Berliner Wanderungen
Zum Heinrich-Laehr-Park 

Juni 2023

Der Heinrich-Laehr-Park ist ein langgestreckter Park zwischen dem Teltowkanal und dem S-Bahn-Gleis. Wir kannten ihn bisher nicht. Am Teltowkanal sind wir schon öfter gewesen, zu Fuß und mit dem Fahrrad. Dass wir den Heinrich-Laehr-Park „entdeckt“ haben, war eher zufällig. Wir wollten am Kanal entlang gehen, aber nicht zu weit. So bot sich der Park als „grüner“ Weg zwischen dem Kanal und der S-Bahn-Station Zehlendorf an. Zehn Kilometer, das reichte, von Zehlendorf sind wir mit der S-Bahn zurück bis Lichterfelde-West gefahren. 

Die Route - 10 Kilometer
Die Ziffern am Weg entsprechen den Text-Markierungen

Wir gehen von uns aus die Drakestraße hinunter (d.h. Richtung Süden) zum Teltow-Kanal und weiter auf der  Nordseite des Kanals Richtung Zehlendorf (d.h. nach Westen). Der Weg am Kanal führt uns zum Heinrich-Laehr-Park.
 

Die Drakestraße, an der wir wohnen, habe ich gelegentlich beschrieben (siehe „Die Drakestraße – Namensgeber ist der Schöpfer der „Goldelse““),

auch den Teltow-Kanal (siehe „Berliner Spaziergänge – Stölpchensee und Griebnitzsee“). 

Gegenüber der Brücke über den Kanal werden in dem (1) ehemaligen Postgebäude Eigentumswohnungen ausgebaut. Hinzu kommen Neubauten, damit das Grundstück am Kanal optimal genutzt wird. 1929 wurde das denkmalgeschützte Gebäude für die Post fertiggestellt. 500 Pfähle mussten damals in den Boden gerammt werden, weil der Boden des ehemaligen Bäketals nicht fest genug war. Seit einigen Jahren wurden in dem Postamt schon keine Briefe und Pakete mehr bearbeitet. 

Das Postgebäude mit dem Neubau-Anbau.
Der Post-Adler bewacht weiter den Altbauteil.

Am Kanal

Dichte Büsche und Bäume am Kanalufer versperren den Blick auf das gegenüberliegende (2) Kraftwerk mit seinen markanten Schornsteintürmen. Die werden allerdings nicht mehr gebraucht. 2019 wurde das zu Vattenfall (früher BEWAG) gehörende Heizkraftwerk von Schweröl auf Erdgas umgerüstet. 100.000 Haushalte werden von hier mit Fernwärme versorgt. Vielleicht werden wir an der Drakestraße in den nächsten Jahren auch an die Fernwärme angeschlossen. Fernwärme-Ausbau ist ja gerade das große Thema. 

Die Türme des Heizkraftwerks Lichterfelde

Jasmin am Wegesrand

An der Brücke über die Wismarer Straße erinnert die (3) Säule der Gefangenen“ an die Häftlinge des KZ-Außenlagers Lichterfelde. 1942 wurde es für bis zu 1.500 Männer eingerichtet, die auf Berliner Baustellen der SS arbeiten mussten. Für den Aufbau des Lagers wurden Häftlinge aus dem KZ-Hauptlager Oranienburg jeden Tag nach Berlin gebracht. 1945 wurde das Lager aufgelöst und die Gefangenen kamen in das KZ-Sachsenhausen in Oranienburg. 

KZ-Gedenken

Der breite Weg für Fahrradfahrer und Fußgänger wird schmaler und rückt nah an den Kanal hinan. Kleingärten sind zunächst auf der anderen Seite des Weges, die dann von wenig intensiv genutzten Gewerbeflächen (Holzhandel, Gartenbaufirmen, Lagerplätzen) abgelöst werden. Hinter den Kleingärten und den Gewerbebetrieben verläuft in einiger Entfernung die Görzalle parallel zur Kanalstrecke. Wir sind auf dem Berliner Mauerradweg.

Der Weg ist jetzt schmaler und näher am Kanal

Klatschmohn und Brombeerranken am Weg

Es folgt der (4) Zehlendorfer Stichkanal mit einem aufwändigen Brückenbauwerk fast nur für Fußgänger. Radfahrer werden die Brücke wohl weniger nutzen. Nicht wegen der Brücke, sondern wegen des Sandweges davor und dahinter. Ein Fahrradfahrer, der uns entgegenkam rief uns „Sch..-Weg“ zu. Das allerdings wussten wir selber. Der feine märkische Sand rieselte in unsere Sandalen. 

Die Fußgängerbrücke

Teichrosen-Idylle

Der Stichkanal wurde zeitgleich mit dem Teltowkanal gebaut (1900 bis 1906). Vor dem Kanalbau war hier der Teltower See, durch den die Bäke floss. Ein Bahngleis wurde vom Gewerbegebiet am Kanal zum Stadtbahnhof Lichterfelde-West gebaut (Zehlendorfer Eisenbahn- und Hafen AG, gegründet von dem Bankier Neuburger, der aus Marklissa in Schlesien stammte). 


Bei meiner Schlesien-Radfahrt bin ich durch Marklissa gekommen, siehe „Zu Gerhart Hauptmann und den Schlössern im Hirschberger Tal". 

Später wurde die „Goerzbahn“ genannte Strecke auch für den Personenverkehr genutzt. Zurzeit wird über eine Reaktivierung der stillgelegten Gleise diskutiert. 

Entscheidend für die Entwicklung des Gebietes war die Ansiedlung der „Optischen Anstalt C.P. Goerz“ 1918 durch den Optiker Goerz. Die Goerzallee erinnert an ihn.  Neben dem Goerzwerk entstand eine Wohnsiedlung für die Angestellten des Werkes. 1926 übernahm Zeiss-Ikon die Goerz AG.  Nach 1945 verlor der Hafen durch die Teilung der Stadt seine Bedeutung. Die ehemalige Grenze zu Ost-Berlin verlief in der Mitte des Teltowkanals. Jetzt ist die Zufahrt zum Stichkanal für Schiffe gesperrt. Der Kanalabschnitt und der Uferbereich sind ein naturnaher Landschaftsraum. 

Sandweg am Kanal

Am Teltower Damm verlassen wir den Kanal (5) und gehen an der Straße entlang nach Norden. Auf der Straßenbrücke über den Kanal wechselt der Mauer-Radweg vom südlichen (das unserem Wanderweg gegenüberliegende) auf das nördliche Ufer. Den Fußweg am Teltower Damm müssen wir nur ein kurzes Stück gehen, dann können wir unseren Weg durch grüne Landschaft fortsetzen. Es ist zunächst eine (6) Kleingartenanlage, jede Parzelle mit einem Gartenhäuschen versehen, an dem heutigen Sommertag gut von den Familien der Gartenpächter belebt. 

Hinter der Gartenanlage beginnt der (7) Heinrich-Laehr-Park, 1000 Meter lang und 240 Meter breit, 24 Hektar groß. Es ist einer von insgesamt drei Parkanlagen zwischen dem Teltower Damm und dem Dahlemer Weg bzw. dem Teltowkanal und der S-Bahn-Trasse. Es ist das Gebiet der ehemaligen Gemeinde Schönow, das aus dem Rittergut Schönow hervorging. 1920 kam Schönow mit Zehlendorf zu Groß Berlin. 

Ein Vogelhaus im Park
Der Heinrich-Laehr-Park, der (8) Schönower Park, durch den wir anschließend gehen, und der etwas daneben liegende Schweizerhofpark sind die verbliebenen Grünflächen der von Heinrich Laehr gegründeten Nervenheilanstalt „Schweizer Hof“. 

Heinrich Laehr (1820 – 1905, aus Sagan in Schlesien) war Arzt und Psychiater. 1853 kaufte er in Zehlendorf den Bauernhof „Schweizerhof“ mit 270 Hektar Land. Er gründete eine private Nervenheilanstalt und ließ weitläufige Parks und Ackerflächen anlegen. Gebäude im Pavillonstil entstanden. Die Patienten (ab 1856 nur noch Frauen) wurden nicht weggesperrt. Sie arbeiteten auf den angelegten Feldern. Für Freizeiten gab es Tennisplätze und eine Kegelbahn. 

Der Sohn von Heinrich Laehr führte die Nervenheilanstalt bis zu seinem Tod weiter und vermachte die Immobilie dem Land Berlin. Die Gebäude westlich des Laehr-Parks sind erhalten geblieben und beherbergen Einrichtungen der Altenpflege, u.a. das Pflegewohnheim Schönow. Auf anderen (abgeräumten) Flächen entstand 1945 die Kirchliche Hochschule Berlin (mit Promotions- und Habilitationsrecht). 1992 wurde sie mit der theologischen Fakultät der Humboldt-Universität zusammengefasst. Heute werden die Gebäude von der Evangelischen Fachhochschule genutzt. 1965 wurden anstelle der abgerissenen Anstalts-Gebäude (südlich des Schönower Parks) Neubauten für die John F. Kennedy Schule gebaut. Nur ein Gebäude der Heilanstalt blieb erhalten, einer der Pavillonbauten, 1854 von Martin Gropius im spätklassizistischen Stil entworfen. 

Wir kommen, nachdem wir den Heinrich-Laehr-Park verlassen haben, an der Grundschule Schweizer Hof und an dem großen Schulgelände der Kennedy-Schule vorbei, in den Schönower Park. An seiner südwestlichen Ecke grenzt er an den Schweizerhofpark an. Mitten im Schönower Park befindet sich der (9) Privatfriedhof der Familie Laehr. 1902 wurde Laehrs Frau dort beigesetzt. 1906, nach dem Tod von Heinrich Laehr, wurde ein monumentales Grabdenkmal für das Ehepaar errichtet. 

Das Grabmonument mit der Darstellung der
Schwermütigen

Zwischen Schönower Park und dem Schweizerpark verläuft der Teltower Damm, der für den letzten Teil des Spaziergangs/der Wanderung unser Weg bis zum S-Bahnhof Zehlendorf ist. Wir überlegen, ob wir am Teltower Damm in einem koreanischen Teehaus, in einem vietnamesischen oder in einem italienischen Restaurant einkehren wollen, entscheiden uns dann aber, lieber gleich das kurze S-Bahn-Stück zu fahren und zu Haus auf der Terrasse den selbstgebackenen Kuchen zu essen. Allerdings erst, nachdem wir von unseren Füßen den märkischen Sand abgewaschen haben.

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