Zu Gerhart Hauptmann und den Schlössern im Hirschberger Tal

Eine Fahrrad- und Wanderreise in das Hirschberger Tal und das Riesengebirge in Niederschlesien und Böhmen.  

Vom 9. bis 21. August 2022 

(5 A) Zum Heilbad der Schaffgotsch

Samstag, 13. August 2022 
(Tag des Mauerbaus 1961)


31 Kilometer

Hirschberg Cieplice Slakie-Zdroj/Bad Warmbrunn  Palais Schaffgotsch – Evangelische Erlöserkirche – Zisterzienserkloster – Langes Haus – Kurpark – Norwegischer Pavillion - Palac Pakoszowie/ Schloss Wernersdorf  – Palac Sobieszow/Schloss Hermsdorf - Cieplice Slakie-Zdroj/Bad Warmbrunn  - Hirschberg.

Seit dem 13. Jahrhundert sind die Heilquellen in Bad Warmbrunn bei Hirschberg bekannt. Schon meine Großmutter (die in Plagwitz bei Löwenberg wohnte) war hier zur Kur. Das Heilbad und zwei weitere Schlösser waren das Ziel meiner heutigen Tour. 

Geplant hatte ich allerdings auch noch, bis zu dem „Gesundheitsort“ Stonsdorf, aus dem der „Gesundheitslikör echt Stonsdorfer“ kommt, südlich von Bad Warmbrunn, zu fahren. Daraus wurde heute nichts. Es regnet so stark, dass ich umgeplant habe. Ich habe am Nachmittag den für den nächsten Tag vorgesehenen Stadtrundgang durch Hirschberg vorgezogen und werde dafür morgen nach Stonsdorf fahren, allerdings auch nicht so wie geplant. Doch dazu morgen mehr.

 

Von Hirschberg fahre ich im Tal des Zacken bis nach Bad Warmbrunn/Cieplice Slakie-Zdroj mit dem Schloss der Schaffgotsch, dem Kurpark und dem angrenzenden Norwegischen Park. 

Bad Warmbrunn - Das Heilbad der Schaffgotsch 

Schon im 13. Jahrhundert waren die radiumaktiven, heißen Schwefelquellen des Heilbades bekannt. Damals, 1281, schenkte der Herzog von Jauer und Löwenberg Wald, Wiesen und Ackerland „an der warmen Quelle“ für zwanzig Jahre abgabenfrei dem Johanniter-Orden, der dort eine Herberge für kranke Besucher einrichten wollte. 

Im 14. Jahrhundert erwarb ein Vorfahre der späteren Reichsgrafen Schaffgotsch die Grundherrschaft. Eine der zwei bekannten Quellen betrieben die Schaffgotsch selber, die andere schenkten sie Zisterzienser-Mönchen. Nach der Säkularisierung des Klosterbesitzes wurde deren Quelle 1812 von den Schaffgotsch übernommen. 

Im 17. und 18. Jahrhundert wurde Warmbrunn ein bekanntes Kurbad mit schwefelhaltigen Bädern. Kurhäuser und Hotels entstanden. In dieser Zeit entdeckte auch der deutsche Hochadel, allen voran das Preußische Königshaus, das Hirschberger Tal. 1925 erhielt Warmbrunn die Auszeichnung „Bad“. 

Meine Mutter erzählte mir, dass ihre Mutter, meine Großmutter, mehrfach zur Kur in Bad Warmbrunn war. Das Bad war nicht weit von ihrem Heimatort Plagwitz bei Löwenberg entfernt. Es muss damals auch für die „einfachen Leute“ erschwinglich gewesen sein.

Bad Warmbrunn ist jetzt ein Stadtteil von Hirschberg. 


Palais Schaffgotsch (1) 

Das Palais Schaffgotsch wurde von 1784 bis 1788 durch Reichsgraf Johann Nepomuk Schaffgotsch errichtet, ein hufeisenförmiges Schloss im Übergangsstil vom Barock zum Empire.  Es ersetzte einen Vorgängerbau von 1600, der 1777 abbrannte. Sehenswert ist der Ballsaal im Empirestil mit einem Intarsien-Fußboden (der aber nicht zu besichtigen war). 

Die lange Front des Palais Schaffgotsch

Nach Übernahme durch die Rote Armee wurde die Mehrzahl der Einrichtung, Möbel und Bilder zerstört. Das Schloss wurde als sowjetisches Feldlazarett genutzt und 1947 als Ruine zurückgelassen. Nach Renovierungen zog 1975 die Breslauer Technische Universität ein. 

Erlöserkirche / Kosciol Zbawiciela (2)

Kirche der Evangelisch-Augsburgischen Kirchengemeinde in Polen. 

Die Evangelisch-Augsburgische Kirche ist die größte der evangelischen Kirchen in Polen (mit etwas über 60.000 Mitgliedern, neben anderen evangelischen Gemeinschaften wie der Pfingstkirche oder der Evangelisch-Reformierten Kirche). Der Name nimmt Bezug auf die Lehre von Philip Melanchton (neben Martin Luther der wichtigste Reformator), dem „Augsburger Bekenntnis“. 

Erlöserkirche

1741 erhielt die Gemeinde Warmbrunn die Genehmigung zum Bau einer evangelischen Kirche. Das war unmittelbar nach der Besetzung Schlesiens durch Friedrich den Großen. Das bis dahin österreichische Territorium war nach der Habsburger Gegenreformation katholisch. Der Holzbau wurde bis 1774 durch einen barocken Neubau ersetzt. Sie gehört zu den wertvollsten Barockbauten Niederschlesiens. 

Kloster und Kirche Johannes der Täufer/ Parafia Jana Chrzciciela (4)

Die Kirche ist Teil des Anfang des 15. Jahrhunderts begründeten Klosters der Zisterzienser. Nach Zerstörung der Kirche durch einen Brand erfolgte 1712 bis 1714 ein Neubau. Patronatsherr war Hans Anton von Schaffgotsch. 

Altar der Johannes-Kirche

1810 wurde das Kloster von Preußen säkularisiert. Die von Schaffgotsch kauften das Gut und das Kloster und verlagerten ihre Familienbibliothek vom Schloss Hermsdorf in die Klostergebäude (Langes Haus, s.u.). Ein Teil des Klosters (Südflügel) kam als Pfarrgebäude zur Klosterkirche.

Heute ist die ehemalige Klosterkirche eine Pfarrkirche. In dem Kloster-Gebäudeteil ist wieder ein Orden (Piaristenorden), der die Kirche betreut.  


Langes Haus (5) 

Das „Lange Haus“ ist heute das Kurhotel. Ende des 17. Jahrhunderts war das Lange Haus für die zur Kur kommenden Äbte des Grüssauer Zisterzienser-Klosters im Warmbrunner Koster eingerichtet worden.

Die Unterkunft für die Äbte des Klosters Grüssau

Nach der Säkularisierung erwarben die Schaffgotsch 1812 das Lange Haus für ihre Sammlungen. Bis 1945 beherbergte es die Bibliothek der Familie (80.000 Bände) mit wertvollen Inkunabeln, Handschriften und Sammlungen (damals die größte private Sammlung in Europa). 

Das Zisterzienserkloster Grüssau in Kamienna Gora/Landeshut (östlich von Kowary/Schmiedeberg) wurde 1292 von den schlesischen Herzögen Bolkow I. und Heinrich V. gestiftet. Es wurde mit großen Ländereien und 14 Dörfern ausgestattet. Die Mönche sollten die Ländereien erschließen und weitere Dörfer gründen.

1403 kam die Propstei Warmbrunn dazu, von Schaffgotsch gestiftet. Das Kloster Grüssau vergrößerte seine Ländereien auf 40 Dörfer und 2 Städte. Nach dem 30-jährigen Krieg wurde es Zentrum der Gegenreformation in Schlesien.

1810 wurde das Kloster durch Preußen aufgelöst. 


Kurpark und Kurhaus (6)

Der Kurpark gegenüber dem Schloss der Schaffgotsch wurde 1713 an der Stelle eines Gemüsegartens angelegt und später erweitert. 1838 wurde er im englischen Stil zweiteilig umgestaltet, ein Park für die Schlossbewohner und ein Kurpark für die Kurgäste.


Im Park ist das Kurhaus-Theater (von 1836) und das Kurhaus (1797, Mineralwasser-Trinkhalle). Am Rande des Kurparks ist die moderne Therme. 


Norwegischer Park und Pavillon (7)

Südlich an den Kurpark angrenzend ist der Norwegische Pavillon und Park. 

Ich hatte den Park südlich neben dem Kurpark auf der Karte gesehen, aber nicht beachtet. Bis ich bei einer Radtour zum Stahnsdorfer Friedhof bei Berlin etwas mehr zu der dort errichteten Holzstabkirche erfahren wollte. Warum wurde dort eine Kirche in einem norwegischen Baustil errichtet? Der Grund war wohl die Vorliebe des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II. für diesen Baustil, der dadurch in Mode gekommen war. In Krummhübel wurde die Kirche Wang errichtet. In Potsdam die Matrosenstation Kongsnaes.

        Siehe im Blog: Radtour Griebnitzsee und Havel

Und dieser Vorliebe für die Drachenstil-Architektur folgte auch der Hirschberger Unternehmer Eugen Füllner.

Bekanntester Architekt des Drachenstils (Kennzeichen sind die Giebeldrachen) war der Norweger Holm Hansen Munthe (1848 – 1898). Er hatte sein Architekturstudium an der Polytechnischen Hochschule in Hannover abgeschlossen und danach zwei Jahre in Hildesheim gearbeitet. 

Der Park und mittendrin der Pavillon wurden von dem Papiermaschinenhersteller Eugen Füllner 1909 errichtet. Füllner hatte eine Fläche neben seiner Werksanlage erworben. Auf 3 Hektar errichtete er eine Wohnsiedlung für seine Arbeiter und auf weiteren 15 Hektar ließ er den „Füllner-Park“ anlegen.

Der Norwegische Pavillon

Im Park ließ er einen Pavillon als Raststätte für die Spaziergänger bauen. Er war begeistert von dem Osloer Restaurant „Frognerseteren“ und ließ nach den Originalbauplänen einen Zwillingsbau errichten. Bald wurde das Restaurant als „Norweger“ bezeichnet und mit ihm der umgebende Park. Seit 1967 ist in dem Pavillon das städtische Naturkundemuseum untergebracht, das vorher im „Langen Haus“ war. 

Eugen Füllner (1853 – 1925) hat den von seinem Vater übernommenen Betrieb zu einem der weltweit größten Hersteller von Papiermaschinen aufgebaut. In Norwegen stammten 1918 von den 81 Papiermaschinen 40 von Füllner.

Füllner war kinderlos und verkaufte sein Unternehmen an die „Linke-Hofmann-Werke“ in Breslau (später Linke-Hofmann-Busch, die nach dem 2. Weltkrieg in Salzgitter eine Waggonfabrik aufbauten, heute zu Alstrom gehörend). Das Füllner-Werk wurde 1945 demontiert und in die Sowjetunion gebracht. Polnische Ingenieure bauten in den leeren Hallen mit verbliebenen deutschen Arbeitern und vorhandenen Konstruktionsplänen die Papiermaschinen-Herstellung wieder auf und gründeten die „PMPoland“, die heute zur finnischen „Valmet Group“ gehört.


Weiter radele ich im Zacken-Tal, immer noch im Regen, Richtung Westen zum Schloss Hermsdorf am Kynast/Palac Sobieszów und dann zum Schloss Wernsdorf/Palac Pakoszowie. Die beiden Schlösser in der Nähe von Bad Warmbrunn wollte ich noch sehen. Hinauf zur Kynast-Burg/Zamek Chojnik oberhalb von Hermsdorf fahre ich nicht. Das hatte ich sowieso wegen des steilen Anstiegs schon in der ersten Planung gestrichen. Neben Schloss Hermsdorf entdecke ich zufällig die evangelische Pfarrkirche, die ich mir natürlich ansehen. 

Schloss Hermsdorf unterm Kynast/Palac Sobieszów (8) 

Als „Hermanni villa“ wird der Ort Hermsdorf 1305 erstmals urkundlich erwähnt. Ab 1369 gehörten der Ort zur Standesherrschaft der von Schaffgotsch.

Nachdem 1675 die oberhalb von Hermsdorf gelegene Kynastburg durch einen Blitzschlag abbrannte, wurden der Familiensitz und die Güterverwaltung in das Vorwerk des Gutes Hermsdorf verlegt, bis 1712 das neue Schloss fertiggestellt wurde.

Das Schloss und der Gutshof

Bis 1945 gehörten das Schloss und die Güter den von Schaffgotsch. Danach wurde das Schloss als Schulgebäude genutzt. Im Schlosspark wurden Wohngebäude errichtet. Zurzeit wird das Schloss wohl umfassend saniert. 

Zamek Chojnik/Burg Kynast 

Die Kynast-Burg oberhalb von Schloss Hermsdorf war vermutlich Teil einer Grenzbefestigung der schlesischen Herzöge gegenüber Böhmen (das muss vor der Anlehnung der schlesischen Piasten-Herzöge an Böhmen ab dem Ende des 13. Jahrhunderts gewesen sein). 1364 wurde die Burg als „Kinast“ urkundlich erwähnt und 1381 dem Ritter Gotsche Schoff als Lehen gegeben. Zu dem Lehen gehörten neben HerBurmsdorf auch die Güter und Orte Herischdorf, Petersdorf, Schreiberhau und Warmbrunn.

Nach einem Blitzschlag 1675 wurde die Burg nicht wiederaufgebaut. 


Evangelische Kirche in Hermsdorf (9)

Wie überall im Habsburger Schlesien wurden mit der Gegenreformation die evangelischen Kirchen geschlossen, Erst nach der Konvention von Altranstädt (1707) wurden die sogenannten Gnadenkirchen gebaut, u.a. in Hirschberg (s.o.). Sie war auch für die evangelischen Hermsdorfer lange Jahre die einzige Möglichkeit, an einem Gottesdienst teilzunehmen, weit entfernt. Erst 1742 wurde nach 87 Jahren ein erster evangelischer Gottesdienst in Hermsdorf abgehalten. Kurz davor erhielten sie auch die Genehmigung zum Bau einer Kirche (wie in Bad Warmbrunn, Schlesien war von Preußen erobert worden).Die wurde 1745 gebaut, als Bethaus ohne Turm. 

Das Bethaus mit  Empore

Nach 1946 wurde das Bethaus eine katholische Kirche, Pfarrkirche zum Heiligen Herz Jesu.

Schloss Wernersdorf/Palac Pakoszowie (10) 

Ursprünglich gehörte der Landsitz in Wernersdorf/Pakoszów im Zacken-Tal den Grafen von Schaffgotsch. Ab 1725 war der Schleierherr Johann Martin Gottfried (späterer Bürgermeister von Hirschberg und Kirchenvorstand der Gnadenkirche) Eigentümer. Er ließ den Landsitz zu einem Barockschloss umbauen, mit Barocksaal und Wohnräumen im Obergeschoss, Leinen-Lager im Erdgeschoss und Bleiche auf dem Grundstück vor Haus. Gottfried war der Schwiegersohn des Leinenhändlers Christian Menzel, Eigentümer von Schloss Lomnitz. 

Später wurde ein anderer Scheierherr,  Heinrich Hess, (er heiratete die Enkelin von Johann Gottfried) Eigentümer und betrieb hier bis 1856 einen Leinenhandel.  Nach ihm wurde das Schloss die „Hess´sche Bleiche“ genannt. 

Schloss Wernsdorf

2005 kauften die Enkel des 1945 enteigneten Eigentümers (bis dahin waren die Nachfahren der Familie Hess Eigentümer) das Schloss zurück und ließen es als Hotel umbauen. Die Ausmalung des Barocksaals im Obergeschoss erfolgte durch den Dresdener Maler Christoph Wenzel, der auch die Kuppel der Dresdener Frauenkirche ausgemalt hat.  


Nach den beiden Schlössern fahre ich über Bad Warmbrunn zurück nach Hirschberg. In Bad Warmbrunn komme ich an dem gerade stattfindenden Wochenmarkt vorbei. Händler, Marktfrauen, Gartenbesitzer verkaufen ihr Obst und Gemüse. Es ist Zwetschgen-Zeit und ich kaufe mir eine Tüte zum Naschen.


Zu dem Bericht gibt es ein Fotoalbum:

Zu Gerhart Hauptmann und den Schlössern im Hirschberger Tal

Eine Fahrrad- und Wanderreise in das Hirschberger Tal und das Riesengebirge in Niederschlesien und Böhmen.  

Vom 9. bis 21. August 2022 

(4) Zu Gerhart Hauptmann und dem Glas im Riesengebirge

Freitag, 12. August 2022 

51 Kilometer, 650 Meter bergauf, 650 Meter bergab.

Hirschberg - Ceplice Slaskie-Zdroj/Bad Warmbrunn – Sobiezow/Hermsdorf unterm Kynast – Jagniatkow/Agnetendorf – Michalowice/Kiesewald – Piechowice/Petersdorf - Szklaska Poreba Dona/Niederschreiberhau – Glashütte Julia/Huta Julia in Piechowice/Petersdorf - Cieplice Slaskie-Zdroj/Bad Warmbrunn - Hirschberg.

Die zweite Radtour im Hirschberger Tal folgt der Erinnerung an Gerhart Hauptmann, der einer der großen deutschen Dramatiker und Schriftsteller des Naturalismus war. Ich mag seine Stücke sehr, zum Beispiel „Die Weber“ oder „Der Biberpelz“. Im Hirschberger Tal hat er nach seiner Berliner Zeit gewohnt und ich besuche sein Haus Wiesenstein in Agnetendorf/Jaginatokow.

Davor hatte er zusammen mit seinem Bruder in Niederschreiberhau ein gemeinsames Haus. Beide Häuser sind heute Museen.

Außerdem besuche ich bei dieser Tour die Glashütte Julia als Beispiel der Glasindustrie im Hirschberger Tal.

Die Radtour verläuft von Hirschberg aus zunächst im Flusstal des Zacken/Kamienna flussaufwärts nach Westen. Hinter Bad Warmbrunn/Ceplice Slaskie-Zdroj (siehe dritte Rundtour) wechsele ich in das Tal des Zacken-Nebenflusses Heidewasser/Wrzosowka Richtung Südwest. Links vom Weg liegt oben im Wald die Ruine der Kynastburg/Chojnik (siehe dritte Radtour). Dann erreiche ich den Ort Agnetendorf/Jagniatkow und die Hauptmann-Villa Wiesenstein.


Gerhart Hauptmann 

Gerhart Hauptmann (1862 – 1946) war Dramatiker und Schriftsteller. Er erhielt 1912 den Literatur-Nobelpreis. Seine bekanntesten naturalistischen Dramen sind „Die Weber“, „Der Biberpelz“, „Fuhrmann Henschel“, „Hanneles Himmelfahrt“. Seit der Schulzeit habe ich die Dramen mehrfach gelesen. Der „Biberpelz“ wurde als Schauspiel verfilmt, ich sehe mir den Film immer wieder gern an. Mir gefällt die „eingedeutschte“ schlesische Mundart. Von den Schauspielbühnen wird Hauptmann leider kaum noch gespielt. 

Die Weber“, sein Hauptwerk, hat Gerhart Hauptmann in Berlin und in Schreiberhau geschrieben, 1891 als Dialekt-Fassung, 1892 in einer an das Hochdeutsche angenäherten Fassung. Die Handlung spielt im Eulengebirge (80 Kilometer südöstlich von Hirschberg).

Damals mussten Theater-Aufführungen polizeilich genehmigt werden (obwohl es formal seit 1850 eine Pressefreiheit gab). Weil das Stück nicht genehmigt wurde, erfolgte 1893 eine private Aufführung des „Vereins Freie Volksbühne“. 

Im Prozess gegen die Zensur wurde das Stück schließlich freigegeben, weil die Eintrittspreise im Deutschen Theater so hoch seien, dass von einem Publikum, dass die hohen Preise bezahlen könne, keine Gefahr für die öffentliche Ordnung ausgehen würde (so die Urteilsbegründung).

Nach der öffentlichen Aufführung 1894 kündigte allerdings der Deutsche Kaiser Wilhelm II. seine Loge im Deutschen Theater in Berlin (für eine Spielzeit) um seinen Unwillen über das Urteil auszudrücken. 

Gerhart Hauptmann ist Schlesier, in Ober Salzbrunn (Bad Salzbrunn/Szczawno-Zdrój ) bei Waldenburg/Walbrzych geboren. Ober Salzbrunn liegt etwa 60 Kilometer östlich von Hirschberg. In der Nähe ist das Eulengebirge. Seine Eltern betrieben dort ein Hotel und Gasthof. Sein Großvater war ein ehemaliger Weber, der den Gasthof gekauft hatte. 

In Breslau ging Gerhart Hauptmann zur Realschule. Danach war er Schüler der Kunst- und Gewerbeschule. Für die Hochzeit seines Bruders Carl schrieb er ein kleines Festspiel „Liebesfrühling“, eher ein Gelegenheitswerk.  

Bei der Hochzeit lernte er auch die Schwester der Braut kennen, Marie Thienemann aus Radebeul, die er später heiratete. Ein weiterer Bruder, Georg, hatte als erster der drei Brüder eine Thienemann-Tochter geheiratet. Drei Hauptmann-Söhne heirateten drei Thienemann-Töchter. Die Eltern der Thienemann-Töchter waren vermögend, der Vater war Wollgroßhändler in Berlin und Dresden. 

Marie Thienemann finanzierte Hauptmann einen Aufenthalt in Rom, wo er Bildhauer werden wollte. Dank der Unterstützung seiner Frau konnte er ein Studium der Philosophie und Literaturgeschichte in Jena beginnen, ein Zeichenstudium in Dresden und ein Geschichtsstudium in Berlin. Er beendet keines seiner Studien. Vielmehr interessierte ihn das Berliner Theater. 

In Berlin lebten die Hauptmann in Moabit (Lüneburger Straße 5), kurze Zeit auch im Stadtteil Charlottenburg (Schlüterstraße 78) und dann in Erkner bei Berlin in der Villa Lassen (heute ein Gerhart Hauptmann-Museum). In der Zeit wurden die drei Söhne Hauptmanns geboren. In Erkner schrieb Hauptmann den „Bahnwärter Thiel“ und den „Biberpelz“.  Dabei verarbeitete er seine persönlichen Erlebnisse. Der Amtsvorsteher Wehrhahn im „Biberpelz“ dürfte dem damaligen Amtsvorsteher in Erkner entsprechen, bei dem er die Geburt seiner Söhne anmelden musste und der ihn wohl genauso, wie in dem Roman beschrieben, von oben herab behandelt hat. 

In der Zeit lebte Hauptmann von dem ererbten Geld seiner Frau. Ein eigenes Beschäftigungs-Einkommen hatte er nicht. Nach Versuchen in der Bildhauerei und der Malerei begann er mit Dichtungen und dem Schreiben von Dramen. Sein erstes anerkanntes Werk war der „Bahnwärter Thiel“. 

1891 kaufte er mit seinem Bruder Carl ein Haus in Schreiberhau im Riesengebirge (heute ein Hauptmann-Museum). 

In Agnetendorf/Jagniatkow, heute ein Stadtteil von Hirschberg, ließ er sich sein Haus Wiesenstein bauen, dass er 1901 bezog. Er wohnte dort allerdings mit seiner Geliebten Margarete Marschalk. 1894 hatte sich seine Frau Marie wegen der Geliebten von ihm getrennt und lebte mit den Kindern in Dresden. 1904 wurden sie geschieden und Hauptmann heiratete Margarete Marschalk. Mit ihr hatte er den 1900 geborenen Sohn Benvenuto. 


Haus Wiesenstein

1912 erhielt Gerhart Hauptmann den Literatur-Nobelpreis. Er war der dritte deutsche Preisträger nach Theodor Mommsen (1902), Rudolf Eucken (1908) und Paul Heyse (1910). Nach ihm erhielten noch Thomas Mann (1929), Hermann Hesse (1946), Nelly Sachs (1966), Heinrich Böll (1972), Günter Grass (1999) und Herta Müller (2009) den Literatur-Nobelpreis.

 

Villa Wiesenstein in Agnetendorf/Jagniatkow (1) 

Agnetendorf wurde 1621 von böhmischen Protestanten auf dem Grundbesitz der von Schaffgotsch gegründet. Namensgeber des Ortes war Agnete, die Ehefrau von Hans Ulrich von Schaffgotsch. 

Gerhart Hauptmann ließ sich hier von dem Berliner Architekten Hans Grisebach seine Villa Wiesenstein bauen. Äußerlich wie eine Burg aussehend, ist die Innenarchitektur vom Jugendstil geprägt. 

In Berlin baute sich Hans Grisebach 1891/1892 an der Fasanenstraße eine Stadtvilla als Atelier und Wohnhaus.

1984 erwarb die Deutsche Bank das Haus. Seit 1986 ist die Villa das Auktionshaus von 5 Kunsthändlern, die sich 1986 zum Auktionshaus Grisebach zusammengeschlossen haben. 

Die Wohnhalle

In der Villa Wiesenstein lebte Gerhart Hauptmann bis zu seinem Tod 1946 im Alter von 84 Jahren. Die Vertreibung durch Polen verhinderte ein sowjetischer Schutzbrief des Kulturoffiziers, der ihn wohl wegen seiner sozialkritischen Romane verehrte. Eine Beerdigung in Schlesien konnte er aber gegen die polnische Administration nicht durchsetzen. Nach Hauptmanns Tod wurde sein Sarg mit einem Sonderzug in die sowjetische Besatzungszone überführt und in Kloster auf Hiddensee beigesetzt. Auf Hiddensee hatte Hauptmann seit 1930 ein Ferienhaus, das Haus Seedorn. 

Das Haus Seedorn haben Uschi und ich zusammen mit Christine und Josef bei einem der Besuche auf der Insel Rügen besucht. Hiddensee ist eine Ostsee-Insel westlich der Insel Rügen. Im Haus Seedorn in Kloster auf Hiddensee ist seit 1956 ein Gerhart-Hauptmann-Museum eingerichtet. 

Die Villa Wiesenstein wurde ein Kinderheim. 1989 vereinbarten Bundeskanzler Helmut Kohl und der polnische Ministerpräsident Tadeusz Mazowiecki die Einrichtung einer Gedenkstätte in der Villa Wiesenstein. 2001 wurde das Museum „Gerhart Hauptmann Haus“ eröffnet. 

Auf dem Weg in das Zacken-Tal

 
Von Agnetendorf fahre ich durch die Ausläufer des Riesengebirges wieder in das Tal der Kamienna. Und dort ändere ich meine Route. Vorgesehen hatte ich, zunächst, weiter nach Schreiberhau/Szklarska Poreba zu fahren und von dort im Bogen, vorbei an dem gemeinsamen Haus von Carl und Gerhart Hauptmann in Sklarska Proeba Dolna/Mittelschreiberhau, zurück nach Piechowice/Petersdorf zu fahren und dort die Glashütte Julia zu besichtigen, bevor ich endgültig auf der gleichen Strecke wie bei der Hinfahrt zurück nach Hirschberg fahre. Was ich nicht bedacht hatte war die Streckenführung auf der viel befahrenen Schnellstraße nach Sklarska Proeba. Der Autoverkehr war mir zu stark, ein Auto nach dem anderen, kein Radweg (nur ein kurzes schmales Stück, kaum befahrbar). Das wollte ich mir nicht antun. 

Also habe ich umgeplant. Die Strecke von Sklarska Proeba zurück über Mittelschreiberhau habe ich umgedreht und bin ab der Kamienna/Fluss Zacken auf der Landstraße bis zu dem Haus der Gebrüder Hauptmann gefahren. Der Anstieg dort hinauf war so ordentlich, dass ich von Mittelschreiberhau nicht weiter hinunter nach Sklarska Proeba gefahren bin. Ich hätte zurück den Berg wieder hinauffahren müssen. Also einfach nur zurück, auf gleicher Strecke. 

Dadurch war ich allerdings nicht in Szklarska Poreba und habe auch nicht den Kochelfall und die Rabensteine gesehen, von denen meine schlesischen Verwandten in meiner Jugendzeit erzählt hatten. 

           

           Schreiberhau/ Szklarska Poreba

Der Name „Schreiberhau“ bezieht sich auf eine mittelalterliche Rodung (1366: Schribirshau). In der zweiten Hälfte des 16. Jh. siedelten sich protestantische Flüchtlinge aus Böhmen an. Der Ort und der gesamte schlesische Teil des Riesengebirges waren im Besitz der Grafen von Schaffgotsch.

In Schreiberhau waren die ersten Glashütten im Riesengebirge. Die ehemalige Hüttenhalle der Josephien-Glashütte soll mit den alten Glasöfen noch erhalten sein.

Kochelfall/Wodospad Szklarki 

Kurz vor der Mündung der Kochel/Szklarka in den Zacken (vor Schreiberhau/Szklarska Proeba) fällt der Fluss in der Kochel-Klamm 13 Meter in die Tiefe. Seit Jahrhunderten ist der Kochelfall zusammen mit dem Zackenfall (oberhalb von Oberschreiberhau) ein beliebtes Ausflugsziel.  

Ich erinnere mich an Familienfeiern, ich war noch ein Kind, in denen die Verwandten meiner Mutter sich an den Zackenfall, die Koppen und Bauden ihrer schlesischen Heimat erinnerten und davon erzählten. 

Rabensteine/Krucze Skały 

Wie die Wasserfälle ist die Felsengruppe Rabensteine ein historisches Ausflugsziel. Entstanden sind die 30 Meter hohen Granitfelsen (nach anderer Quelle ist es Sandstein, der durch vulkanischen Einfluss gehärtet ist) vor 100 Millionen Jahren.

 

Ich fahre also auf der Landstraße hinauf nach Mittelschreiberhau. Nach einer kurzen Strecke komme ich zu dem Ort der ältesten Glashütte in Schreiberhau. Zu sehen ist nichts, auch kein Hinweisschild. Nur auf die Gerichtslinde des ursprünglichen Glasmacher-Dorfes wird hingewiesen. 


Älteste Glashütte und der Ursprung des Ortes (2) 

Hier in Nieder-Schreiberhau (Szklarska Dolna) soll die älteste Glashütte Schreiberhaus gestanden haben, in einem Dokument von 1366 erwähnt. Mit der Zeit entstand eine Siedlung. Der Ortsteil Nieder-Schreiberhau entstand, wahrscheinlich der älteste Teil von Schreiberhau. Gleich in der Nähe der Gerichtslinde steht die älteste Kirche Schreiberhaus. 


Kirche Unsere Liebe Frau vom Rosenkranz/Kosciol MB Różańcowej (3)

Sie ist die älteste Kirche in Schreiberhau, die katholische Kirche "Unsere Liebe Frau vom Rosenkranz“, nicht weit von der evangelischen Kirche (siehe unten) entfernt. Sie stammt aus dem 17. Jahrhundert. Eine Vorgängerkirche „Corpus Christi“ wird schon 1488 erwähnt.

Die Grabdenkmäler an den Außenwänden der Kirche erinnern an die Glasmacherfamilie Preußler (C.C. Preußler 1803). 

Grabplatten und Epitaphe an der Rosenkranz-Kirche


Kirche Unbeflecktes Herz der Jungfrau Maria/ Niepokalanego Serca NMP (4) und Alter Evangelischer Friedhof (6)

Sie war die erste evangelische Kirche in Schreiberhau, die nach der Eroberung Schlesiens durch Preußen gebaut wurde. Eine erste hölzerne Kirche wurde 1742 errichtet. Dann wurde ab 1754 die heutige Kirche gebaut. Sie erinnert an die von Schaffgotsch. Deren Bauinspektor der Gutsverwaltung hat die Kirche entworfen.  Heute ist es eine katholische Kirche. 

Ehemalige evangelische Kirche


Neben der Kirche ist der alte evangelische Friedhof, auf dem Carl Hauptmann begraben wurde. Der zerstörte Grabstein wurde rekonstruiert und im Garten des  Carl-und-Gerhart- Hauptmann-Hauses aufgestellt.

Gedenkplatte für Carl Hauptmann

Auch der Berliner Schriftsteller Wilhelm Böltsche und seine Frau Johanna sind hier begraben. Und viele Glasmacher. Die Familie Preußler hatte hier eine Grabkapelle.

Der evangelische Friedhof

Ich habe mich auf dem überwachsenen Friedhof am Hang umgesehen (auf der Rückfahrt). Es gibt noch zahlreiche alte Grabsteine, teilweise auch mit noch lesbaren Grabinschriften. Aber von Böltsche und Preußler habe ich nichts entdeckt. 

Hauptmann Haus in Mittelschreiberhau/Sklarska Proeba Dolna  (5) 

Gemeinsam kauften Carl und Gerhart Hauptmann ein Haus in Schreiberhau (bevor das Haus Wiesenstein gebaut wurde). Heute ist das Haus eine Außenstelle des Riesengbirgsmuseum Jelenia Gora. Eine kleine Ausstellung erinnert an Carl und Gerhart Hauptmann. 

Das Haus der Hauptmann-Brüder

Carl Hauptmann 

Carl Hauptmann (1858 – 1921) war der ältere Bruder Gerhart Hauptmanns. Er war wie sein Bruder Dramatiker und Schriftsteller, aber weniger bekannt. 

Er verfasste u.a. ein Rübezahl-Buch mit einer Sammlung von neun Geschichten des sagenumwobenen Herrschers des Riesengebirges. 

Rübezahl ist ein Berggeist oder Schrat des Riesengebirges. Der Sage nach ist er ein launischer Riese, der den Menschen in verschiedener Gestalt erscheint, als Mönch, Bergmann, Junker oder Handwerker. Er ist der Wetterherr des Riesengebirges und sendet Donner und Blitze, Nebel, Regen und Sonnenschein. Guten Menschen begegnet er freundlich und er beschenkt die Armen. Wenn man ihn aber ärgert, rächt er sich mit Unwetter und führt Wanderer in die Irre.

Entstanden sind die Sagen im 18. Jahrhundert. In jüngerer Zeit ist der Rübezahl so etwas wie eine Identifikationsfigur der Schlesier. 

Zu dem in Schreiberhau bestehenden Künstlerkreis (Schreiberhauer Künstlerkolonie) gehörte neben den Hauptmann Brüdern auch der Schriftsteller Wilhelm Bölsche (1861 – 1939). Auf ihn stößt man, wenn man Friedrichshagen am Berliner Müggelsee besucht. Er wohnte dort, bis er 1918 nach Schreiberhau zog. Er redigierte für den Verleger S. Fischer die in der Zeit wichtigste kulturpolitische Zeitschrift „Freie Bühne“. Er wurde wie Carl Hauptmann auf dem evangelischen Friedhof begraben.

 

Nach dem Anstieg hinauf zu dem Gebrüder-Hauptmann-Haus fahre ich auf gleicher Strecke wieder zurück in das Zacken-Tal. Jetzt muss ich mich nicht anstrengen. Hinauf musste ich an manchen Stellen in den kleinsten Gang des Fahrrads schalten und auf die höchste E-bike-Unterstützung, um die Anstiege zu schaffen. Auf der Rückfahrt hinunter musste ich dafür umso kräftiger abbremsen.

Noch einmal ein kurzes Stück das Fahrrad neben der Schnellstraße schieben (die Leitplanken neben dem Weg, wohl auch eher als Fußweg gedacht, waren so eng gesetzt, dass ein Befahren nicht so ratsam war). Dann konnte ich auf normaler Straße bis zur Glashütte Julia fahren.  


Das Glas des Riesengebirges

Schon im 14. Jahrhundert wurden in Schreiberhau Glashütten betrieben. Die älteste Glashütte ist in Nieder-Schreiberhau 1366 urkundlich belegt (siehe oben). 

In der Zeit beginnt die Verglasung von Fenstern zunächst in Klöstern und Kirchen sowie in ersten Burgen mit Butzenscheiben. Das waren runde Glasscheiben mit bis zu 15 cm Durchmesser. Mit einer Glasmacherpfeife wurden aus geschmolzenem Glas Kugeln hergestellt, die mittels eines Hefteisens gerollt wurden, so dass durch die Fliehkraft eine Scheibe entstand. 

Eine der ältesten Glashütten war auch in der Nähe meiner Hildesheimer Heimat, bei Holzminden in Niedersachsen (in Fohlenplacken), die zwischen 1100 und 1150 betrieben wurde und Butzenscheiben für das Kloster Corvey in Höxter hergestellt haben soll. 

In jüngerer Zeit entstand im Hildesheimer Raum eine Waldglashütte. Das Kloster Lamspringe (Nonnenkloster aus dem 9. Jahrhundert, nach der Reformation von englischen Benediktinermönchen wiederbelebt) gründete im 18. Jahrhundert eine Glashütte im weitläufigen Wald des Klosterforstes. Doch die Gründung der Mönche war nicht von Erfolg gekrönt. Sie wurden ihre Glaswaren nicht los und gaben die Glashütte auf. Ein privater Unternehmer folgte und hatte mit dem Export von Glaswaren in das europäische Ausland und nach Übersee Erfolg. Der Ort Glashütte entstand. Mit Beginn des 1. Weltkriegs verlor die Glashütte ihre Absatzgebiete und musste schließen. 

Die Glasmacher der Schreiberhau-Glashütte kamen damals wohl aus Thüringen. Später kamen die Glasmacher aus Böhmen. Kaiser Karl IV. (1316 – 1378) holte neben anderen Handwerkern auch Glasmacher aus Italien und Frankreich nach Prag. Von Böhmen wanderten sie in das Riesengebirge und Isergebirge. 

Zur Herstellung von Glas brauchte man sehr viel Holz, zur Herstellung von Pottasche und zur Schmelzung der Glasmasse. Darum entstanden die Glashütten in waldreichen Gebieten. Die Glasmacher pachteten von den Landbesitzern die Waldflächen zur Rodung. War der Wald geschlagen, wanderten die Glashütten weiter in das Gebirge hinauf.

Die abgeholzten Flächen waren die Grundlage für die weitere Landentwicklung. Viehzüchter und Ackerbauern konnten angesiedelt werden. 

Pottasche wird aus Holzasche gewonnen. Die Holzasche wird in Bottichen oder Pötten (daher Pottasche) mit Wasser ausgelaugt und eingedampft, um das benötigte Kaliumcarbonat als Flussmittel für das Schmelzen des Quarzsandes zu erhalten.

Neben dem Holz brauchte man auch Quarzsand. Den fanden die Glasmacher im Gebirge, u. a. auf dem Iserkamm, der stellenweise wie Schnee ins Tal hinunterleuchtet. Hier wurde das Quarzgestein gebrochen und an den Flüssen mit Hammerwerken zu Quarzsand zerkleinert. 

Das in den Glashütten im Wald erzeugte Glas war das Waldglas. Es reichte in der Qualität nicht an das venezianische Glas heran. Durchsichtige Scheiben und Trinkgläser wurden darum aus Venedig bezogen (für die Reichen und Vornehmen, die es sich leisten konnten). Das Glas der Waldhütten war undurchsichtig und grünlich. Das kam von dem Eisenoxyd, das in der aus verbranntem Holz gewonnen Pottasche enthalten war. 

Drei bekannte Glasmacher sind im Isergebirge groß geworden. Die eine war die Glasmacherfamilie Preußler. Die Preußler kamen ursprünglich aus dem Erzgebirge. Sie hatten im Erzgebirge, in Böhmen und in Schlesien mehrere Glashütten. In Schreiberhau/Szklarska Poreba erhielten sie 1617 von der Schaffgotschen Grundherrschaft die Erlaubnis zum Bau und Betrieb einer Glashütte in Weißbachtal. 

200 Jahre später gründeten die Schaffgotsch eine eigene Glashütte (1842), die nach der Gräfin Josephine von Schaffgotsch Josephinenhütte genannt wurde. Leiter der Hütte wurde der Schwiegersohn des letzten Preußler, Franz Pohl. Die Josephinenhütte der Schaffgotsch entwickelte sich zu dem bedeutendsten Industriebetrieb von Schreiberhau. Spezialität waren weiß-opake Kristallemail-Gläser und Gläser mit farbigen Einlagen. 

Ende des 19. Jh. entstand die Glashütte Julia von Fritz Heckert in Petersdorf/Pichowiece. Heckert stammte aus einer Glasmeisterfamilie in Halle. 


Glashütte Julia/Huta Julia in Piechowice/Petersdorf  (7) 

Fritz Heckert gründete 1862 bei Petersdorf eine Glasschleiferei und danach 1866 eine Glasschmelze in Petersdorf, die Glashütte Julia. 1923 wurde die Glashütte Julia mit der Josephinenhütte in Schreiberhau zu einem Unternehmen zusammengeführt. 

Nachdem die Produktion nach dem 2. Weltkrieg zunächst in beiden Hütten fortgesetzt wurde, wurde der 1999 privatisierte Betrieb von Amerikanern übernommen. Beide Werke überlebten die Privatisierung nicht. 2006 kaufte eine polnische Familie die Julia-Hütte in Peterdorf. Sie führt die Tradition der Glasherstellung im Riesengebirge fort. 80 % der handgeformten und handgeschliffenen Gläser  werden in das Ausland exportiert. 

Glashütte Julia

Die Julia-Hütte besuche ich und sehe mir die Glasherstellung und Bearbeitung an, bevor ich zurück nach Hirschberg radele.

Glasbläser in der Julia-Hütte


Zum Schluss ein Blick in die Küche:

Bigos mit schlesischen Klößen
im Restaurant "Kucie Smacu" am Ring in Hirschberg


Zu dem Bericht gibt es ein Fotoalbum: