StadtwanderungHalber Müggelsee

September 2025

Anfang September waren wir im Nordosten von Berlin, am Schloss Schönhausen und dem früheren Regierungsviertel der DDR-Regierung am Majakowskiring. Heute sind wir in den Südosten Berlins für eine kleine Wanderung um den (halben) Müggelsee gefahren.

Wanderung 7 Kilometer

Der Große Müggelsee ist Berlins größter See, viereinhalb Kilometer lang und zweieinhalb Kilometer breit, mit einer Fläche von 750 Hektar (Nächstgroßer See ist der Tegeler See mit 450 Hektar. Der Große Wannsee, eine Ausbuchtung der Havel, hat eine Fläche von 270 Hektar und ist damit etwas größer als die Parkanlage des Großen Tiergartens in Berlin-Mitte mit 210 Hektar). Entstanden sind der Müggelsee und die im Süden davon liegenden Müggelberge (mit 115 Metern die höchste Erhebung in Berlin) in der Eiszeit vor mehr als 100.000 Jahren durch von Skandinavien kommende Gletscher. Durch den Müggelsee fließt die Spree, aus dem Südosten kommend (Müggelhort) und im Nordwesten abfließend (Friedrichshagen). 

Blick auf den Müggelsee

Links der Müggelsee, rechts die Spree

Wir starten am Spreetunnel in Friedrichshagen. Bis dorthin 1 Stunde Autofahrt. Berlin ist halt groß. Mit dem ÖPNV hätte es noch länger gedauert. Allerdings hätten wir dann keinen Parkplatz gebraucht. Und die Suche hat gedauert. Aber, wer suchet, der findet. Wir haben schließlich ein Parkplatzlücke fast neben dem Spreetunnel gefunden, ohne Parkgebühr.

Friedrichshagen wurde als Kolonistendorf 1753 im Auftrag Friedrichs II. der Große gegründet. Baumwollspinner aus Böhmen und Schlesien wurden dort angesiedelt. Im 19. Jahrhundert wurde Friedrichshagen ein Villenvorort von Berlin und der Müggelsee wurde ein Ausflugsziel. 1880 wurde Friedrichshagen „Klimatischer Luftkurort“. Badestellen, ein Kurpark, Biergärten und Cafés entstanden.

Blick auf Friedrichshagen vom Biergarten Rübezahl 

Die Hauptstraße und Einkaufsstraße ist die Bölschestraße. Benannt ist sie nach dem Friedrichshagener Dichter Wilhelm Bölsche.  Angelegt wurde die Straße als Dorfstraße mit der Errichtung des Kolonistendorfes. Typisch waren Doppelhäuser, zunächst in Lehmbauweise, die später durch Steinbauten im Gründerzeit- und Jugendstil ersetzt wurden. 

Wilhelm Bölsche (1861 – 1939) gehörte zu einem Schriftstellerkreis (Friedrichshagener Dichterkreis), der im Austausch mit Gerhart Hauptmann (1862 – 1946, Nobelpreisträger für Literatur) stand, der in der Zeit in Erkner lebte. Wilhelm Bölsche wohnte bis 1893 in Friedrichshagen und ab 1918 in Schreiberhau in Schlesien. Er redigierte für den Verleger S. Fischer die in der Zeit wichtigste kulturpolitische Zeitschrift „Freie Bühne“. In Schreiberhau wurde Wilhelm Bölsche wie der Bruder von Gerhart Hauptmann, Carl Hauptmann, auf dem evangelischen Friedhof begraben. Das Grab von Carl Hauptmann habe ich bei meiner Schlesienfahrt gefunden, das von Wilhelm Bölsche nicht.

(siehe: Zu Gerhart Hauptmann und den Schlössern im Hirschberger Tal -Link zum 4. Teil) 

Durch den Tunnel auf die andere Seite der Spree

Der Spreetunnel ist ein Fußgängertunnel, der ab 1927 eine Fähre über die Spree ersetzte. Der Müggelsee war damals ein beliebtes Ausflugsziel der Berliner und die Kapazität des Fährbetriebs reichte für den Andrang der Ausflügler nicht mehr aus. Um die Schifffahrt nicht zu behindern wurde der Bau eines Tunnels beschlossen Er wurde aus Eisenbeton in Senkkasten-Bauweise errichtet, eine damals neue Technik. 

Westlich vom Spreetunnel steht seit einigen Jahren die Ruine der verlassenen Brauerei „Berliner Bürgerbräu“. Die Seeseite sieht noch ganz gut aus. Der Landseite sieht man den jahrelangen Leerstand und Verfall an. 

Die Seeseite des Brauerei-Gebäudes sieht ganz gut aus,

die Landseite nicht wirklich.

Seit Mitte des 18. Jahrhunderts war das Brauerei-Grundstück eines Landjägers mit einem „Krugrecht“ verbunden. Dort durften Wein und Bier ausgeschenkt werden. Oft war mit dem Krugrecht auch ein Braurecht verbunden. Bei der Errichtung des Gutes Friedrichshagen durch Friedrich den Großen wurde der Domänenrat von ihm beauftragt, in dem Kruggebäude die Siedler mit Bier zu versorgen.
Gut 100 Jahre später erwarb ein Weimarer Kaufmann das Grundstück mit den zugehörigen Brau- und Mahlrechten.  Er eröffnete die Lindenbrauerei. Bald wurden 10.000 Hektoliter Bier im Jahr gebraut. Der Name wurde Brauerei Müggelschlösschen und kurz nach der Jahrhundertwende wurde der Familienbetrieb eine Genossenschaft Berliner Gastwirte. Das Bier wurde auf Dampfschiffen über die Spree transportiert. In der NS-Zeit wurde aus der Genossenschaft eine Aktiengesellschaft und in der DDR ein VEB-Volkseigener Betrieb. Nach der Wende wurde der Betrieb als Berliner Bürgerbräu GmbH privatisiert. Sogar nach Japan wurde exportiert. Für das Kaufhaus KaDeWe wurde die Hausmarke KaDeWe-Premium-Pilsener gebraut.
2010 war damit Schluss. Die Brauerei wurde von der Radeberger-Gruppe des Oetker-Konzerns übernommen. Seitdem wird das Berliner Bürgerbräu Pils bei Radeberger in Hohenschönhausen produziert.
Die denkmalgeschützten Gebäude stehen immer noch leer. Eine Grundstücksgesellschaft will bis 2027 Wohnungen, Lofts und Gewerbeflächen entwickeln. Noch ist davon nicht viel zu sehen. 

An der Spitze zwischen Spree und Müggelsee hat der Verein Seglergemeinschaft am Müggelsee seine Bootsstege. Der Verein wurde 1990 gegründet und hat einige Vorgängervereine, die vor ihm schon hier waren. Ein Plakat weist auf 125 Jahre Segelregatten auf dem Müggelsee hin. 

Im Jahr 2019 wurde der Seglerverein 125 Jahre alt

Der Weg am Seeufer ist gut ausgebaut, anfangs geteert, aber dann bald ein naturbelassener Weg. Radfahrer „stören“ nur einzeln. Auf dem ersten Teil des Wanderweges wurde parallel ein breiter Fahrradweg angelegt. 

Naturnaher Wald am Wanderweg 

Nur die Wildschweine durchpflügen den Waldboden

Badebucht am Weg

Wir kommen am Rübezahl vorbei, Biergarten und Ferienpark mit einer Eissporthalle. Am Anfang war hier Ende des 19. Jahrhunderts ein Dampferanleger. Der Inhaber des Gasthauses am Anleger muss wohl mit seinem Bart an den schlesischen Rübezahl erinnert haben. So wurde aus dem Spitznamen der offizielle Name der Gastwirtschaft. 

Skulptur im Rübezahl-Biergarten

Nicht weit entfernt könnten wir in einem weiteren Biergarten einkehren, im Prinzengarten der Müggelseeperle (so genannt nach seinem Besitzer Wilhelm Prinz). Auch hier waren eine Anlegestelle und ein Ausflugslokal der Ursprung. Das war 1908. Bis 1945 in Familienbesitz wurde es in der DDR eine Konsum-Gaststätte. 1975 kam das Gebäude für ein Arbeiterwohnheim dazu. Die Bauarbeiter des Palastes der Republik, die wohl aus der ganzen DDR kamen, wurden hier untergebracht. Ganz schön weit weg von der Baustelle. Als die Arbeiter ausgezogen waren, wurde ein Hotel daraus. Das ist es – mit mehreren Besitzerwechseln – geblieben. 

Skulptur am Ufer der Seeperle

Neben dem Hotel steht der Wendenturm. Außer dem Namen und dem eventuellen Baujahr um 1900 war im Internet über den Turm nichts weiter zu finden. 

Der Wendenturm

Zwischen den beiden Biergärten kommen wir an einer Kormoran-Ansammlung  vorbei. Aufgereiht wie auf einer Perlenschnur sitzen sie – ich habe bis 70 gezählt – auf den Pfählen des Uferschutzes. „Meerraben“ werden sie wegen ihres schwarzen Gefieders gelegentlich genannt. 500 Kormorane soll es auf dem Müggelsee geben. 500 bis 800 Gramm Edelfische – Aale, Karpfen, Hechte – fressen sie pro Tag, die in den Reusen und Netzen der Berufsfischer – am Müggelsee eine Fischerin, die einzige in Berlin – fehlen. 

Kormorane, aufgereiht wie auf einer Perlenschnur

Außer dem Hinweisschild erinnert nichts mehr
an den Arbeiterzeltplatz

Nicht weit hinter dem Hotel Seeperle mit dem Wendenturm erinnert ein Hinweis an die Anfänge des Müggelsees als Erholungsort. Hier war um 1913 ein, an einer bauchartigen Ausbuchtung des Müggelsees gelegener, Arbeiterzeltplatz, nach der Forst-Bezeichnung als Kuhle Wampe bekannt. Hier lebten in den Sommermonaten Arbeiter, die von hier mit dem Fahrrad zur Arbeit fuhren, und auch Arbeitslose mit ihren Familien in einem Zeltdorf. Zu Beginn der 1920er Jahre sollen es hier 100 Zelte mit über dreihundert Personen gegeben haben. Diese Tradition, im Sommer im Grünen außerhalb der engen Mietskasernen zu wohnen, hat sich mit dem Wohnen in den Schrebergärten fortgesetzt. Ich erinnere mich an meine Berufszeit in Berlin, als Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Sommer aus ihren Gartenlauben zur Arbeit kamen und im Winter dann wieder in ihren Stadtwohnungen zu Hause waren. 

Seeblick

Bis zum Fähranleger Müggelhort sind wir gegangen. Daneben sind die Gebäude einer Wasserrettungsstation des ASB, die sich hier einen schönen Platz eingerichtet haben. Die Gebäude eines Ausflugslokals auf der anderen Seite des Anlegers sind verschwunden. Hier wird jetzt gebaut. Nicht ganz billige Wohnungen in Wasserlage sollen hier entstehen. 

Gegenüber von Müggelhort liegen die Inselchen Kelchsecke, Entenwall und Dreibock. Sie gehörten früher Rahnsdorfer Fischern, die Ende des 19. Jahrhunderts ihre Grundstücke parzellierten, um sie an Berliner zu verkaufen. Eine Villenkolonie sollte, wie an anderen Stellen Berlins auch, entstehen. Doch der Zugang zu den Inseln mit einer Brücke kam nie. So konnten auf den Grundstücken nur Wochenendhäuschen gebaut werden. Gegenüber den Inseln befindet sich der Kleine Müggelsee als Ausbuchtung der Müggelspree, der Spree, die hier als Müggelspree bezeichnet wird. 

Insel Kelchsecke

Wir fahren mit der Fähre von Müggelhort vorbei an der Insel Müggelwerder hinüber zum Fähranleger Müggelwerderweg des Ortsteils Rahnsdorf. Die Fähre ist eine von 6 Fähren der BVG Berliner Verkehrsbetriebe, die mit normalem Fahrschein benutzt werden kann. Sie wird von Elektromotoren angetrieben, die teilweise von Solarzellen auf dem Bootsdach angetrieben werden (ganz reicht der Strom der Solarzellen nicht, zwischendurch müssen die Batterien des Schiffes am Stromnetz aufgeladen werden). 

Die Fähre kommt

Rahnsdorf entstand als slawisches Fischerdorf. Anfang des 13. Jahrhunderts kamen deutsche Siedler, die ein für die damalige Zeit typisches Sackgassendorf gründeten. Man erkennt das, wenn man vom Fähranleger kommt, immer noch. Das Dorf hatte keine Hofstellen (mit Landbesitz) sondern nur Fischerkaten, um 1800 für 20 Dorfbewohner. Ende des 19. Jahrhunderts wurden auf dem benachbarten Gutsbezirk Rahnsdorf neue Siedlungen entwickelt, als Villenkolonie und einfacher durch die „Deutsche Volksbaugesellschaft für Bürger aus dem einfachen Volk“. Daraus entstanden die Ortsteile Hessenwinkel und Wilhelmshagen. 1926 entstand die lagunenartige Wassersportkolonie Neu-Venedig, heute ein Wohn- und Wochenendgebiet. Vor der Anlegung der 5 Kilometer langen Entwässerungskanäle waren hier sumpfige Spreewiesen des Gutes Rahnsdorf. 

Der Fähranleger in Rahnsdorf

Der Fähranleger in Rahnsdorf ist von Schiffsstegen umgeben. Am Ufer ist die Bebauung aus DDR-Zeit wohl zur Hälfte durch Nachwende-Häuser ersetzt worden. In einem Kaffee an der Hauptstraße machen wir eine Pause und überlegen, ob wir am Ufer weitergehen oder die Straßenbahn nach Friedrichshagen nehmen. Die Endhaltestelle ist nicht weit vom Kaffee entfernt. Wir entscheiden uns gegen das Weitergehen und fahren mit der Straßenbahn bis zur Haltstelle Müggelseedamm/Bölschestraße. Zum Auto ist es nicht mehr weit. Nur noch an dem Gebäude der BBB Berliner Bürger Brauerei vorbei, dann steigen wir in unser Auto.

Die Weiße Villa, Fabrikantenvilla der Berliner Bürger Brauerei 
Gründerzeitvilla von 1869 an der Josef-Nawrocki-Straße

Wohnhaus aus derselben Zeit auch in der Nawrocki-Straße