Tamadite - die letzte Wanderung
Rundwanderung im Anagagebirge:
Afur – Tamadite-Bucht – Taganana – Afur
Afur – Tamadite-Bucht – Taganana – Afur
15 km, 1180 m Aufstieg und Abstieg (summarisch)
April 2018
Die letzte Wanderung in dieser Saison
Gefrühstückt habe ich auf der
Terrasse bei 14 Grad. Nachts und morgens ist es in der Wintersaison recht kühl.
Wenn dann aber die Sonne kommt, ist es warm, wie im Sommer.
Ich bin früh losgefahren. Von
Puerto de la Cruz in das Anaga-Gebirge
muss man schon mehr als eine Stunde
Fahrzeit mit dem PKW einplanen.
Das Anaga-Gebirge, „Macizo (Massiv) de
Anaga“, ist vor rund 10 Millionen Jahren durch Vulkanausbrüche entstanden. Mit dem Teno-Gebirge im Westen ist es der älteste Teil der Insel. Der
höchste Berg im Anaga-Gebirge ist der Cruz de Taborno (1024 m hoch). Vom Meer kommen oft
Regenwolken, gut für den Lorbeerwald (Laurisilva) und die Baumheide.
Die
zerklüftete Berglandschaft führte zu einer Abgeschiedenheit der Bewohner. Bis
vor wenigen Jahrzehnten waren die Dörfer nur über Bergpfade und an der Küste
mit kleinen Booten erreichbar.
Heute leben nur
etwas mehr als 2.000 Personen in dem Bergmassiv. Der größte Ort ist Taganana
mit rund 700 Bewohnern (verteilt auf mehrere Ortschaften).
Bis La Laguna ging es auf der Autobahn an
diesem Morgen recht zügig, oft kommt man um diese Zeit in den
Berufsverkehr-Stau. Ab La Laguna führt dann die Landstraße (TF 12) in das
Anaga-Gebirge, durch Las Mercedes, am „Cruz del Carmen“ vorbei, es folgt die
Abzweigung nach Las Carboneras (Chinamada-Rundwanderweg) und Taborno (Wanderung
um das „Matterhorn des Nordens“). Danach biegt die „Carretera de Roque Negra“
links ab. In vielen Kurven führt die Straße bis nach Afur. Dort ist „Endstation“, die Straße endet hier.
Afur, auch „Las Casas de Afur“, gehört
zur Stadt-Gemeinde „Santa Cruz de Tenerife“. Der Ort hat nur wenige Häuser, die
zerstreut in den kleinen Siedlungen „Roque Negro“ und „Afur bajo“ stehen. In
„Afur bajo“ endet die Straße. Auch Höhlenhäuser (Häuserj die an den Berghang
gebaut sind und zu denen dahinter liegende Wohnhöhlen gehören) sind zu sehen.
Afur gehörte
wie das gesamte Anaga-Gebirge vor der Eroberung der Insel 1496 zu dem Inselkönigreich (Menceyato) von Anaga.
Wenige Jahre nach dem Sieg über die Guanchen wurde das Tal von dem
Teneriffa-Eroberer Alonso Fernández de Lugo (er gründete La
Laguna) an einen Großgrundbesitzer
vergeben, mit der Auflage, eine Zuckerfabrik zu bauen. Zuckerrohr wurde als erstes großflächig auf Teneriffa angebaut.
Dafür wurden die Wälder gerodet. Der neue Eigentümer des Afur-Tals wohnte
standesgemäß in La Laguna und ließ das Land von Bauern und Pächtern bearbeiten.
Durch den Barranco de Afur zur Tamadite-Bucht
Gleich hinter dem großen Parkplatz am Ortsrand (es ist eher die
Ansammlung von ein paar Häusern) beginnt der
Wanderweg durch das Tal von Afur. Ein großer Monolith
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Im Barranco de Afur |
Der Barranco de Afur oder auch Barranco del Tamadite/Tamadiste (unterschiedlich
geschrieben) ist einer der wenigen Bäche auf Teneriffa, die ständig Wasser
führen. Es sollen dort Aale vorkommen, der einzige Süßwasserfisch der Insel (ich
habe aber noch nie Teneriffa-Aal auf einer Speisekarte gesehen).
Der Barranco
entspringt unterhalb des Cruz de Taborno
(in der Nähe der TF 12, nicht mit dem Roque del Taborno zu verwechseln). Von
der Quelle bis Afur wird der Barranco auch als Barranco de Sabugo bezeichnet.
Sabugo bezieht sich auf die Kanarische Holunderbeere Sabugo, die dort oben
wächst. Nach etwas mehr als 7 km erreicht der Barranco die Bucht von Tamadite.
Am Anfang ist der Wanderweg ausgebaut. Mit Stufen und
Treppen, an einigen etwas
steilen Stellen mit einem Geländer gesichert. Recht bald ist dann der Weg – der Einsicht der Parkverwaltung (des „Parque Rural de Anaga“) sei es gedankt – naturbelassen, dem natürlichen Gelände folgend. Der Weg verläuft erst einmal oberhalb des Barranco-Baches. Mit zunehmendem Abstieg nähert er sich ihm und überquert ihn. Über
ein paar kleine Felssteine kommt
man trockenen Fußes an die andere Uferseite. Der Bach kann aber auch im Laufe
des Jahres so viel Wasser führen, dass man nicht hinüber kommt. Es gibt zwei
solche Stellen, an denen das Wasser den
Weg versperren kann. Dann kann man nur umdrehen. Aber so viel Wasser hatte
der Bach heute nicht. Ob die Felder,
die in zwei Bachwindungen angelegt wurden, dann überschwemmt werden? Wohl
nicht. So hoch wird das Wasser nicht gestaut. Der Weg ist für die Bauern ganz
schön weit. Und die Ernte, so wie es aussieht werden Kartoffeln und Mais
angebaut, muss aus dem Tal hinauf getragen werden.
steilen Stellen mit einem Geländer gesichert. Recht bald ist dann der Weg – der Einsicht der Parkverwaltung (des „Parque Rural de Anaga“) sei es gedankt – naturbelassen, dem natürlichen Gelände folgend. Der Weg verläuft erst einmal oberhalb des Barranco-Baches. Mit zunehmendem Abstieg nähert er sich ihm und überquert ihn. Über
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Felder im Barranco-Tal |
Das Wasser zieht die Frösche an.
Es müssen sehr viele dort unten am Bach sein. Lautes
Quaken begleitet mich den ganzen Weg. Von unten kam das
Frösche-Quaken, vom Berg oben hörte ich die Glocken einer Ziegenherde. Ziemlich weit oben am Hang sah ich auch
den Ziegenhirten, der mit immer gleichen Rufen seine Herde dirigierte.
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Ein kleiner Wasserfall |
Ich habe mir bei der Wanderung
durch das Tal Zeit gelassen. Das gilt eigentlich für alle Wanderungen.
Oft bleibe ich stehen, nicht weil
eine Pause nötig wäre. Ich glaube im Gegenteil, dass meine Kondition besser
geworden ist. Die gleiche Wanderung bin ich vor ein paar Jahren gegangen und
ich habe in Erinnerung, dass sie damals anstrengender war, vielleicht war es
auch nur heißer.
Die Pausen brauche ich, um mich
umzusehen. In die Berge sehen, unten
den Verlauf des Baches verfolgen,
die Pflanzen und Blumen betrachten
und fotografieren.
Manche Blumen kenne ich von
früheren Wanderungen. Eine meiner Wander-Partnerinnen war Ulrike. Sie kannte
sich gut aus und hatte immer ein Bestimmungsbuch im Rucksack. Viele Blumennamen
habe ich mir gemerkt, manche immer wieder vergessen. Für eine Pflanze hatte ich
mir eine Brücke gebaut, „Afrodite“ für
Affodill, sie hat leicht rosa bis weiße Blütenrispen. Um diese Jahreszeit
sehe - und erkenne - ich sie bei fast allen Wanderungen. Natürlich auch im
Afur-Tal und an dem Küstenweg. Und wenn ich Blumen
nicht erkenne; in unserer
Teneriffa-Wohnung haben wir eine „Dauerleihgabe“ unseres Neffen Andreas zur Pflanzenbestimmung.
An den Hängen
des Barranco befindet sich der Sabinar
de Afur, ein Wald mit dem kanarischen Sabina-Strauch (auch: Sadebaum oder
Stink-Wacholder). Der Sabina-Strauch ist in allen Teilen giftig, bereits durch
Einreiben sind Vergiftungen möglich. Im Mittelalter wurden die Früchte des
Strauches zur Abtreibung genutzt.
Der
Sabinar-Wald muss sich aber im oberen Teil des Afur-Tals befinden, d.h.
oberhalb von Afur. Eine Lokalisierung im Internet war mir nicht möglich.
Jedenfalls habe ich in dem Talabschnitt, durch den ich ab Afur gewandert
bin, keine Wacholderart gesehen.
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Strand der Tamadite-Bucht |
Ein schöner Blick auf das Meer, blau,
und die Wellen, weiß, die in die Bucht rauschen. Irgendwer hat eine
kleine Hütte gebaut. Sie ist verschlossen. Niemand ist hier. Ich bin allein am
Strand und am Meer. Um mich herum die Berge. Auf den rechten Berg muss ich
hinauf. Aber erst einmal ist Pause.
Auf dem Küstenweg nach Taganana
Der Küstenweg nach Taganana, dem ich jetzt folge, liegt hoch über dem
Meer. Entsprechend hoch ist auch erst einmal der Aufstieg. Der wird durch den
Blick auf die Küste belohnt. Weit hinten im Hintergrund sind Felsbrocken im
Meer zu erkennen. Sie sehen aus wie die Höcker und der Kopf eines Drachens.
Oder wie die Segel einer Galeere. Es sind die
„Los galiones“ an der Küste vor Taganana. Der Weg folgt dem
Küstenverlauf. Tief unten das Meer. Kleine Buchten, die nur über das Wasser zu
erreichen sind.
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Die Küste bis Taganana |
An dem Weg von der Tamadite-Bucht
nach Taganana steht der Piedra de los
Guanches. Auf diesem Stein haben die Guanchen Körper einbalsamiert. Ich
habe ihn aber nicht gefunden. Die Zeitung „El Dia“ hat darüber geschrieben, auch
dass er von der Inselregierung restauriert werden sollte. Doch wo genau der
Stein steht, haben sie leider nicht beschrieben.
Dann wird der Wanderpfad von
einem Wirtschaftsweg aufgenommen. Über ihn erreichen die Weinbauern ihre Terrassenfelder hoch oben am Berg. Die
Weinberge sind noch bewirtschaftet.
Alles ist Handarbeit und ab dem Weg sind die vielen übereinander liegenden Terrassen
nur zu Fuß zu erreichen.
Den Wein habe ich unten in
Taganana probiert, ein ordentlicher Rosè.
Auf halbem Weg zwischen der
Tamadite-Bucht und Taganana sind noch einige wenige bewohnte Häuser, es ist das
Örtchen „Los Chorros“ (auch „Los
Auchones“). Am Wegrand ist eine alte
Weinpresse, die in den weichen Tuffstein gegrabenen Kelter-Becken und der
Balken der Presse sind noch erhalten.
Es gab im
Taganana-Gebiet ursprünglich 46
Keltereien, alle wurden in der Nähe der Weinberge in den Tuff gehauen. Man
musste nicht die ganzen Trauben sondern nur den Most in Ziegenhaut-Säcken
hinunter zu den Weinkellern tragen. Die lagen
alle an der Küste und der Wein wurde mit Booten
über das Wasser transportiert. Heute sind die Weinpressen im Ort.
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Der Roque de las Ànímas |
Der „Roque de las Ànimas“ , der Berg der Seelen, kommt näher. Unter dem
Felsen liegt auf einer Hochebene das Örtchen „Baje el Roque“, darunter an der
Küste das Fischerörtchen „Tachero“, die alle zu Taganana gehören. Der Weg
erreicht die Häuser der Ortschaft „La Cruz Vieja“, weit oberhalb von Taganana. Unten
liegt Taganana, mit der Kirche und dem Dorfplatz, etwas außerhalb ist der Friedhof.
In steilen Serpentinen muss ich den Fußweg 165 Höhenmeter hinunter in den Ort
gehen. Das ist fast der Höhenunterschied des Afur-Tales, nur konzentriert auf eine kurze Wegstrecke und damit sehr steil.
In der Bar am
Dorfplatz mache ich eine Mittagspause.
Im Schatten. Ich hatte einen tollen Wandertag erwischt. Blauer Himmel und voller
Sonnenschein. Mit nur wenig Kühlung durch einen leichten Küstenwind. Mit einem Glas Rosè-Wein, dessen Trauben in einem der Berghänge, an
denen ich vorbei gekommen bin, geerntet wurden. Jedenfalls versicherte mir der
Wirt, dass der Wein von hier komme.
Taganana war die erste spanische
Siedlung im Anaga-Gebirge. Die älteste Zuckerfabrik wurde hier gebaut. 1501
wurde der Ort von Siedlern, die von
Lanzarote und Fuerteventura kamen, gegründet. Heute gehört der Ort zur Stadt-Gemeinde Santa Cruz. Früh wurde Zuckerrohr angebaut. Um den gewonnen
Zucker zur Hauptstadt der Insel, La Laguna, zu bringen wurde der Weg „Las
Vueltas“ gebaut. Im 17. Jh. ging der Zuckerhandel zurück (die Zuckerrübe
verdrängte das Zuckerrohr). Der Weinanbau
begann an Bedeutung und wird bis heute betrieben.
Auf dem "Camino de las Vueltas" zurück nach Afur
Dann geht es wieder hinauf. Vorbei an den Häusern des ältesten Ortsteils von
Taganana, „Portugal“. Hier erklärt eine Informationstafel, dass der Weg, den
ich jetzt gehen werde,
von Zucker-Meistern
angelegt worden ist. Sie kamen im 16. Jh. von
der portugiesischen Insel Madeira. Eine der ersten Arbeiten war die Anlegung des Serpentinenweges „Camino de
las Vueltas“, damit sie den Zucker nach La Laguna transportieren konnten.
Der Weg geht immer bergauf, bis zum Pass
„La Cumbrecilla“, Gipfelchen. Ich kann nachempfinden, wie schwer es die
Esel mit den vollen Zuckersäcken hatten. Und auch die Menschen, die diesen Weg anlegen und gehen mussten, damit sie ihr Einkommen hatten. Ich habe freiwillig
geschwitzt.
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Der Camino de las Vueltas |
Am Weg waren bewirtschaftete
Felder, hauptsächlich Kartoffeln. Auch viel Brachland, grüne Hecken und einige Nispero-Bäume (Mispel). Auch „unser“
Nispero-Baum war noch da, mit reifen Früchten. Die haben viele Kerne, die man
ausspucken muss. Das Fruchtfleisch ist saftig und fruchtig.
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Nispero |
Der Weg zieht sich ganz schön lang hin und hoch. Die
bewirtschafteten Felder werden durch Baumheide-Bewuchs abgelöst. Es geht in Serpentinen immer aufwärts. Eine Gruppe französischer Wanderer überholt mich. Lange noch höre ich
über mir ihre Stimmen. Dann wird es ruhig. Sind sie so weit vor mir? Oder sind
sie nur von der Anstrengung ruhig geworden? Oben am Pass habe ich sie wieder
getroffen. So lange waren sie noch nicht da.
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Blick zurück vom Pass |
Es zieht sich noch einmal hin, vom Pass „Cumbrecilla“ bis nach Afur.
Das Wetter ist anders geworden. Wolken bedecken den Himmel. Aber es ist noch
warm.
Es geht abwärts, nicht sehr anstrengend. Wieder mit schönen Aussichten
auf die Berge und in den Barranco (das ist ein Seitental des „Barranco de
Afur“), an dessen Hängen sich der Weg hinunter schlängelt.
Im Tal werden die ebenen Flächen landwirtschaftlich genutzt. Abgelegene, einsame Bauernhäuser.
Der Weg erreicht die Straße nach Afur, auf der ich bis in
den Ort gehe. Unten im Tal entdecke ich die französische Wandergruppe von
vorhin. Sie hatten offensichtlich einen Wanderpfad durch den Barranco gefunden.
Bei der nächsten Wanderung werde ich auch den Weg durch das Tal gehen. Das ist
schöner als auf der Straße, auch wenn es etwas länger ist.
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Die Bar von José |
Ein kleiner Abstecher in die Bar von José Canón, auf ein Bier. Die
Zeit ist hier stehen geblieben. Seit 6o Jahren betreibt José die Bar. Die
Regale an den Wänden sind voll mit Schnaps- und Weinflaschen, volle. Dazwischen
Erinnerungsbilder. Auch an den spanischen Diktator General Franco. Die
Verehrung von Franco ist in Spanien nicht mehr erwünscht – zu Recht, zu viel
Unterdrückung und Morde belasten sein Regime. Vor nicht ganz so langer Zeit,
wir waren schon auf Teneriffa, wurden die letzten Gerneralissimo-Straßennamen
geändert. Im Esperanza-Wald stand bis vor wenigen Jahren noch ein Denkmal für
Franco. Für José gehört die Franco-Zeit zu seinem Leben, über 80 Jahre ist er
inzwischen. Vielleicht war er einmal Falangist (Falange war die faschistische
Bewegung in Spanien, derer sich Franco bediente)? Ich habe ihn nicht gefragt.
Als ich mein Bier ausgetrunken
habe, hat es draußen zu regnen begonnen.
Den ersten Nebelschwaden sind die Regenwolken gefolgt. Ich habe meine Wanderung
auf die Minute genau zu Ende gebracht. Ein wenig später und ich hätte noch
meinen Regenanorak anziehen müssen.
Die ganze Fahrt zurück durch das
Anaga-Gebirge hatte ich den Anaga-Regen,
kräftiger Dauerregen. Hinter La Laguna
hörte der Regen auf. Auf der Landstraße und auf der Autobahn staute der übliche
Abend-Berufsverkehr zurück.
Es war die letzte Wanderung in dieser Saison. Im
Oktober beginnt die neue Wanderzeit, sicher wieder mit einer Wanderung zur Tamadite.