An der polnischen Ostseeküste
Mit dem Rad von Bansin nach Danzig


2. Tagestour
12. Juni 2023

Miedzyzdroje/Misdroy bis Rewahl/Rewal

72 Kilometer
Unterkunft Holiday Resort Alcest

 

Miedzyzdroje über Kamien Pomorski bis Rewal

 

Gleich hinter Miedzyzdroje ist im Nationalpark Wolin das Wiesentgehege. Es ist noch nicht geöffnet, als wir dort vorbeifahren. So viel hätten wir auch nicht anschauen können. Es ist eine kleine Anlage mit derzeit fünf Wisenten.

Übersichtskarte des Nationalparks

Wisentgehege im Nationalpark Wolinski Park Narodowy

Östlich von Misdroy befindet sich ein Wisentgehege mit einer Schauanlage und einer Zuchtstation. Es ist eine kleine Anlage, 1976 aufgebaut. Jährlich werden 1 bis 2 Wisente geboren, die an andere Parks gegeben werden. 

 

Fahrt durch den Wald des Nationalparks. Vorbei am Czajcze-See, einer der Seen der Woliner Seenplatte. Bei Miedzywodzie/Heidbrink sind wir wieder an der Ostseeküste. Wenig später biegen wir nach Süden ab und fahren nach Kamien Pomórski. Westlich von uns liegt der Zalew Kamienski, in deutscher Zeit der Camminer Bodden. Es ist eine Ausbuchtung des östlichen Abflusses des Stettiner Haffs in die Ostsee.

Czajcze-See


Miedzywodzie/Seebad Heidebrink

Auf der Insel Wollin. Zwischen der Ostsee und dem Binnensee Zalew Kamienski/Camminer Bodden, eine Ausweitung der Dziwna, der dritte Ablauf des Stettiner Haffs zur Ostsee. Von der Lage des Ortes ist auch der polnische Name abgeleitet, „zwischen den Wassern“ – Miedzywodzie.


Dziwnow/Dievenow
Auf einer Landzunge zwischen der Ostsee und dem Fluss Dziwna/Dievenow. Im 19. Jahrhundert gehörte der Fischerort West-Dievenow der Stadt Cammin.

Landschaft auf dem Weg nach Kamien Pomorski:




Die Swiniec, ein Zufluss des Zalew Kamienski

Kamien Pomorski/Cammin


Am Zalew Kamienski/Camminer Bodden gelegen, einer Ausbuchtung des östlichen Abflusses des Stettiner Haff in die Ostsee. Über 100 Jahre war hier das politische und religiöse Zentrum Pommerns, Hauptstadt des pommerschen Herzogtums und des Bistums. Neben Danzig war in Cammin das älteste Dominikaner-Kloster an der südlichen Ostsee.

Der polnische Name übersetzt ist „Pommerscher Stein“, nach einem großen Findling benannt (20 Meter Umfang), der früher auch ein Orientierungspunkt der Schiffer war. Der Stein steht am Nordufer der dem Kamien Pomorski gegenüberliegenden Insel Buniewice. Der Findling wurde mit den Eismassen in prähistorischer Zeit aus Schweden hierhergeschoben. Ursprünglich war er dreimal so groß. Im 19. Jahrhundert wurde er aufgespalten, um Baumaterial zu erhalten. Der Rest ist jetzt als Denkmal geschützt. In deutscher Zeit war er der Königsstein.

 

Der deutsche Ortsname Cammin geht ebenfalls auf die slawische Bezeichnung „kamén“ für Stein oder Fels zurück. An der Ostsee gibt es auch andere Orte mit dem Namen Cammin, deren Namen wahrscheinlich ebenfalls auf einen besonders großen Findling verweisen.


Um 11oo bestand eine slawische Siedlung. Anfang des 12. Jahrhunderts hatte der Pommernherzog Wartislaw I. seine Residenz in Cammin. 


Wartislaw I. (1100 – 1148) gilt als Begründer der Adelsdynastie der Greifen, der pommerschen Herzöge. Er förderte die Einführung des Christentums in Pommern.

(siehe: Meine Ostseeradtour – 11. Geschichte zur Tour - Link zum Beitrag)

1175 wurde das Bistum Cammin gegründet, nachdem Heinrich der Löwe Hinterpommern erobert hatte. Niederdeutsche Einwanderer besiedelten den Ort, der Ende des 13. Jahrhunderts von dem pommerschen Herzog das Lübische Stadtrecht erhielt. 


Das Lübische Stadtrecht war das von der Reichsstadt Lübeck übernommene Stadtrecht, das in über 100 Ostseestädten eingeführt wurde.

Anfang des 14. Jahrhunderts verkaufte der Herzog von Pommern-Wolgast die Stadt Cammin an den Camminer Bischof.

Nach dem 30-jährigen Krieg kam das Bistum Cammin an das Kurfürstentum Brandenburg. 


In Cammin erfand Ewald Georg von Kleist (1700 – 1748) 1745 die „elektrische Verstärkungsflasche“, den ersten elektrischen Kondensator. Kurz nach ihm entdeckte auch der Leidener Professor von Musschenbroeck die Wirkungsweise des Kondensators. Entsprechend wurden die Vorläufer der Kondensatoren als „Kleistsche Flasche“ und „Leidener Flasche“ bezeichnet.

 

Die von Kleist sind ein hinterpommersches Adelsgeschlecht, zu dem auch der Dichter Heinrich von Kleist (1777 – 1811) gehörte. Seine Werke waren u.a. Der zerbrochene Krug, Das Käthchen von Heilbronn, Michael Kohlhaas. Nahezu mittellos nahm er sich am Kleinen Wannsee in Berlin zusammen mit seiner Freundin Henriette Vogel das Leben.



Rundgang durch Cammin:


Besichtigung Cammin
(vereinfachte Wegeführung)


Kathedrale St. Johannes – Camminer Dom  (2)
Konkatedra św. Jana Chrzciciela. Ein Holz-Vorgängerbau wurde 1176 errichtet, nachdem Dänen die Stadt Wollin zerstört hatten und der Sitz des 1140 gegründeten pommerschen Bistums nach Cammin verlegt wurde. Cammin blieb bis 1810 Bischofssitz, der danach nach Kolberg verlegt wurde. Der steinerne Dom wurde im 13. Jahrhundert gebaut.
Im Camminer Dom sind 5 Mitglieder des pommerschen Herzogshaus und 8 Bischöfe begraben.
Nach der Reformation ab 1534 evangelisches, ab 1946 wieder katholisches Gotteshaus.

Langhaus des Doms mit Altar

Altes Chorgestühl

Taufkapelle aus dem 14. Jahrhundert
(barocker Gitterumhang aus dem 17. Jh.)

Die Orgel des Doms ist eine Rekonstruktion (2004)
der Orgel von 1672

Jedes Jahr feiert Cammin den Orgelsommer
Denkmal vor dem Domplatz
 

Bischofshaus / Palac Biscupi (3)
Neben dem Dom um 1300 erbaut, in seiner heutigen Form aus dem 16. Jahrhundert. Bis zur Reformation war der Palast Sitz der bischöflichen Kurie und Residenz der Bischöfe von Cammin. Nach der Reformation blieb das Haus zunächst im Eigentum des protestantischen Domkapitels. Nach 1500 hatte es private Eigentümer. 

Spätgotisches Rathaus (5)
von 1426 mit später angebauten Laubengängen


Spätgotisches Wolliner Tor /Brama Wolinska (7)
Teil der Stadtbefestigung mit ehemals 8 Türmen, 1308 gebaut

Stadtmauer am Ufer (6)

Schulgebäude von ? (4)
 

Eines der wenigen erhaltenen Fachwerkhäuser (9)

 

Am Hafen von Kamien Pomorski (1)

Fischerdenkmal am Hafen (1)
Fischerdenkmale, meist aus Holz genschnitzt, sieht man in vielen Orten.

Pause im
Sklep Rybny (8)
Fischräucherei mit einem Imbiss. 
Die Restaurantauswahl in Cammin war nicht groß.

Man merkt, dass Kamien Pomorski etwas abseits der Küste und der Urlaubsorte liegt. Ein ruhiges und ein wenig verschlafenes Städtchen, von der Größe eher ein Dorf. Wenige Touristen und kaum Restaurants. 

Zurück zur Küste fahren wir auf dem gleichen Weg. Unser nächstes Ziel ist die Kirchenruine Hoff. Die hatte ich auch bei meiner ersten Ostsee-Radfahrt besucht. Das Ufer vor der Ruine war damals schon befestigt gewesen, um eine weitere Unterspülung des Steilufers zu verhindern. Inzwischen wurde der Ort touristisch ausgebaut. Neben der Kirchenruine wurde ein Steg über die Steilküste hinaus gebaut, damit die Besucher die Seeseite der Kirchenruine gut sehen und fotografieren können. Die Ruine zieht viele Touristen an. Nur mit Glück gelingt ein Foto ohne fremde Köpfe. 


Kirchenruine Hoff
Landseite und Seeseite

Der "Foto-Steg" neben der Kirchenruine


Trzesacz/Hoff

Hoff ist ein ehemaliges Rittergut mit dem Schloss Hoff (aus dem 17. Jahrhundert).

Das Ostseeufer war/ist an dieser Stelle Unterwaschungen ausgesetzt. Das führte dazu, dass die in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts 2 Kilometer vom Uferrand entfernt gebaute Kirche 1874 wegen Gefährdung geschlossen werden musste. Die Kirchenausstattung kam überwiegend in das Camminer Dommuseum. 1901 stürzte die Kirche zur Hälfte ab, ebenso Teile des Kirchfriedhofs. Seitdem ist die Kirchenruine Hoff eine Touristen-Attraktion.
 

Die Ufer an der Ostsee sind hauptsächlich eine Ausgleichsküste. Ziemlich parallel zur Küste verlaufende Meeresströmungen tragen an der Küste Kies und Sand ab und lagern das an anderer Stelle wieder an. Es entstehen Flachküsten mit ziemlich geradlinig verlaufenden Küstenlinien.

Typisch sind die so entstandenen Nehrungen, die durch Sandabtrag vor einer Bucht entstehen. Erreicht die Sandanlandung den gegenüberliegenden Küstenvorsprung, wird die Bucht abgeschnitten und ein Strandsee entsteht.

 

Kliff-Küsten sind an der Ostsee eher selten. Die gegen Steilküsten anprallenden Meeresströmungen unterspülen den Fuß des Steilufers und Überhänge stürzen ein. Die Küste wird ins Landesinnere rückversetzt.

 

Wir waren zwar in der Vorsaison an der Ostseeküste, die polnischen Schulferien begannen erst nach unserer Radreise, aber alle Küstenorte waren schon voller Urlauber. Seit meiner ersten Ostsee-Reise ist auch enorm gebaut worden. Neue Hotels, Appartement- und Eigentumswohnanlagen säumen die Straßen. Und dazwischen immer wieder eine Menge Neubauten in Erwartung steigender Urlauberzahlen.

Gegen Abend erreichen wir Rewal. Das Ende jeder Tagesetappe ist immer gleich. Zuerst duschen. Dann ist man erfrischt und wieder munter. Spaziergang durch den Ort und Besichtigungen interessanter Gebäude oder Plätze. Danach in ein Restaurant, möglichst mit polnischer Küche.

In Rewahl war nicht so viel zu besichtigen. Aber der Strand war schön, wie in allen Orten an der Küste. Ein Strandspaziergang bildete den Tagesabschluss.


 

Rewaler Wale
Zwei Stahlgerippe erinnern an die Sage, dass vor vielen Jahren ein riesiger Wal an Land gespült worden sei. Legende oder nicht - jedenfalls hat Rewal so eine Sehenswürdigkeit erhalten.

Rewal/Rewahl

An einem Ostsee-Kliff gelegen. Ursprünglich ein Fischerdorf, wurde es ab dem 19. Jahrhundert ein Seebad.

Strandszenen:





Und noch einmal Abendstimmung:



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An der polnischen Ostseeküste
Mit dem Rad von Bansin bis Danzig

11. bis 24. Juni 2023

Radtour mit Angelika und Andreas auf dem europäischen Ostsee-Radweg. Gestartet sind wir in Bansin und in 7 Etappen bis Danzig gefahren. Dort waren wir dann noch drei Tage, sind zur Marienburg gefahren und haben das Solidarnosc-Zentrum in der alten Werft besucht. Zur Ostsee und dann zurück ab Danzig nach Berlin sind wir mit dem Tesla-Auto von Andreas gefahren. Es war auch das Begleitfahrzeug der Radtour. Angelika und Andreas haben sich die Rad-Etappen und die Begleitfahrt geteilt. Das war anders geplant, eine Radtour über alle Etappen zu Dritt. Aber Angelika musste wegen einer Operation kurz vor Reisebeginn etwas vorsichtig sein. 

Unsere Rad-Etappen waren: 

11. Juni

Bansin – Swinoujscie/Swinemünde - Miedzyzdroje/Misdroy
29 Kilometer 

12. Juni
Miedzyzdroje/Misdroy – Kamien Pomorski/Cammin - Rewal/Rewahl
72 Kilometer

13. Juni
Rewal/Rewahl – Trzebiatow/Treptow – Kolobrzeg/Kolberg – Ustronie Morskie /Henkenhagen
77 Kilometer 

14. Juni
Ustronie Morskie/Henkenhagen – Lazy/Lazy – Dabky/Neuwasser - Darlowo/ Rügenwalde
64 Kilometer

 15. Juni
Darlowo/Rügenwalde – Darlowko/Rügenwaldermünde - Ustka/Stolpmünde – Rowy/Rowe
74 Kilometer 

16. Juni
Row/Rowe - Kluki/Klucken – Glowczye/Glowitz – Leba/Leba
67 Kilometer 

17. Juni
Leba/Leba – Ostnik/Stilo-Kathen – Jastreziebia Gora/Habichtsberg
71 Kilometer 

18. Juni
Jastreziebia Gora/HabichtsbergHel/Hela
46 Kilometer
Fähre nach Gdanzk/Danzig 

19. Juni
Fahrt nach Malbork/Marienburg zur Ordensburg des Deutschen Ordens 

20. Juni
Stadtbesichtigung Gdanzk/Danzig 

21. Juni
Besichtigung des Europäischen Zentrums der Solidarnosc und der alten Werft 

 

Den Berichten vorausgeschickt:

Das Wetter:

Unsere „Regentaufe“ erhielten wir gleich am ersten Tag, während der Radfahrt nach Miedzyzdroje. Kräftige Regengüsse erforderten Regenkleidung für den größten Teil Strecke. Und am Rückreise-Tag erwischte uns ein tüchtiger Regenguss beim Aufladen der Fahrräder. Sonst war es sonnig und wolkig, nur ab und zu ein paar Regentropfen. 

Das Essen:

Natürlich haben wir polnische Gerichte gegessen und polnisches Bier getrunken (mit Ausnahmen). Für uns ungewöhnlich, auf den Speisekarten sind immer die Mengenangaben des Hauptteils (in g oder ml) aufgeführt. Da weiß man, wieviel auf den Teller kommt. 


Sledz/Hering: Sledz z Baltyku, Hering in Sauerrahm mit Zwiebeln oder Sledz krzenne, marinierter Hering. Frisch in der Ostsee gefangen, lecker. 

Dorsz/Dorsch: Er stand in jedem Fisch-Restaurant auf der Karte, obwohl er nur noch als Beifang erlaubt ist (Fangmengenbegrenzung der EU zum Schutz der Fischbestände). In einem Restaurant beschwerte sich der Wirt, dass russische Schiffe die östliche Ostsee leerfischen würden. Es muss trotzdem viel Beifang geben.
Wir haben Dorsch natur, mariniert und paniert gegessen. Er schmeckte immer hervorragend. 

Dorsch und Kabeljau sind die gleiche Fischart. In der Ostsee ist es der Dorsch, in der Nordsee und im Atlantik der Kabeljau. 

In einem Restaurant haben ich Mietus/Quappe gegessen, ein Knochenfisch, der zur Dorsch-Art gehört und als Raubfisch in Süß- und Brackwasser vorkommt. Er hat sehr gut geschmeckt. Ich kannte ihn vorher nicht. 

Auch Sandacz/Zander von der Ostseeküste gab es. Der zur Barsch-Familie gehörende Fisch ist eigentlich ein Süßwasserfisch, der aber auch in dem Brackwasser (Wasser mit geringem Salzgehalt) an der polnischen Ostseeküste gefangen wird. 


Pierogi/Piroggen: Den Maultaschen ähnlich. Als Pierogi ruskie sind sie mit Kartoffeln, Käse und Quark gefüllt. 

Pierogi ruskie kommen aus der Küche  Rutheniens, ein früher ostpolnisches Gebiet, heute die West-Ukraine.

In Russland heißen die Piroggen Pelmeni. 

Andere Pierogi sind mit Sauerkraut und Pilzen gefüllt. Die besten Pierogi habe ich in Rügenwalde gegessen, mit einer Gänsefleischfüllung. 

Golabki/Kohlroulade: Krautwickel, gefüllt mit Schweinehack, mit Buchweizen und Pilzen vermischt. 

Bigos/Krauteintopf: Es soll das polnische Nationalgericht sein. Sauerkraut mit Weißkohl oder nur Weißkohl wird lange zusammen mit Schweinefleisch, Wurst und Speck gedünstet. 

Barszcz/Rote Beete-Suppe: Eine klare Suppe aus Rinderbrühe und Roter Beete. 

Zurek: Eine Sauerteigsuppe, säuerlich-würzig. Aus Sauerteig und Roggenschrot, mit Fleisch, Wurst, Kartoffeln und Möhren zubereitet. 

Flaki: Man mag es oder nicht. Ich esse die Suppe gern. Eine Kuttelsuppe mit Streifen vom Rindermagen, säuerlich gewürzt.

An der Küste gab es einmal Flaki mit Pulpo-Streifen, die schmeckt auch gut.

Die Wege:

An der Bäderküste der Ostsee sind die Radwege hervorragend angelegt. Auch sonst war die Strecke des Ostsee-Radwegs fast immer gut befahrbar. Manchmal war es etwas schwerer, wenn über Lochplatten und Betonplatten gefahren wurde, oder bei frisch geschotterten Waldwegen. Richtige Sandwege, schwer zu fahren, waren ganz selten.
Bei einem Abschnitt hinter Kluki/Klucken hatte ich nicht auf die Wegequalität geachtet. Der Weg führte durch ein Moorgebiet, gelegentlich mit Holzstegen ausgestattet. Die halfen aber nicht sehr. Davor und dahinter war ein Schlammloch nach dem anderen. Da war schieben angesagt. 

Die Unterkünfte:

Angelika war für die Hotel- und Pensionsbuchungen zuständig und hat uns gute bis sehr gute Unterkünfte herausgesucht. Herausragend war das Hotel in Rügenwalde neben dem Pommern-Schloss in einem historischen Fachwerkhaus aus dem 18. Jahrhundert, sehr geschmackvoll eingerichtet. Und mit einem guten Restaurant, in dem ich die Pierogi mit Gänsefleischfüllung gegessen habe. Hotel Zamkowy – Rügenwalder Hof. 

Der Ostseeküsten-Radweg:

Ein europäischer Fernradweg (Euro-Velo-Route EV 10), auch als „Hansa-Route“ oder „Baltic Sea Cyle Route bezeichnet. Er führt auf ca. 7.980 Kilometern rund um die Ostsee. Wir fahren ein Teilstück von exakt 500 Kilometern (komoot-Streckenaufzeichnung) von Bansin bis Danzig. 

Die Tour bin ich schon einmal 2015 gefahren (Siehe: Radreise von Berlin nach Danzig- dort ist auch etwas zur Geschichte Polens, Preußens und der Stadt Danzig beschrieben)

 Link zum Bericht). 

Ein weiteres Teilstück bin ich 2020 von Ueckermünde bis Kiel gefahren (Siehe: Meine Ostseeradtour)

Link zum Bericht).


Die Ostsee:

International als Baltisches Meer oder Baltische See bezeichnet, abgeleitet vom lateinischen Mare Balticum. Es ist ein Brackwasser-Meer mit geringem Salzgehalt, nur in der westlichen Ostsee ist der Salzgehalt aufgrund des Wasseraustausches mit der Nordsee höher (westliche Ostsee 1,8 %, im Finnischen Meerbusen weniger als 0,3 % - in der Nordsee 3,5 %).

Die Ostsee ist am Ende der letzten Eiszeit, der Weichsel-Eiszeit, vor 12ooo Jahren entstanden, nachdem große Gletschermassen abgeschmolzen waren. Die heutige Ausprägung erhielt die Ostsee durch Landanhebungen und Meeresspiegelanstiege. 

 

Und nun zur ersten Etappe:

11. Juni
Bansin bis Miedzydroje/Misdroy

29 Kilometer
Unterkunft Hotel Villa Neos 

Bansin – Heringsdorf - Ahlbeck –Grenzübergang - Swinoujscie/Swinemünde – Fähre über die Swina – Unterirdische Stadt - Miedzyzdroje/Misdroy

 

In Bansin haben wir die Räder vom Auto genommen. Davor ein kurzer Gang zu Dritt zum Strand und der Strandpromenade bei schönem Sonnenschein. Dann begann unsere Ostsee-Radtour. Die erste Etappe der Radtour ist Andreas mit mir gefahren und wir beide sind an dem ersten Rad-Tag tüchtig nass geworden. Auf dem Radweg entlang der Küste und den prächtigen alten und neuen Villen war das Wetter zunächst noch gut. Die deutsch-polnische Grenze sahen wir dann schon in voller Regenmontur. 

Zur Einstimmung erst einmal ein Fischbrötchen

Musikpavillon an der Strandpromenade in Bansin

An dem „legendären“ Polenmarkt, eine Ansammlung von Buden und Ständen mit tatsächlichen oder vermeintlichen Schnäppchen-Angeboten sind wir nicht vorbeigefahren. Der ist an der Autostraße. Wir sind auf der „grenzüberschreitenden Promenade zwischen Heringsdorf und Swinoujscie“ (so auf der Informationstafel beschrieben) geradelt. 

Villa Bleichröder von 1908 an der Uferpromenade in Heringsdorf

Villa Elsa in Ahlbeck

Neubau in Ahlbeck, der Bäderarchitektur angepasst

Gleich hinter der Grenze sehen wir ein kleines Sole-Gradierwerke. Es erinnert an die 1897 in Swinemünde entdeckten Heilsolequellen. 

An der deutsch-polnischen Grenze

Das Gradierwerk gleich hinter der Grenze

Die Grenze ist leicht zu überfahren. Hier trennt aber 
ein breiter Streifen Niemandsland die beiden Länder.

Bansin

Seebrücke Bansin


Ende des 19. Jahrhunderts begann hier der Bäderbetrieb. Der Ort gehört zu den drei Kaiserbädern. Bis zum Bau der ersten Hotels und Pensionen kamen die Gäste aus Heringsdorf herüber. Villen im Stil der Bäderarchitektur wurden nach der Wiedervereinigung saniert. Neue moderne Bauten kamen hinzu. 

Die Bäderarchitektur ist charakteristisch für die deutschen Seebäder. Das erste Gebäude in dem Stil entstand Anfang des 19. Jahrhunderts an der Ostsee mit dem Kurhaus in Heiligendamm.

Die Häuser der Bäderarchitektur sind zwei- bis viergeschossig, durchweg mit Balkonen und Veranden versehen, oft mit Jugendstilelementen. Die weiß gehaltenen Holzvorbauten geben den Gebäuden ein filigranes Aussehen.


Heringsdorf

Seebrücke Heringsdorf

Heringsdorf ist die Gründung zweier Brüder von Bülow (mecklenburgisches Adelsgeschlecht). Sie kauften 1817 das Rittergut Gothen (bestand seit dem 13. Jahrhundert). Zum Rittergut gehörten auch die Orte Neuhof, Neukrug und Adelig-Ahlbeck. Die von Bülow ließen zwischen Bansin und Ahlbeck eine Fischersiedlung und eine Heringspackerei anlegen, von daher wohl auch der Name Heringsdorf. Neben der Fischerkolonie wurden Parzellen für Villengrundstücke verkauft. Sie selber ließen drei Logierhäuser bauen, das „Weiße Schloss“ 1825 als erstes Gästequartier.

 

Ein Rittergut war ein Besitz, mit dem seit dem Mittelalter bestimmte Vorrechte der Grundherrschaft über erbuntertänige und zinspflichtige Bauern (bis zur Bauernbefreiung) und die Landtagsfähigkeit (Teilnahme an den Landtagen) sowie meist auch die Ausübung der ersten Rechtsinstand bei Streitigkeit und Steuerbefreiung verbunden waren.

Entstanden war der Ritterstand im Lehenswesen des Fränkischen Reiches. Den Rittern sollten die Ritterdienste als Panzerreiter (gepanzert mit metallenen Rüstungen) wirtschaftlich ermöglicht werden.          

Mitte des 19. Jahrhunderts kaufte der Reichsgraf von Stolberg-Wernigerode das Rittergut Gothen mit dem Dorf Heringsdorf.

 

Der Stammsitz der von Stolberg-Wernigerode war seit dem 13. Jahrhundert das Schloss Stolberg im Harz.

 

In Jannowitz (Janowice Wielkie) in Schlesien besaßen sie das Schloss Jannowitz, das ich bei meiner Schlesien-Radfahrt besucht habe. Ebenso gehörten die Herrschaft und das Schloss Peterswaldau (Pieszyce) in Schlesien den Stolberg-Wernigerode (ab 1765). Hier war ein Schwerpunkt der Baumwoll- und Leinenweberei. 1844 kam es wegen der Ausbeutung der Weber zu einem Weberaufstand, den Gerhart Hauptmann in seinem Schauspiel „Die Weber“ beschrieb.

(Siehe: Zu Gerhart Hauptmann und den Schlössern im Hirschberger Tal – (3) Zu den Schlössern im Hirschberger Tal - Link zum Bericht).

 

Ahlbeck

Seebrücke Ahlbeck
mit der Historischen Uhr von 1911


Eines der drei Kaiserbäder (Bansin, Heringsdorf, Ahlbeck) auf der Insel Usedom. 2005 wurden die drei Orte zur Gemeinde Dreikaiserbäder zusammengeschlossen, die sich ein Jahr später in Heringsdorf umbenannte. Die Bezeichnung „Kaiserbad“ soll auf Kaiser Wilhelm II. (1859 – 1941, letzter deutscher Kaiser und König von Preußen) zurückgehen, der Usedom regelmäßig besuchte. 

Ahlbeck wurde erstmals offiziell als „Ahlebeck“ 1693 genannt. Der Name war von der Aal-Beeke (Aalbach) abgeleitet, die hier früher in die Ostsee floss. Noch im 19. Jahrhundert bestand das Dorf aus zwei Ortsteilen, Ahlbeck adliger Anteil und Ahlbeck königlicher Anteil. Ahlbeck adliger Anteil gehört zum Gut Gothen und bestand 1733 aus vier Fischerhäusern von Strandfischern (die ihre Boote auf den Strand zogen). Ahlbeck königlicher Anteil entstand nach Trockenlegung eines Bruchgebietes im Auftrag König Friedrichs II. von Preußen durch Ansiedlung von Kolonisten, es gab vier Strandfischer und acht Bündnerstellen (die Haus und Garten und wenig Land besaßen, abgeleitet von „Bude“). 

Anfang des 20. Jahrhunderts erhielt Ahlbeck die Bezeichnung „Seebad“ und wurde nach Kolberg das zweitmeistbesuchte Seebad in Pommern. Zusammen mit dem heute polnischen Swinemünde sollen die vier Seebäder die längste Strandpromenade Europas haben, 12 Kilometer lang.

 

Nachdem wir entlang der längsten Strandpromenade Europas geradelt sind, fahren wir mit der Stadtfähre über die Swina, vom westlichen Stadtteil Swinoujscies auf der Insel Usedom zum östlichen Stadtteil auf der Insel Wollin.


 Swinoujscie/Swinemünde

Swina und Teil des Hafens in Swinoujscie

Der westliche Teil der Stadt liegt auf der Insel Usedom, der östliche Teil auf der Insel Wollin, getrennt durch die Swine (polnisch Swina). Die Swina verbindet das Stettiner Haff mit der Ostsee (weitere Zuflüsse sind der Peenestrom (westlicher Ablauf) und der Dzwina/Dievenow (östlicher Ablauf), deren Verbreiterung den See Zalew Kamienski bildet. In das Stettiner Haff mündet die Oder. 

Neben Usedom (zum größten Teil deutsches Gebiet) und Wollin (größte polnische Insel) gibt es noch die Insel Karsibor/Kaseburg zwischen der Swina und dem Stettiner Haff. Insgesamt besteht Swinemünde aus 44 Inseln, die durch Nebenarme der Swine gebildet wurden. 

Preußenkönig Friedrich II. der Große ließ bis 1746 einen mit Pfahlwerk befestigten Hafen mit dem Namen Swinemünde bauen. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde Swinemünde Festungsstadt. Die Engelsburg (so genannt, weil der Backsteinturm des Forts der Engelsburg in Rom ähnlich sieht), das Westfort und das Ostfort sind noch erhalten. 

Nach dem 30-jährigen Krieg kam Vorpommern mit Usedom und Wollin im Westfälischen Frieden 1648 zu Schweden.

Nach dem Nordischen Krieg um die Vormachtstellung im Ostseeraum trat Schweden im Frieden von Stockholm 1720 Usedom und Wollin an Preußen ab (Rügen, Stralsund und Wismar blieben schwedisch).

Nach dem 2. Weltkrieg kam Swinemünde zu Polen, obwohl die von den Alliierten festgelegte Oder-Neiße-Grenzlinie weiter östlich verlief. Die Sowjetunion brauchte den Stettiner Hafen für die Verschiffung von Reparationsgütern und verlegte die Grenze eigenmächtig nach Westen. Stettin und Swinemünde wurden polnisch. 

Der Kurpark wurde ab 1826 von Peter Joseph Lenné (Generaldirektor der königlich-preußischen Gärten) geplant.



Der Weg von Swinoujscie durch den Wald nach Miedzyzdroje war eine der weniger guten Abschnitte des Fahrradweges. Auf frisch aufgeschüttetem Schotter fährt es sich nicht gut. Nach halber Strecke kommen wir an einem eingezäunten Militärkomplex vorbei. Es ist die „Unterirdische Stadt“, jetzt ein Militärmuseum. 

Auf dem Weg nach Miedzyzdroje:
Der Schotterweg durch den Wald 

Militärhistorisches Museum "Unterirdische Stadt"
 
In den Wäldern östlich von Swinemünde befanden sich vor 1945 zahlreiche militärische Einrichtungen der deutschen Wehrmacht.  Eine der Bunkeranlagen war die „Batterie Vineta“, die 1930 von der deutschen Kriegsmarine angelegt wurde. In den 1960er Jahren übernahm die polnische Armee die Anlagen und baute sie als Militärkommando weiter aus, u.a. mit einem 1 Kilometer langen Tunnelsystem.
 

Mit Miedzyzdroje/Misdroy erreichen wir unser erstes Etappenziel. Es ist spät geworden. Wir bummeln noch durch die Stadt und suchen erfolglos den Broadway, den polnischen Walk of Fame. Den entdecken wir dann am anderen Morgen auf dem Weg durch die Stadt zum nächsten Etappen-Ziel. Bei den jährlichen Filmfestspielen in Miedzyzdroje verewigen sich polnische (?) Schauspieler und Schauspielerinnen mit Handabdrücken auf dem Fußweg an der Promenade.

Auf dem Walk of Fame:
Erinnerung an einen polnischen Regisseur 
und einer der Handabrücke

Historische Wetteruhr,
wohl um 1884 entstanden.
Nur wenige solcher Wetteruhren sind erhalten.
Die meteorologischen Instrumente  wurden nach 1945 entwendet.
Gegossen wurde das Gehäuse von der
Gießerei Eisenwerk Carls-Hütte in Delligsen in Niedersachsen.


Abendstimmung in Miedzyzdroje


 Miedzyzdroje/Misdroy

Seebrücke Miedzyzdroje

Auf der Insel Wolin/Wollin gelegen. Im 16. Jahrhundert war Misdroy ein kleiner Ort mit wenigen Kolonisten im Eigentum der Dompropstei Cammin (wir fahren am nächsten Tag über Cammin). In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann der Ostsee-Badebetrieb mit ersten Badehäuschen (damals natürlich für Frauen und Männer getrennt). Ende des 19. Jahrhunderts ließen sich reiche Stettiner und Berliner hier ihre Villen bauen. Der Ort bekam eine Bahnverbindung nach Berlin. 

Claus von Amsberg, Ehemann der niederländischen Königin Beatrix, besuchte die private baltische Oberschule in Misdroy.    


Exkurs: Pommern, Westpreußen, Ostpreußen, Kaschubien

Usedom und Wollin gehörten seit Anfang des 18. Jahrhunderts (1721 nach dem Nordischen Krieg um die Vorherrschaft im Ostseeraum) zu Preußen und waren Teil der preußischen Provinz Pommern. Unterschieden wurden Vorpommern/ Vorderpommern (westlich der Oder, einschließlich Stettin und der Insel Rügen) und Hinterpommern. 

Die Grenze zwischen Pommern und der Provinz Westpreußen, die wir bei unserer Tour überfahren, war etwa in Höhe des Zarnowitzer Sees (Jezioro Zarnowieckie). Wittenberg (Bialogora) lag in der Provinz Pommern. Dembeck (Debki) gehörte zu Westpreußen. 

Die preußische Provinz Westpreußen war das Gebiet beiderseits der Weichsel. Die Grenze zu Ostpreußen verlief etwa in Höhe von Elbingen (Elblag). Das Gebiet ging nach dem 1. Weltkrieg größtenteils an Polen, als der Polnische Korridor und die Freie Stadt Danzig gebildet wurden.

 

Pomerellen (Kleinpommern) war Teil der Provinz Westpreußen und bezeichnete die Landschaft etwa zwischen Leba und der Weichsel. 

Die Kaschubei ist ein Teil von Pomerellen, an der Ostsee etwa zwischen Debki/Dembeck und Danzig.

 

Die preußische Provinz Ostpreußen bildete mit Königsberg den östlichen Teil Preußens. Nach dem 2. Weltkrieg ging die nördliche Hälfte an die Sowjetunion, die südliche an Polen. 


           Die Provinz Ostpreußen ist der Namensgeber des Königreichs 
           Preußen. 

Ostpreußen war mit der Hauptstadt Königsberg als Herzogtum Preußen an den Kurfürsten der Mark Brandenburg gefallen (siehe auch Deutscher Orden). 1701 krönte sich Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg und Herzog von Preußen in Königsberg zum König in Preußen, als König Friedrich I. . Neben dem nunmehr Königreich Preußen bestand westlich davon (links der Weichsel mit Puck, Danzig, Elblang) ein Ständestaat als Teil des Königreichs Polen (als „Preußen königlichen Anteils“, „Königlich Preußen“, „Polnisch Preußen“ bezeichnet). Deswegen durfte sich der Brandenburger Kurfürst als König nur „in Preußen“ nennen.

 

Bei der ersten polnischen Teilung kam Polnisch Preußen 1772 an das Kurfürstentum Brandenburg. Friedriche II. der Große, seit 1740 Markgraf und Kurfürst von Brandenburg sowie König in Preußen, wurde nun König von Preußen.



Die Informationen in den Berichten der Ostsee-Radtour stammen meist 
Wikipedia- und anderen Artikeln im Internet, ohne Zitierung.
                                                                                                            Fotos teilweise von Andreas. 

                                                        

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