Radtour Griebnitzsee und Havel

Juni 2022

Eine Runde um den Südwesten Berlins, an den Ufern von Teltowkanal, Griebnitzsee, Havel, Wannsee und Schlachtensee. 

Radtour 53 Kilometer

Zum Teltowkanal, der südlich von unserer Wohnung in Lichterfelde-West verläuft, fahren wir (Angelika, Andreas und ich) auf der Drakestraße bis zur Emil-Schulz-Brücke.

Drakestraße

Sie ist nicht nach dem englischen Seefahrer und Freibeuter Francis Drake (1540 – 1596) benannt, sondern nach dem Berliner Bildhauer Johann Friedrich Drake (1805 – 1882), von dem u.a. die Viktoria auf der Berliner Siegessäule am Großen Stern stammt. Die Drakestraße wurde 1866 als Hauptstraße der Villenkolonie Lichterfelde angelegt, mit den Bahnhöfen Lichterfelde-West und Lichterfelde-Ost an ihren Enden.


Siehe Blog-Beitrag: „Radtour zum Olympiagelände“

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Teltowkanal

Der Teltowkanal wurde 1906 in Betrieb genommen und verbindet die Wasserstraßen Elbe und Oder. Er wurde als Südumgehung Berlins gebaut.Die bestehende Kanalstrecke durch Berlin dauerte wegen der vielen Schleusen sehr lange und war dem steigenden Schiffsverkehr nicht mehr gewachsen. 

Im Westen trifft der Teltowkanal bei Glienicke auf die Havel, im Osten erreicht er über die Dahme den Oder-Spree-Kanal. Die Kanaltrasse nutzt teilweise das Flussbett des damaligen Bäkebachs, dessen Quelle am Fichtenberg in Berlin-Steglitz ist.


 Siehe Blog-Beitrag: „Radtour zum Olympiagelände“

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Von der Emil-Schulz-Brücke fahren wir auf der Nordseite des Kanals nach Westen, in Richtung Havel. Über die Eugen-Klein-Brücke wechseln wir vom nördlichen auf den südlichen Kanaluferweg. An der Brücke erinnert eine Granitstehle an ein KZ-Außenlager (1). 

KZ-Außenlager Lichterfelde

Unweit der Stehle war bis zum Kriegsende 1945 ein Außenlager des KZ-Sachsenhausen bei Oranienburg mit bis zu 1.500 Häftlingen. Sie wurden für Bau- und Aufräumarbeiten nach Bombenschäden im gesamten Stadtgebiet eingesetzt. 

An einer Ausbuchtung des Kanals stoßen wir auf den Mauerweg (2). Hier verlief die damalige innerdeutsche Grenze, von Süden kommend, weiter am Südufer des Teltowkanals. Es war die Grenze zwischen Berlin und dem Nachbar-Landkreis Teltow.

An dem von Süden kommenden Grenzabschnitt wurden 1990 auf dem ehemaligen Mauerstreifen 1.100 Kirschbäume als japanische Spende zur Erinnerung an den Mauerfall gepflanzt. Wenn sie im Frühjahr blühen, lohnt sich ein Spaziergang durch das Blütenmeer.

         Siehe Blog-Beitrag „Zartrosa und gelb“
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Am gegenüberliegenden (nördlichen) Kanalufer zweigt der Zehlendorfer Stichkanal ab (3). Er wurde mit dem Teltowkanal zur Erschließung eines neuen Industrie- und Gewerbegebietes gebaut.

        Siehe Blog-Beitrag „ Kanalviereck“
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Auf unserer Kanalseite folgt an der Oderstraße hinter dem Teltower Stadthafen eine Brachfläche, die einmal ein Verkaufslager für die Berliner Mauer war (4). 

Verkauf der Berliner Mauer in Teltow


Nach dem Fall der Mauer beschloss die DDR-Übergangsregierung am 7. Dezember 1989 den Verkauf von Mauer-Segmenten. Anfragen bei den Auslandsvertretungen hatten Interesse an Mauerstücken bekundet. Bis dahin waren nur die sogen. Mauerspechte am Werk, die sich Teilstücke aus der Betonmauer meißelten.

Mit dem Verkauf wurde der DDR-Außenhandelsbetrieb LIMEX  und eine in West-Berlin gegründete Privatfirma beauftragt.

 

Es waren Segmente, die ab 1975 als „4. Generation“ für die Vorlandmauer verbaut wurden. Die Vorlandmauer war die von der Westseite zu sehende Mauer. Nach Innen sicherte die Hinterlandmauer noch einmal die Grenze. Die East-Side-Galerie in Friedrichshain (wir sehen sie beim Stadtspaziergang „Erkundung Friedrichshain“) war eine Hinterlandmauer.

 

Im Juni 1990 versteigerte die Privatfirma 70 Mauersegmente, teils Originale, teils im Auftrag der Firma neu bemalte Mauerteile. Einzelne Stücke gingen für 170.000 EUR weg. Die Firma hatte allerdings nicht bedacht, dass die Mauermaler der originalen Mauerteile hätten zustimmen müssen. Nach einem Bundesgerichtshofbeschluss (so weit ging der Rechtsstreit) musste die Firma einen Teil der Erlöse an die klagenden Künstler abgeben. 

Einige Mauersegmente sind noch da.

Ein Stück hinter dem ehemaligen Mauer-Lager überqueren wir den Teltowkanal auf der Rammrathbrücke, um zu der auf der nördlichen Kanalseite gelegenen Neue Hakeburg (5) zu fahren. 

Eingangstor zur Neuen Hakeburg

Neue und Alte Hakeburg


Der Teltowkanal, an dem wir entlang radeln, wurde hier im Tal des Bäkebachs angelegt. Im Mittelalter wurde der Übergang über die Bäke durch verschiedene Burgen gesichert. Die letzte der nicht mehr erhaltenen Burgen war die Alte Hakeburg (am Zehlendorfer Damm), die den Rittern von Hake gehörte. Sie brannte mit dem daneben errichteten Herrenhaus des Rittergutes im 2. Weltkrieg ab und wurde 1950 abgerissen.

 

Das Rittergut blieb bis zu Beginn des 20. Jh. im Besitz der Familie Hake, die 1908 nördlich des Machnower Sees die Neue Hakeburg baute, ein Herrenhaus in einem 50 Hektar großen Gelände. 1937 wurde der Besitz aus Geldnot verkauft. Die Nachfolger der Ritter hatten über ihre – reichen – Verhältnisse gelebt. Der NS-Reichspostminister Wilhelm Ohnesorge griff zu und ließ auf dem Gelände die Reichspostforschungsanstalt aufbauen. Erforscht wurden u.a. die Steuerungen von Raketen, Infrarotsichtgeräte, Abhörtechniken und Geheimcodes und, damals schon, Breitbandkabel. In der Villa ließ er sich seine Dienstwohnung und zusätzlich auch noch eine Privatwohnung einrichten. Nach dem Weltkrieg übernahm die SED die Immobilie und richtete die Parteihochschule Karl-Marx ein. Nach weiteren anderen Nutzungen war das Herrenhaus vor der Wiedervereinigung Gästehaus der DDR-Regierung, in dem u.a. Michail Gorbatschow, Fidel Castro und Nikita Chruschtschow übernachteten.

 

Nach langem Leerstand soll das Herrenhaus jetzt in Eigentumswohnungen aufgeteilt werden. Als Fertigstellung wurde in Zeitungsberichten das nächste Jahr, also 2023, genannt. Damit es sich auch lohnt, sollen in einem weiteren Bauabschnitt auch noch Eigentumswohnungen in zwei Stadthäusern gleich nebenan dazukommen. Bisher ist alles „sollen“. Zu sehen ist nur ein Baugerüst am Herrenhaus und ein abgezäuntes und verwahrlostes Grundstück. 


Unser nächstes Ziel ist die Machnower Schleuse (6) des Teltowkanals. Die Schleuse gleicht den Höhenunterschied zwischen der mittleren Spree und der Potsdamer Havel aus (mittlere Fallhöhe 2,86 Meter) und ist die einzige Schleuse des Kanals. 

Teltowkanal und Machnower Schleuse 
vom Zehlendorfer Damm gesehen

Eine der Schleusenkammer ist trockengelegt.

Neben der Schleuse ist das indische Restaurant BAPU (indisch: Vater) in dem 1905 errichtet „Gasthaus zur Schleuse“ (es öffnet erst ab 12.oo Uhr, wir waren zu gut in der Zeit). Das Grundstück gehörte ehemals zum Rittergut der von Hake. 

Wir fahren jetzt nicht weiter am Kanal entlang, sondern nehmen einen Umweg, um den Südwestkirchhof Stahnsdorf (7) zu besuchen. 

Südwestkirchhof Stahnsdorf

Stahnsdorf ist eine Gemeinde südlich von Berlin im Land Brandenburg. Zum Ende des 19. Jh. zeichnete sich durch das Bevölkerungswachstum in Berlin eine Verknappung an Begräbnisplätzen ab. Der Berliner Stadtsynodalverband erwarb darum 1909 in Stahnsdorf, außerhalb des Stadtgebietes, eine größere Fläche für die Neuanlage eines Friedhofs für den Südwesten Berlins


Im Osten von Berlin entstand in der gleichen Zeit die Friedhofsanlage in Ahrensfelde. Eine weitere Anlage im Norden von Berlin, in Mühlenbeck, wurde nicht realisiert.

 

Die ersten Beerdigungen erfolgten 1909. Der Friedhof ist mit einer Gesamtfläche von über 200 Hektar der zweitgrößte Friedhof Deutschlands, nach dem Hauptfriedhof Ohlsdorf in Hamburg.

Neben Neubelegungen wurden im 3. Reich auch Umbettungen einschließlich Grabsteinen und Mausoleen von Berliner Friedhöfen vorgenommen, die auf der Nord-Süd-Achse der „Welthauptstadt Germania“ lagen. Zahlreiche Berliner Prominente sind so mit ihren Gräbern nach Stahnsdorf gekommen. Insgesamt wurden 15.000 Gräber von Schöneberger Friedhöfen nach Stahnsdorf umgebettet.


Christus Relief von Ludwig Manzel.
Entstanden 1908 bis 1911, vom preußischen Kultusminister
 für eine Kirche in Posen bestellt, wurde es 1922 vom Berliner
Stadtsynodalverband auf dem Stahnsdorfer Friedhof  aufgestellt.
Posen war nach dem 1. Weltkrieg polnisch geworden.

Eine weitere Umbettung erfolgte nach dem 2. Weltkrieg. Die Überreste aus Gräbern der Garnisonskirche in Berlin-Mitte (Garnisonskirchplatz, südlich des S-Bahnhofs Hackescher Markt) wurden in einem Gemeinschaftsgrab auf dem Stahnsdorfer Friedhof beigesetzt, darunter Feldmarschälle und Generale der preußischen Armee des 18. und 19. Jahrhunderts. Die Garnisonskirche war durch Luftangriffe zerstört worden, die unzerstörten Grüfte waren mehrfach aufgebrochen und geplündert worden.


Die Friedhofskapelle wurde nach dem Vorbild der norwegischen Stabkirchen (wie die Kirche Wang in Schlesien) ganz aus Holz gebaut.


Friedhofskapelle von 1909 
Nach dem Vorbild norwegischer Holzstabkirchen gebaut.


Die Berliner S-Bahn wurde bis zum Friedhof verlängert (heute nicht mehr in Betrieb). Die Reste der Kanalbrücke sind noch (neben der Autobahnbrücke) zu sehen. In Betrieb war die im Volksmund auch „Witwenbahn“ genannte Stichstrecke ab Bahnhof Wannsee bis zum Mauerbau 1961.

 

Nördlich an den Südwestkirchhof angrenzend ist ein weiterer Friedhof, der Wilmersdorfer Waldfriedhof Stahnsdorf. Er wurde etwa zur gleichen Zeit wie der Südwestkirchhof angelegt, von der damals selbständigen Gemeinde Wilmersdorf. Wie Berlin hatte auch die Stadtgemeinde Wilmersdorf Platzmangel auf den innerstädtischen Friedhöfen. Die ersten Beisetzungen erfolgten allerdings erst 1921, nach der Eingemeindung Wilmersdorfs nach Berlin (Großberlin-Gesetz von 1920). Auch auf diesen Friedhof erfolgten Umbettungen von Grabstätten des Schöneberger Friedhofs, die den nationalsozialistischen „Weltstadtplänen“ weichen mussten (Süd-Bahnhof, heute Bahnhof Südkreuz)


Norwegische Holzstabkirche des Friedhofs


Warum wurde die Kirche im norwegischen Stil gebaut? 
Eine Erklärung habe ich im Internet nicht gefunden. Außer, dass der deutsche Kaiser Wilhelm II. die norwegische Holzbaukunst liebte und ihm einige nacheiferten. Er ließ sich die Matrosenstation am Jungfernsee in Potsdam und ein Jagdhaus in der Rominter Heide in Ostpreußen im norwegischen Stil bauen

Ein anderes bekanntes Gebäude in dem Stil ist die Kirche Wang in Krummhübel (eine original norwegische Kirche, die versetzt wurde), die ich bei meiner Schlesien-Radtour sehen werde.

Die norwegischen Holzstabhäuser wurden mit Wikinger-Ornamenten und Drachenköpfen auf den Giebelspitzen verziert und die Bauform deswegen auch als norwegischer Drachenstil bezeichnet.
Hauptvertreter der Drachenstil-Architektur war der norwegische Architekt Holm Hansen Munthe (1848 -1898). Er hatte sein Architekturstudium an der Polytechnischen Hochschule in Hannover (heute die Leibnitz-Universität) abgeschlossen und danach zwei Jahre in der städtischen Verwaltung Hildesheim gearbeitet. Später war er Stadtbaurat in Kristina, dem heutigen Oslo. 

Der Südwestkirchhof ist eine große Anlage, über 200 Hektar groß. Die Gräberfelder sind eingebettet in eine Waldlandschaft. Immer wieder stehen große Rhododendren am Weg und durch das Grün der Bäume und Büsche sieht man die alten Mausoleen und Gräber, manchmal auch noch neuere und gepflegte. Ideal für Spaziergänge im Grünen. Aber zu Fuß schafft man nur kleine Ausschnitte. 

Wir waren ja mit den Fahrrädern unterwegs und sind einen großen Kreis durch die Friedhofs-Parklandschaft gefahren. 


An den Gräbern von Manfred Krug und Heinrich Zille sind wir nicht vorbeigekommen. Wir wollten keine Prominenten-Runde fahren. 

Manfred Krug ((1937 – 2016) war ein großartiger Schauspieler und Künstler. Nach Protest gegen die Ausbürgerung von Wolf Biermann wurde er in der DDR kaltgestellt und bekam keine Rollen mehr. 1977 verließ er die DDR. Eine seiner großen Filme war „Spur der Steine“ (1966 in der DDR gedreht und dort gleich verboten). Mit ihm als Kommissar waren die „Tatort-Krimis“ sehenswert.

 

Heinrich Zille (1858 – 1929) war der Illustrator des Millieus der Berliner Hinterhöfe und Mietskasernen schlechthin. 

Aber den britischen Soldatenfriedhof im Südwestkirchhof haben wir bei unserer Runde „entdeckt“. Ein Soldatenfriedhof aus dem 1. Weltkrieg? Das war uns zunächst nicht plausibel. War doch die Front im 1. Weltkrieg im Westen und nicht in Berlin. Die Antwort: Auf dem Friedhof sind Kriegsgefangene aus Großbritannien und dem Commonwealth beerdigt, die in Gefangenenlagern in Brandenburg, Schlesien und Pommern gestorben waren. Der Friedhof gehört dem Vereinigten Königreich, das die Fläche von der evangelischen Stadtsynode gekauft hat.

Der britische Soldatenfriedhof


Neben dem britischen Friedhof ist auch ein Friedhof für in Gefangenschaft gestorbene italienische Soldaten des 1. Weltkriegs, dessen Fläche vom Königreich Italien erworben wurde (Italien trat 1915 gegen Deutschland und Österreich in den Krieg ein).

Relativ klein ist der Friedhof für im 1. Weltkrieg gefallene deutsche Soldaten, als „Heldenblock“ bezeichnet. 


Wieder zurück zum Kanal. Nach Unterquerung der Autobahnbrücke (A 115 zum Berliner Ring) sind die Überreste der Friedhofsbahn nach Stahnsdorf zu sehen (9). Wir kommen (auf sandigem Weg) zum alten Grenzübergang Dreilinden / Drewitz (10) an der damaligen Reichsautobahn A 51 zur Berliner  AVUS, der bis 1969 genutzt wurde. Danach wurde ein neuer Übergang an der von der DDR verlegten Autobahn BAB 115 gebaut. 


Nur der Brückenkopf der ehemaligen
Friedhofsbahn ist am Kanal noch zu sehen.

Es kommt „Albrechts Teerofen“ (11).  Ab der Siedlung ist der sandige Kanal-Radweg vorbei. 

Albrechts Teerofen


Der Name der kleinen Siedlung am Teltowkanal erinnert an die Gewinnung von Teer und Pech aus Kiefernharz.

 

Die Kiefern werden angeritzt und das ausfließende Harz aufgefangen (diese Art der Harzgewinnung wurde schon von den Römern angewandt). Wenn wir vor Jahren durch die Brandenburger Kiefernwälder gefahren sind, haben wir an mehreren Stellen angeritzte Kiefern gesehen. Bis in die 1990er Jahre wurde Kiefernharz gesammelt.

Das Harz wurde in Teeröfen erhitzt, wodurch Terpentinöl und Kolophonium gewonnen wurde (nach dem gleichnamigen antiken, griechischen Handelszentrum benannt, darum wurde das Harzprodukt auch als „Griechisches Pech“ bezeichnet). Verwendet wird es u.a. für die Seiten von Geigenbogen, die damit eingerieben werden (eine andere Bezeichnung ist darum „Geigenharz“) und zur Aromatisierung von griechischem Retsina-Wein. Als Firnis schützte es Gemälde.

Bedeutung hatte die Harz-Gewinnung im 1. Weltkrieg, als die Einfuhr von Kolophonium und Terpentinöl, die Ausgangsstoffe für Farben und Sprengstoffe waren, aus dem Ausland nicht möglich war. Auch in der DDR wurde das Harz gesammelt, um Devisen zu sparen.

 

Überliefert ist, dass ein „Albrecht“ im Jahr 1700 einen Teerofen errichtete und dafür zehn Morgen Acker unweit von Kohlhasenbrück erhielt.  Daher der Name „Albrechts Teerofen“. Mitte des 19. Jahrhunderts war eine Kolonie mit Wohn- und Wirtschaftsgebäuden entstanden. 1920 wurde das Gebiet nach Berlin eingemeindet. 


Wir erreichen Kohlhasenbrück und kreuzen den Königsweg (12).
 

Kohlhasenbrück war zusammen mit Steinstücken und der Kolonie Albrechts Teerofen vor der Wiedervereinigung eine von der DDR umschlossene Exklave Berlins.


Durch eine Novelle von Heinrich von Kleist erreichte Kohlhasenbrück einige Berühmtheit. Im Blog-Beitrag „Kanalviereck“ wird die Geschichte  von Michael Kohlhaas wiedergebeben.


Siehe Blog Beitrag "Kanalviereck"

 
Der Königsweg war ein Reitweg zwischen Zehlendorf und der Garnisonsstadt Potsdam, den der preußische Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. 1730 als gerade Schneise durch den Düppeler Forst anlegen ließ (heute ein Forst- und Fahrradweg mit einigen Sandlöchern). Mit Fuhrwerken war er wegen seines sandigen Untergrunds teilweise schwer befahrbar. Gut 60 Jahre später entstand eine bessere Verbindung zwischen Berlin und Potsdam, die befestigte Königstraße mit der Glienicker Brücke und der Wannseebrücke (heute die Bundesstraße B 1). 


Nach der Unterquerung der Eisenbahnstrecke fahren wir über den Teltowkanal und kommen zum Biergarten Söhnel Werft (13). Im Biergarten waren Uschi und ich vor nicht langer Zeit, als wir um den Stölpchen See und den Griebnitzsee gewandert sind.

        Siehe Blog-Beitrag "Stölpchen See und Griebnitzsee"
        Link zum Blog 

Nach einer Pause im Biergarten (der Bratwurst-Grill war in Betrieb) fahren wir ein Stück weiter nördlich über den Griebnitzkanal, vorbei am Hotel Forsthaus und der Hubertusbaude (die immer noch geschlossen ist), am nord-östlichen Ufer des Griebnitzsees (der ein Teil des Teltowkanals ist) entlang. Am gegenüberliegenden Ufer stehen die Villen von Neubabelsberg, deren Grundstücke dort den Uferweg versperren.

In Klein Glienicke können wir uns entscheiden, ob wir über den Teltowkanal hinüber zum Park Babelsberg (15) fahren und ihn umrunden. 

Wir entscheiden, dass die Fahrradstrecke auch ohne Parkumrundung lang genug ist. Aber die Geschichte der Babelsberger Sternwarte, an der wir nicht vorbeigefahren sind, weil wir den Park nicht umrundet haben, ist so interessant, dass ich sie hier erwähnen will. 


Die Sternwarte Babelsberg und der Kalender


Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs hieß sie noch Sternwarte Berlin-Babelsberg.  1913 war sie von Berlin zum Schlosspark Babelsberg verlegt worden, weil in Berlin die Lichtverschmutzung zu groß geworden war. Errichtet wurde die erste Sternwarte in Berlin 1711, für die auf dem Alten Marstall an der Straße Unter den Linden ein Turmaufsatz gebaut wurde (der alte Marstall ist ein Querbau am Neuen Marstall gegenüber dem Berliner Schloss, Breite Straße neben dem Ribbeck-Haus).

Nach dem 2. Weltkrieg wurden das Spiegelteleskop der Babelsberger Sternwarte (es war einmal das zweitgrößte Fernrohr der Welt) und andere Instrumente und Einrichtungen als Reparationsleistungen in die Sowjetunion abtransportiert. 2002 wurde die Sternwarte wieder in Betrieb genommen.

 

Die Entscheidung, in Berlin eine Sternwarte zu gründen, hat ihren Ursprung in dem Gegensatz zwischen Katholiken und Protestanten und der damit einhergehenden unterschiedlichen Berechnung des Kalenderjahres.

 

Unser heutiger Kalender ist der Gregorianische Kalender, 1582 von Papst Gregor eingeführt, der den davor geltenden Julianischen Kalender ablöste (der wiederum von dem Römischen Kaiser Julius Cäsar im Jahr 46 v.Chr.  eingeführt wurde und den alten römischen Kalender reformierte).

Der Kalender basiert auf dem Sonnenjahr mit 365 Tagen. Das ist die Zeit, in der die Erde einmal die Sonne umkreist. Allerdings dauert die Umkreisung einige Minuten länger als 365 Tage und sie kann auch bis zu 30 Minuten variieren.  Im Laufe der Zeit weicht darum der Kalender mit 365 Tagen vom tatsächlichen Sonnenjahr ab. Der Julianische Kalender korrigierte diese Abweichungen ungenau, der Gregorianische Kalender verbesserte die Abweichungskorrekturen (mit Schaltjahren und dem 29. Februar).

 

Die protestantischen Länder akzeptierten den 1582 eingeführten Gregorianischen Kalender nicht, weil der Papst kein Recht dazu habe. Sie behielten den Julianischen Kalender, beschlossen aber 1699 die Einführung eines „Verbesserten Kalenders“ ab dem Jahr 1700.

 

Dieser Verbesserte Kalender ähnelte dem Gregorianischen Kalender. Das Osterfest sollte aber nach korrekter astronomischer Berechnung bestimmt werden, als das der Gregorianische Kalender (in einer aufwändigen Formel unter Berücksichtigung von Mond- und Erdumlaufzyklen) tat. Dafür brauchte man eine Sternwarte und Astronomen.  Entsprechend verfügte der Brandenburgische Kurfürst Friedrich III. die Gründung einer Sternwarte in Berlin und die Einrichtung einer Akademie der Wissenschaft für die Berechnungen. Die Finanzierung der Sternwarte und der Akademie sollte durch die Herausgabe von Kalendern in den brandenburgischen Ländern erfolgen (Das war ein einträgliches Geschäft. Das Kalender-Privileg der Akademie galt bis 1811 – Humboldtsche Reformen des Staatswesens).

 

Der Bau der ersten Sternwarte erfolgte 1711. Bis dahin erfolgten die Himmelsbeobachtungen und astronomischen Berechnungen in Privathäusern.

 

Der erste Präsident der „Kurfürstlich Brandenburgische Societät der Wissenschaften“ wurde Georg Wilhelm Leibnitz (1646 – 1716, Philosoph, Mathematiker und Jurist). Nach der deutschen Wiedervereinigung führt die „Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften“ die Tradition fort.

 

Der Verbesserte Kalender und der Gregorianische Kalender hatten in verschiedenen Jahren abweichende Ostertermine. Das war für Preußen nach der Eroberung des katholischen Schlesiens (1744) nicht gut. So verfügte Friedrich II. der Große 1777, dass der Gregorianische Kalender der „Allgemeine Reichskalender“ wurde. 

Tor am Jagdschloss Glienicke

Durch Klein Glienicke fahren wir am Jagdschloss Glienicke (16) vorbei, zum Park und Schloss Glienicke (17) und der Glienicker Brücke (18). In der Remise des Glienicker Schlosses ist jetzt ein Restaurant von Luther & Wegener (die auch das Restaurant Fischerhütte am Schlachtensee bewirtschaften, s.u.).

            Dazu ausführlicher: Blog-Beitrag „Radtour zum Olympiagelände“
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Löwenfontäne am Schloss Glienicke

Durch das Parkgelände kann man nur zu Fuß gehen. Also umfahren wir den Park auf dem Radweg zwischen Havel und dem Schlosspark. Zur Zeit der deutschen Teilung verlief die Grenze in der Mitte des breiten Flusses. Gegenüber der Landspitze Krughorn (19) ist am anderen Ufer die Sacrower Heilandskirche.  Es folgen das Wirtshaus Moorlake (20) und das Wirtshaus zur Pfaueninsel (21). Von hier kann man mit der Fähre auf die Pfaueninsel fahren, die einst als „Kaninchen Insel“ bezeichnet wurde bevor das „Lustschloss auf der Pfaueninsel“ gebaut wurde.

            Siehe Blogbeitrag "Radtour zum Olympiagelände"
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An dem Wirtshaus Moorlake sind wir zunächst vorbeigefahren. Wir wollten erst an der Pfaueninsel unsere Pause machen. Das Pfaueninsel-Restaurant ist rustikaler, nicht so gepflegt wie das Wirtshaus. Aber es waren reichlich freie Plätze vorhanden, so dass wir uns gleich an einen freien Tisch setzen konnten. Doch nach einer Weile des Wartens kam einer der (zwei?) Kellner und erklärte uns, dass hier nicht bedient werde, nur an den eingedeckten Tischen. Also zogen wir um. Wollten wir, auf den eingedeckten und nicht besetzten Tischen standen „Reserviert“-Schilder, auf allen freien Tischen. Das hatte der Kellner wohl nicht ganz im Blick. Also fuhren wir wieder von dannen. Zurück zur Moorlake. Wir mussten zwar etwas warten, aber dann kamen gleich zwei der Kellner nacheinander, um uns zu bedienen. Die Terrasse und der große Garten waren gut besucht. Die Kellner hatten in der Sonne ganz schön lange Wege zurückzulegen. Wir genossen die Sonne und das Bier.


Wir mussten weiter. Noch einmal an der Pfaueninsel vorbei. Immer weiter entlang der Havel. Zum Großen Wannsee und zum Flensburger Löwen (22). Hier hat der Bankier Wilhelm Conrad ab 1868 die Sommervillenkolonie Alsen gegründet. 

Villenkolonie Alsen


Der Berliner Bankdirektor Wilhelm Conrad hatte Ende des 19. Jahrhunderts die Idee einer Landhauskolonie am Wannsee, der damals weit außerhalb der Stadt Berlin lag. Ab 1863 kaufte er große Flächen an der Reichsstraße 1 (heute B 1). Die parzellierten Flächen (keine kleiner als 1 preußischer Morgen, 2.553 m²) verkaufte er an Industrielle, Bankiers, Künstler, Wissenschaftler. Dabei nutzte er seine Mitgliedschaft im Berliner Herrenclub “Club von Berlin“ (im Volksmund Millionenclub genannt, Mitglieder u.a. Stresemann, Prof. Sauerbruch, Richard Strauss).

 

Den 1864 gegründeten „Club von Berlin“ (Vorbild war der englische Herrenclub) gibt es noch heute. Sein Clubhaus hatte er an der Jägerstraße/Ecke Mauerstraße. Dort hat er jetzt wieder seine Räume, allerdings nur angemietet. Das im Osten der Stadt liegende Gebäude war von der DDR enteignet und nach der Wende von der Stadt Hamburg gekauft worden, die in dem Gebäude ihre Landesvertretung eingerichtet hat.

 

Zur Anbindung der Villenkolonie an Berlin baute die „Berlin-Potsdam-Magdeburger Eisenbahngesellschaft“ (ab 1880 Teil der „Preußischen Staatseisenbahnen“), deren Aufsichtsratsvorsitzender Wilhelm Conrad war, die Wannseebahn mit Anschluss an die Stammbahn von Berlin nach Potsdam in Zehlendorf.

 

Etwa zur gleichen Zeit entwickelte Wilhelm Carstenns die Villenkolonie Lichterfelde (ab 1865).


Siehe Blogbeitrag "Radreise Berlin - Verona (1)"

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Der Name „Colonie Alsen“ ist, entsprechend der damaligen nationalistischen Stimmung, dem Sieg des Norddeutschen Bundes (unter Führung Preußens) im Dänischen Krieg 1864 auf der dänischen Insel Alsen gewidmet. Conrads Schwager war preußischer General und ihn erinnerte die Wasserlandschaft des Wannsees an die Insel Alsen.

 

Der Dänische Krieg war Teil der sogen. Einigungskriege, mit denen Bismarck die kleindeutsche Lösung (ein Kaiserreich ohne Österreich unter Führung Preußens) durchsetzte:

Deutsch-Dänischer Krieg 1864 (das dänische Herzogtum Schleswig kam zu Preußen, das Herzogtum Holstein zunächst zu Österreich, später auch zu Preußen),

Deutscher Krieg gegen Österreich 1866 (das Königreich Hannover kam zu Preußen, der Deutsche Bund mit Österreich wurde aufgelöst),

Deutsch-Französischer Krieg 1870/71 (Frankreich musste Lothringen und das Elsass an Deutschland abtreten und 5 Mrd. Goldfranc zahlen).

Gründung des Kaiserreichs und Proklamation des preußischen Königs zum deutschen Kaiser in Versailles 1871.

 

Zum Gedächtnis an den deutschen Sieg wurde am Ufer des Wannsees 1874 eine Kopie des Flensburger Löwen aufgestellt.

 

Das Original war allerdings eine Erinnerung an einen dänischen Sieg über die aufständischen Schleswig-Holsteiner in der Schlacht bei Idstedt 1850, aufgestellt im damals dänischen Flensburg. Das war vor dem deutsch-dänischen Krieg. Nach dem Sieg preußischer Truppen im deutsch-dänischen Krieg ging der Löwe als Kriegsbeute nach Berlin (1864). Der Wannsee-Löwe ist eine Kopie dieser Kriegsbeute, der eigentlich Idstedter-Löwe heißt. 

Bekannte Villen am Wannsee sind das Haus der Wannseekonferenz (23) und die Villa Liebermann (24). 

Max Liebermann (1847 – 1935) war ein bedeutender Maler des Übergangs vom Naturalismus zum Impressionismus. Er war Präsident der Berliner Akademie der Künste und Vorsitzender der Künstlergruppe Berliner Secession (Mitglieder u.a.  Barlach, Max Beckmann, Emil Nolde, Schmidt-Rottluff, Käthe Kollwitz, Heinrich Zille). Nach Liebermanns Tod wurde seine Witwe als Jüdin von den Nazis gezwungen, die Villa zu verkaufen. Der Deportation in das KZ Theresienstadt entzog sie sich 1943 durch Selbsttötung.

 

Das Wohn- und Arbeitshaus von Max Liebermann war das Liebermann-Haus am Brandenburger Tor. Im Weltkrieg zerstört, wurde es Ende der 1990er Jahre wiederaufgebaut. Jetzt nutzt die Kulturstiftung der Berliner Sparkasse das Haus (Vorstand der Stiftung war lange Jahre Monika Grütters, in der Regierung von Angela Merkel Staatsministerin für Kultur und Medien, Stipendiatin der Begabtenförderung der Konrad Adenauer Stiftung).

 

Das Haus der Wannseekonferenz wurde für den Berliner Pharmazie-Fabrikanten Ernst Marlier gebaut. Er verkaufte die Villa an den Generaldirektor des Stinnes-Konzerns Friedrich Minoux, der Haus und Grundstück an eine NS-Stiftung verkaufte. Die nutzte das Gebäude als SS-Gäste- und Erholungsheim.

1942 fand unter Leitung von Heydrich eine Konferenz zur „Endlösung der Judenfrage“, die Wannsee-Konferenz, statt, die die Grundzüge für die Deportation der gesamten jüdischen Bevölkerung in Europa zur Vernichtung im Osten bestimmte.

1992 wurde die Gedenk- und Bildungsstätte „Haus der Wannseekonferenz“ eröffnet. 


Das ganze Ufer des Großen Wannsees ist mit unzähligen Bootstegen belegt und die Häuser vieler Yachtclubs befinden sich an der Uferstraße.

So auch das Haus des ältesten Berliner Segelclub „Verein Seglerclub am Wannsee(25) (und nach dem in Königsberg gegründeten Segelclub der zweitälteste deutsche Seglerverein). 1867 wurde er als „Gesellschaft der vereinigten Segler der Unterhavel“ gegründet. 1910 wurde das Vereinsheim auf dem 10.000 m² großen Wassergrundstück gebaut, im gleichen englischen Landhausstil wie das Schloss Cäcilienhof . 

Wir fahren über die Wannseebrücke zwischen Großem und Kleinem Wannsee (26), kommen am Biergarten Loretta am Wannsee (27) und dem S-Bahnhof Wannsee (28) vorbei.


Die Verbindung zwischen Großem und Kleinem Wannsee ist der Beginn des Griebnitzkanals, der den Großen Wannsee mit dem Teltowkanal verbindet. Er verläuft durch mehrere kleine Seen (Pohlesee, Stölpchensee, Griebnitzsee), die eine Seenkette in einer eiszeitlichen Schmelzwasserrinne bilden (letzte Eiszeit, die Weichsel-Kaltzeit, Beginn vor 100.000 Jahren). Die Schmelzrinne setzt sich als Grunewaldrinne in einer nordöstlichen Linie fast direkt fort (Schlachtensee, Krumme Lanke, Lietzensee).

 

Die eiszeitliche „Hauptrinne“ ist die Havel und deren Seenkette, zu der auch der Große Wannsee gehört. Zwischen den Seen des Griebnitzkanals und der Havel liegt ein auch von der Eiszeit geformtes Grundmoränengebiet mit dem Schäferberg weiter nördlich (Fernmeldeturm weit sichtbar) und den kleineren Hirschberg und Moritzberg am Griebnitzsee-Ufer. Es ist die sogen.  Wannsee-Insel, weil das Gebiet vollständig von den Havelgewässern umschlossen ist. 


Am Bahnhof Wannsee verlassen wir die Havel und fahren am Nordufer des Schlachtensees entlang. Am Ostende des Sees kehren wir in der Fischerhütte von Luther & Wegener ein (30). Wir trinken ein kühles „Augustiner Bräu“ als Abschluss unserer Radtour.  Das ist fast schon eine Tradition. Auf einer unserer früheren Radtouren hat Andreas das Münchener Bier hier entdeckt.

Die Eiszeitrinne (s.o.) verlassen wir vor der Krummen Lanke (31) und fahren quer durch Zehlendorf nach Haus.


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