel 
Sein Kaufhaus wurde von den Nazis arisiert, d.h. er musste zwangsverkaufen Im 2. Weltkrieg wurde sein Kaufhausgebäude im Nikolaiviertel zerbombt.
Rudolf Karstadt 
Gründer der Karstadt-Warenhäuser, auch Karstadt wurde arisiert.
Richard Monheim 
Trumpf Schokoladenfabrik, ursprünglich von seinem Vater in Aachen gegründet. Da nach dem 1. Weltkrieg die rechtsrheinischen Kunden nicht mehr beliefert werden konnten, erhielten die Söhne den Auftrag zum Aufbau einer Schokoladenfabrik in Berlin-Weißensee. Enteignung nach dem 2. Weltkrieg durch die DDR,
Georg Solmssen
(Salomonsohn) Einer der Inhaber der Disconto-Bank und Vorstandssprecher der Deutschen Bank. Die Disconto-Bank fusionierte mit der Deutschen Bank.
Walter Sobernheim 
           Generaldirektor der Schultheiss-Patzenhofer-Brauerei                   in Berlin. 1933  flüchtete er vor den Nationalsozialisten 
           in die USA). 

In der Zeit des Nationalsozialismus zogen Nazi-Größen in viele zwangsverkaufte oder enteignete Villen ein:
Propagandaminister Josef GoebbelsHitlers LeibarztAlbert Speer. Ein Grundstück wurde von der Reichskanzlei erworben und soll für Hitler reserviert gewesen sein.

In neuerer Zeit baute sich u.a. der Würth-Konzern eine moderne Repräsentanz-Villa am Inselufer (von der Wannsee-Fähre gut zu sehen).

Die Fähre legt am Kladower Promenadenhafen an. Promenadenhafen, weil hier die Kladower Wannsee-Promenade beginnt, die in den Gutspark Neukladow übergeht.

Gutshaus Neukladow

Kladow, ein Spandauer Ortsteil, am Ostufer der Havel gelegen, grenzt südlich an den Potsdamer Stadtteil Sacrow (Heilandskirche). Im Norden folgt der ebenfalls Spandauer Ortsteil Gatow. In Gatow entstand Mitte der 40er Jahre ein Militärflughafen, der nach dem 2. Weltkrieg von den Briten genutzt wurde und der einer der drei Flughäfen (neben Tempelhof und Tegel) der Luftbrücke zur Versorgung der Westberliner während der russischen Blockade war.

Im Landbuch Karl IV. (1375) ist Kladow als „Cladow“ als ein Dorf verzeichnet, das dem Benediktinerinnen Kloster St. Marien in Spandau gehörte. Nach der Reformation kassierte der Brandenburger Kurfürst die Ländereien des Klosters ein, das Dorf wurde dem Amt Spandau zugeordnet.
Im 18. Jh. erhielt der königliche Kabinettsrat Ludwig Mencken das Gut Kladow. Seine Tochter heiratete den Gutsherrn Ferdinand von Bismarck. Ihr Sohn war Otto von Bismarck, der spätere Reichskanzler.
1928 kaufte die Stadt Berlin die Ländereien.

Der Havelradweg führt durch den Gutspark und dann weiter an Gatow vorbei, vorbei an vielen Siedlungen (überall viele große und schöne Einfamilienhäuser/Villen) und Badestellen am See. Dann kommt als nördlichster Teil des Havelsees die Scharfe Lanke.

Lanke ist altslawisch und bedeutet Sumpf oder Bucht (polnisch:              Laka). Berlin war von Slawen bewohnt 
(siehe „Radreise Berlin - Verona, Teil 7 Geschichte).

Oft kommt man auch nach Werder (Pichelswerder und Eiswerder in Spandau, auch die Stadt Werder an der Havel). Als Werder werden Inseln in Flüssen oder Seen bezeichnet oder auch trockengelegte Sümpfe. Der Begriff stammt wohl von der westgermanischen Sprache.

Und Horn (Breitehorn bei Kladow, Schildhorn am Nordostufer des Havel-Sees) bezeichnet eine kleine Landzunge oder Ufervorsprung und kommt aus der niedermitteldeutschen Sprache (das war die Sprache der Hanse im 13. bis 16. Jh.. Sie wurde parallel zum Latein für Urkunden als Diplomatensprache verwendet.)

Der Radweg verläuft jetzt durch den Bezirk Spandau, vorbei am Spandauer Südhafen, dem Rathaus Spandau und der Altstadt.
Viele Wohnungsneubauten sind entlang der Havel entstanden, fast eine „Waterfront“.

In den Spandauer Wasser-Lagen wurde auch schon vor dem jetzigen Bauboom kräftig gebaut. Die GSW (Gemeinnützige Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft des Landes Berlin, 2004 an amerikanische Fonds verkauft) hatte neben dem Altbauvierteln in Wilhelmstadt schon zu meiner Zeit auch ein Neubau-Quartier in der Wasserstadt Spandau (nordöstlich der Spandauer Zitadelle).

Die Havel fließt an der Zitadelle Spandau vorbei. Fast gegenüber am westlichen Ufer ist die ehemalige GSW-Geschäftsstelle (jetzt Vermietungsbüro der „Deutsche Wohnen“) und das zur GSW gehörende Gebäude des Brauhauses Spandau in der Neuendorfer Straße.

Zitadelle Spandau

Die Zitadelle Spandau wurde Ende des 16. Jh. gebaut. Sie war Teil der preußischen Festung Spandau zum Schutz der Rüstungsproduktion Preußens in Spandau.
Bekanntes Bauwerk in der Zitadelle ist der Juliusturm. Nach dem deutsch-französischen Krieg wurde ein Teil der Reparationszahlungen Frankreichs in Goldmünzen (im heutigen Wert von 1,3 Mrd. EUR) im Juliusturm eingelagert. Als Reichskriegsschatz sollte damit die nächste Mobilmachung finanziert werden. Die kam dann auch 1914.

In Anlehnung an diese Geldhortung wurde in den ersten Jahren der Bundesrepublik Deutschland auch von einem Juliusturm des damaligen Finanzministers Fritz Schäffer gesprochen. Er konnte als erster und einziger Finanzminister eine Reserve von heute umgerechnet 19 Milliarden EUR horten. Goldene Zeiten. Die nachfolgenden Finanzminister haben es  (bis 2016) auf 1.257 Milliarden EUR Schulden gebracht (nur Bundes-Schulden). Finanzminister Schäuble konnte wenigsten eine Umkehrung der Verschuldungsrichtung erreichen, ab 2013 sank die Staatsverschuldung.

Heute werden die Räume u.a. für kulturelle Veranstaltungen genutzt. Auch die ehemals auf der  Siegesallee im Berliner Tiergarten um 1900 aufgestellten Büsten der Brandenburger Markgrafen und Fürsten und preußischen Könige sind jetzt in der Zitadelle ausgestellt.

Mauer-Radweg
Dann erreicht die Havel die Grenze zu Brandenburg. Hier verlief vor der Wiedervereinigung die Berliner Mauer. Der Havel-Radweg ist ein gutes Stück identisch mit dem Berliner-Mauer-Weg.  Am Wegesrand erinnern Stelen  an die Toten der Berliner Mauer, die hier auf ihrer Flucht erschossen wurden.
Gegenüber, auf dem östlichen Havel-Ufer ist der Ortsteil Konradshöhe im Bezirk Tegel.
Am Radweg sind jetzt häufig Brunnen, Pumphäuser und Informationstafeln der Berliner Wasserbetriebe zu sehen. Die Havel-Niederung ist eines der großen Wassergewinnungsgebiete für Berlin.

Auf Brandenburger Gebiet kommt erst Nieder Neuendorf und dann Hennigsdorf.

Hennigsdorf ist ein Industriestandort vor den Toren Berlins.  baute die AEG ihre Abteilung Flugzeugbau hier auf. 1913 wurde von der AEG der Elektrolokomotivenbau von Berlin nach Hennigsdorf verlagert.  Heute fertigt der kanadische Bombardier-Konzern mit 2.300 Mitarbeitern u.a. den ICE, Regional- und Nahverkehrszüge, U- und Straßenbahnen.  

Der Radweg ist durchweg gut ausgebaut. In Berlin vorbildlich ausgeschildert. Nur in Brandenburger Waldlagen führen Baumwurzeln zu Aufbrüchen, die man gerade im Spiel von Licht und Schatten schlecht sieht und die einen dann vom Sattel heben. Dafür fährt man aber sehr schön durch Wald und Natur.

Die B 111 wird unterquert. Hinter Niederheide liegt idyllisch an der Havel die Havel-Baude. Ein schöner Pausen-Ort. Dann eine Wegstrecke westwärts weg von der Havel nach Birkenwerder, durch Einfamilienhaus-Bebauung. Ab hier wird der Radweg mehr durch bewohnte Gebiete und entlang Autostraßen geführt, aber immer auf getrennten Radwegen.

Unterquerung der A 110 - Berliner Ring. Im Bogen hinter Borgsdorf wieder Richtung  Havel, nach Oranienburg.

Oranienburg hieß früher Bötzow und war eine Domäne des Brandenburger Kurfürsten. Der schenkte das Gut seiner Frau, Luise-Henriette von Oranien-Nassau (1627 – 1667).

Ihr Vater war Statthalter der Vereinigten Niederlande (Statthalter regierten mit den Ständevertretungen der 7 Provinzen das Land) und  kämpfte gegen die Spanier für die Unabhängigkeit der Niederlande. Der Freiheitskampf dauerte 80 Jahre (1568 – 1648). Der Kampf wurde mit dem Westfälischen Frieden (in Münster und Osnabrück unterzeichnet) beendet, der zugleich auch den 30-jährigen Krieg beendete. Die Republik der 7 Vereinigten Niederlande wurde unabhängig und schied aus dem Heiligen Römischen Reich aus.  Der südliche Teil der Niederlande blieb bei Spanien, kam später zu Österreich.

Der Wiener Kongress 1815 vereinigte den Norden und Süden der Niederlande als „Vereinigtes Königreich der Niederlande“ mit dem „Haus Oranien-Nassau“, nachdem die Länder kurze Zeit Teil „Französischen Kaiserreiches“ unter Napoleon waren.  Die Vereinigten Niederlande wurden Königreich. Erster König war der Sohn des letzten Statthalters Wilhelm V..

1830 spaltete sich der Süden der Niederlande ab und wurde das „Königreich Belgien“ mit einem König aus dem „Haus Sachsen-Gotha und Coburg“.
           
Schloss Oranienburg

1652 wurde ein Schloss in holländischem Stil errichtet, das den Namen Oranienburg erhielt und ein Jahr später wurde der Ort Bötzow in Oranienburg umbenannt (der Dorfname Bötzow ging 1694 auf ein anderes Dorf, Cotzebant, über). In Oranienburg ließ der Kurfürst  von niederländischen Fachleuten und angesiedelten Hugenotten Musterwirtschaften anlegen, die zur Entwicklung Brandenburg-Preußens beitrugen.

Neben Luise-Henriette heirateten drei weitere Schwestern  deutsche Fürsten. Auch für sie wurde jeweils ein Schloss nach dem Haus Oranien benannt, Schloss Oranienbaum in der Nähe von Wörlitz in Sachsen-Anhalt, Schloss Oranienstein in Diez an der Lahn und das nicht mehr existierende Schloss Oranienhof bei Bad Kreuznach.

Im 2. Weltkrieg wurde Oranienburg durch Bombenangriffe stark zerstört. Angriffsziele waren kriegswichtige Industriebetriebe wie die Heinkel-Flugzeugwerke (nach dem Weltkrieg war die sowjetische Armee bis 1994 auf dem Gelände) und die Auerwerke.
In den Auerwerken wurde Uran angereichert. Während des 2. Weltkriegs gab es ein sog. Uranprojekt, dass die 1938 entdeckte Kernspaltung (Otto Hahn am Kaiser-Wilhelm-Institut in Berlin) technisch und wohl auch militärisch nutzbar machen sollte (in der zur  Heeresversuchsanstalt Kummersdorf gehörenden Versuchsstelle Gottow wurden bis zum Ende des Weltkriegs Reaktorenversuche durchgeführt). Von den Alliierten wurde die Urananreicherung in Oranienburg mit einem Luftangriff zerstört. Dabei kam es zur Freisetzung von radioaktivem Material, das in Oranienburg noch immer nachgewiesen werden kann.

Das Schloss Oranienburg hat eine sehr wechselhafte Geschichte. Die letzte Besitzerin der preußischen Königsfamilie war Kronprinzessin Luise (1795/95). Danach wurde das Schloss als Lehrerseminar genutzt, dann als Baumwoll-Weberei. Schwefelsäure wurde hergestellt (als erste Fabrik im Bleikammerverfahren, Blei war das einzige Metall, dass der Schwefelsäure widersteht),

Friedrich Ferdinand Runge wurde Technischer Leiter in Oranienburg. Er entdeckte 1833 im Steinkohlenteer, ein Nebenprodukt der Koksgewinnung, das Anilin (die Farbe Indigoblau) und andere Grundstoffe der chemischen Industrie. Es waren die Grundlagen für die Teerfarbenindustrie, zu der die Badische Anilin- und Sodafabrik (BASF), Farbwerke Höchst und die Bayer AG gehörten.

Stearinkerzen (aus pflanzlichem Palmöl) wurden im Schloss hergestellt, 1840 die ersten Paraffinkerzen (ein Nebenprodukt der Erdölraffinierung). Dann wurde es als Wohnraum genutzt. Erneut wurde ein Lehrerseminar eingerichtet. In der NS-Zeit wurde das Schloss Kaserne, dann Polizeischule, in der DDR-Zeit Offiziersschule und wieder Kaserne.
1997 wurde das Schloss der Stadt Oranienburg übertragen und umfassend saniert. Heute sind darin ein Teil der Stadtverwaltung und das Schlossmuseum untergebracht.

Der Schlossgarten ist nicht so interessant, dass man ihn besuchen muss. Da ich nicht zu spät nach Haus kommen wollte, bin ich auch nicht nach Sachsenhausen hinaus gefahren. Das KZ hatte ich mir bei einer früheren Radtour schon einmal angesehen. Aber es ist schon wichtig, Oranienburg nicht nur mit dem Schloss des Brandenburger Fürstenhauses zu verbinden, sondern auch mit dem KZ des NS-Staates.

Eine letzte Pause im Restaurant gegenüber dem Schloss. Das Gebäude gehörte früher der jüdischen Familie Blumenthal, die hier 1852 bis 1929 ein Bankgeschäft betrieb. Ein Nachfahre ist Werner Michael Blumenthal. Er konnte mit seinen Eltern 1939 nach Shanghai fliehen und dann in die USA auswandern. Dort war er u.a. Finanzminister in der Regierung von Präsident Jimmy Carter. 1997 wurde er Gründungsdirektor des Jüdischen Museums in Berlin.

Rückfahrt nach Berlin mit der S-Bahn.

Oranienburg ist die letzte Station der Berliner S-Bahn Linie S 1. Die Gegenstation ist Wannsee. Mit einer anderen Linie ist Potsdam zu erreichen. Weitere S-Bahn-Anbindungen sind im Süden Berlins Teltow, Blankenfelde und Königs Wusterhausen, im Osten Erkner und Straußberg, im Norden Ahrensfelde, Bernau und Oranienburg.
Damit wird ein großes Einzugsgebiet um Berlin herum durch den Berliner Nahverkehr erschlossen.