Unsere
Kreuzfahrt WesteuropaMai 2019
6. Etappe Brügge
- Landgang Brügge 13. Mai
Stadtrundgang und Grachtenfahrt
Exkurs: Belgische Geschichte
Landgang Brügge Montag 13. Mai
Die Wetterlage war für Brügge mit
12 Grad und teilweise Sonnenschein angekündigt. Das war zwar nicht warm, aber
für den Stadtausflug gerade richtig. Und wenigstens kein Regen.
Angelegt hatte das
Kreuzfahrtschiff am Morgen in Zeebrügge (französische und offizielle
Schreibweise, deutsch: Seebrügge), dem Hafen von Brügge. Zeebrügge gehört zur
Stadt Brügge (anders als der Hafen von Porto, Leixõnes, der zur Stadt
Matosinhos gehört).
Das Schiff hatte einen
Bus-Shuttle angeboten, den wir nutzen wollten. Aber es dauerte. Die Busse waren wohl alle zusammen gerade
abgefahren (man hätte die Busse ja auch zeitlich gestaffelt bestellen können).
Bis die wieder am Schiff sein würden, wäre eine Stunde vergangen. Also haben
wir uns am Hafenausgang ein Taxi rufen lassen. Mit dem haben wir auch die
Rückfahrt verabredet und es klappte.
Der Hafen Zeebrügge ist nach
Antwerpen und Gent der drittgrößte Hafen Belgiens (an anderer Stelle ist es der
zweitgrößte).
Der Bau des Überseehafens Zeebrügge
begann 1892, um der beginnenden Industrie einen Zugang zur Nordsee,
insbesondere für den Handel mit England zu schaffen.
Vom Hafen Zeebrügge wurde von
1896 bis 1905 auch der 12 Kilometer lange
„Boudewijnkanaal“
gebaut (der Kanal wurde 1951 nach dem damaligen König Boudoin benannt). Genutzt
wird er für den Binnenschiffsverkehr. Man könnte eigentlich auch vom
Kreuzfahrthafen mit einem Boot in die Innenstadt von Brügge fahren. Ich habe
aber kein solches Angebot gefunden (nur für Kreuzfahrer lohnt sich das wohl
nicht).
Brügge ist die Hauptstadt der belgischen Provinz Westflandern.
120.000 Einwohner.
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Am Grote Markt |
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Am Grote Markt |
Etwa zu der Zeit entstand auch der Messeplatz Leipzig (Schutzbrief von
1165, dass im Umkreis von 1 Meile – 12 km – keine für die Stadt abträglichen
Jahrmärkte abgehalten werden durften).
1409 wurde in Brügge die erste Börse gegründet. Es handelte sich
um eine Wechselbörse für die
Fernhändler in der Stadt Brügge. Wechsel waren übertragbar und damit handelbar.
Brügge war ein Zentrum des europäischen Fernhandels.
Die erste
Börse in Deutschland entstand erst ein halbes Jahrhundert später 1549 in
Augsburg als Währungsbörse (Tausch von Währungen).
Ab
dem 13. Jahrhundert war die Hanse in
Brügge vertreten.
Hier war eines der vier Hanse-Kontore (neben
dem „Peterhof“ im russischen Nowgorod, der „Deutschen Brücke“ im norwegischen Bergen und dem „Stalhof“ in
London). Es bestand eine Zwangsmitgliedschaft für alle aus den Hanse-Städten in
Brügge tätigen Kaufleute.
Anders als in den anderen Kontor-Städten
waren die bis zu 1.000 Kaufleute nicht in einem Kontor-Gebäude untergebracht,
sie hatten eigene Häuser (auch weil eine exterritoriale Siedlung nicht
genehmigt wurde).
Versammlungsort
der Hanse war der Remter (Refektorium
– Speisesaal) des Karmeliterordens
in Brügge. Das Kloster bestand ab 1258 an der Ezelstraat (nördlich des
Zentrums). 1579 wurde es von Calvinisten zerstört.
Das Verhältnis zwischen der Stadt Brügge und
der Hanse war nicht immer ungetrübt. Die Hanse verhängte mehrmals ein Handelsboykott
gegen Brügge, um ihre Privilegien (von 1252 und 1253) zu erhalten.
1520 wurde das Kontor nach Antwerpen verlegt.
An die Hanse-Kaufleute in Brügge erinnert noch der Oosterlingenplein (zwischen den Kanälen Gouden-Handrei und Spiegelrei – nördlich des Zentrums). Osterlinge waren die Leute aus dem Osten, aus Deutschland.
Brügge
wurde im 14. Jh. Residenzstadt,
als die Grafschaft Flandern mit dem französischen Herzogtum Burgund vereint wurde.
Residenzstadt bedeutete, das der Herzog und
sein Hof (im Jahr 1474 waren das mindestens 600 Personen) zeitweilig hier (auf
der Burg, später im Prinzenhof) residierten (sie reisten, wie damals üblich, in
ihrem Herrschaftsgebiet umher). Das förderte die wirtschaftliche und kulturelle
Entwicklung Brügges zu einer der reichsten Städte Europas.
Durch Heirat kam Burgund zum Haus Habsburg.
Der spätere römisch-deutsche Kaiser
Maximilian I. heiratete 1477 Maria von
Burgund und wurde „lure uxoris“ Herzog von Burgund – „aus dem Recht der
Ehefrau“. Er war also mehr als nur „Prinzgemahl“, wie Prinz Philip in England. In einigen
Ländern war es sogar so, dass der angeheiratete Monarch bei einer Scheidung
Titel und Macht behielt, während die geschiedene Ehefrau (die den Titel in die
Ehe gebracht hatte) ihren Status verlor.
Die Gleichberechtigung war noch in weiter
Ferne.
Nach der Versandung des Hafens mied der
Burgundische Hof die Stadt.
Exkurs: Belgische
Geschichte
Die Geschichte von Belgien beginnt 1830.
1815 schuf der Wiener Kongress
das Vereinigte Königreich der
Niederlande, bestehend aus den nördlichen Niederlanden (ehemals Republik
der sieben vereinigten Provinzen, dann Batavische Republik, dann Königreich
Holland) und den südlichen Niederlanden (ehemalige Österreichische Niederlande
- heute Belgien). König wurde Wilhelm I. aus dem Haus Oranienburg-Nassau (er
war auch: Fürst von Fulda, Fürst von Corvey, Graf von Dortmund, Herzog von
Limburg und Großherzog von Luxemburg).
Der protestantische Wilhelm I. wollte den teilweise französisch
sprechenden und katholischen Süden im holländischen, sprich protestantischen, Sinn umgestalten. Dies führte zu
Auseinandersetzungen, die 1830 eskalierten.
Innerhalb weniger Wochen führte ein Aufstand zur Aufteilung des Vereinigten Königreichs in zwei Staaten.
Die südlichen Niederlande (Wallonien, Flandern und Lüttich) begründeten
den neuen Staat Belgien. Der Name „Belgien“
knüpfte an den Namen der römischen Provinz „Gallia Belgica“ an.
Im Jahr der Unabhängigkeit wurde ein Nationalkongress gewählt, für den
aber nur etwa 46.000 steuerzahlende oder
akademische, männliche Bürger über 25 Jahre (1 – 2 % der Bevölkerung)
wahlberechtigt waren. Der Nationalkongress entschied sich für eine parlamentarische Monarchie.
Zum neuen „König der Belgier“
wurde der deutsche Prinz Leopold von Sachsen-Coburg und Gotha gewählt.
1920 - im 1. Weltkrieg waren Deutschland und Belgien Gegner gewesen - änderte der belgische König Albert I. seinen Namen in
„von Belgien / de Belgique / von Belgié“ (3-sprachig).
Französisch wurde als Amtssprache bestimmt, auch für die niederländisch
sprachige Bevölkerung. Eine einheitliche Sprache sollte die verschiedenen
niederländischen und französischen Dialekte ablösen.
Der Katholizismus wurde Staatsreligion der Monarchie, die überwiegende
Mehrheit der Belgier war damals katholisch.
Ein kompliziertes
Staatsgebilde ist entstanden
Ende des 19. Jh. begann eine flämische Bewegung gegen die
Unterdrückung der niederländischen Sprache. Sie konnte eine Zweisprachigkeit an den
Schul-Sekundarstufen erreichen. Dagegen wiederum
gab es Widerstand.
Hinzu kam die Befürchtung der Wallonen, von den bevölkerungsstärkeren
Flamen bevormundet zu werden.
Auch soziale Unterschiede spielten eine Rolle. Das agrarische Flandern war weitgehend konservativ-katholisch.
Das industriell geprägte Wallonien
hatte eher antiklerikale und
sozialistische Tendenzen.
Nach dem 2. Weltkrieg verstärkten sich die Gegensätze. Ein Grund war
die Veränderung der wirtschaftlichen
Strukturen. Das industrielle Wallonien verlor, das ehemals ländliche
Flandern gewann durch Dienstleistungen und neue (Petro-)Industrie an der Küste.
Die Folge war, dass die Regionen mehr individuelle Zuständigkeiten
einforderten. Es folgen mehrere Staatsreformen, die aus Belgien einen föderalen Staat machen, mit
komplizierten Strukturen.
Neben der Zentralregierung
gibt es drei Sprachengemeinschaften
(flämische, französische, deutsche) und drei
Regionen (Flämische Region, Wallonische Region, Region Brüssel).
Regionen und Gemeinschaften haben jeweils
ihre eigenen Parlamente und Regierungen mit eigenen
Zuständigkeiten (nur für Flandern haben Region und Gemeinschaft eine gemeinsame
Regierung).
Die Gemeinschaften haben das Gestaltungsrecht für alle natürliche Personen
betreffende Angelegenheiten (Bildung, Kultur, Medien, Soziales).
Die Regionen sind für ortsgebundene Angelegenheiten zuständig
(Raumordnung, Wirtschaft, Verkehr).
Föderale Gesetze, regionale und gemeinschaftliche Dekrete haben den
gleichen Rang.
Die Politischen Parteien sind jeweils nur für ihre Sprachgruppe aktiv. Es gibt nur
flämische oder wallonische Parteien.
Die Medien sind auf die jeweiligen Sprachgebiete begrenzt. Das gilt
auch für den öffentlichen Rundfunk.
Die Ortsnamen an den Autobahnen und die Ansagen auf Bahnhöfen sind
jeweils nur einsprachig (Lüttich ist z.B. je nach Landesteil als „Liége“ oder „Luik“
ausgeschildert. Das muss man wissen, wenn man durch Belgien fährt).
Debatten finden jeweils nur innerhalb der Sprach-Region statt, eine
übergreifende landesweite Diskussion fehlt fast vollständig. Das führt auch zu
schwierigen und langwierigen Zentralstaat-Regierungsbildungen.
Brügge
Stadtrundgang:
Das Taxi brachte uns bis zum Marktplatz (Grote
Markt).
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Denkmal für Jan Breydel und Pieter de Conick |
Im Mittelalter
war der Markt noch mit dem Schiff erreichbar.
Auf dem
Marktplatz erinnert ein Denkmal an
Pieter de Coninck und Jan Breydel. Sie waren Anführer des Aufstands gegen
die französische Besatzung.
Die Grafschaft Flandern war bis zum 15. Jh.
größtenteils französisches Lehen, u.a. auch Brügge. Ende des 13. /Anfang des
14. Jh. kam es zu Konflikten zwischen Flandern (Adel und Bürger gleichermaßen)
gegen die französischen Beamten und die Militärgarnison. Coninck und Breydel waren Anführer eines der Aufstände, die aber
niedergeschlagen wurden.
Der Provinciaal Hof mit dem Provinzialratsaal
war der Sitz der Provinzialregierung von Westflandern. Ursprünglich stand hier
ein Hafengebäude (1294, 1787 abgerissen, da Schiffe nicht mehr fahren
konnten). Danach wurde das jetzige
neoklassizistische Gebäude für den Provinzialrat errichtet, der es bis 1999 nutzte.
Es dient jetzt nur noch repräsentativen Zwecken.
Die Tuchhallen am Grote Markt waren die
damaligen Markthallen in denen die Tuche gestapelt und gehandelt wurden. An die
im 13. Jahrhundert errichteten Hallen wurde der 84 Meter hohe Belfort angebaut. Er demonstriert die
wirtschaftliche Kraft und Macht der Stadt.
Belfort |
Der Belfort in Brügge, wie wir ihn sehen,
stammt aus dem Ende des 15. Jahrhunderts, die hölzerne Turmspitze wurde 1822
durch eine steinerne Krone ersetzt. Zu Beginn (Anfang 13. Jh.) war der Turm
ganz aus Holz.
Der Turm kann
über 388 Treppenstufen bestiegen werden, mit dem besten Blick auf Brügge
(zugänglich ist nur die Höhe des Glockenspiels, das sind „nur“ 366 Stufen).
Wir wollten den Belfort
ersteigen. Aber um hoch zu gehen, hätten wir weit über eine halbe Stunde stehen
müssen. Was schön ist, wollen alle Touristen erleben. Da gilt es abzuwägen. Zu
stehen und zu warten oder weiterzugehen und zu sehen. Wir entschieden uns immer
für letzteres.
Die Tuchhallen waren wie der Belfort anfänglich
aus Holz errichtet. In der heutigen Form stammen sie von 1420.
In Leipzig
geht der Name des Gewandhaus-Orchesters
auf die (zweite) Spielstätte des von Leipziger Kaufleuten gegründeten
Orchesters im Messehaus der Tuchwarenhändler (Gewandhaus) 1781 zurück
(gegründet 1743 an anderer Stelle).
In Braunschweig
diente das am Altstadtmarkt stehende Gewandhaus als Lager-, Verkaufs- und
Gildehaus der Gilde der Gewandschneider. In der gotischen Halle und den
angrenzenden Gebäuden sind zwei Restaurants und die IHK untergebracht.
Im niederländischen Leiden heißt das Tuchhaus von 1640 Lakenhal. Heute ist in dem Gebäude ein Museum.
Vom Grote Markt haben uns die
Banner der Heiligblutprozession in
die Steenstraat gelockt. Große
Fahnen waren über die ganze Straße gespannt.
Die Prozession
ist jedes Jahr am Feiertag Christie-Himmelfahrt (dieses Jahr am
30. Mai) und
die Prozessions-Straßen waren schon mit großen Transparenten
geschmückt.
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Steenstraat mit Prozessions-Fahnen |
Seit 1291 wird
an jedem Himmelfahrts-Tag die Reliquie mit den Tropfen vom Blut Jesus (so der
Glaube) durch die Straßen von Brügge getragen. Die Reliquie hatte der Graf von
Flandern aus dem Heiligen Land mitgebracht und der Stadt geschenkt. Aufbewahrt
wird sie in der Heilig-Blut-Basilika.
Der Umzug ist
wohl auch eine große Touristenattraktion. Bis zu 2.000 Männer, Frauen und
Kinder spielen während der Prozession Szenen aus dem Alten und Neuen Testament
und aus der Stadtgeschichte. Pfarreien der Stadt, Handwerkergilden und
Burschenschaften ziehen in historischer Kleidung durch das mittelalterliche
Brügge.
Von der Steenstraat aus ist der hohe Turm der Sint
Salvatorskathedraal (St.-Salvator-Kathedrale) zu sehen.
Die Kathedrale
war bis zur Neugründung des Bistums Brügge eine Pfarr- und Kollegiatstiftkirche
(weltliches Chorherrenstift). Der Kirchenbau begann um 1280. Erst im 17.
Jahrhundert wurde das Langhaus fertiggestellt. Der Turm erhielt seine jetzige
Form erst, nachdem Sankt Salvator 1834 Bischofskirche und Kathedrale in der Nachfolge von Sint Donaas wurde.
Katholische Bischofskirche
war davor die Sint-Donaaskathedraal (Heiliger Donatian von Reims). Sie entstand
im 10. Jahrhundert als Kirche der Brügger Burg. In der Zeit der Französischen
Revolution, die auch in die Niederlande hinein wirkte (Gründung der Batavischen
Republik 1795, die unter französischem Einfluss stand), wurde die Kirche als
Nationalgut verkauft (so wurde konfisziertes Kircheneigentum bezeichnet) und ab
1799 abgerissen. Die Steine wurden (wie auch im revolutionären Frankreich
üblich) für den Bau von Häusern, Brücken
und Straßen verwandt.
Von der Steenstraat sind wir in die Straße Oude Burg (Alte Burg) gewechselt, mit dem Ziel Burgplatz. Sehr schön erhaltene historische Giebel-Häuser.
Die „Oude
Burg“ führt an den Lauben der Tuchhallen vorbei. Der Eingang zum Innenhof der
Tuchhallen mit dem Belfort ist am Markt. Den Abschluss bilden die Lauben unter
der Tuchhalle, die an der „Oude Burg“ liegen.
Der Marktplatz
und der Burgplatz liegen dicht nebeneinander.
Von der Burg ist nur noch der Burgplatz übrig geblieben.
Die Burg hatte im 9. Jh. der erste Markgraf von Flandern zum
Schutz vor den Normannen (Wikinger) errichtet. Er hatte Flandern (das war
damals das Gebiet um Brügge) als Lehen des westfränkischen Königs und Kaisers
Karls des Kahlen erhalten (der Gleiche, der den Normannen die Normandie zur
Besiedlung gab).
Die Grafen von Flandern verließen im 14. Jh. die Burg am Burgplatz.
Ihre neue Residenz wurde der Prinsenhof, heute das Hotel Dukes´Palace (Prinsenhof
8).
Vom Stadthuis (Rathaus)
wird die Stadt seit über 600 Jahren verwaltet. Der Bau erfolgte 1376 bis 1420 (Stadtrecht
bekam Brügge 1127). In der Zeit war Brügge eine reiche Stadt und wichtiges Handelszentrum.
Interessant
sind der Gotische Saal (ehemaliger Sitzungssaal des Magistrats) mit Wandmalereien,
um 1900 entstanden, und der historische Saal.
Das
„Gegenstück“ zum Rathaus ist das Landeshaus der Brugse Vrije (Brügger Freiamt).
Von diesem Landeshaus wurde früher das Brugse Vrije regiert. Später (ab 1795)
war es das Gerichtsgebäude in dem die Schöffenkammer tagte. Heute ist hier das
Stadtarchiv untergebracht.
Brugse Vrije |
Die Regionen (Kasselrij - Kasselreihen genannt – es gab vier
in der Grafschaft Flandern) hatten Verwaltungs-, Militär- und Gerichtsaufgaben.
An der Spitze stand ein vom örtlichen Adel gewählter Vizegraf (Viscount, Burggraf)
als Vertreter des Grafen. Es war eine geliehene Funktion in Abhängigkeit vom
Grafen von Flandern.
Die Stadt Brügge gehörte bis zur Verleihung des Stadtrechts
1127 zur Brugse Vrije.
Die Brugse Vrije bestand bis zur französischen Herrschaft
1795 (Batavische Republik).
Das Verwaltungsgebäude der Brugse Vrije am Burgplatz wurde
Mitte des 14. Jh. gebaut, nachdem die Grafen von Flandern ihre Residenz am Burgplatz verlassen und in den
Prinsenhof gezogen waren. Es wurde später mehrfach erweitert.
Diederik von Esaß,
Graf von Flandern (1128 – 1168),
ließ 1149 eine Doppelkapelle bauen.
Unten
errichtete er die Kapelle des Heiligen Basilius (griechischer Kirchenlehrer des 4. Jh.) für
Reliquien des Heiligen, die aus Cesarea, heute Türkei, stammen sollen.
Auf die Basilius-Kapelle wurde die Kapelle
des Heiligen Blutes gebaut, 1790 zerstört, im 19. Jh. wiederaufgebaut, seit
1923 Basilika minor. Sie verwahrt eine Reliquie mit dem (angeblich) Blut Christi.
Dietrich von Elsass soll die Reliquie aus dem Zweiten Kreuzzug nach Jerusalem
(1147 bis 1149) mitgebracht haben.
Gegenüber dem
Rathaus ist die Residenz des
Provinzgouverneurs von Westflandern. Bis zur französischen Revolution war das
Gebäude die Residenz der Brügger Bischöfe.
Der Gouverneur ist der Vertreter der (flämischen) Regionalregierung mit
eigenen Rechten und Zuständigkeiten und er leitet die Provinzverwaltung
(entsprechend den Beschlüssen des gewählten Provinzialrates).
Wie es sich für eine (konstitutionelle) Monarchie „gehört“, hat die
Residenz auch eine „Königliche Suite“. Winston Churchill und andere Staatsgäste
übernachteten hier.
Nach den Besichtigungen am
Marktplatz und Burgplatz kam jetzt eine „Ruhepause“ in Form einer Grachtenfahrt.
Vom Rozenhoedkaai aus schipperten wir in einem kleinen Boot durch
Brügge, über die Grachten Dijver, Groenerei, Sint-Annarei, Spiegelrei.
Am Ende des Spiegelrei ist der Jan van Eyckplein mit dem Denkmal des
Brügger Malers Jan van Eyck.
Mit dem Boot waren wir in die
Nähe der „deutschen Siedlung“, der Oosterlingenplein gekommen, die etwas
nördlich des Spiegelpleins verläuft (s.o. Hanse).
Jan
van Eyck (1390 – 1441) war ein
flämischer Maler des Spätmittelalters. Er gilt als Begründer der
altniederländischen Malerei, eine naturalistische Kunstepoche. Sein
bekanntestes Werk ist der Genter Altar.
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Grachtenhäuser |
Ein deutsches Beispiel ist die Stadt
Friedrichstadt in Schleswig-Holstein, 1521 von niederländischen Remonstranten
(in den Niederlanden verfolgte evangelische Glaubensrichtung), gegründet.
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Grachtenhäuser |
Der Rozenhoedkaai
erhielt seinen Namen von den
Rosenkränzen, die dort im 18. Jh. verkauft wurden.
Von hier aus blickt man auf den Brügger
Bergfried, Rathaus und Heilig-Blut-Basilika.
Nach dieser schönen Grachtenfahrt
ging es zu Fuß weiter. Das Arentshuis war unser nächstes Ziel. Theoretisch
hätten wir auch mit einem Boot den Dijver weiter hinunter fahren können. Das Arentshuis, die Liebfrauenkirche und das Gruuthuis
liegen alle südlich vom Zentrum in der Nähe des Dijver (der ist Teil des
ursprünglichen Flusses Reie).
Heute
beherbergt das Haus ein Museum.
Im Garten
stehen vier apokalyptische Reiter des flämischen Künstlers Rik Poot als
sinnbildliche Darstellung von Krieg,
Tod, Revolution und Hunger.
Brücken-Ansicht |
Die Gruuthuse
waren Kaufleute, die das Monopol auf den Verkauf des „Gruuts“ hatten und damit
reich wurden.
Gruuts war eine Kräutermischung, die dem
Bier Geschmack gab, bevor Hopfen hinzugefügt wurde. Im 14. bis 15. Jh. war das weit verbreitet.
Der Palast der Gruuthuse stammt aus dem 15.
Jahrhundert.
1471 bekam der englische König Eduard IV. in
dem Palast Zuflucht, als er im „Rosenkrieg“ (zwischen den englischen
Adelshäusern York - weiße Rose im Wappen - und Lancaster - rote Rose im Wappen)
aus England fliehen musste.
Ende des 16.
Jh. kaufte der spanische König Philipp II. (Die südlichen Niederlande –
heutiges Belgien – gehörten zu Spanien) das Haus und vermachte es dem Gründer des Mont Piété. Ende des 19. Jh. kaufte die Stadt Brügge das Anwesen
und errichtete darin ein Museum (u.a. Darstellung der Haus-Einrichtung einer
reichen Familie im Spätmittelalter).
Mont
Piété – Berg der Frömmigkeit –
war eine Wohltätigkeits-organisation, die im 15. Jh. entstand. Sie wandte sich
gegen die damaligen Geldverleiher und ihre Wucherzinsen. Ein „Monte“, Berg an
Geld, wurde aus Spenden angesammelt und gegen moderate Zinsen verliehen, z.T.
als Pfandleihe. Solche Einrichtungen gab es in Italien, England, Brüssel und
Malta.
Die
Liebfrauenkirche Onze Lieve
Vrouw ist ein fünfschiffiger Kirchenbau, 1210 bis 1480 gebaut. Der 116 Meter (andere: 122 Meter) hohe Backsteinturm ist
weit sichtbar, es ist das höchste Gebäude Brügges.
An klaren Tagen soll man nach Erklimmen der
366 Treppenstufen des Turms die Nordsee
sehen. Aber wahrscheinlich ist es damit wie bei einer Brocken-Tour im Harz (für
Fremde: Mittelgebirge in Niedersachsen), bei schönem Wetter sieht man
Braunschweig. Aber es ist selten schönes Wetter.
Wir sind die Stufen nicht hinauf gestiegen.
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Madonna mit Kind von Michelangelo |
Ursprünglich hatte Michelangelo die Madonna 1501 bis 1506 zusammen mit
anderen Skulpturen für Francesco Piccolomini (den späteren Papst Pius III.)
angefertigt. Der wollte im Dom von Siena für sich und seine Familie einen Altar
errichten. Michelangelo erfüllte seinen Vertrag nur teilweise. Die Madonna verkaufte
er an zwei Brügger Kaufleute, die sie für eine Altarstiftung in der Brügger
Liebfrauenkirche erwarben. Der Grund Michelangelos ist unklar. Man weiß nicht,
ob ihm der Platz im Dom von Siena nicht gefiel oder ob er von den Kaufleuten
einen besseren Preis erzielen konnte.
Zwischendurch musste die Madonna mit Kind zweimal „umziehen“.
Während der Französischen Revolution kam sie für kurze Zeit nach Paris. 1944
wurde sie von der deutschen Besatzungsmacht beschlagnahmt, man kann auch sagen
geraubt. In Österreich wurde sie in einem Bergwerk gesichert, um später in ein
geplantes Museum „des Führers“ in Linz gebracht zu werden. 1945 kehrte sie nach
Brügge zurück.
Auf dem Weg zum Beginenhof haben
wir kurz in die Brauerei De Halve Maan auf ein Bier „Brugse zot
– Narr“ hineingeschaut. Ursprünglich hatte ich die Brauerei als „halber Mann“
bezeichnet. Aber „Zum Halbmond“ ist
richtig. Der Familienbetrieb braut hier seit 1856 Bier.
Nach der Brauerei kam der
„Schlussspurt“: Beginenhof, Schleusenhof, Minewaterpark. Über die Kateljnestraat und die Olde Burg sind wir
zurück zum Grote Markt gegangen.
Der
Beginenhof Begijnhuisje umfasst eine
Kirche und etwa dreißig Häuser in einer weitläufigen Anlage. Begründet wurde
er 1245 von der christlichen
Gemeinschaft der Beginen. Beginenhöfe gibt/gab es hauptsächlich im belgischen
Flandern und in den Niederlanden.
Begijnhuisje |
Die männlichen Gemeinschaften waren die
Begarden.
In der Entstehungszeit gab es in vielen
europäischen Ländern Gemeinschaften der Beginen, in Köln im 13. Jh. etwa 1.250
Beginen in 25 Gemeinschaften.
Die Bewegung wurde 1311 von einem Konzil
verboten, mit Ausnahme von Flandern.
Heute gibt es
keine Beginen mehr. Der Beginenhof in Brügge wird seit 1937 als Kloster der
Benediktinerinnen geführt. Andere Beginenhöfe werden von Alten, Künstlern oder
Studenten bewohnt.
Der Sashuis (Schleusenhof) ist ein Beispiel der Wasserregulierung des
Kanalsystems. „Sas“ ist niederländisch
eine Kammerschleuse. Das Sashuis regelt den Wasserstand der innerstädtischen
Kanäle am Zufluss des Flusses Reie. Dabei dient das Minnewater (Middenwater – Schüssel) als Stau- und Ausgleichsbecken.
An der Kateljnestraat sind einige Beispiele
der Sozialfürsorge des Mittelalters.
An der Katelijnestraat ist das Godshuis Hertsberge aus dem 14.
Jahrhundert. Es wurde als Wohnsitz für arme Beginen gestiftet. „Hertsberge“ ist der Name der Stifter. Es ist
eine Gruppe von 7 Häusern, die um einen Hof gruppiert sind. Zur Straßenseite
ist der Hof durch ein barockes Tor zugänglich.
Als Godshuis (Gotteshaus)
wurden Einrichtungen für Arme,
Kranke, Alte und Waisen bezeichnet, die „um Gottes willen“ oder „für einen Gotteslohn“ betreut wurden.
Sie wurden meist von wohlhabenden Bürgern oder Handwerksgilden gegründet. Die
meisten stammen aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Brügge war eine
reiche Stadt, aber viele Menschen lebten in Armut, insbesondere Alte und
Witwen. Es waren die Sozialwohnungen der damaligen Zeit.
Heute sind noch 42
Godshuizen mit 260 Wohnungen von älteren Menschen bewohnt.
Neben dem Hertsberge-Haus ist das
Godshuis De Generaliteit
(Allgemeinheit). Es sind 5 an der Straße gebaute Häuser. Ursprünglich wurden
hier Unheilbare und Geisteskranke untergebracht.
Im 19. Jh. war die Einrichtung auf
Bürgerspenden angewiesen. Als Dank für Spenden wurden die Schüler nach dem Tod des Spenders zur
Begleitung des Trauerzugs ausgeliehen, wobei die Zahl im Verhältnis zu der
Großzügigkeit des Spenders oder seiner Familie stand.
Vom Grote Markt sind wir von dem verabredeten Taxi pünktlich abgeholt
und zum Schiff zurückgebracht worden. Nicht ohne die Wartezeit nicht nur vor dem
„Chocolatier“ zu verbringen. Es soll in Brügge mehr Schokoladengeschäfte als
Apotheken geben.
Die Informationen stammen meist aus Artikeln im Internet, ohne einzelne Zitierung.
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