Berliner Spaziergänge 
Um den Lietzensee

29. April 2022
Rundweg 3 Kilometer

Mit dem Auto Richtung Norden zur Kantstraße, genauer zur Neuen Kantstraße, die Verlängerung der Kantstraße bis zur Masurenallee. Dort ist, durchschnitten von der Neuen Kantstraße, der Lietzensee.

Der Lietzensee vom Witzlebenplatz gesehen
 

Der Lietzensee ist der nördlichste See in der Seenkette der Grunewaldrinne, einer eiszeitlichen Schmelzwasserrinne (letzte Eiszeit, die Weichsel-Kaltzeit, Beginn vor 100.000 Jahren), zu der auch der Nikolassee, Schlachtensee und der Grunewaldsee gehören. Die Seen sind grundwassergespeist.


An der Kantstraßenbrücke
Der Name
des Lietzensees stammt von dem Dorfnamen Lietzow bzw. Lützow. Abgeleitet wurde der Dorfname von dem slawischen„l uccina“Sumpf oder Lache.
 

Das Dorf wurde bereits 1719 in die damals selbständige Stadt Charlottenburg eingemeindet (die 1705 gegründet und  1920 nach Groß-Berlin eingemeindet wurde). Der Lietzensee gehörte dem Benediktinerkloster St. Marien in Spandau, deren Nonnen den See als Fischteich nutzten (Das 1239 von dem askanischen Markgrafen Johann I. von Brandenburg gegründete Kloster und seine Gebäude existieren nicht mehr).

 

Mitte des 19. Jahrhunderts gehörte der See und das umliegende Land dem späteren preußischen Staats- und Kriegsminister Job von Witzleben. Nach mehrmaligen Besitzerwechseln begann 1899 die „Terrain-Gesellschaft Park Witzleben“ mit der Entwicklung des Gebietes. Die Neue Kantstraße wurde als Erschließungsstraße angelegt und mit einem Damm mitten durch den Lietzensee geführt. 

An einer der Straßen am Ufer des Lietzensees muss man sich einen Parkplatz suchen. Wir haben in der Lietzenseeufer-Straße gleich nach dem Haus See-Eck geparkt. Das Haus See-Eck liegt neben dem Ringhotel Seehof, in dem wir unseren Spaziergang beenden werden.

Haus See-Eck - Eingang und Rückseite zum See hin

 

Das Haus See-Eck wurde 1910 für den Direktor der Witzleben-Terrain-Gesellschaft, Werner Eichmann, gebaut. Werner Eichmann war auch an der Erschließung von Wilmersdorf und der Villenkolonie Zehlendorf-Grunewald (Gründung der Erschließungs-AG 1899) beteiligt. Es war die Zeit der großen Grundstrücksentwicklungen am Westrand des damaligen Berlins. 


Siehe dazu den Beitrag in diesem Blog: 

Radtour zum Olympiagelände.

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Auf der anderen Straßenseite des Lietzenseeufers fällt ein großes neobarockes Gebäude auf. Es wurde in der gleichen Zeit wie das Haus See-Eck gebaut, das auch die gleiche Wuchtigkeit zeigt.

Witzlebenplatz 2 - ehem. Reichsmilitärgericht

Es ist das Gebäude des ehemaligen Reichsmilitärgerichts (bis 1920). Danach war dort das Reichswirtschaftsgericht und das Kartellgericht und ab 1936 das Reichskriegsgericht der NS-Wehrmacht. In dieser Zeit wurden hier zahlreiche Wehrdienstverweigerer und Widerstandskämpfer zum Tode verurteilt. Ab 1951 war dort das Kammergericht bis zu seinem Umzug zum Kleistplatz untergebracht. Nach 2006 entstanden in dem Gebäude 100 Mietwohnungen (vielleicht sind es inzwischen auch schon Eigentumswohnungen). 


Ein Stück hinter dem Haus See-Eck ist das Lietzenseeufer frei zugänglich. Der Biergarten des Bootshaus Stella (Café am Lietzensee) ist gut besucht. Ab 1924 stand hier das von dem Charlottenburger Gartendirektor Erwin Barth geplante Bootshaus. 1973 brannte es ab.

Bootshaus Stella
 

Erwin Barth (1880 - 1933) gestaltete viele Plätze und Gartenanlagen in Charlottenburg, so z.B. auch den Savignyplatz. 1919 bis 1922 legte er den Landschaftspark am Lietzensee an (1910 hatte die Stadt Charlottenburg den See und das Parkgelände gekauft). 


Hinter der See-Kurve beginnt der Lietzenseepark.
 

Die Anlegung des Parks erfolgte 1918 bis 1920 als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Die Parkpläne entstanden schon 1912, nachdem die komplette Bebauung des Seeufers durch einen Bebauungsplan gestoppt wurde. Das West- und Nordufer blieben als Park frei zugänglich. 


In der Mitte des Westufer-Parks erinnert ein Denkmal daran, dass Deutschland auch einmal eine Königin Elisabeth hatte, Königin Elisabeth von Preußen (geborene Prinzessin von Bayern, Tante der Kaiserin Sissi von Österreich, 1801 – 1873).

Gefallenendenkmal
 

Königin Elisabeth war Namensgeberin eines preußischen Grenadierregiments. Ein Gefallenendenkmal des Regiments erinnert  an vier Kriege:

1864 – Deutsch-Dänischer Krieg
1866 – Deutscher Krieg
1870/71 – Deutsch-Französischer Krieg
1914- 1918 – Erster Weltkrieg

Die ersten drei Kriege waren die sogen. Einigungskriege, nach denen das preußisch dominierte Deutsche Kaiserreich entstand (1871 Kaiserproklamation im Spiegelsaal von Versailles).


Siehe dazu in diesem Blog: 

Elbe-Radtour IV. Teil, 7. Tagestour

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Vom westlichen Teil des Lietzenseeparks kommt man durch eine Untertunnelung der Kantstraße zum östlichen Teil. Am nördlichen Ende des Sees ist die Große Kaskade, die von Erwin Barth als Teil der Parkanlage angelegt wurde (die Kleine Kaskade ist an dem anderen See-Teil in der Nähe der Wundtstraße).
 

Die Große Kaskade ist ein Wasserspiel, bei dem das Wasser (aus dem See gepumpt) über mehrere Etagen in den Lietzensee fließt (fließen sollte, zurzeit sind die Becken trocken). Neben dem Wasser-Schauspiel sollten die Kaskaden auch das Wasser mit Sauerstoff anreichern, um so das Algenwachstum zu verhindern (eine Idee der Königlichen Landesanstalt für Wasserhygiene). Mit geringem Erfolg, das Bauwerk als solches ist gelungener. 


Die (trockene) Große Kaskade


Der östliche See-Teil mit der Großen Kaskade im Hintergrund


See-Imperssionen: Baumwurzeln und ein Schwanennest

Nach den Kaskaden ist das Seeufer nicht mehr frei begehbar. Das Ufer ist bebaut und es bleibt nur die Straße als Weg (Kuno-Fischer-Straße) bis zur Kantstraße. Eine „Baulücke“ ist der Kuno-Fischer-Platz hinter dem ehemaligen Knappschaftsgebäude.

Das Knappschafts-Gebäude vom Kuno-Fischer-Platz aus

Tafeln am Eingang
 

Das Knappschaftsgebäude wurde 1930 als Verwaltungsgebäude für die Knappschafts-Berufsgenossenschaft Berlin gebaut.

Von 1950 bis 1953 war es Notaufnahmestelle für Flüchtlinge aus der DDR. In dieser Zeit war die Notaufnahme erste Anlaufstelle für 300.000 Menschen, bis im Herbst 1953 das Notaufnahmelager Marienfelde eingerichtet wurde. Heute ist die Deutsche Krebsgesellschaft in dem Haus.

   

Die Knappschaft war eine Renten- und Krankenkasse für Bergleute. Ihre Geschichte geht bis auf das Jahr 126o zurück, als in Goslar eine Bruderschaft zur Unterstützung kranker Bergleute und der Hinterbliebenen verstorbener Bergleute gegründet wurde. Es entwickelten sich regionale  Knappschaftsvereine für die Kranken-, Unfall- und Rentenversicherung.

1969 wurden sie zur „Bundesknappschaft“ zusammengefasst. Heute sind die Bundesknappschaft, die Bahnversicherungsanstalt und die Seekasse (Kranken- und Rentenversicherung für Seeleute) als Renten- und Krankenversicherungsträger „Knappschaft Bahn See“ zusammengefasst. 

Abschluss-Kaffee auf der Terrasse des Hotels Seehof. Das Hotel wurde 1966 auf einem Trümmergrundstück errichtet. Damals als erstes Westberliner Hotel mit eigenem Hallenbad. Es ist ein familiengeführtes Hotel geblieben.

Blick von der Hotelterrasse auf den See.
Am Ufer feierten an dem Tag die Studierenden der Juristischen Fakultät den Abschluss ihrer Prüfung zum 1. Staatsexamen. Die Prüfungen waren in den gegenüberliegenden Messehallen. Sie feierten das Ende der Prüfung, noch nicht das Bestehen.


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