Zu Gerhart Hauptmann und den Schlössern im Hirschberger Tal

Eine Fahrrad- und Wanderreise in das Hirschberger Tal und das Riesengebirge in Niederschlesien und Böhmen.  

Vom 9. bis 21. August 2022 

(5 A) Zum Heilbad der Schaffgotsch

Samstag, 13. August 2022 
(Tag des Mauerbaus 1961)


31 Kilometer

Hirschberg Cieplice Slakie-Zdroj/Bad Warmbrunn  Palais Schaffgotsch – Evangelische Erlöserkirche – Zisterzienserkloster – Langes Haus – Kurpark – Norwegischer Pavillion - Palac Pakoszowie/ Schloss Wernersdorf  – Palac Sobieszow/Schloss Hermsdorf - Cieplice Slakie-Zdroj/Bad Warmbrunn  - Hirschberg.

Seit dem 13. Jahrhundert sind die Heilquellen in Bad Warmbrunn bei Hirschberg bekannt. Schon meine Großmutter (die in Plagwitz bei Löwenberg wohnte) war hier zur Kur. Das Heilbad und zwei weitere Schlösser waren das Ziel meiner heutigen Tour. 

Geplant hatte ich allerdings auch noch, bis zu dem „Gesundheitsort“ Stonsdorf, aus dem der „Gesundheitslikör echt Stonsdorfer“ kommt, südlich von Bad Warmbrunn, zu fahren. Daraus wurde heute nichts. Es regnet so stark, dass ich umgeplant habe. Ich habe am Nachmittag den für den nächsten Tag vorgesehenen Stadtrundgang durch Hirschberg vorgezogen und werde dafür morgen nach Stonsdorf fahren, allerdings auch nicht so wie geplant. Doch dazu morgen mehr.

 

Von Hirschberg fahre ich im Tal des Zacken bis nach Bad Warmbrunn/Cieplice Slakie-Zdroj mit dem Schloss der Schaffgotsch, dem Kurpark und dem angrenzenden Norwegischen Park. 

Bad Warmbrunn - Das Heilbad der Schaffgotsch 

Schon im 13. Jahrhundert waren die radiumaktiven, heißen Schwefelquellen des Heilbades bekannt. Damals, 1281, schenkte der Herzog von Jauer und Löwenberg Wald, Wiesen und Ackerland „an der warmen Quelle“ für zwanzig Jahre abgabenfrei dem Johanniter-Orden, der dort eine Herberge für kranke Besucher einrichten wollte. 

Im 14. Jahrhundert erwarb ein Vorfahre der späteren Reichsgrafen Schaffgotsch die Grundherrschaft. Eine der zwei bekannten Quellen betrieben die Schaffgotsch selber, die andere schenkten sie Zisterzienser-Mönchen. Nach der Säkularisierung des Klosterbesitzes wurde deren Quelle 1812 von den Schaffgotsch übernommen. 

Im 17. und 18. Jahrhundert wurde Warmbrunn ein bekanntes Kurbad mit schwefelhaltigen Bädern. Kurhäuser und Hotels entstanden. In dieser Zeit entdeckte auch der deutsche Hochadel, allen voran das Preußische Königshaus, das Hirschberger Tal. 1925 erhielt Warmbrunn die Auszeichnung „Bad“. 

Meine Mutter erzählte mir, dass ihre Mutter, meine Großmutter, mehrfach zur Kur in Bad Warmbrunn war. Das Bad war nicht weit von ihrem Heimatort Plagwitz bei Löwenberg entfernt. Es muss damals auch für die „einfachen Leute“ erschwinglich gewesen sein.

Bad Warmbrunn ist jetzt ein Stadtteil von Hirschberg. 


Palais Schaffgotsch (1) 

Das Palais Schaffgotsch wurde von 1784 bis 1788 durch Reichsgraf Johann Nepomuk Schaffgotsch errichtet, ein hufeisenförmiges Schloss im Übergangsstil vom Barock zum Empire.  Es ersetzte einen Vorgängerbau von 1600, der 1777 abbrannte. Sehenswert ist der Ballsaal im Empirestil mit einem Intarsien-Fußboden (der aber nicht zu besichtigen war). 

Die lange Front des Palais Schaffgotsch

Nach Übernahme durch die Rote Armee wurde die Mehrzahl der Einrichtung, Möbel und Bilder zerstört. Das Schloss wurde als sowjetisches Feldlazarett genutzt und 1947 als Ruine zurückgelassen. Nach Renovierungen zog 1975 die Breslauer Technische Universität ein. 

Erlöserkirche / Kosciol Zbawiciela (2)

Kirche der Evangelisch-Augsburgischen Kirchengemeinde in Polen. 

Die Evangelisch-Augsburgische Kirche ist die größte der evangelischen Kirchen in Polen (mit etwas über 60.000 Mitgliedern, neben anderen evangelischen Gemeinschaften wie der Pfingstkirche oder der Evangelisch-Reformierten Kirche). Der Name nimmt Bezug auf die Lehre von Philip Melanchton (neben Martin Luther der wichtigste Reformator), dem „Augsburger Bekenntnis“. 

Erlöserkirche

1741 erhielt die Gemeinde Warmbrunn die Genehmigung zum Bau einer evangelischen Kirche. Das war unmittelbar nach der Besetzung Schlesiens durch Friedrich den Großen. Das bis dahin österreichische Territorium war nach der Habsburger Gegenreformation katholisch. Der Holzbau wurde bis 1774 durch einen barocken Neubau ersetzt. Sie gehört zu den wertvollsten Barockbauten Niederschlesiens. 

Kloster und Kirche Johannes der Täufer/ Parafia Jana Chrzciciela (4)

Die Kirche ist Teil des Anfang des 15. Jahrhunderts begründeten Klosters der Zisterzienser. Nach Zerstörung der Kirche durch einen Brand erfolgte 1712 bis 1714 ein Neubau. Patronatsherr war Hans Anton von Schaffgotsch. 

Altar der Johannes-Kirche

1810 wurde das Kloster von Preußen säkularisiert. Die von Schaffgotsch kauften das Gut und das Kloster und verlagerten ihre Familienbibliothek vom Schloss Hermsdorf in die Klostergebäude (Langes Haus, s.u.). Ein Teil des Klosters (Südflügel) kam als Pfarrgebäude zur Klosterkirche.

Heute ist die ehemalige Klosterkirche eine Pfarrkirche. In dem Kloster-Gebäudeteil ist wieder ein Orden (Piaristenorden), der die Kirche betreut.  


Langes Haus (5) 

Das „Lange Haus“ ist heute das Kurhotel. Ende des 17. Jahrhunderts war das Lange Haus für die zur Kur kommenden Äbte des Grüssauer Zisterzienser-Klosters im Warmbrunner Koster eingerichtet worden.

Die Unterkunft für die Äbte des Klosters Grüssau

Nach der Säkularisierung erwarben die Schaffgotsch 1812 das Lange Haus für ihre Sammlungen. Bis 1945 beherbergte es die Bibliothek der Familie (80.000 Bände) mit wertvollen Inkunabeln, Handschriften und Sammlungen (damals die größte private Sammlung in Europa). 

Das Zisterzienserkloster Grüssau in Kamienna Gora/Landeshut (östlich von Kowary/Schmiedeberg) wurde 1292 von den schlesischen Herzögen Bolkow I. und Heinrich V. gestiftet. Es wurde mit großen Ländereien und 14 Dörfern ausgestattet. Die Mönche sollten die Ländereien erschließen und weitere Dörfer gründen.

1403 kam die Propstei Warmbrunn dazu, von Schaffgotsch gestiftet. Das Kloster Grüssau vergrößerte seine Ländereien auf 40 Dörfer und 2 Städte. Nach dem 30-jährigen Krieg wurde es Zentrum der Gegenreformation in Schlesien.

1810 wurde das Kloster durch Preußen aufgelöst. 


Kurpark und Kurhaus (6)

Der Kurpark gegenüber dem Schloss der Schaffgotsch wurde 1713 an der Stelle eines Gemüsegartens angelegt und später erweitert. 1838 wurde er im englischen Stil zweiteilig umgestaltet, ein Park für die Schlossbewohner und ein Kurpark für die Kurgäste.


Im Park ist das Kurhaus-Theater (von 1836) und das Kurhaus (1797, Mineralwasser-Trinkhalle). Am Rande des Kurparks ist die moderne Therme. 


Norwegischer Park und Pavillon (7)

Südlich an den Kurpark angrenzend ist der Norwegische Pavillon und Park. 

Ich hatte den Park südlich neben dem Kurpark auf der Karte gesehen, aber nicht beachtet. Bis ich bei einer Radtour zum Stahnsdorfer Friedhof bei Berlin etwas mehr zu der dort errichteten Holzstabkirche erfahren wollte. Warum wurde dort eine Kirche in einem norwegischen Baustil errichtet? Der Grund war wohl die Vorliebe des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II. für diesen Baustil, der dadurch in Mode gekommen war. In Krummhübel wurde die Kirche Wang errichtet. In Potsdam die Matrosenstation Kongsnaes.

        Siehe im Blog: Radtour Griebnitzsee und Havel

Und dieser Vorliebe für die Drachenstil-Architektur folgte auch der Hirschberger Unternehmer Eugen Füllner.

Bekanntester Architekt des Drachenstils (Kennzeichen sind die Giebeldrachen) war der Norweger Holm Hansen Munthe (1848 – 1898). Er hatte sein Architekturstudium an der Polytechnischen Hochschule in Hannover abgeschlossen und danach zwei Jahre in Hildesheim gearbeitet. 

Der Park und mittendrin der Pavillon wurden von dem Papiermaschinenhersteller Eugen Füllner 1909 errichtet. Füllner hatte eine Fläche neben seiner Werksanlage erworben. Auf 3 Hektar errichtete er eine Wohnsiedlung für seine Arbeiter und auf weiteren 15 Hektar ließ er den „Füllner-Park“ anlegen.

Der Norwegische Pavillon

Im Park ließ er einen Pavillon als Raststätte für die Spaziergänger bauen. Er war begeistert von dem Osloer Restaurant „Frognerseteren“ und ließ nach den Originalbauplänen einen Zwillingsbau errichten. Bald wurde das Restaurant als „Norweger“ bezeichnet und mit ihm der umgebende Park. Seit 1967 ist in dem Pavillon das städtische Naturkundemuseum untergebracht, das vorher im „Langen Haus“ war. 

Eugen Füllner (1853 – 1925) hat den von seinem Vater übernommenen Betrieb zu einem der weltweit größten Hersteller von Papiermaschinen aufgebaut. In Norwegen stammten 1918 von den 81 Papiermaschinen 40 von Füllner.

Füllner war kinderlos und verkaufte sein Unternehmen an die „Linke-Hofmann-Werke“ in Breslau (später Linke-Hofmann-Busch, die nach dem 2. Weltkrieg in Salzgitter eine Waggonfabrik aufbauten, heute zu Alstrom gehörend). Das Füllner-Werk wurde 1945 demontiert und in die Sowjetunion gebracht. Polnische Ingenieure bauten in den leeren Hallen mit verbliebenen deutschen Arbeitern und vorhandenen Konstruktionsplänen die Papiermaschinen-Herstellung wieder auf und gründeten die „PMPoland“, die heute zur finnischen „Valmet Group“ gehört.


Weiter radele ich im Zacken-Tal, immer noch im Regen, Richtung Westen zum Schloss Hermsdorf am Kynast/Palac Sobieszów und dann zum Schloss Wernsdorf/Palac Pakoszowie. Die beiden Schlösser in der Nähe von Bad Warmbrunn wollte ich noch sehen. Hinauf zur Kynast-Burg/Zamek Chojnik oberhalb von Hermsdorf fahre ich nicht. Das hatte ich sowieso wegen des steilen Anstiegs schon in der ersten Planung gestrichen. Neben Schloss Hermsdorf entdecke ich zufällig die evangelische Pfarrkirche, die ich mir natürlich ansehen. 

Schloss Hermsdorf unterm Kynast/Palac Sobieszów (8) 

Als „Hermanni villa“ wird der Ort Hermsdorf 1305 erstmals urkundlich erwähnt. Ab 1369 gehörten der Ort zur Standesherrschaft der von Schaffgotsch.

Nachdem 1675 die oberhalb von Hermsdorf gelegene Kynastburg durch einen Blitzschlag abbrannte, wurden der Familiensitz und die Güterverwaltung in das Vorwerk des Gutes Hermsdorf verlegt, bis 1712 das neue Schloss fertiggestellt wurde.

Das Schloss und der Gutshof

Bis 1945 gehörten das Schloss und die Güter den von Schaffgotsch. Danach wurde das Schloss als Schulgebäude genutzt. Im Schlosspark wurden Wohngebäude errichtet. Zurzeit wird das Schloss wohl umfassend saniert. 

Zamek Chojnik/Burg Kynast 

Die Kynast-Burg oberhalb von Schloss Hermsdorf war vermutlich Teil einer Grenzbefestigung der schlesischen Herzöge gegenüber Böhmen (das muss vor der Anlehnung der schlesischen Piasten-Herzöge an Böhmen ab dem Ende des 13. Jahrhunderts gewesen sein). 1364 wurde die Burg als „Kinast“ urkundlich erwähnt und 1381 dem Ritter Gotsche Schoff als Lehen gegeben. Zu dem Lehen gehörten neben HerBurmsdorf auch die Güter und Orte Herischdorf, Petersdorf, Schreiberhau und Warmbrunn.

Nach einem Blitzschlag 1675 wurde die Burg nicht wiederaufgebaut. 


Evangelische Kirche in Hermsdorf (9)

Wie überall im Habsburger Schlesien wurden mit der Gegenreformation die evangelischen Kirchen geschlossen, Erst nach der Konvention von Altranstädt (1707) wurden die sogenannten Gnadenkirchen gebaut, u.a. in Hirschberg (s.o.). Sie war auch für die evangelischen Hermsdorfer lange Jahre die einzige Möglichkeit, an einem Gottesdienst teilzunehmen, weit entfernt. Erst 1742 wurde nach 87 Jahren ein erster evangelischer Gottesdienst in Hermsdorf abgehalten. Kurz davor erhielten sie auch die Genehmigung zum Bau einer Kirche (wie in Bad Warmbrunn, Schlesien war von Preußen erobert worden).Die wurde 1745 gebaut, als Bethaus ohne Turm. 

Das Bethaus mit  Empore

Nach 1946 wurde das Bethaus eine katholische Kirche, Pfarrkirche zum Heiligen Herz Jesu.

Schloss Wernersdorf/Palac Pakoszowie (10) 

Ursprünglich gehörte der Landsitz in Wernersdorf/Pakoszów im Zacken-Tal den Grafen von Schaffgotsch. Ab 1725 war der Schleierherr Johann Martin Gottfried (späterer Bürgermeister von Hirschberg und Kirchenvorstand der Gnadenkirche) Eigentümer. Er ließ den Landsitz zu einem Barockschloss umbauen, mit Barocksaal und Wohnräumen im Obergeschoss, Leinen-Lager im Erdgeschoss und Bleiche auf dem Grundstück vor Haus. Gottfried war der Schwiegersohn des Leinenhändlers Christian Menzel, Eigentümer von Schloss Lomnitz. 

Später wurde ein anderer Scheierherr,  Heinrich Hess, (er heiratete die Enkelin von Johann Gottfried) Eigentümer und betrieb hier bis 1856 einen Leinenhandel.  Nach ihm wurde das Schloss die „Hess´sche Bleiche“ genannt. 

Schloss Wernsdorf

2005 kauften die Enkel des 1945 enteigneten Eigentümers (bis dahin waren die Nachfahren der Familie Hess Eigentümer) das Schloss zurück und ließen es als Hotel umbauen. Die Ausmalung des Barocksaals im Obergeschoss erfolgte durch den Dresdener Maler Christoph Wenzel, der auch die Kuppel der Dresdener Frauenkirche ausgemalt hat.  


Nach den beiden Schlössern fahre ich über Bad Warmbrunn zurück nach Hirschberg. In Bad Warmbrunn komme ich an dem gerade stattfindenden Wochenmarkt vorbei. Händler, Marktfrauen, Gartenbesitzer verkaufen ihr Obst und Gemüse. Es ist Zwetschgen-Zeit und ich kaufe mir eine Tüte zum Naschen.


Zu dem Bericht gibt es ein Fotoalbum: