Zu Gerhart Hauptmann und den Schlössern im Hirschberger Tal
Eine Fahrrad-
und Wanderreise in das Hirschberger Tal und im Riesengebirge.
Vom 9. bis 21. August
2022
(11) Rückfahrt über Bad Liebwerda und Haindorf
Karpacz/Krummhübel –
Borowice/Barberhäuser – Podgorzyn/Giersdorf – Sobieszow/Hermsdorf unterm Kynast
– Chromiec/Ludwigsdorf – Kwieciszowice/Blumendorf - Gierczyn/Giehren – Kamienna
Gora/Landeshut - polnisch-tschechische Grenze – Nove
Mesto pod Smrkem/Neustadt an der Tafelfichte – Bad Liebverda/Lazne Libverda – Ausflug
nach Hajnice/Haindorf
Das war nicht die einzige Umplanung. Nach meinen ersten Radtouren im Hirschberger Tal wurde mir klar, dass die „Berg-Etappen“ auch mit einem E-Bike nicht so ganz einfach werden könnten. Die Rückfahrt von Krummhübel nach Haindorf bzw. Bad Liebwerda hatte ich quer durch das Isergebirge geplant. Ich wollte den ersten Gebirgsübergang hinter Krummhübel nehmen und über den Neuweltpass zwischen Riesengebirge und Isergebirge nach Novy Svet/Neue Welt (gehört zu Harrachov/Harrachsdorf) fahren, der erste tschechische Ort hinter der Grenze. Dann weiter zur Darre-Talsperre, die die Cerna Desna/Schwarze Desse aufstaut. Die Anfahrt zum Pass hatte ich über Schreiberhau/Sklarska Poreba vorgesehen.
Das Komoot-Höhenprofil zeigte für die Strecke einige rote Markierungen, auf die ich
zunächst nicht geachtet hatte. Nach den Erfahrungen im Hirschberger Tal bin ich
aber vorsichtiger geworden. Bei der ursprünglichen Route über Schreiberhau
hätte ich etwa 1200 Höhenmeter hochfahren müssen. Das erschien mir jetzt
riskant. Ich habe umgeplant und bin am Rand des Isergebirges gefahren und erst
auf niedrigerer Höhe auf die tschechische Seite des Isergebirges (vor Nove
Mesto) gewechselt. Das waren nur 780 hochzufahrende Höhenmeter. Ich habe das
gut geschafft, allerdings mit nur einer kleinen Reserve an Elektrounterstützung
am Ende der Fahrt. Etwa 12 Kilometer hätte ich noch mit der E-Bike-Batterie
fahren können, mehr nicht. Ich war sehr froh, dass ich umgeplant hatte. Für die
ursprüngliche Strecke hätte die Batterie nicht gereicht. Dann wäre ich irgendwo
im Gebirge „liegen geblieben“. Die starken Anstiege hätte ich mit dem schweren
Rad und dem ganzen Gepäck nicht geschafft.
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Die ursprüngliche Planung |
Neue Route am nördlichen Rand des Isergebirges
Die Strecke um das Isergebirge herum war allerdings nicht so spannend. Landwirtschaftliche Nutzung, wellige Landschaft, das kannte ich von der Hinfahrt. Ich war durch die Umplanung auch gar nicht so weit von der Hinfahrt-Strecke entfernt. Zwischen Nowa- und Stara-Kamniecia (Neu- und Altkemnitz) an der Route nach Hirschberg und Kwieciszowice/Blumendorf, durch das ich jetzt gefahren bin, waren nur die Eisenbahnlinie von Görlitz nach Hirschberg und einige Kilometer.
Durch die neue Route bin
ich allerdings nicht mehr durch
Schreiberhau gekommen. Hier wollte ich mir noch Überbleibsel der früheren
Glasindustrie ansehen.
Im Schreiberhauer Ortsteil Szklarska Poręba
Dolna
(Niederschreiberhau) führt eine kleine Familien-Glashütte, Lesna Huta/Waldhütte, die Tradition der
Glasherstellung mit traditionellen Werkzeugen weiter, die im 14. Jahrhundert in
Schreiberhau begann.
Im
Ortsteil Szklarska Poreba Huta
existiert noch die ehemalige Hüttenhalle
der Josephienhütte mit Glasöfen von 1841. Die Josephienhütte wurde 1842 von den Schaffgotsch gegründet. Bis
1923 war sie in deren Besitz. Danach wurde sie mit den Glashütten in Petersdorf
und Hermsdorf (Kristall-Glashütte Julia, die ich mir angesehen habe) vereinigt,
die zusammen bis 1945 als „Josephienhütte AG“ Glas produzierten.
Und in Novy Svet besteht noch eine Glashütte von 1754. Novy Svet gehört zu
Harrachov/Harrachsdorf, das von dem österreichisch-böhmischen Grafen Harrach
gegründet wurde. Heute ist Harrachov ein Wintersportzentrum (es besitzt eine
der fünf Weltmeisterschaft-Skischanzen, Weltmeisterschaft 2014).
Die Glashütte in Novy Svet erzählt
etwas über die Geschichte der
Glasherstellung im Isergebirge.
Gegründet wurde sie vor über 300 Jahren von einem Elias Müller im Herrschaftsgebiet der Grafen Harrach.
Das auf der böhmischen Seite des
Riesengebirges geformte Glas wurde auf
der schlesischen Seite weiterbearbeitet. Ornamente, Figuren und
Landschaften wurden in die Glasoberfläche gefräst. Bis 1742, als das
österreichische Schlesien von Preußen erobert wurde. Eine Zeit lang wurden die
durch die Grenze getrennten Handelswege auf Schmuggelpfaden aufrechterhalten,
was aber immer schwieriger wurde.
In der
Zeit kauften die Harrachs der
Familie Müller die Glashütte ab und organisierten die Weiterbearbeitung vor Ort im böhmischen Riesengebirge. Das machten
sie, bis sie 1943 von den Nationalsozialisten zum Verkauf gezwungen wurden.
Nach dem
Weltkrieg wurde der tschechische Staat
Eigentümer der Glashütte. 1993 wurde die Hütte privatisiert. Eine Familie Novosad übernahm sie und gründete
daneben eine Brauerei (in der ich meine Pause vor der Weiterfahrt nach Hejnice
machen wollte).
* * *
Der erste Ort hinter der Grenze ist Nove Mesto pod Smrkem/Neustadt an der Tafelfichte. Dann folgt schon der Kurort Lazne Libverda, mein Übernachtungsort. Nach der „Einquartierung“, die etwas umständlich war, fahre ich gleich weiter nach Hajnice, das mit der Wallfahrtskirche und dem Kloster mein eigentliches Ziel war. Die Wallfahrtkirche war allerdings schon geschlossen, so dass ich am nächsten Tag noch einmal über Hajnice gefahren bin.
Nove Mesto pod Smrkem/Neustadt an der Tafelfichte
Ein Ort mit einem ungewöhnlichen Namen. Die Siedlung wurde 1584 von Melchior von Redern als Böhmisch-Neustadt für sächsische Bergarbeiter gegründet. Die hatte von Redern für den Abbau von Kupfer und Zinn in den umliegenden Bergen geholt. Aus dem Neustädter Zinn wurden die Gefäße für das Schloss Friedland und auch die Särge für die Adligen gegossen.
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Am Marktplatz |
Die von Redern (auch: von Reden) habe ich schon im
Hirschberger Tal kennengelernt. Das Schloss Buchwald gehörte der Familie. Die
Frau von Friedrich Wilhelm von Reden (1752 – 1815) kümmerte sich in
Erdmannsdorf um die Tiroler Glaubensflüchtlinge und die Errichtung der Kirche
Wang in Krummhübel.
Auch Schloss
Friedland gehörte den von Redern, bis es 1620 vom Kaiser eingezogen wurde (ein
von Redern hatte auf der falschen Seite gekämpft) und Albrecht von Wallenstein
die Besitzungen erhielt (in Friedland werde ich morgen sein).
Nach dem 30-jährigen Krieg war es mit dem Bergbau vorbei. Leinen- und dann Baumwollspinnereien folgten wie im Riesengebirge. Einer der Textilfabrikanten war ein Ignaz Klinger, der aus einer Weberfamilie in Böhmen stammte. 1862 gründete er in Neustadt eine mechanische Weberei (mit 5.000 Beschäftigten Anfang des 20. Jahrhunderts). Mit einem Mausoleum auf dem Friedhof von Neustadt „verewigte“ er sich. Die Firma und die Fabrikhallen gibt es nicht mehr.
Den Namen „an der Tafelfichte“ hat die Stadt von dem benachbarten Berg im tschechischen Isergebirge (seit 1901). An eine den übrigen Bewuchs überragenden Fichte ließ Albrecht von Wallenstein 1628 eine Tafel mit seinem Wappen als Grenzzeichen nageln. Es wurde die Tafelfichte (die es nicht mehr gibt) und der Berg bekam den Namen Tafelfichte. Am Hang des Berges war der Dreiländergrenzpunkt zwischen der Oberlausitz, Schlesien und Böhmen.
* * *
Lazne Libverda/Bad Liebwerda
Bad Liebwerda ist ein kleiner Ort, der fast nur aus Kureinrichtungen besteht (460 Einwohner und genau so viel Hotelbetten). Ende des 16. Jahrhunderts wurden hier Heilquellen entdeckt. Der sächsische Kurfürst August I. der Starke und Wallenstein ließen sich das Mineralwasser zusenden. Ende des 18. Jahrhunderts hatte die Familie Clam-Gallas, denen Friedland nach Wallenstein gehörte, hier ihre Sommerresidenz.
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Die Arkaden und das Brunnenhaus |
Übernachtet habe ich im Hotel Panorama, eines der vier Hotels des Spa Resorts. Das war etwas umständlich. Einchecken musste ich im Haupthaus am Kurpark, was ich erst nach vielem Fragen vor dem verschlossenen Panorama herausbekam. Das Frühstück war wieder in einem anderen Haus. Im Frühstücksraum war die Beschriftung Tschechisch und Deutsch, was wohl auf die Herkunft der Kurgäste schließen lässt.
Nördlich des Ortes ist das Restaurant Riesenfass Javornik . Ein erster
Riesenfass-Restaurantbau entstand schon 1898. Ursprünglich war der Holzbau in
echter Fassbindearbeit auf der Wiener Ausstellung aufgebaut worden, dann
zerlegt und hierhergebracht worden. 1931 erfolgte ein Nachbau mit einem Volumen
von über 1 Million Liter. 1974 brannte der Bau ab. 2010 wurde das heutige
Riesenfass gebaut.
Es ist ähnlich wie das Riesenfass in Bad Dürkheim, das 1934
aus 200 Schwarzwald-Tannen gebaut wurde (Raumvolumen 1,7 Millionen Liter).
Hejnice/Haindorf
Haindorf im Isergebirge ist ein katholischer Wallfahrtsort. Der Legende nach wurde ab 1311 ein Marienbild verehrt, weil ein Siebmacher wie durch ein Wunder geheilt wurde. Die Herren der Grundherrschaft, von Bieberstein, sollen eine erste Wallfahrtkapelle „Maria die Anmutige“ gebaut haben. Darum herum entstand der Ort, urkundlich 1381 erwähnt.
1558 erhielten die Herren von Redern das Gut Haindorf (später besaßen sie auch Schloss Buchwald im Hirschberger Tal). Das muss im Zusammenhang mit der Belehnung der Herrschaft Friedland durch Kaiser Ferdinand I. erfolgt sein. Denn für Haindorf gilt die gleiche Eigentümer-Folge wie für Friedland. Nach den von Redern folgte Wallenstein, danach Gallas (siehe die nächste Etappe).
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Hajnice/Haindorf |
Haindorf war nach der Reformation ab 1558, wie ganz Böhmen, evangelisch-lutherisch. Entsprechend dem Reichsrecht wurden alle Kirchen des Guts-Bezirks evangelisch (Augsburger Religionsfrieden von 1555: Der Landesherr bestimmte die Religion. Die von Redern waren protestantisch). Eine Ausnahme bildete die Wallfahrtskirche mit dem Marienbild. Die wurde von den neuen Eigentümern geschlossen, um die katholischen Wallfahrten zu unterbinden.
Dann begann 1621 im 30-jährigen Krieg die Rekatholisierung Böhmens. Albrecht von Wallenstein, ab 1622 neuer Eigentümer (er war zum Katholizismus konvertiert), eröffnete die Wallfahrtkirche wieder und wieder pilgerten katholische Gläubige nach Haindorf.
1691 stiftete der Inhaber der Grundherrschaft Frydlant (das waren nach Wallenstein die Grafen Gallas) dem Franziskaner Orden das Kloster Haindorf. Anstelle der alten Kapelle wurde eine neue Wallfahrtskirche, Maria Heimsuchung (Kostel Navštívení Panny Marie) mit Platz für 7.000 Menschen gebaut, 1722–1729 im Stil des Barock. Haindorf wurde durch die Wallfahrten ein wohlhabender Ort.
Neuer Reichtum entstand durch den „Glaskönig des Isergebirges“, Josef Riedel (1816 – 1894). Er wurde im 19. Jahrhundert größter Exporteur in der Habsburger Monarchie. Sein Geburtshaus (geboren 1816) in Haindorf (Haus-Nr. 175) ist noch erhalten. Beerdigt wurde er in Korenov/Bad Wurzelsdorf (meine ursprünglich geplante Radroute führte durch Polubny/Polaun, ein Ortsteil von Korenov).
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Haus Nr. 175 in Hajnice - aber kein Hinweis auf Josef Riedel |
Josef Riedel entwickelte u.a. farbiges Glas. Das Annagrün-Glas und das Annagelb-Glas (nach seiner
Frau Anna-Maria benannt) entstand durch die Beimengung kleiner Anteile Uranoxyd aus Jochaimsthal/Jachimow im
tschechischen Erzgebirge.
In Polaun/Polubny gründete Riedel mehrere
Glasfabriken. Aus dem dort hergestellten farbigen Stangenglas fertigten
Veredler im 20 Kilometer entfernten Gablonz/Jablonek an der Neiße (vor dem 2.
Weltkrieg gab es in der Gegend 4.000
Kleinbetriebe) farbige Armreifen (die massenhaft nach Indien exportiert wurden)
und Mengen an Glasperlen als billiges Tauschmittel für die deutschen Kolonien in Afrika.
Josef Riedels
Nachfahren produzieren heute im österreichischen Kufstein die bekannten Riedel-Gläser (inzwischen gehören auch
die Glas-Marken Nachtmann in der Oberpfalz und Spiegelau im Bayrischer Wald)
dazu).
Das Kloster und die Wallfahrtskirche
Graf Gallas gründete 1692 das Kloster. Er holte die Franziskanerbrüder nach Haindorf. Das Kloster wurde ein Zentrum der Gegenreformation. Im Kloster wurden drei Grabgewölbe errichtet, für die Familie Gallas (1696), für die Famile Clam-Gallas und für die Franziskanerbrüder.
Die große Wallfahrtkirche wurde bis 1779 gebaut, nachdem die alte Wallfahrtkapelle abgebrannt war. Eine 35 Meter hohe Hauptkuppel überwölbt das Kirchenschiff. Im Hochaltar ist das Gnadenbild der Mutter Gottes von 1311 ausgestellt, das bei dem Kapellenbrand gerettet wurde. Jährlich sollen bis zu 80.000 Pilger gekommen sein.
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Das Ziel der Pilger: Das Gnadenbild |
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Wallensteins Feldaltar (den er im 30-jährigen Krieg mit sich führte?) |
1950 wurde das Kloster durch die kommunistische Regierung aufgelöst. Katholische Mönche und Geistliche aus ganz Tschechien wurden im Kloster interniert. Später wurden ehemalige Nonnen untergebracht, die in Porzellan- und Textilfabriken arbeiten mussten. In den 1970er Jahren verfielen Kirche und Kloster.
1990 (das kommunistische Regime war abgelöst worden) wurde
mit dem Wiederaufbau der
Wallfahrtskirche und des Klosters begonnen und 2001 das internationale Zentrum
„Mezináro dní
centrum duchovní obnovy Klášterní“ für „spirituelle Erneuerung“ eröffnet. Hier hatte ich meine
Übernachtung geplant.
Ein Blick in die Küche:
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Gerollte Kalbsbrust mit Spinat-Speck-Brotauflauf im Restaurant Valdstejn in Lazne Libverda |
Zu dem Bericht gibt es ein Fotoalbum: