Mauerpark und Bronzekopf
Berlin erkunden - Prenzlauer Berg
Juni 2021


Die Idee zu diesem Stadtteil-Besuch entstand durch das 
„Stadtspiel: Rätsel lösen – Sehenswürdigkeiten finden“  
das uns unsere Tochter schenkte.

Der Nachteil des Spiels ist allerdings, dass sich die Bezugspunkte im Laufe der Zeit verändern. Die Erläuterung zu der Plastik am Helmholtz-Platz gibt es nicht mehr, die notwendigen Laternen am Konnopke’s Imbiss haben wir nicht zusammenbekommen und die Erläuterung am Wasserturm haben wir zumindest nicht gefunden.

Mit dem Komoot-Routenplaner habe ich die Stadtspiel-Führung nachverfolgt und weitere Sehenswürdigkeiten entdeckt und eine eigene Tour entwickelt.

        Über Google waren die Informationen zu den Touren-Stationen                schnell gefunden. Die Erläuterungen stammen, wie auch bei meinen         anderen Reiseberichten, aus Wikipedia- und andern Internet-                   Artikeln, ohne Zitierung im Einzelnen.

Dieser Rundgang ist so angelegt, dass Start und Ziel mit der S-Bahn Linie S1 zu erreichen sind: S-Bahnhof Gesundbrunnen zum S-Bahnhof Bornholmer Straße.

Routenplan mit Wegepunkten:


12,5 Kilometer
Die Wegepunkte in der Karte entsprechen den Ziffern im Text


Mit dem Rundgang erkunden wir den Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg.

Prenzlauer Berg im Bezirk Pankow
165.000 Einwohner. 2001 wurde der 1920 gebildete Bezirk Prenzlauer Berg mit den Bezirken Weißensee und Pankow zum neuen Bezirk Pankow zusammengelegt.

Der Name Prenzlauer Berg stammt von der Ausfallstraße zu der 80 Kilometer entfernten uckermärkischen Stadt Prenzlau (bei meiner Ostsee-Radtour im August werde ich Prenzlau besuchen). Noch um 1800 befanden sich im Gebiet des Prenzlauer Bergs nur Ackerflächen und Windmühlen.  Die Berliner Bebauung beschränkte sich damals auf das Berliner Urstromtal. Die „Berge“, Ausläufer des nördlichen Barnimer Höhenzugs, lagen vor der Stadt.

1829 – 1839 wurde das Gebiet des Prenzlauer Bergs nach Berlin eingemeindet. Die Flächen gehörten wenigen Grundbesitzern, deren Namen wir bei dem Rundgang mehrfach begegnen: Bötzow (Bötzowviertel), Griebenow (haben die Kastanienallee und die Pappelallee angelegt), Büttner (der Jüdische Friedhof an der Schönhauser Allee war Büttnerscher Besitz). Sie besaßen oder erwarben große Landwirtschaftsflächen, parzellierten und erschlossen sie und wurden damit reich. Das war nicht nur hier so. Der Ortsteil Lichterfelde im Bezirk Steglitz-Zehlendorf wurde von Wilhelm von Carstenn ab 2865 als Villenkolonie entwickelt. Gebaut wurden in Prenzlauer Berg überwiegend fünfgeschossige Wohngebäude in geschlossener Blockbauweise. Die Blöcke haben eine große Grundstücktiefe mit zahlreichen Hinterhöfen.
           
Die Gebäudehöhe war in der Berliner Bauordnung geregelt. Darin ist die „Berliner Traufhöhe“ mit 22 Meter vom Boden bis zur Dachkante festgelegt.  Das entspricht der Breite der damaligen Straßenplanung. Die Häuser durften nur so hoch sein, dass bei einem Brand umstürzende Gebäudefassaden die gegenüberliegenden Gebäude nicht beschädigten.

In den 1870er Jahren wuchs Berlin. Die Bevölkerung stieg von 800.000 auf über 1 Million. 1910 waren es über 2 Millionen (Berlin war die sechstgrößte Stadt der Welt, heute Rang 68 der Millionenstädte). Das älteste noch vorhandene Gebäude im Prenzlauer Berg ist in der Kastanienallee 77, gebaut 1852 bis 1853 (Station 8 unseres Rundgangs).

Die S-Bahnstationen im Bezirk sind Schönhauser Allee, Greifswalder Straße, Landsberger Allee, Storkower Straße (Ringbahn S 41 und S 42), Bornholmer Straße (S 1).

Start S-Bahnhof Gesundbrunnen

Umsteigebahnhof (Nordkreuz) für den Personennah- (S-Bahn, Ringbahn, U-Bahn, Regionalbahn) und -fernverkehr (ICE, IC). 130.ooo Menschen nutzen den Bahnhof täglich (Stand 2016).
1872 wurde der Bahnhof zusammen mit der Ringbahn (Nahverkehrsring innerhalb Berlins) eröffnet.
Nach der Wende wurde der Bahnhof 1995 bis 1997 erneuert. Gleichzeitig wurde ein Einkaufszentrum neben dem Bahnhof gebaut.


Vom S-Bahnhof Gesundbrunnen im Bezirk Mitte gehen wir die Swinemünder Straße, Gleimstraße und Graunstraße zum Prenzlauer Berg.
  
Institut St. Philipp Neri und St. Afra (2)
Es ist eine wohl nur wenigen bekannte Einrichtung, der wir gleich zu Anfang in der Graunstraße begegnen. So lange gibt es sie auch noch nicht. 2003 wurde das Institut gegründet, dass die traditionalistische Glaubensrichtung in der Katholischen Kirche erhalten will. Philipp Neri war ein bedeutender Vertreter der Gegenreformation des 16. Jahrhunderts. In der Kirche wird die Messe nach lateinischem Ritus gefeiert.
Kirche St. Afra
Ende des 19. Jahrhunderts unterhielten hier die „Grauen Schwestern der Heiligen Elisabeth“ ein Heim für gefährdete Frauen und Mädchen und benannten es nach der Heiligen Afra, einer bekehrten Prostituierten und Märtyrerin (3. Jh. in Augsburg).

Der französische Außenminister und Ministerpräsident Robert Schumann (1888 – 1963) wohnte als Student 1905/1906 in dem Kloster. Eine Bronze-Tafel der Katholischen Studentenvereinigung Unitas, der er angehörte, erinnert daran.

Robert Schumann war nach dem 2. Weltkrieg Finanzminister, Außenminister, Justizminister und Ministerpräsident Frankreichs. 1950 entwickelte er den „Schumann-Plan“, der zur Gründung der „Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl“ führte und den Beginn der Europäischen Einigung bedeutete.

Schumann wurde in dem damals zu Deutschland gehörenden Luxemburg geboren. Die französische Staatsangehörigkeit bekam er 1919 in Elsass-Lothringen, das nach dem 1. Weltkrieg zu Frankreich kam.    


Von der Lortzingstraße gegen wir über den Mauer-Spielplatz Richtung Mauerpark. An einem Birkenwäldchen auf dem ehemaligen Mauerstreifen vorbei kommen wir zur Max-Schmeling Halle. 

Max-Schmeling-Halle / Friedrich-Ludwig-Jahn Sportpark (3)

Geplant war die Halle für die Olympischen Spiele 2000. Doch Berlin wurde nicht Olympia-Stadt (Sidney in Australien gewann den Wettbewerb). Also plante man um und aus der
Max-Schmeling-Halle
Boxarena (daher der Name) wurde eine Mehrzweckhalle. 1996 wurde sie eröffnet.

Max Schmeling 
(1905 – 2005) war 1930 und 1931 Boxweltmeister im Schwergewicht und einer der populärsten Sportler Deutschlands.

Damit die Halle nicht zu wuchtig wirkt, wurde sie zu 2/3 in den Boden versenkt. Und auf dem Dach ist eine Photovoltaikanlage, die durchschnittlich 110 Haushalte mit Strom versorgen könnte.
Die Max-Schmeling-Halle und das Velodrom (s.u.) werden von einer Tochtergesellschaft des Berliner Facility- und Gebäudemanagement-Unternehmens Gegenbauer betrieben.

Am Mauerpark
Die Max-Schmeling-Halle wurde neben dem Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark gebaut.

Friedrich-Ludwig Jahn 
(1778 – 1852), als Turnvater Jahn bezeichnet, initiierte die deutsche Turnbewegung. Zweck des Turnens war für Jahn eine Erziehung zur Vorbereitung eines Befreiungskrieges gegen die napoleonische Herrschaft und gegen die deutschen Fürsten, denen er vorwarf, die Einheit und Freiheit der deutschen Nation zu verhindern.
1810 gründete er in der Hasenheide (damals bei Berlin, heute Bezirk Neukölln) den „Deutschen Bund zur Befreiung und Einigung Deutschlands“. Ein Jahr später gründete er den Berliner Turnverein. 1818 gab es in 150 deutschen Städten einen Turnverein.
Jahn war Nationalist, aber auch Antisemit. Dem Deutschen Bund durften nur „Männer deutscher Abstammung“ beitreten. Juden waren von der Mitgliedschaft ausgeschlossen.

Den Sportpark gab es schon zu DDR-Zeiten. Und die erste sportliche Nutzung war schon 1904, als erster Fußballplatz von Hertha BSC (damals BFC Hertha 1892). Davor „spielte“ die Preußische Armee hier. Das Gelände war seit 1825 der Exerzierplatz eines Grenadierregimentes, dessen Kaserne am Alexanderplatz stand. Das preußische Militär hatte das Gelände von Wilhelm Griebenow gekauft, der große Teile des heutigen Prenzlauer Bergs nur zwei Jahre vorher erworben hatte. Den Rest parzellierte er für Wohnbebauungen.


Freilichtbühne am Mauerpark
Die Max-Schmeling-Halle und das Jahn-Sportzentrum liegen unmittelbar am Mauerpark, durch den wir bis zur Bernauer Straße gehen.

Mauerpark (4)

1961 wurde West-Berlin von der DDR „eingemauert“, bis 1989 die Mauer fiel. Seit Ende 1990 ist das Areal an der ehemaligen Berliner Mauer eine Grün- und Freizeitanlage.

 



Bernauer Straße (5)

Die Straße erlangte große Bekanntheit durch spektakuläre Fluchtunternehmungen während des Baus der Mauer. Die Häuser gehörten zu Ostberlin, Fußweg und Straße waren Westberliner Gebiet. Noch während die Türen und Fenster zugemauert wurden, sprangen die Menschen aus den Fenstern. Später erfolgten Fluchtversuche durch Tunnel.

Mauer-Gedenkstätte

Mauer-Gedenkstätte (6)

An der Bernauer Straße/Schwedter Straße sind sehr schöne Neubauten entstanden. Informationstafeln erinnern an die Mauer-Zeit. Damals stand hier ein Podest, von dem man von Westberlin den Mauerstreifen beobachten konnte.
Das Dokumentationszentrum der Gedenkstätte Berliner Mauer liegt ein Stück weiter im Bezirk Mitte.


Wir gehen die Schwedter Straße bis zur Kastanienallee hinunter. Zwei Neubaukomplexe fallen auf, der Kastanienhof und der Marthashof. Ein ehemaliges Fabrikgebäude ist die Schwedter Höfe geworden, ein Gewerbehaus und Hotel.

Marthashof (7)

Ein Beispiel des Nachwende-Baus. Es wurde 2010 eine U-förmige Wohnanlage mit einer
Neben dem Marthashof
inneren Parkanlage errichtet. Zu DDR-Zeiten hatte der DDR-Computerhersteller Wohnbaracken für Mitarbeiter aufgestellt. Vor der Zerstörung im Weltkrieg unterhielt hier die Kaiserwerther Diakonie eine Herberge und Bildungseinrichtung für junge Dienstmädchen, den Marthashof. 


An der Kastanienallee gehen wir an dem ältesten noch erhaltenen Haus und vielen kleinen Kneipen und Restaurants vorbei. Die Straße ist gastronomisch mindestens so interessant wie die Gegend um den Kollwitzplatz und Wasserturmplatz. Japanische, chinesische, vietnamesische, libanesische, italienische, arabische Küche und mehr.

Ältestes Gebäude Kastanienallee 77 (8)

Hier steht das älteste noch erhaltene Haus des Prenzlauer Bergs.  Das Mietshaus wurde 1852 bis 1853 gebaut. 1992 wurde das Haus „besetzt“ und ist jetzt
Ältestes Haus in der Kastanienallee
ein Wohngemeinschaft-Projekt.

Prater-Garten(9)

Es ist der älteste Biergarten Berlins, 1837 als Bierausschank gegründet.


Natürlich darf Konnopke’s Imbiss unter der U-Bahn nicht fehlen. Man muss die Currywurst probieren. Aber – wir waren etwas enttäuscht. Die Wurst war ein bisschen blass. Die Currywurst am Kudamm 195 ist krosser.

Konnopke‘s (10)

Konnopke's Imbiss unter der U-Bahn
Seit 1960 gibt es hier den Imbiss, mit Currywurst und Ketchup nach eigenem Familienrezept.
Gegründet wurde das Familienunternehmen 1930 als Bauchladen. Ab 1939 durften aber wegen Fleischknappheit keine Würstchen mehr verkauft werden. Konnopke stellte auf Kartoffelpuffer um.
Von der Verstaatlichung blieb der Betrieb in der DDR verschont, er war klein genug. Allerdings gab es nach dem Mauerbau keinen Ketchup mehr. Die DDR hatte nicht nur ihre Leute eingesperrt, sondern auch den Ketchup ausgesperrt. Also stellte Konnopke auf Eigenproduktion um.


Gleich hinter Konnopke’s ist die nächste Berliner Institution, die Kulturbrauerei. 

Kulturbrauerei (11)

Kultur und Brauerei. Die Reihenfolge ist anders. Erst war die Brauerei und dann kam die Kultur (wenn man das Bierbrauen nicht als Teil unserer Kultur ansieht).
Kulturbrauerei
Bis 1967 wurde hier in der DDR-Zeit volkseigenes Bier gebraut (VEB, Volkseigener Betrieb Getränkekombinat Berlin). Davor war es eine der Brauereien der Berliner-Kindl-Schultheiss-Brauerei. Das erste Schultheiss-Bier (das damals noch nicht so hieß) braute 1842 der Apotheker Prell in Berlin-Mitte.

Nach der Wende 1990 übernahm die Treuhandanstalt das denkmalgeschützte Brauerei-Areal. Ein Jahr später wurde die „KulturBrauerei gGmbh“ zur kulturellen Nutzung der Gebäude gegründet. Heute gibt es Kinos, Theater, Diskotheken, ein Büro der New York Universität – und natürlich Kneipen und Restaurants.


Über die Knaakstraße erreichen wir den wohl bekanntesten Platz vom Prenzlauer Berg, den Kollwitzplatz. Sehr schöne Häuser rundherum. Es ist ja auch eine der teureren Wohngegenden Berlins.

Kollwitzplatz (12)

Der Platz ist nach der Graphikerin und Bildhauerin Käthe Kollwitz (1867 – 1945) benannt. Nach der Heirat mit dem Arzt Karl Kollwitz lebte sie von 1891 bis 1943 im Prenzlauer Berg
Kollwitzplatz
(Kollwitzstraße 56A). 1947 wurden die Straße und der Platz nach ihr benannt. Einer ihrer Arbeiten sind die Lithographien und Radierungen des Zyklus „Ein Weberaufstand“, den sie unter dem Eindruck von Gerhard Hauptmanns Drama „Die Weber“ geschaffen hat.

Auf dem Platz steht die von Gustav Seitz geschaffene Bronzeplastik nach einem Selbstbildnis von Käthe Kollwitz.


Fast gegenüber dem Kollwitzplatz ist der Wasserturmplatz. In dem Karree dazwischen ist die Synagoge an der Rykestraße. Wir sind hier auch in der Nähe des Jüdischen Friedhofs an der Schönhauser Allee. An der Rückfront des Friedhofs ist die Kollwitzstraße. Zwischen Friedhof und den Häusern an der Kollwitzstraße ist ein schmaler Fußweg, der Judengang. Es war Teil des Begräbnisgangs zwischen Synagoge und Friedhof.

Wasserturmplatz (13)

Auch dieser Platz war einmal ein Windmühlenberg, etwas höher gelegen als die
Wohnen am Wasserturmplatz
umliegenden Felder. Mitte des 19. Jahrhunderts wurden diese mit Wohngebäuden bebaut. Das Wasser wurde aus Brunnen geschöpft und musste in die Stockwerke hinaufgetragen werden. Um 1850 war Berlin die letzte europäische Großstadt, deren Bürger sich so mit Trinkwasser versorgen mussten.

1856 nahm das erste Wasserwerk Berlins seinen Betrieb auf. Es stand in der Nähe der heutigen Oberbaumbrücke. Aus der Spree wurde das Wasser entnommen und in Sandfiltern gereinigt. Gebaut hatte das Wasserwerk eine englische Gesellschaft, die eine Lizenz über 25 Jahre zur Versorgung Berliner Einwohner mit Wasser gegen Entgelt erhielt (der Berliner Magistrat wollte nicht selber investieren, später übernahm er aber doch die Wasserversorgung in eigene Regie). Dafür musste die Gesellschaft das Wasser zur Spülung der Rinnsteine und für die Feuerwehr kostenlos zur Verfügung stellen. Eine Kanalisation gab es noch nicht und Abwasser und Abfälle landeten in den Rinnsteinen und wurden vom Regenwasser weggespült, was im Sommer nicht funktioniert

Wohnen im Wasserturm
Die neue Bebauung im Nordosten der Stadt lag höher als die des alten Berlins, der Tiefstadt (im Urstromtal). Darum wurden 1877 auf dem Windmühlenberg im Prenzlauer Berg ein Tiefbehälter und ein Steigrohrturm gebaut. Als der Wasserdruck nicht mehr ausreichte wurde der Wasserturm daneben gebaut. Es ist der älteste Wasserturm Berlins. Bis 1952 erhielten die umliegenden Wohnungen von hier ihr Wasser. 1915 wurde um den Wasserturm eine öffentliche Grünanlage angelegt.

Im Wasserturm wurden sechs Etagenwohnungen unterhalb des Hochbehälters für die Maschinenarbeiter gebaut, die heute noch bewohnt und begehrt sind.  Der unterirdische Wasserbehälter wird für temporäre Kunstprojekte genutzt.

Synagoge Rykestraße und Jüdischer Friedhof (14)

Es ist die größte Synagoge Deutschlands und neben der Budapester Synagoge die größte in Europa (gebaut 1903/1904). Bekannter in Berlin ist die Neue Synagoge (1866 geweiht) mit ihrer leuchtenden Kuppel an der Oranienburger Straße. Vielleicht weil die (West-) Berliner den Westteil der Stadt besser kennen?

Synagoge an der Rykestraße
1953 wurde die Synagoge wiedereröffnet. Die Zerstörung der Synagogen im Dritten Reich hatte sie überstanden, weil eine Brandstiftung wegen der nahen Wohnbebauung gelöscht wurde. Gebaut wurde sie 1903 bis 1904. Durch den Zuzug vor allem osteuropäischer Juden war ein weiteres Gotteshaus neben der Synagoge in der Oranienburger Straße notwendig geworden.

Der Jüdische Friedhof an der Schönhauser Allee wurde 1827 eröffnet. Die Jüdische Gemeinde hatte das Land von Gotthold Wilhelm Büttner erhalten. Der war einer der drei Grundstücksentwickler, denen fast alles gehörte (s.o.).

Es war nicht der erste Friedhof der jüdischen Gemeinde. Ab 1672 gab es den Alten Jüdischen Friedhof an der Großen Hamburger Straße in Mitte, damals vor der Stadtmauer, 
Wohnen in der Rykestraße
wie alle Friedhöfe.

Nach dem 30-jährigen Krieg holte der Brandenburger Kurfürst zum Wiederaufbau des Landes Zuwanderer ins Land. 1671 erlaubte er 50 (wohlhabenden) jüdischen Familien, die aus Wien vertrieben worden waren, die Ansiedlung in Brandenburg, 9 davon kamen nach Berlin. Das war der Grundstock der neuen jüdischen Gemeinde, nachdem Juden zuvor auch aus Brandenburg vertrieben worden waren (1573).
Mit dem Edikt von Potsdam (1685) bot er später protestantischen Hugenotten aus Frankreich freie und sichere Ansiedlung in Brandenburg an (zu deutlich besseren Bedingungen als sie für jüdische Ansiedler galten).

Hospital  - heute Bezirksamt
Die Stadt wuchs und bald war der Alte Jüdische Friedhof von der Spandauer Vorstadt eingeschlossen.  Die Akzisemauer (Stadt- und Zollgrenze) wurde weiter nach Außen verlegt. Ab 1794 war es dann verboten, in Kirchen und bewohnten Gegenden zu beerdigen. 
Es musste ein neuer Begräbnisplatz eingerichtet werden, vor der Stadt, an der jetzigen Stelle an der Schönhauser Allee. Bis zur Verlegung des Friedhofs dauerte es dann aber noch bis 1827.
Der Maler Max Liebermann wurde auf dem Friedhof 1935 beigesetzt. Ein anderer Prominenter war der Gründer des Ullstein-Verlages, Leopold Ullstein (1899 beerdigt).


Wir gehen die Rykestraße hinunter bis zur Danziger Straße. Gegenüber ist der Fröbelplatz und dahinter ein großes Gelände mit Klinkerbauten, ein ehemaliges Hospital und Siechenhaus.

Städtisches Hospital und Siechenhaus (15)

Mit dem schnellen Wachstums Berlins in den Gründerjahren und der Industrialisierung nach 1870 wuchsen die sozialen Probleme, Massenarmut und Obdachlosigkeit. 

1886 bis
Siechenhaus - heute Vivantes-Klinik
1889 wurden das städtische Friedrich-Wilhelm-Hospital und ein Siechenhaus (Bürgerhaus-Hospital) gebaut. Bürgerhospitäler nahmen chronisch Kranke, sog. „Siechen“ auf.  1928/1929 kam ein Obdachlosen-Asyl hinzu. 1934 wurde das Krankenhaus in den Ortsteil Buch verlegt und die Gebäude von dem Bezirksamt genutzt.

Nach dem 2. Weltkrieg erfolgte der Wiederaufbau der stark beschädigten Gebäude.  Ein Gebäude wurde Sitz der sowjetischen Militärkommandantur und des Geheimdienstes. 1956 bis 1985 war es ein Gebäude der Stasi. 1990 zog das Bezirksamt Prenzlauer Berg ein. Das ehemalige Siechenhaus kam zum Vivantes-Klinikum.


Thälmann-Hinterkopf
Vorbei am „Theater unterm Dach“ gehen wir in den Ernst-Thälmann Park. An der Greifswalder Straße hat die DDR das monumentale Ernst Thälmann Denkmal errichtet. Am anderen Ende des Thälmann Parks ist das Zeiss-Großplanetarium.

Ernst-Thälmann Park (16) 
Zur 750-Jahr Feier der Stadt 1987 wurden auf dem Areal einer ehemaligen Gasanstalt 1.130 Wohnungen, der Park und ein Planetarium errichtet. Es entstanden achtgeschossige Plattenbauten und Punkthochhäuser mit bis 18 Geschossen. Als Grün- und Erholungsfläche für die Neubauwohnungen und die angrenzenden Quartiere wurde der Thälmann Park angelegt.

Ernst Thälmann (1886 – 1944, im KZ Buchenwald ermordet) war Vorsitzender der KPD.

Auf dem Gelände des Parks stand 1873 bis 1981 eines
Ernst-Thälmann-Denkmal
von 33 Berliner Gaswerken

Durch Steinkohlendestillation wurde Leuchtgas für die Straßen-Gaslaternen hergestellt. Nebenprodukte waren u.a. Phenole, Schwefelwasserstoff und Teer, was zu erheblichen Umweltproblemen führte. Trotz Bodenaustausch nach dem Abriss des Gaswerkes musste 2004 eine biologische Wasserreinigungsanlage in Betrieb genommen werden, die Grundwasser aus 30 Meter Tiefe fördert und reinigt.

In dem nach dem Gaswerk-Abriss stehen gebliebenen Verwaltungsgebäude wurde das „Theater unterm Dach“ und das „Wabe-Kulturzentrum“ eingerichtet.

An der Greifswalder Straße wurde das 14 Meter hohe Monumentaldenkmal für Ernst Thälmann aufgestellt. Geschaffen hat das ein sowjetischer Bildhauer (Die DDR-Künstler sollen darüber verärgert gewesen sein. Aber „Von der Sowjetunion lernen“ war ja der Spruch der SED-Führung) aus 5o Tonnen Bronze in 200 Einzelteilen und einem Sockel aus rotem Granit. Der Granit kam auch aus der Sowjetunion. Für den Bronzeguss wurde die gesamte Jahresproduktion der DDR gebraucht, so dass für die DDR-Bildhauer in dem Jahr nichts übrig war.

Grüne Stadt -
Wohnungsbau der 1930er Jahr
Gegenüber dem Thälmann-Denkmal ist das Quartier „Grüne Stadt“ (17). Dieses Gebiet wurde Ende der 1930er Jahre bebaut. Im Gegensatz zu der engen Bebauung der Gründerzeit wurden hier großzügigere Innenhöfe und Begrünungen geplant.

Einer der Bauherren war die GSW Gemeinnützige Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft, die hier 1800 Wohnungen „für kleinere und mittlere Beamte“ baute. Die Wohnungen hatten, wie damals üblich, Kohleofen-Heizungen. Nach der Wiedervereinigung bekam die GSW die in der DDR verstaatlichten und baulich vernachlässigten Wohnungen zurück. Ich war ab 1995 Geschäftsführer der GSW und erinnere mich noch gut an die umfangreichen Instandhaltungsprogramme einschließlich der Umstellung der Kohleofen- auf Zentralheizungen.

     
Zeiss-Großplanetorium
Zeiss-Planetarium (18)
Mit dem Wohnungsbau und dem Park wurde das Zeiss-Großplanetarium gebaut und 1987 eröffnet. Es war eines der größten und modernsten Planetarien weltweit. An der Kuppel mit 30 Meter Durchmesser kann der Sternenhimmel mit 9.000 Sternen abgebildet werden. Die Sternenbilder im Jahresverlauf und der vergangenen 2.000 Jahre (?) können dargestellt werden.

„Zeiss“ im Namen steht für den „Planetariumsprojektor Zeiss Universarium Modell IX“ und zehn „Zeiss Velvet Videoprojektoren für eine 360°-Fulldome-Projektion“.

Das Großplanetarium gehört mit dem Planetarium am Insulaner (auch ein Gr0ßplanetarium)  und der Wilhelm-Forster Sternwarte am Insulaner (Volkssternwarte) in Schöneberg sowie der Archenhold Sternwarte im Treptower Park (mit dem längsten beweglichen Fernrohr der Welt) zur Stiftung Planetarium Berlin.


Gegenüber der Sternwarte ist das Gleis der Ringbahn. Jenseits der Ringbahn ist an der Erich-Weinert-Straße (zwischen Gubitz- und Sültstraße) die „Wohnstadt Carl Ledien“ der Architekten Bruno Taut und Franz Hillinger, 1928 bis 1930 für die GEHAG gebaut. Sie gehört zu den „Berliner Siedlungen der 1920er Jahre“ und ist UNESCO-Welterbe.


Wir bleiben diesseits der Ringbahn und gehen von der Stargarder Straße in die Dunckerstraße und kommen zum Helmholtzplatz. In der Dunckerstraße kann das Wohnen um 19oo besichtigt werden.

Museumswohnung Dunckerstraße (20)

1896 bebaute der Zimmermeister Brunzel das Grundstück Nr. 77 mit 25 Wohnungen. Die ersten Mieter waren die „Trockenwohner“. Die Wohnungen wurden gleich nach Baufertigstellung bezogen. Die Mieten waren niedriger, aber das Leben in den noch baufeuchten Wohnungen war ungesund. 

Ich erinnere mich an die Doppelhaushälfte, die meine Eltern in meinem Heimatdorf Giesen bezogen, als ich sechs Jahre alt war. Die Wände wurden nicht tapeziert, sondern mit einer Malerwalze wurden farbige Muster aufgemalt. Tapete hätte wegen der noch baufeuchten Wände nicht gehalten. Erst später (nach einem Jahr?) wurde tapeziert. Das war damals auch „Trockenwohnen“.

Nach dem Trockenwohnen zogen fast alle Mieter aus (2 Jahre später wohnten nur noch 5 Erstbezieher in dem Haus) und zogen in einen neuen Neubau (wahrscheinlich wegen der billigeren Miete). Dauerhafte Mieter waren danach Arbeiter, geringverdienende Angestellte, „kleine“ Beamte.
Das Museum Pankow hat eine Wohnung im Vorderhaus angemietet und im Stil der damaligen Zeit eingerichtet, mit Stube, Kammer und Küche. Senioren der Freizeitstätte Herbstlaube betreuen die Wohnung.


Bei unserem Rundgang folgt jetzt der Helmholtzplatz und – ein wenig versteckt der Friedhofspark an der Pappelallee.

Helmholtzplatz (21)

Der Helmholtzplatz ist der Mittelpunkt des Helmholtzkiezes. Früher, vor der Wohnbebauung, war der Platz (auch - siehe Wasserturmplatz) ein Windmühlenberg mit Getreidemühlen inmitten landwirtschaftlicher Flächen. In den 1870er Jahren wurde auf dem heutigen Helmholtzplatz ein Ziegelwerk errichtet.

Das Eckhaus war Drehort des Films
 "Sommer vorm Balkon"
Der "Deutsch-Holländische Actien      Bauverein"  entwickelte und bebaute    das  Areal um den Helmholtzplatz und Kollwitzplatz. Den Bauverein gründeten 1872 u.a. der Rittergutsbesitzer Klau und eine holländische Firma. Sie kauften und entwickelten die Flächen nicht nur, sondern bauten selber. Sie stellten auch die benötigten Ziegel an Ort und Stelle selbst her. Der Ton wurde vor Ort abgebaut, aber mit besserem auswärtigem vermischt. Die Tagesproduktion soll bis 80.000 Ziegelsteine gewesen sein.

1885 wurde der Ziegel-Ringofen gesprengt und die Reste zugeschüttet. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Platz gärtnerisch gestaltet und erhielt den Namen Helmholtz.

Hermann von Helmholtz (1821 – 1894) war Professor in Berlin, Naturwissenschaftler, Physiologe und Physiker. Sein Forschungsbereich war breit: Optik, Akustik, Elektrodynamik, Thermodynamik, Hydrodynamik. Er war Mitglied mehrerer ausländischer Akademien.
Nach ihm ist ein Mitgliederverbund mehrerer Forschungszentren benannt, die Helmholtz-Gemeinschaft (19 Forschungszentren mit einem Jahres-Budget von 4,8 Milliarden EUR).
 
"Nur Schaffen und Streben
Das war sein Leben"
Friedhofspark Pappelallee (22)
Parks und Friedhöfe gibt es in Berlin viele. Dieser hier ist ein Friedhofspark. Bis 1934 war es der Friedhof der Freireligiösen Gemeinde Berlins. Gegründet wurde die Gemeinde 1847. Entstanden ist sie aus einer religiös-politischen Bewegung, die sich ab etwa 1840 in den Ländern des Deutschen Bundes gegen den Dogmatismus der christlichen Konfessionen richtete.

Die Fläche für den Friedhof schenkte ihnen (wer wohl?) Gutsbesitzer Wilhelm Griebenow. 1934 lösten die Nationalsozialisten die Gemeinde auf, beschlagnahmten das Vermögen und verstaatlichten den Friedhof.

In der DDR wurde die Freireligiöse Gemeinde nicht wieder gegründet. Auf dem Friedhof wurde noch bis 1969 bestattet. Nach der Wiedervereinigung wurde der Friedhof in einen Park umgestaltet. Einige Grabmäler sind noch erhalten.  Über dem Friedhofstor ist das Verständnis der Freireligiösen beschrieben: „Schafft hier das Leben gut und schön – kein Jenseits ist, kein Aufersteh’n“.


Gethsemanekirche
Mindestens so bekannt wie der Berliner Dom ist die Gethsemanekirche seit der Wiedervereinigung und der Oppositionsbewegung davor. Wir erreichen die Kirche über die Greifenhagener Straße.

Gethsemanekirche (23)

Sie ist die Kirche der friedlichen Revolution in der DDR 1989.  Nach den gefälschten Kommunalwahlen 1989 unterstützte die Kirchengemeinde oppositionelle Gruppen mit einem Kontakttelefon.  Bekannte Mitarbeiterin war Marianne Birthler (nach 2.000 die erste Bundesbeauftragte für die Stasiunterlagen). Die Kirche war Treffpunkt der Bürgerbewegung. Der Gottesdienst vor der Eröffnung der ersten freigewählten Volkskammer 1990 war in der Gethsemanekirche.

Gebaut wurde die Gethsemanekirche 1891 bis 1893. Das Grundstück für den Kirchenbau schenkte – wen wunderts – die Witwe von Wilhelm Griebenow der Gemeinde.


Über die Stargarder Straße erreichen wir die Schönhauser Allee und dann die Kopenhagener Straße. Hier ist noch das alte Kopfsteinpflaster erhalten, was die Straße als Drehort für DDR-Nostalgie-Filme interessant macht. Die Fernsehserie Weißensee wurde hier teilweise gedreht. An der Kopenhagener Straße ist das ehemalige Umspannwerk Humboldt.

Umspannwerk Humboldt (24)

An der Ecke Kopenhagener-/Sonnenburger Straße steht das Backsteingebäude des ehemaligen Umspannwerkes Humboldt der BEWAG, 1926 fertiggestellt, ein Zeugnis der Berliner Industriegeschichte. 

Es ist auch ein Zeugnis der Nachwendegeschichte. 2007 verkaufte die BEWAG das Gebäude für 5 Millionen EUR an einen kanadischen Investor, der es für einen Online-Händler umbaute. 2014 wurde es für 22 Millionen EUR an einen irischen Investor verkauft. 2016 erfolgte der Weiterverkauf an einen britischen Investor für 43 Millionen EUR. Muss das kommentiert werden?


Wir überqueren die Ringbahn-Gleise, kommen, am Arnimplatz vorbei, zur Bornholmer Straße. Nördliche der Bornholmer Straße ist das „Nordische Viertel“.  Die Straßen heißen hier Stavanger, Aalesunder, Nordkap, Bergener und Ibsen-Straße (25). Ein Teil der Häuser der fünfgeschossigen Blockrandbebauung gehören zum Wohnungsbestand der GSW (gehörten – heute gehören die GSW-Wohnungen der Deutschen Wohnen).

Wir nähern uns dem Ende des Rundgangs und einem Ort des Endes der DDR, dem Grenzübergang Bornholmer Straße.

Ehemaliger Grenzübergang Bornholmer Straße (26)
Von 1961 bis 1990 war auf der Bösebrücke der Übergang von West- nach Ostberlin (umgekehrt wohl seltener). Unter der Brücke war der S-Bahnhof Bornholmer Straße, in der Zeit ein Geisterbahnhof, in dem die Züge nicht halten durften.

Platz des 9. November
an der Bornholmer Straße
Am 9. November 1989 war der Grenzübergang Bornholmer Straße der erste Grenzübergang in Berlin, an dem die Passkontrollen eingestellt wurden und erstmals Tausende DDR-Bürger nach Westberlin kommen konnten. Günter Schabowski hatte auf der Pressekonferenz das legendäre „unverzüglich“ für das Inkrafttreten der Reiseerleichterungen für DDR-Bürger erklärt. Das war aber so nicht geplant, so dass die Grenztruppen von den anstürmenden DDR-Bürgern vollständig überrascht und quasi überrannt wurden.

Neben der Bornholmer Straße erinnert der „Platz des 9. November 1989“ an den Fall der Grenze. Auf einem Teil des ehemaligen Mauerstreifens ist eine Allee mit Japanischen Zierkirschen zur Erinnerung an die Wiedervereinigung gepflanzt worden. Initiator und Finanzier dieser Allee war der Japanische Fernsehsender TV Asahi. Eine ähnliche Allee ist von dem TV-Sender in Lichterfelde geschaffen worden (siehe "Wanderungen in Berlin - zartrosa und gelb").


Wir gehen über die Bösebrücke und hinunter zum S-Bahnhof Bernauer Straße, der jetzt kein Geisterbahnhof mehr ist, und fahren mit der S1 nach Hause.

Zum dem Bericht gibt es ein Fotoalbum