Stadtwanderung  Thielpark und mehr

Nicht weit von uns reihen sich vier kleine Seen in einem Grünzug hintereinander. Das war heute unser Ziel.

Von der Drakestraße kommen wir auf die Habelschwerdter Allee. An beiden Straßen sind zwei italienische Restaurants, die sich von den üblichen „Italienern“ absetzten und die wir gern besuchen (wenn wir nicht selber kochen wollen, meistens wollen wir). An der Drakestraße ist es die Enoteca Vecchio Molino und an der Habelschwerdter Allee ist es La Favorita. Beide mit exzellenter Küche und hervorragenden Weinen.

Ein Park in einer eiszeitlichen Rinne

Kurz hinter dem La Favorita beginnt auf der linken Straßenseite der Triest-Park in einer eiszeitlichen Rinne, die bis zur Clayallee reicht.

Es gibt mehrere eiszeitliche Rinnen. Berlin liegt im sogen. Berliner Urstromtal. Das ist ein Teil des Warschau-Berliner Urstromtals, das in das Elbe-Urstromtal mündet. Entstanden sind die Urstromtäler nach der Weichsel-Kaltzeit vor gut 20.000 Jahren durch das Abfließen der Schmelzwasser von Gletschern, die sich von Großbritannien bis zum nördlichen Ural erstreckten. Im Berliner Urstromtal fließt die Spree, die auf die Havelniederung trifft, einer weiteren größeren glazialen Rinne. Daneben gibt es im Berliner Raum kleinere Rinnen, wie die Grunewald-Seenkette mit dem Schlachtensee, eine schmalere Rinne mit dem Waldsee und dem Buschgraben in Zehlendorf, und die Rinne, in der sich der Triestpark und der Thielpark befinden.

Das Domänenland wird ein Villenviertel

Diese eiszeitliche Rinne wurde nach der Auflösung der Königlichen Domäne Dahlem zu einer Parklandschaft umgestaltet.  Um 1900 entstanden Pläne, neue Wohnbaugebiete für die wachsende Großstadt Berlin zu schaffen. Zu den ins Auge gefassten Gebieten gehörte auch die Domäne Dahlem. 1901, nach Ablauf des letzten Pachtvertrages, trat das Gesetz zur Aufteilung des Domänengeländes in Kraft. Es wurde eine Aufteilungskommission gebildet, deren Vorsitzender Hugo Thiel, Ministerialdirektor im preußischen Landwirtschaftsministerium, wurde. Die Kommission entschied, die Entwicklungsflächen selber zu vermarkten, um den höheren Gewinn für den Staat zu erzielen und nicht privaten Entwicklern zu überlassen. Zwischen 1901 und 1915 entstanden über 500 Grundstücke. Die Käufer waren verpflichtet, innerhalb von zwei Jahren ein villenartiges Gebäude zu errichten. Das Villenviertel Dahlem entstand. Daneben wurden große Flächen auf Intervention Kaiser Wilhelm II. für Staatsbauten reserviert, wohl auf Anraten von Friedrich Althoff (s.u.).

Die Villa Huth gegenüber dem Thielpark (14)
Beispiel einer Villa in Dahlem
Sie wurde 1917 für den Gründer der „Albatros-Werke“ (Flugzeugwerk) in Berlin-Johannisthal fertiggestellt. Die Nachbargrundstücke waren damals noch weitgehend unbebaut. Zu Beginn der 1950er Jahre kaufte die FU das Gebäude.

Ab 1902 wurden die bekannten Straßen angelegt: Rheinbabenallee, Podbielskiallee, Altensteinstraße, Habelschwerdter Allee usw. Dass einige Straßen heute einen breiten, begrünten Mittelstreifen haben (so z.B. die Pacelliallee und die Habelschwerdter Allee), ist Kaiser Wilhelm II. zu verdanken. Er wollte einen Anmarschweg für das Garde-Schützen-Bataillon zu den Schießplätzen im Grunewald haben. Das Bataillon war seit 1884 in der Gardeschützenkaserne in der von Carstenn entwickelten Villenkolonie Groß-Lichterfelde  kaserniert (in deren Nähe wir wohnen).

Der Thielpark

Der Taleinschnitt mit seinen Hügeln und Senken ließ sich anders als die Acker- und Weideflächen der Domäne nur schwer vermarkten. Bei der Ausweisung der Villengrundstücke wurde darum die Talfläche als Park ausgewiesen. Die Teiche der Parkanlage wurden künstlich angelegt: Triestparkteich (2), Studententeich (5), Schwarzer Grundteich (8), Thielparkteich (9), Schilfteich (11).

Schwarzer Grund Teich (8)

Thielparkteich (9)

Benannt wurde der Park nach Hugo Thiel (1839 – 1918). Thiel war Professor für Agrarwissenschaften, bevor er Geheimer Regierungsrat und später Ministerialdirektor im Preußischen Landwirtschaftsministerium wurde. Er war Mitglied des Reichstags (1874 – 1877) und Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses (1873 – 1878). Ab 1901 war er Vorsitzender der Aufteilungskommission für die Domäne Dahlem.

Der Reichstag des Deutschen Reiches bestand von 1871 (Gründung des Kaiserreichs in Versailles) bis zur Novemberrevolution 1918 (Ausrufung der Republik). Die Abgeordneten des Reichstags wurden in gleicher und geheimer Wahl gewählt, allerdings nur von den Männern ab 25 Jahren (das Frauenwahlrecht wurde erst nach der Novemberrevolution für die Wahlen zum Reichstag der Weimarer Republik eingeführt).

Das Preußische Abgeordnetenhaus war von 1849 bis 1918 die Zweite Kammer des Preußischen Landtags, neben dem Herrenhaus. Gewählt wurde noch bis 1918 nach dem Dreiklassen-Wahlrecht in Abhängigkeit von der Steuerleistung. Es war eine indirekte Wahl. In der Urwahl wählten die Bürger Wahlmänner, die ihrerseits die Abgeordneten wählten. Das Wahlrecht bevorzugte die Bürger mit hohem Einkommen, die einen unverhältnismäßig höheren Anteil an Abgeordneten hatten. So konnten 1913 rd. 190.000 Urwähler in der 1. Klasse ein Drittel der Abgeordneten bestimmen, rd. 1.990.000 Urwähler in der 3. Klasse bekamen auch nur ein Drittel der Abgeordneten. 

Der durchgängige Grünstreifen zwischen Habelschwerdter Allee und der Clayallee wurde durch Erschließungsstraßen unterbrochen und die Teilstücke erhielten eigene Parknamen. Wir gehen zunächst durch den Triestpark (2), der ausweislich einer Informationstafel 1963 so nach der italienischen Stadt Triest benannt wurde. Nach der Thielallee kommt der Zehner Park (3) und dann der Pompinius Park  (5) (Namensgeber der beiden Parks?). Die Trogstrecke der U-Bahn durchschneidet den Park.

Pompinius Park (5)

Jesus-Christus-Kirche Dahlem (4)
(zwischen Zehner Park und Pompinius Park)
Durch die Entwicklung der Domänenflächen vervielfachte sich die Bevölkerungszahl. Die mittelalterliche Dahlemer Dorfkirche St. Annen neben den Domänengebäuden wurde zu klein. Darum wurde 1914 der Neubau einer Kirche beschlossen. Wegen des Beginns des 1. Weltkrieges verzögerte sich der Baubeginn, danach kam die Weltwirtschaftskrise. So wurde die neue Kirche erst 1932 eingeweiht und mit vier Bronzeglocken ausgestattet. Die läuteten aber nicht lange. Im folgenden 2. Weltkrieg wurden sie beschlagnahmt und für die Kriegsproduktion eingeschmolzen.
Die Architektur der Kirche verschaffte ihr eine hervorragende Raumakustik. Die Berliner Philharmoniker, Dirigenten wie Wilhelm Furtwängler und Herbert von Karajan, internationale Solisten wie Anne-Sophie Mutter und Lang Lang nutzten den Kirchenraum als Tonstudio für Aufzeichnungen.

Bis hierhin sind wir bei unserem ersten Spaziergang nach Rückkehr aus unserem Winterquartier Teneriffa gekommen, siehe: Berliner Stadtspaziergang – Link zum Bericht). 

U-Bahn Station Freie Universität (6)

Den Übergang zum nächsten Parkteil bildet die nach der Freien Universität benannte U-Bahnstation (6).  An dem Stationsgebäude ist aber der alte Name „Thiel Platz“ geblieben.  Die Bahnstrecke wurde 1913 eröffnet und führte zunächst nur bis zum Thiel Platz als Endhaltestelle. Sie sollte die in Dahlem gelegenen Kaiser-Wilhelm-Institute mit dem Stadtzentrum verbinden. Der Parkabschnitt danach hat den ursprünglichen Namen Thielpark behalten, verläuft ein Stück nach Norden und knickt dann nach Westen zur Clayallee ab (7).

Wissenschaftscampus und Freie Universität

Wir gehen am Ende des Thielparks auf der gegenüberliegenden Wegstrecke bis zur Thielallee zurück und dann zur Habelschwerdter Allee. Hier entstand nach 1945 auf einem bis dahin noch nicht bebauten Versuchsgelände für Obstbau der Universitätscampus der Freien Universität Berlin. Ein markantes Gebäude ist die ab 1967 errichtete „Rostlaube(15). Als Fassadenmaterial wählte man eine neu entwickelte Stahllegierung, die nach kurzer Korrosionszeit eine stabile Rostpatina als wartungsfreie Schutzschicht bilden sollte. Das funktionierte allerdings nicht richtig, so dass um das Jahr 2000 die Stahlplatten der Fassade gegen Kupferblech ausgetauscht wurden, die Rostlaube also eine Kupferlaube wurde.  Andere markante Gebäude sind die Silberlaube (mit einer Fassade aus Aluminiumblech) und die Holzlaube (mit einer Fassade aus Zedernholz). 

Die "Rostlaube", die jetzt eigentlich eine "Kupferlaube" ist (15)

Dass die FU Freie Universität 1948 als Alternative zu der unter sowjetischer Kontrolle stehenden Berliner Universität in Berlin-Mitte in Dahlem errichtet wurde, ist nicht zufällig. Bereits mit der Entwicklung der Domäne Dahlem zu einer Villenkolonie wurden Freiflächen eingeplant. Bereits nach 1900 war damit begonnen worden, wissenschaftliche Institute oder Ämter des preußischen Staates, neue Museen und Teile der Universität Berlin nach Dahlem zu verlagern oder neu zu errichten. Die FU konnte mehrere in Dahlem gelegene Gebäude der Berliner Universität übernehmen.  Außerdem stellte die Max-Planck-Gesellschaft die Insti­tutsgebäude der ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft in Dahlem zur Verfügung. Zur Unterbringung von Instituten wurden zusätzlich Villen gemietet und gekauft, die auch heute noch genutzt werden.

Zu den nach 1900 gegründeten Einrichtungen  gehören der Botanische Garten mit dem Botanischen Museum (1903 eröffnet, Unter den Eichen – Königin-Luise-Straße), die Bakteriologische Abteilung des Kaiserlichen Gesundheitsamtes (1903, heute Umweltbundesamt, Thielallee), die Königliche Landesanstalt für Wasserhygiene (1913 eröffnet, Corrensplatz in Dahlem, heute eine Abteilung des Bundesumweltamtes), die Königliche Gartenlehranstalt (1903,  heute das Gartencenter „Königliche Gartenakademie“  an der Altensteinstraße und das Institut für Lebensmitteltechnologie der TU Technische Universität an der Königin-Luise-Straße), die Königliche Landwirtschaftliche Hochschule (ab 1921 am Albrecht-Thaer-Weg errichtet, heute das Albrecht Daniel Thaer-Institut für Agrar- und Gartenbauwissenschaften der HU Humboldt Universität) und das Preußische Geheime Staatsarchiv (1924 eröffnet, heute Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz an der Archivstraße).

Institut für Lebensmitteltechnologie und Lebensmittelchemie der TU
(Foto eines früheren Spaziergangs)
Zwei Institute in Dahlem gehören nicht zur FU,
das Institut für Lebensmitteltechnologie und Lebensmittelchemie der TU
und das Albrecht Daniel Thaer-Institut für Agrar- und Gartenbauwissenschaften der HU

Die Idee zur Schaffung eines Wissenschaftsstandortes Dahlem stammt von Friedrich Althoff (1839 – 1908). Er diente fünf Ministern der Preußischen Regierung und prägte in der Zeit die Kulturpolitik Preußens. Er war maßgeblich an der Gründung der Reichs-Universität Straßburg beteiligt, später am Aufbau der Universität Münster, der Königlichen Akademie Posen, der Technischen Hochschulen in Danzig und Breslau. Die Universität Berlin wurde von 38 auf 81 Institute ausgebaut. Die Universität Göttingen konnte führendes Zentrum für Mathematik und Physik werden. Für den Neu- und Umbau der Charité besorgte Althoff sich die Finanzmittel, die ihm der Finanzminister verweigerte, durch Verlagerung des Botanischen Gartens nach Dahlem und Veräußerung der innerstädtischen Grundstücke.

Großes Gewächshaus im Botanischen Garten
(Foto eines früheren Spaziergangs)

1911 wurde die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften gegründet. Nachfolgerin ist die 1948 gegründete Max-Planck-Gesellschaft. Die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft eröffnete 1929 das Harnack-Haus als Gästehaus an der Ihnestraße (heute eine Tagungsstätte der Max-Planck-Gesellschaft). Adolf von Harnack gab den Anstoß zur Gründung der Gesellschaft und war deren erster Präsident. Auf die Gesellschaft geht die Gründung mehrerer Institute in Dahlem zurück: Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie (1912 wurde das Institutsgebäude errichtet, heute ist dort der Hahn-Meitner-Bau an der Thielallee). Kaiser-Wilhelm-Institut für Physikalische Chemie und Elektrochemie (1912 wurde das Institutsgebäude eröffnet, heute das Fritz-Haber-Institut am Faradayweg). 

Wir kommen in der Habelschwerdter Allee noch an einem Neubau des Instituts für Philosophie (16) vorbei. Die auffallende und interessante Architektur stammt von dem Architektenpaar Inken und Hinrich Baller. Baller hat mehrere Gebäude in Berlin mit einem unverkennbaren Baller-Architekturstil entworfen, Stahl, Beton und Glas in meist geschwungenen Linien. Auch für die GSW, deren Geschäftsführer ich in meiner Berliner Zeit war, hat Baller Wohngebäude entworfen, schön anzusehen, aber oft mit hohen Instandhaltungs- und Reparaturkosten verbunden. 

Das "Baller-Gebäude" des Philosophischen Instituts

Stadtwanderung Thielpark - 5 Kilometer


Eine ungewöhnliche „Entdeckung“ machen wir noch an dem Haus Ecke Habelschwerdter Allee/Altensteinstraße. Am Eingang des frisch renovierten Hauses prangt ein blankes Messingschild „Saudi Arabisches Militärbüro“ (17)Was ist dessen Aufgabe? Im Internet ist zu lesen, dass Deutschland einzelne (drei bis fünf) Offiziere der Saudis ausbildet. Auch kauft Saudi Arabien Waffen und Militärausrüstung in Deutschland ein (im letzten Jahr wurde die Lieferung von 150 Flugabwehrraketen genehmigt). Dafür eine Militärvertretung mit Büro-Villa? Nicht viel größer als dieses Villengebäude sind andere Botschaften, zugegeben kleinerer Länder. An der Thielallee unweit es Thielparks sind es die Botschaften von Myanmar und gegenüber die Residenz des Slowenischen Botschafters (13)

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Stadtwanderung Tegeler See und Borsig-Villa

September 2025

Mit Tegel verbindet man den Berliner Flughafen. Der ist aber nicht mehr dort, sondern im Süden Berlins im Brandenburger Schönefeld. Der Flughafen war auch nicht unser Ziel. Wir wollten zum Tegeler See. Dort und im angrenzenden Tegeler Forst gibt es gut angelegte Waldwege, ähnlich wie im Grunewald.

Wanderung am Tegeler See - 9 Kilometer

Wir starten am Tegeler Hafen, in der Nähe der Humboldtbibliothek

Tegeler Hafen
Links die Häuser der Tegeler Insel - Gegenüber die Humboldtinsel

Der Tegeler Hafen ist 1908 am Tegeler See eröffnet worden und war ein Umschlagplatz an der 1914 als Großschifffahrtsweg Berlin-Stettin eröffneten Wasserstraße.

Die Wasserstraße zwischen der Oder und Havel verbindet die Westoder bei Friedrichsthal vor Stettin mit der Havel bei Spandau und dem Abzweig des Berlin-Spandauer-Schifffahrtskanals, der die Havel mit der Spree und dem Berliner Westhafen verbindet.

Die Teilung der Oder bei Friedrichsthal (vor Gartz an der Oder) ist mit der 1905 begonnenen Oderregulierung entstanden. Die Ostoder wurde neu gegraben, um das Oder-Hochwasser auf kürzestem Weg in den Dammscher See (Jezioro Dabie), eine Ausweitung der Oder bei Stettin, abzuleiten. Die westlicher fließende Westoder ist der ursprüngliche Oderfluss, die seit dem 2. Weltkrieg die deutsch-polnische Grenze bildet.

Ab Friedrichsthal verläuft die Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße parallel zur Oder bis zum Schiffshebewerk Niederfinow, bei dem der Oder-Havel-Kanal beginnt. 

Der Tegeler Hafen wurde durch Verbreiterung des Tegeler Fließes angelegt. Auf einer künstlich angelegten, schmalen Insel (Humboldtinsel) zwischen dem Fließ und dem Hafenbecken wurde eine Gleisanlage mit Ladekränen errichtet. Das Hafenbecken war über einen halben Kilometer lang und 20 Schiffe der damaligen Größe konnten gleichzeitig anlegen. 

Links die schmale Humboldt Insel.
Rechts die Tegeler Insel, über die wir zum Südufer des Hafens gehen.

Das Tegeler Fließ, ein kleiner Bach, hat sein Quellgebiet bei Mühlenbeck in Brandenburg und ist nur etwa 30 Kilometer lang. Er mündet in den Tegeler See. Der Tegeler See ist eine Ausbuchtung der Havel und nach dem Müggelsee der zweitgrößte See Berlins. 

Wir parken unser Auto zwischen der Humboldt-Bibliothek und dem Medical-Park Berlin Humboldtmühle. Wir gehen auf dem Wilhelmsteg zur Tegeler Insel und über den Alexandersteg auf das südliche Ufer des Tegeler Hafens und hier am Ufer weiter bis zur Greenwich Promenade. 

Bei der Eröffnung des Hafens war Tegel eine selbständige Gemeinde im Norden Berlins. Die Landgemeinde Tegel gab es seit Anfang des 14. Jahrhunderts. Mitte des 14. Jahrhunderts gehörte das Dorf den Nonnen des Klosters Spandau. 


Es war das Benediktinerinnenkloster St. Marien. Das Kloster war 1329 von dem askanischen Markgrafen von Brandenburg gegründet worden. Nach der Reformation wurde es aufgelöst. Von dem Kloster, das an der Havel außerhalb der Stadt im Bereich der heutigen Wilhelmsstadt stand, ist nichts mehr erhalten. In seiner Blütezeit gehörten dem Kloster durch Schenkungen und Stiftungen und der Mitgift, die bei Klostereintritt zu entrichten war, bis zu 11 Dörfer. Neben Tegel gehörten Lankwitz, Charlottenburg (damals Lietzow), Lübars, Gatow, Kladow, Seeburg, und Wittenau (damals Dalldorf). Außerdem gab es Teileigentum in weiteren 55 Dörfern. 

Nach der Reformation kam das Klostervermögen zum Amt Spandau. Tegel gehörte bis 1872 dem Amt Spandau und wurde dann eine selbständige Landgemeinde (?). Neben der Landgemeinde Tegel gab es den Gutsbezirk Tegel, zu dem das Schloss Tegel und weite Gebiete am Tegeler See und die Inseln im See gehörten. Die Landgemeinde und der Gutsbezirk wurden 1920 nach Groß Berlin eingemeindet und Teil des Verwaltungsbezirks Reinickendorf.

Hinter der Hafenbrücke sind wir durch Alt Tegel gegangen. Vorbei an der Dorfkirche, die hier kurz vor Beginn des 1. Weltkrieges errichtet wurde. Die erste Kirche des Landdorfes Tegel entstand natürlich viel früher. Es wird angenommen, dass schon mit der Gründung des Dorfes Tegel um 1240 eine Kirche gebaut wurde, eine kleine „Kirche von Holz erbaut mit schlechter Lehmwand“, wie der Pfarrer der benachbarten Dalldorfer (heute Wittenau) Kirche 1714 monierte. 

Wieder an der Tegeler Hafenbrücke

Dorfkirche Alt-Tegel

Zurück am Tegeler Hafen schauen wir noch auf die Humboldtmühle. Es ist ein großer Klinkerbau, im Aussehen ähnlich den Speicherbauten im Hamburger Hafen. Eine erste Mühle am Tegeler Fließ ist 1361 dokumentiert. Sie gehörte dem Brandenburger Markgraf, später erwarben die Spandauer Benediktinerinnen die Mühle (ihnen gehörte schon das Dorf Tegel). Nach der Reformation kam sie an den Brandenburger Kurfürsten, dann an die von Humboldt, darum Humboldtmühle, und später an andere Eigentümer. 

Ehemaliger Getreidespeicher der Humboldtmühle und Medical Park
Das Mühlengebäude hinter dem Speicher steht über dem Tegeler Fließ. Damit Schiffe vom Tegeler Hafen direkt zur Mühle fahren konnten, wurde der Tegeler Fließ hier kanalisiert. Über den Kanal führt die Mühlensteg-Klappbrücke.

Mit dem Namen Humboldt verbinden wir Wilhelm (1767 – 1835) und Alexander von Humboldt (1769 – 1859). Wilhelm war ein preußischer Gelehrter, Schriftsteller und Staatsmann. Auf ihn geht die Gründung der Berliner Universität zurück. Alexander war Forschungsreisender. Ihrer beiden Mutter brachte das Gut und das Schloss Tegel bei der Heirat (1766) mit Alexander Georg von Humboldt (von Friedrich II.  dem Großen erhielt er das Hofamt eines Kammerherrn) in die Ehe ein. Wilhelm von Humboldt ließ das Schloss durch Karl Friedrich Schinkel (Architekt Friedrichs II. und bedeutender Baumeister) im Stil des Klassizismus umgestalten. Durch Erbschaften gehört das Schloss jetzt einer Familie von Heinz (Ur…-Enkel von Wilhelm von Humboldt). 

Der Klinkerbau war der Getreidespeicher, 1939/1940 nach dem Abbrand des alten Speichers gebaut. Daneben waren die Mühlen- und Maschinengebäude. Um 1990 erwarb Ernst Freiberger die Gebäude. Der Getreidespeicher und die anderen Gebäude wurden zu einem Hotel umgebaut. Ein Neubau ergänzte die Anlage. Seit 2009 ist der ehemalige Mühlenkomplex eine Fachklinik Medical Park Berlin Humboldtmühle, die von Ernst Freiberger betrieben wird. 

Ernst Freiberger hatte zuvor das Quartier der ehemaligen Bolle Meierei in Berlin-Moabit entwickelt. Unsere erste Wohnung in Berlin war ganz in der Nähe. Mitte der 1970er Jahre kaufte Freiberger eine vom Konkurs bedrohte Pizzafabrik in Berlin-Moabit. Das Pizza-Geschäft lief gut und er baute 1986 in Reinickendorf eine neue Fabrik, es war damals die größte Pizzafabrik Europas. 1989 verkaufte er ein Viertel der Unternehmensanteile an die Südzucker AG  (seit 1998 ist Freiberger eine 100% Tochter der Südzucker). Mit dem Geld kaufte Freiberger das Bolle-Areal in Moabit von der in Konkurs gegangen Coop-Berlin. Die Gebäude der Bolle Meierei werden ein Hotel und Restaurants. Daneben baut er den Spreebogen und vermietete ihn an das Innenministerium.

In Berlin-Mitte entwickelte Freiberger das Forum an der Museumsinsel auf dem Areal des ehemaligen Haupttelegraphenamtes an der Oranienburger Straße (20.000 Telegramme täglich, Rohrpostanlage mit einem 250 Kilometer langen Netz) und der ehemaligen Charité-Frauenklinik neben dem Monbijou Park. Jetzt sind dort Büros für Unternehmen, ein Hotel und mehrere Restaurants.

Und schließlich hat Freiberger auch die Humboldtmühle in Tegel einer neuen Nutzung zugeführt.

Der Park zwischen der Humboldtbibliothek
und dem Medical Park Berlin Humboldtmühle

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 Fahrradtour Umrundung  Ostberlin

September 2025

Der Berliner Mauerweg umrundet Westberlin auf dem ehemaligen Mauerstreifen der 1961 errichteten Sperrmauer zwischen Westberlin und der DDR sowie Ostberlins. 160 Kilometer ist der Rad- und Wanderweg lang. 

Michael Cramer, Grünen-Politiker, damals Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, setzte sich für die Erinnerung an die Mauer durch einen Radweg auf dem ehemaligen Mauerstreifen ein. Zwischen 2002 und 2006 wurde ein Rad- und Wanderweg auf dem sogenannten Kolonnenweg der DDR-Grenztruppen bzw. auf dem ehemaligen Zollweg West-Berlins errichtet. 

Den Mauerweg bin ich schon gefahren. Jetzt wollte ich den anderen Teil Berlins umrunden. Dort gab es, zwischen Ostberlin und der DDR, keine Mauer. Wohl aber eine Grenze, die beachtet wurde. Die DDR-Bürger durften nicht einfach in „ihre Hauptstadt“ umziehen. Sie brauchten eine Umzugsgenehmigung und dafür brauchte man einen Arbeitsplatz in Ostberlin und man musste politisch zuverlässig sein. 

Berlin, Westberlin mit Ostberlin, war nach dem 2. Weltkrieg ein Sondergebiet innerhalb der sowjetischen Besatzungszone, aus der die DDR entstand. Deutschland war zwischen den Siegermächten des 2. Weltkriegs aufgeteilt worden. Die deutsche Hauptstadt, in der sowjetischen Besatzungszone gelegen, sollte von allen vier Siegermächten gemeinsam verwaltet werden. Die Stadt wurde in vier Sektoren aufgeteilt, mit einer gemeinsamen Alliierten Kommandantur. Die war in dem Gebäude in Zehlendorf, in dem jetzt das Präsidialamt der Freien Universität seinen Sitz hat. 

Sitz des Präsidiums der Freien Universität.
Sitz der Alliierten Kommandantur 1945 bis 1991,
ab 1948 allerdings ohne den Vertreter der Sowjetstreitkräfte.
(Foto eines Spaziergangs im April)

Als Grenze Berlins zur sowjetischen Besatzungszone wurde die Grenze zwischen dem 1920 entstandenen Großberlin (durch Zusammenlegung der bisherigen Stadtgemeinde Berlin mit umliegenden Städten und Gemeinden) und den die Stadt umgebenden preußischen Provinzen. 

Das Berliner Gebiet wurde in vier Bereiche aufgeteilt. Die Sowjetarmee bekam den nordöstlichen Teil von Großberlin als Besatzungsgebiet, mit den damaligen Bezirken Pankow, Prenzlauer Berg, Mitte, Weißensee, Friedrichshain, Lichtenberg, Treptow und Köpenick in den Bezirksgrenzen von 1938 (Begradigung von Bezirksgrenzen und Gebietsänderungen der Bezirke). Am 13. August 1961 errichtete die DDR auf der Grenze zwischen dem sowjetischen Sektor und den drei Westsektoren (also innerhalb Berlins) sowie auf der Grenze der DDR zu den West-Sektoren (auf der äußeren Stadtgrenze) Grenzbefestigungen, die Berliner Mauer, um den stetig steigenden Flüchtlingsstrom zu stoppen, und zementierte damit die Teilung Berlins. Noch 2 Monate vorher hatte der Staatsratsvorsitzende Ulbricht erklärt „Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten“. Dabei hatte Honecker die Abriegelung Westberlins schon längst vorbereitet. Am Abend des 9. Novembers 1989 kam die Wende, die Mauer wurde geöffnet. Der Druck der Bürgerbewegung in der DDR war so groß geworden, dass das Zentralkomitee der SED Reiseerleichterungen zulassen wollte. Günter Schabowski, Mitglied des Politbüros, erklärte in einer Pressekonferenz die beabsichtigte Regelung so unglücklich, dass daraus die Erklärung wurde, die Mauer sei sofort geöffnet. 

Zunächst auf dem Mauerweg

Für die Umfahrung von Westberlin gibt es den Mauerradweg. Für eine Umfahrung von Ostberlin gibt es allerdings kein Radwegsystem. Darum habe ich eine Fahrradroute möglichst dicht am alten Grenzverlauf geplant. 

Die Radroute südlich um Berlin - 65 Kilometer
Erster Teil der Ostberlin-Umrundung

Anfahrt zunächst von Lichterfelde-West bis zum Mauerradweg im Süden Berlins. Der verläuft entlang der südlichen Bezirksgrenze von Lichterfelde. Der S-Bahnhof Lichterfelde-Süd ist nicht weit entfernt. Er wäre auch ein guter Startpunkt für die Ostberlin-Umrundung. Die Grenze mit dem Mauerstreifen biegt vom Teltowkanal bei Lichterfelde-Süd nach Süden ab und überquert die Lichterfelder Allee bzw. den Ostpreußendamm.   Hinter dem Ostpreußendamm wurde auf dem Mauerstreifen 1990 eine Allee mit Kirschbäumen gepflanzt, die Asahi-Kirschblütenalle. 

S-Bahn Bahnhof Lichterfelde-Süd

Die Kirschblütenalle liegt direkt auf dem ehemaligen Grenzstreifen zwischen Berlin-Lichterfelde und Teltow. Im April verwandelt sich der rund 1,5 km lange Grünstreifen für wenige Wochen in ein Meer von Rosa. Über 1.000 blühende Kirschbäume säumen dann den Mauerweg (siehe: Spaziergang durch die Asahi-Kirschblütenallee – Link zum Beitrag).

Kirschblütenallee
(Foto einer Wanderung 2020)

1990 rief der japanische Asahi-Fernsehsender zu einer Spendenaktion auf, bei der umgerechnet rund eine Million Euro zusammenkam. Von diesem Geld wurden mehr als 9.000 Bäume in Berlin und Brandenburg gepflanzt, rund 1.100 davon auf dem ehemaligen Mauerstreifen zwischen Berlin-Lichterfelde und Teltow. Nach japanischer Tradition sollen die Kirschblüten Frieden und Ruhe in die Herzen der Menschen bringen. 

Da der Weg der Kirschblütenallee zurzeit wegen Bauarbeiten gesperrt ist, bin ich vom S-Bahnhof Lichterfelde-Süd etwas weiter östlich zu dem im Süden verlaufenden Grenzstreifen gefahren, vorbei an dem größeren Wohnungsbauprojekt Neulichterfelde. 

Neulichterfelde. Hier war bis 1994 am Rand Berlins ein ehemaliger Truppenübungsplatz der Amerikaner, auf dem jetzt ein neuer Stadtteil mit 2.500 Wohnungen entstehen soll. Geplant wird schon seit etwa 2015. Lange Zeit brauchte die Abstimmung mit dem Bezirk über den Freiflächen- und Wohnbauanteil. Weniger als die Hälfte der Gesamtfläche darf bebaut werden. Der Rest bleibt „Grün“. Die freibleibende Fläche, als „Grüne Mitte“ bezeichnet, liegt sinnigerweise am Südrand des Bebauungsgebietes. Gleich dahinter beginnt die offene Brandenburger Landschaft mit Acker- und Grünflächen.  Zurzeit wird die Baufeldfreimachung durch ein neu entdecktes Ameisennest behindert, nachdem vorher die Umsetzung von Fröschen und Lurchen das Thema war. 

Der Mauerradweg folgt den Bezirksgrenzen von Lichterfelde und dann Lichtenrades Richtung Osten. 

Von der Osdorfer Straße kommend stoße ich auf den Grenzstreifen.
Ein Stück der Betonmauer erinnert an die Mauer-Grenze.
Das Stadtschild steht etwas unordentlich daneben.

Der Mauerweg

Südlich des Baugebietes Neulichterfelde bestand auf Brandenburger Gebiet bis zum Mauerbau der Ort Osdorf. In Lichterfelde erinnert die Osdorfer Straße daran. Nach 1961 war das kleine Dorf zunächst Sperrgebiet, dann wurden die Einwohner in das benachbarte Heinersdorf umgesiedelt, die Häuser wurden abgerissen. 

Stehlen am Mauerweg erinnern an die Ereignisse an der Mauer.
Meistens sind es Erinnerungen an erschossene Opfer, die flüchten wollten.
Hier wird an die gesperrte Straße nach Marienfelde erinnert
und an das Notaufnahmelager Marienfelde für Flüchtlinge aus der Sowjetzone.
Nach dem Aufstand des 17. Juni 1953 wurde es mit 2000 Unterkunftsplätzen eröffnet. 1958 kamen allein im August 16.000 Flüchtlinge aus der Sowjetzone hier an. Nach dem Bau der Mauer am 13. August 1961 kamen keine Flüchtlinge mehr.

Blick nach Brandenburg

Nördlich Mahlow quert der Radweg die Bahntrasse der sogenannten Dresdner Bahn. Mit dem Ausbau der Bahnstrecke wurde auch eine Untertunnelung für den Radweg nach langer Diskussion gebaut. Bis dahin musste ein umständlicher Umweg auf alten Kopfsteinpflasterwegen gefahren werden. 

Der neue Fahrradweg-Tunnel

Eine Stehle kurz hinter dem Tunnel.
An dieser Stelle wurde 1966 ein Flüchtling von Grenzposten erschossen.
Zwei Stacheldrahtsperren konnte er überwinden. Vor der dritten Sperre wurde er hinterrücks getroffen und starb im Stacheldraht.

Denkmal an der B 96 zur Erinnerung an den Fall der Mauer
am 9. November 1989.
An der Stelle war ein ehemaliger Grenzkontrollpunkt zwischen Westberlin und der Brandenburger Gemeinde Blankenfelde-Mahlow. Hier durften aber nur Müllfahrzeuge für Transporte zur Mülldeponie Schöneiche passieren.

Der Grenzverlauf umgeht den Ortsteil Lichtenrade, der wie eine Halbinsel nach Brandenburg hineinreicht. Auf diesem Wegabschnitt (an der Grenze von Lichtenrade zu Großziethen) verliere ich ein Stück den Mauerweg. Er ist hier auch nicht so gut ausgebaut und die Ausschilderung war auch unzureichend, zumindest habe ich sie nicht gesehen. Schließlich habe ich den Weg wiedergefunden. 

Mein Weg. Ob es auch der Maurerradweg ist, bin ich mir nicht sicher.


Schön war die Natur am Weg.
Leuchtend gelbe Blumen und Edelkastanien (Maronen),
die ich bisher in Deutschland nur in der Pfalz gesehen habe.


Schließlich habe ich den Mauerweg wiedergefunden

Nach der Umfahrung von Lichtenrade stößt der Mauerradweg dann im Norden auf die Westberliner Großsiedlung Gropiusstadt. Sie wurde in den 1960er und 1970er Jahren nach Plänen von Walter Gropius in unmittelbarer Grenznähe als Trabanten-Hochhausstadt zwischen den älteren Siedlungen Buckow und Rudow gebaut. 

Die Hochhäuser von Gropiusstadt entstanden vor dem Fall der Mauer

Neue Siedlungen entstehen entlang der ehemaligen Mauer-Grenze

An anderer Stelle bleibt die Landschaft naturnah erhalten

Findlinge an der Grenze bei Rudow.
Sie dürften vor etwa 18.000 Jahren in der Weichsel-Eiszeit hier liegengeblieben sein. Damals entstand eine vom heutigen Ort Rudow kommende Schmelzwasserrinne. Es ist jetzt das Rudower-Fließ.

Gegenüber der Westberliner Ortslage Rudow liegt in Brandenburg die Gemeinde Schönefeld mit dem Berliner Flughafen. Dahinter stoßen der Westberliner Bezirk Neukölln, der Ostberliner Bezirk Treptow-Köpenick und der Brandenburger Bezirk Dahme-Spreewald aufeinander. Der Mauer-Radweg folgt der Grenze und dem Mauerstreifen zwischen Neukölln und Treptow-Köpenick nach Norden. 

Um Ostberlin herum

Hier verlasse ich den Mauerradweg – hier wollte ich den Mauerradweg verlassen und die Umrundung von Ostberlin beginnen. Der Mauerradweg war aber so schön ausgebaut, dass ich ihn nicht verlassen „wollte“. Bis ich das Heizkraftwerk von EON sehe. Das ist in Neukölln. Ich war nicht auf meiner geplanten Route, sondern auf dem Mauerweg zwischen Westberlin und Ostberlin. Also musste ich wieder zurück, bis zur Überquerung der Autobahn, und von hier aus Richtung Osten und nicht Richtung Norden fahren. 

Am Landschaftspark Rudow-Altglienicke.
Hier hätte ich den Mauer-Radweg gleich verlassen sollen.

Aber das zusätzliche Wegstück hin- und zurück war schön

Auf Westberliner Gebiet ist der Landschaftspark Rudow-Altglienicke, auf Ostberliner Gebiet stehen die zu Schönefeld gehörenden Platten-Hochhäuser.  Dazwischen verläuft die Autobahn, die ich überquere. Der Grenzverlauf zwischen den Hochhäusern und dann durch Gewerbegebiet ist unübersichtlich und folgt nicht dem Straßennetz. Die Grenze macht einen Abstecher nach Süden, am Schönefelder See östlich vorbei, und führt dann wieder nach Osten.  Ich folge nicht allen Windungen des Grenzverlaufs und kürze die Strecke etwas ab. 

Ostberlin - Hochhäuser an der Schönefelder Chaussee

Verschönerung nach der Wende

In Schönefeld: Ziemlich aufwändiger Wegweiser

In Eichwalde: Die Straßennamen sind geblieben

Gemeindegrenze Ostberlin und Eichwalde in Brandenburg

Die nächsten größeren Orte sind Eichwalde und Schmöckwitz an der Dahme in Brandenburg. Die Grenze Ostberlins verläuft hinter Schmöckwitz in der Mitte der Dahme, die hier den Zeuthener See bildet, nach Süden, um dann am Ufer einer breiten Landzunge wieder nach Norden, Richtung Schmöckwitzwerder, zu führen. Den Weg um die Landzunge herum erspare ich mir und fahre gerade von Schmöckwitz hinüber nach Schmöckwitzwerder. 

Durchfluss der Dahme vom Zeuthener See zum Seddinsee bei Schmöckwitz

Die große Richtung ist jetzt nach Norden. Der Weg führt bei Wernsdorf über den Oder-Spree-Kanal. Der Kanal verläuft durch den Seddinsee und folgt dann der Dahme durch den Langen See, die bei Köpenick in die Spree mündet. 

Der Oder-Spree-Kanal mit der Schleuse Wernsdorf

Der Oder-Spree-Kanal verbindet die Oder bei Eisenhüttenstadt über die Dahme mit der Spree in Berlin. Er wurde 1891 eröffnet. Zunächst wurden die Lastkähne mit einer Treidelbahn geschleppt, die später durch Schleppdampfer abgelöst wurde. Noch zur DDR-Zeit war der Kanal ein wichtiger Verkehrsweg, verlor seine Bedeutung aber nach der Wende durch den Niedergang der ostdeutschen Wirtschaft..

Mein Radweg führt nach Überquerung des Oder-Spree-Kanals durch die Gosenberge. Sie gehören zu einer Hügelkette, die sich bis zu den Müggelbergen hinzieht, durch den Seddinsee getrennt. Mit dem E-Bike ist der Anstieg leicht zu bewältigen. Aber man sieht den Höhenunterschied, wenn man in das ostwärts gelegene Tal schaut. Auf den Seddinsee stoße ich bei Gosen. 

Am Seddinsee bei Gosen

Der Gosener Kanal

Danach fahre ich am Gosener Kanal entlang. Er verbindet den Seddinsee mit dem Dämeritzsee. (Auf der Tourenkarte sieht man am Kanal einen Abstecher Richtung Müggelheim. Hier habe ich nicht aufgepasst und den Abzweig zum Kanal verpasst. Mein zweiter Umweg bei dieser Tour). 

Der Weg am Gosener Kanal

Die Grenze zwischen Berlin und Brandenburg verläuft weiter östlich meines am Gosener Kanal entlangführenden Weges. Zwischen dem Kanal und dem Grenzverlauf weiter östlich liegt ein unwegsames Wald- und Moorgebiet. Die Torfschicht darunter soll bis zu 7 Meter mächtig sein. Die Grenze durchquert das Moorgebiet und trifft auf die Spee. Die Spree fließt in den Dämeritzsee und verlässt ihn als Müggelspree Richtung Müggelsee. Die Grenze folgt der Spree bis zum Dämeritzsee, durchquert ihn und verläuft weiter am westlichen Ortsrand von Erkner. 

Bis nach Erkner

Ich umrunde den Dämeritzsee auf seiner westlichen Seite und überquere die Müggelspree. Bei Erkner stoße ich wieder auf die Grenze zwischen Brandenburg und Berlin. Bis zum S-Bahnhof Erkner am nordwestlichen Stadtrand gelegen,  ist es nicht weit. Hier endet der erste Abschnitt meiner Ostberlin-Umrundungs-Tour. Von Erkner fahre ich mit der S-Bahn bis zur Friedrichstraße und weiter nach Lichterfelde-West. 

Alter Spreearm - westliches Dämeritzsee-Ufer

Erkner. Interessant ist die Herkunft des Namens. Erkner liegt an der Verbindung von Dämeritzsee und Flakensee, die heute als Flakenfließ bezeichnet wird. Der Fließ hieß früher Archenow, abgeleitet von Arche, eine Bezeichnung für eine Umflut (Verbindug) zwischen zwei größeren Gewässern. Bis 1579 hieß der Ort entsprechend Arckenow, von Arche abgeleitet. Daraus entstand der Ortsname Erkner. 

In Erkner wurde die erste große kontinentaleuropäische Teerdestillation durch Julius Rütgers (1830 – 1903) gegründet.

Bei der Teerdestillation wird das bei der Steinkohle-Verkokung entstehende Teer destilliert und das Hauptprodukt Kreosol (Teerpech) gewonnen. Damit wurden früher Bahnschwellen imprägniert. Das ist seit 2002 aus gesundheitlichen und Umweltschutzgründen verboten. Ich meine aber, manchmal noch auf den Bahnhöfen Teer zu riechen.

Julius Rütgers hatte zunächst ein Imprägnierwerk für Eisenbahnschwellen in Erkner gebaut. Anlass für die Errichtung des Werkes war sicher der Ausbau des Schienennetzes im Raum Berlin. Das Teerpech musste er teuer aus England importieren.

1860 baut er in Erkner seine eigene Teerdestillation. Den Grundstoff Steinkohlenteer bezog er von den Gaswerken Berlins und anderer Städte. Es war ein Abfallprodukt bei der Gasgewinnung aus Steinkohle.

Er errichtete weitere Imprägnierwerke, insgesamt wurden es bis Ende des 19. Jahrhundert 77 Imprägnierwerke in ganz Europa, und tränkte die Holzschwellen für tausende Kilometer Eisenbahnlinien mit dem Teerprodukt aus Erkner.

Die von Rütgers aufgebaute Rütgerswerke AG wurde nach 1975 von der Ruhrkohle AG übernommen. 

In Erkner gründeten 1910 die Rütgerswerke mit dem belgischen Erfinder Leo Baekeland die Bakelite GmbH. Bakelit war ein Kunststoff, der u.a. aus Phenol gewonnen wurde. Phenol fiel bei der Teerdestillation in Rütgers Werk in Erkner an. Das Bakelit wurde u.a. an die Siemens-Kabelwerke geliefert. Erkner wurde der weltweit erste Standort für die industrielle Produktion von Kunststoff.

Nach dem 2. Weltkrieg wurde das Bakelitwerk demontiert und in die Sowjetunion gebracht. Das Bakelitwerk wurde enteignet und verstaatlicht, ebenso wie die Steinkohlenteer-Raffinerie, und in den Volkseigenen Betrieb VEB Plasta Erkner umgewandelt. Die für den Trabant benötigten Karosserieteile wurden aus in Erkner gewonnenen Phenolharzen hergestellt.

Nach der Wende wurde der Plastikbetrieb privatisiert. Die Teerveredlung wurde 1993 eingestellt. 

In Erkner wohnte der schlesische Schriftsteller und spätere Nobelpreisträger Gerhart Hauptmann von 1885 bis 1889. Erinnerungen an Erkner hat er u.a. in seinem Drama „Der Biberpelz“ verarbeitet. Das Verhalten des Amtsvorstehers von Wehrhahn im Biberpelz soll von Hauptmanns Erfahrungen mit Erkners Amtsvorsteher Oscar von Busse abgeleitet sein. Der Bahnwärter Thiel in Hauptmanns Stück „Bahnwärter Thiel“ lebte in einem Bahnwärterhäuschen an der Eisenbahnstrecke von Erkner nach Fürstenwalde.  Gerhart Hauptmann lebte mit seiner Ehefrau in der Villa Lassen, die jetzt unter Dankmalschutz steht, und ein Gerhart-Hauptmann-Museum geworden ist.

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