Stadtwanderung 

durch Kreuzberg
Juni 2021

2. Etappe 

11. Juni 2021 
Moritzplatz bis Südstern.
9 Kilomter.
(Die 1. Etappe war am  4. Juni 2021 - Südstern bis Moritzplatz)

Es ist eine lange Stadtwanderung, die wir in zwei Abschnitten gemacht haben. Grundlage der Wegeplanung war eine „Stadtspiel Schnitzeljagd“. Bei dieser Art von Stadtführung wird man von Station zu Station geleitet, indem man die jeweils nächste Station aus Namen oder Ziffern ableiten muss. Bis zum Moritzplatz haben wir (Angelika und Andreas, Uschi und ich) so Kreuzberg erkundet. Den zweiten Teil sind dann Uschi und ich ab Moritzplatz eine Woche später gegangen. Zu einigen Stationen bin ich noch nachträglich mit dem Fahrrad gefahren.


Die Strecke beider Etappen


2. Etappe: Moritzplatz bis Südstern

Der Moritzplatz (26) ist um 1860 zusammen mit dem Oranienplatz und dem Heinrichplatz auf dem ehemaligen Köpenicker Feld entstanden. Die Ackerflächen des Köpenicker Feldes wurden 1845 als Wohn-, Industrie- und Gewerbefläche entwickelt. Den Namen erhielt der Platz nach Moritz von Oranien, Statthalter der Niederlande (warum?). Der Platz ist jetzt ein eher langweiliges Areal. Vor der Zerstörung im 2. Weltkrieg war er ein belebter Einkaufplatz u.a. mit einem Wertheim-Kaufhaus.

Auf einer Brachfläche neben dem Moritzplatz entstanden 2009 die Prinzessinnengärten mit ökologischem Gartenbau. Zurzeit ist das Projekt umstritten, warum ist mir nicht ganz klar. 

In der Nähe, in der Sebastianstraße, erinnert eine Gedenktafel an die Berliner Mauer und an einen der Fluchttunnel unter der Mauer (29). Der 1962 in der Sebastianstraße Nr. 82 bis zur Heinrich-Heine-Straße gebaute Tunnel wurde verraten und einer der Tunnelbauer wurde von der Stasi erschossen.  

Das Fluchttunnel-Haus heute


In der benachbarten Luckauer Straße sind zwei Streetart-Wandbilder (27) zu sehen. Das erinnert uns an Puerto de la Cruz, in der Wandbilder mehrerer Streetart-Künstler zu sehen sind (siehe "Teneriffa Spaziergang - Streetart in Puerto de la Cruz" in diesem Blog). In Berlin wurden 2018 im Rahmen eines „Mural (Wandgemälde) Festivals“ 30 Hauswände mit Streetart-Bildern bemalt. 

Street-Art in der Luckauer Straße

Wir gehen über den Alfred-Döblin-Platz (28) und kommen zum Luisenstädtischen Kanal (30). 

Neues Wohnen am Alfred-Döblin-Platz


„Berlin Alexanderplatz – Die Geschichte von Franz Biberkopf“ ist ein bekannter Roman von Alfred Döblin, der auch verfilmt wurde.  Alfred Döblin (1878 – 1957) war Psychiater und Schriftsteller, lebte in Berlin, musste als Jude während des 3. Reiches emigrieren, wurde im Nachkriegsdeutschland nicht heimisch und zog 1953 nach Frankreich.

 

Am Alfred-Döblin-Platz steht ein Rest-Gebäude der ehem. Makthalle VII (28), 1888 eröffnet. Die Markthalle reichte von der Dresdener Straße bis zum heutigen Legiendamm am Luisenstädtischen Kanal (in dem anderen erhaltenen Gebäudeteil ist heute das Restaurant „Zur kleinen Markthalle“). Der größte Teil der Markthalle wurde im zweiten Weltkrieg zerstört. Der erhaltene Gebäudeteil an der Dresdener Straße wird seit 1947 als Wohnhaus genutzt.


Rest der Markthalle an der Dresdener Straße

Der Luisenstädtische Kanal ist ein historischer Kanal, der von 1848 bis 1852 im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nach der Märzrevolution gebaut wurde. Er verband die Spree (an der Schillingsbrücke) mit dem Landwehrkanal (am Urbanhafen). Eine große Bedeutung für die Schifffahrt erlangte er nicht. 1926 wurde er (auch im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme) zugeschüttet und als Gartenanlage umgestaltet, bis auf das Engelbecken, das erhalten blieb. Der ehemalige Kanal und die jetzige Gartengestaltung verbindet das Engelbecken mit dem Oranienplatz und dem Wassertorplatz. 

Parkanlage Luisenstädtischer Kanal

Das Engelbecken erhielt seinen Namen nach einer Statue des Erzengels Michael über dem Giebel der Sankt Michael Kirche (31) am Engelbecken. Sie wurde 1856 als katholische Kirche fertiggestellt, zunächst als Militärkirche. Es ist die drittälteste katholische Kirche, die nach der Reformation in Berlin gebaut wurde (die älteste katholische Kirche ist die Nikolaikirche im Nikolaiviertel in Berlin-Mitte, danach wurde 1747 mit dem Bau der St. Hedwigs Kathedrale begonnen). Die Kirche wurde im 2. Weltkrieg stark beschädigt und nicht vollständig wiederaufgebaut. Nur die Außenmauern, der Eingangsbereich und die Kuppel blieben erhalten. 

Kirche St. Michael am Engelbecken

         Erhaltene Teile der Kirche und der Erzengel Michael über dem Eingang                      
      
Wohnungsbauten am Engelbecken

Rosen im Park

Wir gehen weiter zum Bethaniendamm und dem Mariannenplatz. Dabei kommen wir an dem ehemaligen Gewerkschaftshaus der Transportarbeiter, dem „Haus des Deutschen Verkehrsbundes“, auch als Taut-Haus (32) bezeichnet, vorbei.

 

Gewerkschaftshaus von Taut

Das Taut-Haus, ein sechsgeschossiger Stahlbeton-Skelettbau, von den Architekten Bruno und Max Taut geplant, wurde 1932 fertiggestellt.

Das Taut-Haus wurde nach der Machtergreifung der Nazis im Dritten Reich enteignet und der NS-Gewerkschaft „Deutsche Arbeitsfront“ zugeführt. Nach dem Krieg erhielten die Gewerkschaften das im 2. Weltkrieg ausgebrannte Gebäude zurück. Heute sind darin Wohnungen.

Bruno Taut (1880 – 1938) war ein bedeutender Architekt und Stadtplaner. In Berlin hat er u.a. die Großsiedlungen Hufeisensiedlung in Britz und die Siedlung Onkel Toms Hütte in Zehlendorf geplant.

 

Ein anderes ehemaliges Gewerkschaftshaus befindet sich in unmittelbarer Nähe. Es ist das erste Gewerkschaftshaus in Deutschland, ein Backsteinhaus aus dem Jahr 1900. Das Haus wurde damals für 92 freigewerkschaftliche Einzelverbände gebaut.  Initiiert und finanziert wurde der Bau von Leo Arens (1860 – 1919). Arens war Physiker (die Quecksilberdampflampe der AEG wurde von ihm entwickelt) und war als Sozialdemokrat Mitglied der Berliner Stadtverordnetenversammlung.

Nach dem 2. Weltkrieg war das Städtische Krankenhaus Berlin-Mitte in dem Gebäude. Nach der Wiedervereinigung wurde es für kurze Zeit vom Institut für Tropenmedizin genutzt. Um das Jahr 2.000 wurde das Gebäude für Eigentumswohnungen umgebaut. 

Vor dem Mariannenplatz kommen wir in der Waldemarstraße an einem der traditionellen Berliner Gewerbehöfe vorbei (33)

GSG-Gewerbehof und daneben das HeileHaus (Verein zur Gesundheitsförderung)
Der Mariannenplatz wurde Mitte des 19. Jahrhunderts auf dem Areal des Köpenicker Feldes (s.o.) angelegt.

Am Südende (Waldemarstraße) steht der Feuerwehrbrunnen (35). Eine lustige Figurengruppe zeigt die Arbeit der Feuerwehr (mit übergroßen Nasen, weil sie ja Brände riechen müssten, so der Künstler). Geschaffen wurde der Brunnen von dem Bildhauer, Maler und Schriftsteller Kurt Mühlenhaupt. Seine Bilder werden gerade in den Gewölben unter dem Kreuzberg ausgestellt (s.o). 

Ein Feuerwehrmann mit großer Nase

Mittelpunkt des Mariannenplatzes ist das Künstlerhaus Bethanien (36). Das Künstlerhaus wurde als Diakonissen Krankenhaus Bethanien Mitte des 19. Jahrhunderts gebaut. Die Stadt Berlin wuchs. Das Köpenicker Feld wurde bebaut. Die ehemalige Luisenstadt entstand. Für die wachsende Bevölkerung reichte das Krankenhaus Charité nicht mehr aus.


Haus Bethanien

Eingangsbereich

Im Krankenhaus Bethanien arbeitete Theodor Fontane kurze Zeit als Apotheker, bevor er freier Schriftsteller wurde. Die teilweise noch original erhaltene Fontane-Apotheke ist im Erdgeschoss erhalten (wir haben sie nicht gesehen). In einem Ärzte-Wohnheim in der Nähe wohnte er in dieser Zeit (34).

 

Hier wohnte Theodor Fontane

Die Stiftung Diakonissenhaus Bethanien wurde 1847 durch den preußischen König Friedrich Wilhelm IV. gegründet. 1970 wurde das Krankenhaus in Kreuzberg geschlossen (das Gebäude wurde das Künstlerhaus im Eigentum der Stadt Berlin) und ein Wohnhaus für Diakonissen in Spandau errichtet.


Diakonissen-Gemeinschaften sind evangelische Schwesterngemeinschaften zum Dienst für andere Menschen. Als Begründer der Diakonie gilt der evangelische Pastor Theodor Fliedner, der 1836 die Kaiserwerther Diakonie gründete (Kaiserwerth ist heute ein Stadtteil von Düsseldorf).

Im Ursprung waren sie Glaubens- und Lebensgemeinschaften. In neuerer Zeit sind sie Glaubens- und Arbeitsgemeinschaften, die selbständig leben und auch Familien gründen können.

Diakonissen-Gemeinschaften betreiben u.a. Krankenhäuser, Alten- und Pflegeheime und Kindergärten. Der Dachverband aller Diakonissen-Gemeinschaften ist der „Kaiserwerther Verband deutscher Diakonissen-Mutterhäuser“ in Berlin. 

Am anderen Ende des Mariannenplatzes steht die St. Thomas Kirche (37), ein spätklassizistischer Kirchenbau von 1869. Damals war die Kirche mit 3.000 Plätzen der größte Kirchenbau in Berlin. Zur evangelischen Kirchengemeinde St. Thomas gehörten 150.000 Mitglieder. Die Kirche wurde im Auftrag der Berliner Stadtverwaltung errichtet (?). 

St. Thomas Kirche

Ein nächster Stopp ist in der Markthalle IX (38), die Eisenbahnmarkthalle. Sie steht zwischen Pücklerstraße, Wrangelstraße und Eisenbahnstraße und ist wie die anderen Markthallen zum Ende des 19. Jahrhunderts gebaut worden. Der heutige Nutzungscharakter ist anders als der der Marheinekehalle. Ein großer Teil der Halle war bis vor kurzem vom Discounter Aldi belegt, künftig soll dort ein Drogeriemarkt sein, wohl gegen den Protest der Anwohner, die eine preiswerte Lebensmittel-Nahversorgung behalten wollten. 

Die Eisenbahnmarkthalle 


Vor der Eisenbahnmarkthalle steht eine Stehle zur Erinnerung an Wilhelm Leuschner. Er war SPD-Politiker, Gewerkschaftler und 1928 Innenminister des "Volksstaates Hessen" (bestand 1919 bis 1934). Von den Nationalsozialisten wurde er verfolgt und nach dem Attentat auf Hitler 1944 hingerichtet. 
In dem Haus vor der Markthalle betrieb er ab 1936 eine Fertigung für Bierzapfhähne. Von hier aus baute er ein Oppositions-Netzwerk auf. Der Vertrieb der Zapfhähne ermöglichte ihm "harmlose" Reisen durch das ganze Reich.


Danach kommt der Lausitzer Platz (39), begrenzt von der Skalitzer Straße und der U-Bahn-Trasse. Der Platz erhielt seinen Namen 1849 nach der südöstlich von Berlin gelegenen historischen Region Lausitz. Inmitten des Platzes wurde 1893 die evangelische Emmauskirche (39) fertiggestellt.

Emmauskirche

 

Das Grundstück für die Emmauskirche wurde von der Stadt Berlin kostenlos zur Verfügung gestellt, die auch die Baukosten bezuschusste. Das geschah damals im Rahmen der preußischen Politik, die mit der Förderung von Kirchen der sinkenden Bindung des Volkes an die Kirche entgegentreten und damit auch ein Erstarken der Sozialdemokratie verhindern wollte.

Im 2. Weltkrieg wurde die Kirche bis auf den Kirchturm zerstört. In den 1950er Jahren erfolgte ein kleinerer Kirchenbau neben dem Turm.

Der Name der Kirche, Emmaus (bedeutet „warmer Ort“), erinnert an den im Lukasevangelium genannten Ort in der Nähe von Jerusalem, an dem der wiederauferstandene Jesus mit zwei Jüngern, die ihn nicht erkannten, das Abendmahl einnahm.

Gegenüber dem Lausitzer Platz, hinter den Bahngleisen, stand der Görlitzer Bahnhof (40), der ab 1866 in Betrieb war. Er war der Endpunkt der privaten Bahnlinie Berlin – Görlitz, die der „Eisenbahnkönig“ Strousberg betrieb.

 

Bethel Henry (Baruch Heinrich) Strousberg wurde 1823 in Masuren als Baruch Hirsch Strousberg geboren. In der Gründerzeit engagierte er sich im Eisenbahnbau in Preußen. Er beschäftigte zeitweise 100.000 Arbeiter. U.a. baute er auch die Strecke Hannover – Altenbeken.

Er finanzierte seine Bahnbauprojekte, indem er die beauftragten Generalunternehmer nicht direkt, sondern mit Anteilen an seiner neu gegründeten Eisenbahngesellschaft bezahlte. 1875 ging sein Unternehmen nach finanziellen Schwierigkeiten in Konkurs.

 

In Berlin ließ er sich das Palais Strousberg in der Wilhelmstraße bauen. Nach dem Konkurs seines Unternehmens mietete die Britische Botschaft das Gebäude. Im Krieg wurde es zerstört und lag brach. Nach der Deutschen Wiedervereinigung baute Großbritannien an dieser Stelle seine neue Botschaft.

 

1868 kaufte Strousberg die Eisengießerei und Maschinenfabrik Georg Egestorf in Hannover, bekannt als Hanomag. 1871 musste er sie aber nach gescheiterten Bahnprojekten in Rumänien schon wieder verkaufen. In jüngster Zeit wurde die Hanomag bekannt, als IBH-Holding von Horst-Dieter Esch das Werk übernahm und 1984 in Konkurs ging. In der Folge ging auch die Kreditgeberin, die  SMH-Bank (Schröder, Münchmeyer, Hengst & Co.), in Konkurs (die ehem. Niedersächsische Wirtschaftsministerin Birgit Breuel ist eine geborene Münchmeyer). 

Nach der Teilung Berlins wurde 1951 der Personenverkehr des Görlitzer Bahnhofs eingestellt und das im Krieg beschädigte Bahngebäude abgebrochen. Nach der Wiedervereinigung entstand auf dem Bahngelände der 14 Hektar große Görlitzer Park (40). Es ist ein sehr schön angelegte, weitläufige Parkanlage, mit einem Streichel-Bauernhof, Sportplätzen, Liegewiesen und lauschigen Plätzen. Leider ist der Park ein Brennpunkt des Drogenhandels geworden. 

Hauptachse des Parks


Die ehemaligen Güterschuppen erinnern noch an den Bahnhof

Ein weitläufiges Gelände

mit idyllischen Plätzen

Man könnte vom Görlitzer Park (41) aus noch einen Abstecher zum U-Bahnhof Schlesisches Tor und der nahen Spree mit der Oberbaumbrücke machen. Wir gehen aber durch den Park bis zum Landwehrkanal (42).

 

Der U-Bahnhof Schlesisches Tor wurde Ende des 19. Jahrhunderts im Zuge des Baus der U- und Hochbahn errichtet. Die U-Bahnstrecke verläuft hier als Hochbahn.

 

Die Oberbaumbrücke über die Spree verbindet Kreuzberg und Friedrichsheim. Sie ist eine kombinierte Eisenbahn- und Straßenbrücke und wurde Ende des 19. Jahrhunderts als neugotisches Ziegelbauwerk errichtet. Neben der Straßenbrücke wurde auf der oberen Ebene die Gleise der Hochbahn (die erste U-Bahn Strecke Berlins) gelegt. Unter dem Bahnviadukt ist ein geschützter Fußgängerweg in der Art eines mittelalterlichen Kreuzgangs.

Die Brücke sollte die Funktion des alten Oberbaums als Wasserschloss (Sperrwerk) symbolisieren. Daher auch der Name der Brücke. Der historische Oberbaum war allerdings weiter stromabwärts. Ein Steg mit einem schmalen Durchlass versperrte im 13. Jahrhundert den Spree-Schiffen den Weg, um Zölle zu kassieren. Nachts wurde der Durchlass mit einem Stamm versperrt, dem „Baum“. Diese Sperren war hier am Oberlauf der Spree und am Unterlauf.

Der „Unterbaum“ war zuletzt dort, wo heute die Kronprinzenbrücke ist, in der Nähe des Regierungsviertels. 

Wir gehen ganz durch den Görlitzer Park bis zum Ufer des Landwehrkanals. An ihm gehen wir entlang bis zu seiner Rechtskurve, in der der Neuköllner Schifffahrtskanal auf den Landwehrkanal trifft. Und dann gehen wir immer weiter entlang am Landwehrkanal-Ufer Richtung Nordwest. Ein etwas längerer, aber gemütlicher Weg.

 

Der Landwehrkanal

Der Landwehrkanal wurde 1850 fertiggestellt. Er war als Entlastungskanal der Spree geplant. Ein großer Teil des innerstädtischen Warenverkehrs wurde über die Spree geleitet. Deren Kapazität reichte mit dem Beginn der Industrialisierung im frühen 19. Jahrhundert nicht mehr aus. Darum wurde schon 1818 ein Umgehungskanal geplant. Der wurde dann im Rahmen der Entwicklung des Berliner Südens in Angriff genommen. Parallel zum Bau des Luisenstädtischen Kanals (s.o. Engelbecken) und der Erschließung des Köpenicker Feldes wurde der Landwehrkanal begonnen. Den Namen erhielt der Kanal von einem vorher dort bestehenden Landwehrgraben, der vor der Berliner Stadtmauer ein Sumpfgebiet entwässerte.

Nach dem 2. Weltkrieg wurde der Trümmerschutt über den Landwehrkanal abtransportiert.


Heute hat der Kanal keine Bedeutung mehr für den Güterverkehr. Er wird fast nur noch von Ausflugsschiffen und Sportbooten benutzt. Seine Ufer sind teilweise nach wie vor eine Erholungszone und die angrenzenden Wohnungen begehrt.  Allerdings gibt es auch durch Obdachlose verwahrloste Abschnitte.

Am Paul Lincke Ufer (43) (Komponist und Ehrenbürger Berlins) könnten wir zum Kottbusser Tor abbiegen. Aber so interessant ist er nicht. Wie die meisten Tor-Plätze in Berlin erinnert der Name an das einstige Tor der Berliner Akzise-Mauer, das in Richtung Cottbus zur Stadt hinausführte. Heute ist der Platz und der gesamte Kiez ein sozialer Brennpunkt mit Drogenproblemen und damit verbundener Kriminalität.

 

Am Paul-Lincke-Ufer


Die Berliner Akzisemauer entstand 1734 bis 1737. Friedrich Wilhelm I., König in Preußen und Kurfürst von Brandenburg (zu „in“ und „von“ Preußen siehe "Radreise von Berlin nach Danzig - Geschiche" in diesem Blog), als Soldatenkönig bekannt, ließ seine Residenzstadt zwar nicht einmauern, sondern mit Holzpalisaden und nur teilweise mit Mauern umzäunen. Ein Durchlass war nur durch 14 Stadttore möglich. Und an denen musste gezahlt werden. Eine Verbrauchssteuer wurde auf die in die Stadt gebrachten Güter erhoben. Der Verlauf der Akzisemauer ist heute u.a. an der Straßenbezeichnung „Linienstraße“ in Berlin-Mitte zu erkennen (die Umwehrung der Stadt wurde als Linie bezeichnet). Die Oberbaumbrücke erinnert an die Akzise-Sperre in der Spree, an den „Oberen Baum“, mit dem die Spree versperrt werden konnte.

 

Da Berlin wuchs, wurde die Akzisemauer mehrfach verschoben. Um 1800 wurden die hölzernen Teile durch eine Mauer ersetzt und teilweise auf vier Meter erhöht. Man sollte die Zoll-Tore und die Steuern wohl auf keinen Fall umgehen können. Weitere Tore kamen hinzu. Einige Stadttore wurden prunkvoll ausgestattet, wie z.B. das Brandenburger Tor. Die Namen der Tore wurden meist nach den Städten benannt, zu denen sie aus der Stadt hinausführten.

 

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden außerhalb der Akzisemauer neue Vorstädte. An deren Zufahrtstraßen wurden weit vor den Toren der Stadt Steuerhäuser errichtet, an denen Zoll zu zahlen war. 1860 wurde die Akzise aufgehoben. Danach wurden die Mauer und fast alle ihre Tore abgerissen. Das Brandenburger Tor blieb erhalten. 

Wir gehen also weiter entlang am Landwehrkanal bis kurz vor den Urbanhafen. Von dem einstigen Hafen ist nur noch eine kleine Wasserfläche übriggeblieben. Nach der Stilllegung 1964 wurde das Becken größtenteils zugeschüttet und Platz für eine Erweiterung des benachbarten Urban-Krankenhauses geschaffen. 

Gründerzeithäuser am Planufer


Landwehrkanal vor dem Urbanhafen


An der Admiralbrücke

An der Admiralbrücke (44) (der Admiralstraße, benannt nach einem preußischen Prinzen, der Admiral war) verlassen wir den Landwehrkanal und gehen durch den Grimm-Park (benannt nach dem Gebrüdern Grimm) und weiter zur Urbanstraße.

An der Urbanstraße war das 1890 in Pavillionbauweise gebaute Krankanhaus Am Urban (45). Im Weltkrieg wurden die Gebäude teilweise zerstört und galten als nicht sanierungsfähig. Am Landwehrkanal wurde ein neues Urban-Krankenhaus gebaut. Die Gebäude des aufgegebenen Krankenhauses hat eine private Baugruppe (140 private Bauherren) saniert und in Eigentumswohnungen umgebaut. 

Wohnen in der ehemaligen Klinik

Zum Südstern ist es jetzt nicht mehr weit. Vor dem Südstern machen wir aber noch einen kleinen Abstecher zur St. Johannes Basilika (47) und zur Apostolischen Nuntiatur (47).

 


St. Johannes Basilika


Die St. Johannes Basilika von 1897 ist die größte katholische Kirche in Berlin. Die katholische Johannes Basilika und die benachbarte evangelische Kirche am Südstern wurden zeitgleich als Garnisonskirchen gebaut und deren Einweihungen erfolgten am gleichen Tag.

Als Garnisonskirche durfte sie im 1. Weltkrieg sogar alle ihre Glocken behalten. Ein großer Teil der Glocken der anderen Kirchen wurde zu Kanonen umgeschmolzen. Das geschah auch im 2. Weltkrieg so (zum Hamburger Glockenlager siehe "Meine Ostsee Radtour, 2. Tag" in diesem Block). Diesmal auch bei der Johannes Basilika, es blieben wie bei den anderen Kirchen nur zwei Glocken verschont.

1906 wurde die Kirche eine „Basilica minor“, seit dem 18. Jahrhundert eine Auszeichnung des Papstes für bedeutende Kirchen.  Man erkennt sie an dem Papstwappen über dem Eingang. Die Johannes Basilika war in Deutschland die dritte so ausgezeichnete Kirche (1919 trugen 1830 Kirchen den Titel, davon 573 in Italien, in Deutschland 78).

 

Die Basilika ist auch Kirche der polnisch-muttersprachlichen katholischen Gemeinde in Berlin. Vielleicht ist deswegen das polnische Restaurant „Maly Ksiaze“ (Der Kleine Prinz) auf der gegenüberliegenden Straßenseite?

 

Nach dem Umzug der Bundesregierung ist die Apostolische Nuntiatur, die Vertretung des Heiligen Stuhls in Deutschland, in Berlin in einem 2001 fertiggestellten Gebäude neben der Basilika (genau genommen liegt die Nuntiatur im Berliner Bezirk Neukölln, die Lilienthalstraße ist die Grenze der beiden Bezirke).

 

Vor der Nuntiatur fuhr gerade "die Nummer 2" des Vatikanstaats vor, 
Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin. 
Er leitet das vatikanische Staatssekretariat , das für die Politik und
Vertretung des Heiligen Stuhls nach außen zuständig ist.


Seit 1920 gibt es diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und dem Heiligen Stuhl. Davor gab es eine Nuntiatur nur in Bayern (ab 1784) und eine niederrangigere Vertretung mit Preußen (ab 1747).

Der Heilige Stuhl wird als nichtstaatliches, eigenständiges Völkerrechtssubjekt angesehen. An seiner Spitze steht der Papst.

Der Heilige Staat vertritt den Vatikanstaat (seit 1929 wieder ein souveräner Staat), der auch ein Völkerrechtssubjekt ist. Etwas kompliziert, wird aber so praktiziert. So ist der Heilige Stuhl und nicht der Vatikanstaat als Beobachter bei den Vereinten Nationen (UN) zugelassen. In Deutschland ist der Apostolische Nuntius der Doyan des Diplomatischen Chors, d.h. ranghöchster Botschafter. 



Die St. Johannes Basilika steht an der Lilienthalstraße und auf dem Kirchengelände steht das Luftschifferdenkmal. Das hat aber weniger mit dem Luftfahrtpionier Otto Lilienthal zu tun, an den die Straße erinnert. Es ist ein Denkmal zur Erinnerung an die im 1. Weltkrieg gefallenen Luftschiffer (bekannt waren die Zeppelin-Luftschiffe).



Ende der 2. Etappe und der Stadtwanderung am Südkreuz.


                                                               * * *    

           

              Die Erläuterungen stammen meist aus Wikipedia-  und                                 anderen  Artikeln im Internet, ohne Zitierung im Einzelnen.
             Fotos zum Teil von Andreas und Uschi



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Stadtwanderung 

durch Kreuzberg
Juni 2021

In 2 Etappen
1. Etappe am  4. Juni 2021 - Südstern bis Moritzplatz
2. Etappe am 11. Juni 2021- Moritzplatz bis Südstern

Es ist eine lange Stadtwanderung, die wir in zwei Abschnitten gemacht haben. Grundlage der Wegeplanung war ein „Stadtspiel Schnitzeljagd" (www.stadtspiel-schnitzeljagd.de). Bei dieser Art von Stadtführung wird man von Station zu Station geleitet, indem man die jeweils nächste Station aus Namen oder Ziffern ableiten muss.         
Die Route des Stadtspiels habe  ich ergänzt und als Rundwanderung erweitert. 

Bis zum Moritzplatz haben wir (Angelika und Andreas, Uschi und ich) so Kreuzberg erkundet. Den zweiten Teil sind dann Uschi und ich ab Moritzplatz eine Woche später gegangen. Zu einigen Stationen bin ich noch nachträglich mit dem Fahrrad gefahren.

1. Etappe: Südstern bis Moritzplatz

9 Kilometer

Wir vier vor der Marheineke Markthalle

Start am Südstern.

Der Südstern in Kreuzberg ist der letzte Teil des sog. „Generalzugs“, ein bis 1880 fertiggestellter Straßenzug von der Gedächtniskirche an der Tauentzienstraße über die Plätze Wittenbergplatz, Nollendorfplatz, Dennewitzplatz, Wartenbergplatz zum Südstern. Auf den Südstern läuft die Gneisenaustraße zu, die Fortsetzung bildet die Hasenheide. Die Straßenplanung geht auf Pläne von Peter Joseph Lenné und den Hobrechtplan von 1862 zurück.

Peter Joseph Lenné (1789 – 1866) war General-Gartendirektor der königlich preußischen Gärten. Er prägte fast ein halbes Jahrhundert die königlichen Gärten und Parkanlagen und die Stadtplanung Berlins.

Der Hobrechtplan war ein Bebauungsplan für Berlin und deren Umgebung. Anlass war die Eingemeindung von Moabit, Wedding und Gesundbrunnen nach Berlin 1861 und das Anwachsen der Städte um Berlin durch die Industrialisierung.  Eine Planungskommission des preußischen Innenministeriums unter Leitung von James Hobrecht erstellte eine neue Infrastruktur für Berlin und die angrenzenden Städte Charlottenburg, Reinickendorf, Weißensee, Lichtenberg, Rixdorf und Wilmersdorf.

Vom Südstern gehen sieben Straßen sternförmig ab, daher der Name. Er hieß auch einmal Gardepionierplatz.

Stadtwanderung Kreuzberg - 18 Kilometer in 2 Etappen

Am Südstern wurde Ende des 19. Jahrhunderts eine evangelische Garnisonskirche (A) (Kirche für das am Ort stationierte Militär) im neugotischen Stil gebaut. Das „katholische Gegenstück“ ist die Johannes Basilika, ganz in der Nähe (der Schlusspunkt der Stadtwanderung). Sie wurde zur gleichen Zeit gebaut. Die ehemalige Garnisonskirche am Südstern wird jetzt vom „Christlichen Zentrum Berlin“, eine Freikirche, genutzt.

Kirche am Südstern

An der vom Südstern abgehenden Bergmannstraße (wir treffen sie noch einmal etwas später) liegt ein größerer Friedhofskomplex mehrerer evangelischer Kirchengemeinden (1), der zwischen 1825 und 1852 teilweise auf einem ehemaligen Weinberg außerhalb (damals) der Stadt angelegt wurde. Durch den Bevölkerungszuwachs reichten die innerstädtischen Friedhöfe nicht mehr aus.

Kirchhof Luisenstadt: Gräber von Gustav Stresemann (1878 – 1929, Reichskanzler, Außenminister und Friedensnobelpreisträger) und von Franz Späth (1839 – 1913, Gründer der Späth-Baumschule).

Die zur Luisenstädtischen Gemeinde gehörende Kirche wurde im 2. Weltkrieg zerstört und 1964 wegen ihrer Nähe zur Berliner Mauer gesprengt.

Friedrichwerderscher Kirchhof: Die Friedrichwerdersche Kirche in Berlin Mitte ist ein Schinkel-Bau, der seit 1987 von der Berlinischen Akademie der Künste für eine Skulpturensammlung genutzt wird.

Friedhof der Jerusalems- und Neuen Kirche: Die Jerusalem-Kirchengemeinde wurde um 1900 mit der Gemeinde der „Neuen Kirche“ am Gendarmenmarkt (Französischer Dom ?) zusammengefasst.

Friedhof der Dreifaltigkeitsgemeinde: Gräber von Martin Gropius (1824 – 1880, Architekt, u.a. des Gropius-Baus in Berlin-Mitte), Johann Georg Halske (1814 – 1890, zusammen mit Siemens gründete er die Telegraphen-Bauanstalt Siemens & Halske) und Adolph Menzel (1815 – 1905, Maler),  Theodor Mommsen (1817 – 1903, Historiker), Friedrich Schleiermacher (1768 – 1834, Theologe), Georg Wertheim (1857 – 1939, mit seinem Bruder Hugo gründete er den Wertheim-Konzern).

Die Dreifaltigkeitskirche stand in Berlin-Mitte (heutige Glinkastraße), brannte im 2. Weltkrieg aus und wurde 1947 gesprengt.

Nach den Friedhöfen kommen wir zum Marheinekeplatz (3) mit der wohl bekanntesten Berliner Markthalle. 

Am Beginn des Platzes liegt die evangelische Passionskirche (2), 1908 im neuromanischen Stil fertiggestellt. Das Besondere sind Ziegel im Klosterformat (größere Ziegel). Der quadratische Grundriss mit vier in den Ecken stehenden Türmen hat im Inneren die Form eines griechischen (gleichschenkligen) Kreuzes. Neben der kirchlichen Nutzung finden Konzerte und andere Veranstaltungen in der Kirche statt.

Turm und Giebel der Passionskirche

Dusch-Auto für Obdachlose am Marheineke-Park


Viele Berliner Kirchen
sind um 1900 (Mitte des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts) gebaut wurden. Die Stadt wuchs in der Zeit um über eineinhalb Millionen Einwohner. Auf evangelischer Seite trieb ein Kirchbau-Verein den Bau voran, unterstützt vom preußischen Staat (Die herrschenden Hohenzollern waren 1539 nach dem Übertritt des Brandenburgischen Kurfürsten Joachim II. zur Lutherischen Lehre evangelisch geworden, nicht ohne die Staatskasse mit den säkularisierten katholischen Kirchengütern zu füllen.). Innerhalb von 25 Jahren wurden 75 Kirchen gebaut.

Die Marheineke Markthalle, Markthalle XI, (3) ist eine von ehemals 14 städtischen Markthallen, die Ende des 19. Jahrhunderts gebaut wurden. Aus hygienischen Gründen ersetzten sie die bis dahin offenen Marktstände.

Die Marheineke-Halle wurde im 2. Weltkrieg zerstört und in den 1950er Jahren neu aufgebaut.

Marheineke-Markthalle

In der Halle sind die Marktstände mit Geflügel, Wurst und Fleisch und allem, was man an Lebensmitteln braucht. Ganz frisch waren gerade Zickleinschenkel beim BioBufett eingetroffen. Zwischen Dorade und Wolfsbarsch aus Wildfang oder aus Aquakultur konnte man an der Fischtheke wählen. Obst und Gemüse bekommt man an mehreren Ständen. Natürlich fehlt eine Vielfalt an französischem Käse nicht. Andreas erkannte auch gleich die „Pastel de Nata“, kleine Cremetörtchen. Das Rezept soll aus dem Jéronimus Kloster in Belem, ein Stadtteil von Lissabon, stammen. Wir haben sie probiert, köstlich.

Der Platz vor der Markthalle ist im Rahmen des Hobrechtplans (s.o.) entstanden. Benannt ist er nach dem Theologen Phillip Konrad Marheineke, der Prediger in der Passionskirche war. Seit 1990 ist der Platz mit einer Brunnenanlage gestaltet, bestehend aus fünf großdimensionalen Bronzetiegeln.

                           In der Markthalle               Der Brunnen vor der Markthalle

Die Bergmannstraße (4) ist nach der Großgrundbesitzerin benannt, der die Ländereien in der Gegend gehörten. 1861 wurden die landwirtschaftlichen Flächen nach Berlin eingemeindet und planmäßig erschlossen. In dem Wohngebiet um die Bergmannstraße herum (Bergmannkiez) sind noch viele Gründerzeitgebäude erhalten. Heute ist die Bergmannstraße eine Flaniermeile mit vielen Restaurants.

Gründerzeithäuser im Bergmann-Kiez


An der parallel zur Bergmannstraße gelegenen Arndtstraße befindet sich der Chamissoplatz (5). Chamisso war ein deutscher Naturforscher und Dichter französischer Abstammung. Seine Eltern waren nach Deutschland geflüchtet. Die Gebäude um den Platz wurden nach Hausbestzungen in den 1980er Jahren umfassend saniert. Seit 2005 gibt es eine Erhaltungsverordnung, mit der die übermäßigen Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen gebremst werden soll.

"Alt-Berliner" Ansichten am Chamissoplatz

In einer Seitenstraße zwischen Bergmannstraße und Arndtstraße (Schenkendorfstr. 7) wurde 1975 Peter Lorenz, führender CDU-Politiker Berlins, von linken Terroristen gefangen gehalten, um die Freilassung anderer Links-Terroristen zu erpressen. Was gelang, Peter Lorenz kam nach sechs Tagen wieder frei.     

In dem Haus wurde Peter Lorenz gefangen gehalten

Innenhof an der Bergmannstraße, 
in dem ein sehr schönes Thai-Restaurant ist, die "Pagode"

Wir gehen von der Bergmannstraße ein Stück den Mehringdamm hoch. Am Mehringdamm liegen die Sarotti-Höfe (6).

Straßenfront der Sarottihöfe

Einer der Innenhöfe


Die Sarotti-Höfe sind ein Komplex mit mehreren Hinterhöfen. 1881 kaufte der Konditor Hugo Hoffmann das Grundstück und errichtete anstelle der Remise (Wirtschaftsgebäude hinter den Wohngebäuden) ein Fabrikgebäude. Zuvor hatte er die „Conifiseur-Waren-Handlung Felix & Sarotti“ übernommen und verkaufte in einem Ladenlokal in der Mohrenstraße seine Produkte unter dem Namen „Sarotti“. Wahrscheinlich hat ihn die Lage in der Mohrenstraße angeregt, einen Mohren als Warenzeichen zu wählen, der bekannte Sarotti-Mohr. Auf der Pariser Weltausstellung erhielt Hoffmann einen 1. Staatspreis für seine Schokolade. Bis zu 1.800 Menschen sollen in der Fabrik beschäftigt gewesen sein.

1911 war die Fabrik in den Hinterhöfen zu klein geworden. Hoffmann zog nach Tempelhof. An der Mehringstraße ist heute das Hotel „Sarotti Höfe“ und ein Sarotti-Mohr erinnert an die Schokolade.

Die ist jetzt eine Marke der Schokoladenfabrik Stollwerk, die seit 2011 zu dem belgischen Süßwaren-Unternehmen Baronie gehört. 

Zurück zur Bergmannstraße, die nach Überqueren des Mehringdamms die Kreuzbergstraße wird, zum Viktoriapark (7) und dem Kreuzberg-Denkmal (8)

Kreuzberg-Denkmal: Kathedralen-Turm auf einem Sockelbau 

Der Kreuzberg-Wasserfall und die Figur "Ein seltener Fang" am Fuße des Wasserfalls


Zuerst entstand dasNationaldenkmal für die Siege in den Befreiungskriegen“ gegen Napoleon 1813 bis 1815. Auf der höchsten Erhebung der Innenstadt, die damals noch Tempelhofer Berg hieß, wurde 1821 ein von Friedrich Wilhelm Schinkel (preußischer Baumeister, der die Mitte Berlins wesentlich prägte) entworfenes Monument aus Gusseisen errichtet, das wie der Turm einer gotischen Kathedrale aussieht. Der Grundriss ist ein Kreuz und die Turmspitze wird von einem Eisernen Kreuz gekrönt. Davon wurde dann auch der Name für den Berg Kreuzberg, und den Verwaltungsbezirk Kreuzberg abgeleitet

 

Der Guss des Denkmals wurde von der Königlich Preußischen Eisengießerei ausgeführt, in der auch die Eiserne-Kreuz-Orden gegossen wurden. Zwölf Skulpturen an den Seiten stammen von bekannten Bildhauern der damaligen Zeit, Rauch, Tieck und Wichmann, und erinnern jeweils an eine Schlacht. Die Gesichter weisen (sicher gewollte) Ähnlichkeiten mit Mitgliedern des Königshauses und von Generälen der Befreiungskriege auf.



Die vier Hauptseiten des Denkmals mit den Schlachten
Leipzig - Paris - Belle Aliance (Waterloo) - Großgörschen



Durch die an den Berg heranwachsende Wohnbebauung war das Denkmal nicht mehr so gut sichtbar. 1878/1879 wurde darum ein acht Meter hohes Podest gebaut, auf das das Denkmal hydraulisch gehoben wurde.

 

Dieser Sockelbau des Denkmals ist normal nicht zugänglich.  Es werden dort steinerne Friese (u.a. der Münzfries von Johann Gottfried Schadow am Gebäude der Berliner Münze am Werderschen Markt, die 1800 bis 1886 bestand) und Plastiken untergegangener Bauten gelagert. Gipsabdrücke der Figuren am Kreuzbergdenkmal sind dort ebenfalls eingelagert und Fledermäuse leben wohl auch in dem kalten Keller.

 

Eine seltene Gelegenheit, das sonst geschlossene Sockelgebäude zu sehen, ist jetzt. Dort ist zurzeit eine Ausstellung „Mühlenhaupt trifft Schinkel und Schadow“ mit Bildern des Berliner Malers Kurt Mühlenhaupt (1921 – 2006).  Wir haben sie zu Beginn unseres zweiten Wandertages besucht. Mühlenhaupt hat auch die Figuren des Feuerwehrbrunnens am Mariannenplatz geschaffen, die wir noch sehen werden. Mühlenhaupts Bilder finden wir nicht so spannend. Er gehörte zu Lebzeiten mit Trödelladen und Kneipe zur Kreuzberger-Künstler- und Lebenskünstler-Szene. Vielleicht ist er auch dadurch bekannt geworden.


Blick in den Sockelbau des Denkmals und ein Gipsabdruck einer der Figuren des Denkmals

Mühlenhaupt: Mariannenplatz und Selbstbildnis


 

Erst nach dem Denkmal wurde 1888 das Gelände um das Kreuzberg-Denkmal als Park gestaltet. Benannt wurde er nach Viktoria, der Ehefrau des Preußischen Königs und Deutschen Kaisers Friedrich III. (der 99-Tage Kaiser). Später wurde noch ein angrenzendes Militärgelände einbezogen.  Neben dem Kreuzberg-Denkmal ist der Wasserfall von der Denkmal-Höhe hinunter zur Kreuzbergstraße ein imposantes Merkmal des Viktoriaparks. Interessant soll auch die sog. „Wolfsschlucht“, eine umgestaltete ehemalige Kiesgrube, sein (dort waren wir nicht). 

Der Weinberg am Kreuzberg mit der ehem. Schultheiss Brauerei

Pause am Café Viktoria neben dem Denkmal

Auch auf dem Kreuzberg, ein kleines Tiergehege

Wir überqueren die Yorkstraße und werden am Haus Nr. 22 (9) an einen der Widerstandskämpfer gegen das Dritte Reich erinnert. Karl Behrens (1909 – 1943) wohnte in dem Haus. 1943 wurde er in der Strafanstalt Plötzensee ermordet. Er war Konstrukteur bei der AEG-Turbinenfabrik und heimlicher Mitarbeiter des Widerstandskämpfers (Rote Kapelle) Arvid Hardnack, ein promovierter Volkswirt, der im Reichswirtschaftsministerium arbeitete. Nachdem Hardnack 1942 in Plötzensee hingerichtet worden war, wurde Behrens an der Ostfront verhaftet und ebenfalls nach Plötzensee gebracht. 

Die nächste Station nach dem Kreuzberg ist der Park am Gleisdreieck (10). Der ist in drei Teilen 2011 (Ostpark), 2013 (Westpark) und 2014 (Flaschenhals) auf den Brachflächen des ehemaligen Anhalter-Güterbahnhofs und des Potsdamer Güterbahnhofs entstanden. Zwischen dem West- und Ostpark liegt die Nord-Süd-Hauptbahnstrecke der DB.

Rosen im Park - Spielplatz für Erwachsene

Der Anhalter-Bahnhof war einmal einer der wichtigsten Fernbahnhöfe Berlins. Das Bahnhofsgebäude des Kopfbahnhofs lag am Askanischen Platz (am ehemaligen Anhalter Tor der Berliner Zollmauer, s.u.).


1841 eröffnete die private Berlin-Anhaltinische-Eisenbahn-Gesellschaft die Bahnstrecke von Berlin nach Köthen im Herzogtum Anhalt (die Anhalterbahn). Im gleichen Jahr wurde der Anhalter-Bahnhof eingeweiht, in den folgenden Jahren mehrfach erweitert.  Das Bahnhofsgebäude, von dem nur noch der Eingangsbereich übriggeblieben ist, wurde 1880 eingeweiht.

Beim Bau des Bahnhofs wurde der Personen- von dem Güterverkehr getrennt. Die Gleisanlagen des Personenbahnhofs waren nördlich des Landwehrkanals. die des Güterbahnhofs südlich des Landwehrkanals (Ostpark des Parks am Gleisdreieck).

 

Der Potsdamer-Bahnhof hatte die Anlagen des Personenverkehrs ebenfalls nördlich des Landwehrkanals. Das Bahnhofsgebäude lag in der Nähe des heutigen Potsdamer Platzes. Er war der Kopfbahnhof der Strecke Berlin – Potsdam der Berlin-Potsdamer-Eisenbahngesellschaft. 1938 wurde die Strecke, die sog. Stammbahn, in Betrieb genommen. Es war die erste Eisenbahnstrecke Preußens.

Südlich des Landwehrkanals waren die Gleisanlagen des Güterbahnhofs. Hier wurde der Westpark des Parks am Gleisdreieck angelegt. 

Am Rand des Gleisdreiek-Parks geht es weiter. An der Ecke Möckernstraße/Wartenburgstraße schmückt das Mural „Trialog“ (11), ein Streetart-Wandbild, die Hauswand, ein Bär mit einem Kind, dazwischen ein Baum (Künstlergruppe „innerfields). Wir treffen später noch einmal auf ein anderes Berliner Mural. 

Dann kommen wir zum Deutschen Technikmuseum (13). Am östlichen Rand des Museums befindet sich das Science Center Spectrum (12) des Museums. Es ist vom Museum in dem ehemaligen Verwaltungsgebäude des Anhalter Güterbahnhofs eingerichtet worden. In dem Science Center sind 150 „Experimente zum Anfassen“ aufgebaut. Die Besucher können selber experimentieren und Akustik, Optik, Mechanik, Elektrizität usw. erfahren.

 

Technikmuseum mit einem "Rosinenbomber" der Berliner Luftbrücke (1948/1949)

Das Deutsche Technikmuseum (12) war bis 1996 das „Museum für Verkehr und Technik“, 1983 eröffnet. In das Museum wurden die Ringlokschuppen des ehemaligen Betriebswerkes des Anhalter-Güterbahnhofs einbezogen. Schwerpunkt der Ausstellungen sind die Verkehrstechnik (Luft, Straße, Schifffahrt) und industrielle Produktionstechnik (Schmuck, Textilien, Nachrichten, Automation und mehr). 

Vor dem Technikmuseum

Wir überqueren den Landwehrkanal auf dem Anhaltersteg (14), kommen am Elise-Tilse-Park (15) und dem Tempodrom (16) vorbei. Südlich des Landwehrkanals lagen die Gleise für den Güterverkehr, nördlich des Kanals die Gleisanlagen des Anhalter Personenbahnhofs und das Anhalterbahn-Bahnhofsgebäude.

Die U-Bahn fährt durch das BVG-Gebäude
Blick vom Anhaltersteg

Zwischen dem Elise-Tilse-Park und dem Tempodrom steht noch ein Hochbunker (17) aus dem 2. Weltkrieg. Am Askanischen Platz erreichen wir die Ruine des ehemaligen Anhalter-Bahnhofs (18).

 

Elise Tilse (1910 – 2005) war Kulturamtsleiterin in Kreuzberg. Sie muss eine außergewöhnliche Frau gewesen sein. Die Berlinischen Galerie hat ihre umfangreiche Korrespondenz archiviert.

 

Das Tempodrom (2001 eröffnet) hat eine lange Geschichte. Sie beginnt 1980. Eine Krankenschwester investierte ihre Erbschaft in einen Traum, ein Zirkuszelt. Schon nach einem Jahr war der Zirkus pleite. Der Berliner Senat half. Die Krankenschwester hatte wohl gute Beziehungen zur in Berlin regierenden SPD. 1985 zog das Zelt als Tempodrom mit Musikveranstaltungen und Konzerten vom Potsdamer Platz in die Nachbarschaft der Kongresshalle im Tiergarten. Dann kamen die Wiedervereinigung und der Bau des Kanzleramtes. Das Tempodrom wurde als Sicherheitsrisiko angesehen und musste weichen (So groß war das Risiko aber wohl doch nicht. Heute ist dort das „Tipi am Kanzleramt“ mit ähnlichem Programm).

„Versüßt“ wurde der Abgang mit einer ordentlichen Entschädigung. Mit der und mit Spenden und (wen wunderts) staatlichen Zuschüssen entstand 2001 ein Neubau auf dem Gelände des ehem. Anhalter Bahnhofs. Ein Zelt, aber aus Beton und Stahl. Doch die Baukalkulation stimmte wohl nicht ganz. Am Ende verdoppelten sich die Baukosten von 16 auf 32 Millionen EUR. Der SPD-Bausenator Peter Strieder musste deswegen 2004 zurücktreten. Irene Moessinger, die ehemalige Krankenschwester und Erbin, verließ ein Jahr später das Projekt. Ein Insolvenzverwalter wurde eingesetzt. Jetzt betreibt eine Investorengruppe das Tempodorom.


Das Tempodrom

Der Hochbunker wurde bis 1942 als Luftschutzbunker für Reisende und Mitarbeiter der Reichsbahn gebaut. Auch der Reichsbahnpräsident hatte damals an sich gedacht. Für ihn und seine leitenden Mitarbeiter gab es besondere Räume. Im Übrigen war der Bunker für 3.000 Personen ausgelegt. Bei den Kämpfen zum Ende des Krieges mussten bis zu 10.000 Menschen dort Schutz suchen. Heute befinden sich zwei Ausstellungen über die Geschichte Berlins (Berlin Story) und über das NS-Regime (Hitler, wie konnte es geschehen) in dem Bunker. 

Anhalter-Bahnhof - Innenfassade

Anhalter-Bahnhof - erhaltener Eingangsbereich

Anhalter-Bahnhof - Fassadendetail

Rosen am Bahnhof

Gegenüber dem Anhalter Bahnhof steht ein Gebäude, in dem ich schon in meiner (politischen) Jugendzeit war. In dem Deutschlandhaus (19) waren die politischen (Pflicht-)Vorträge der geförderten Berlinfahrten zu absolvieren. Ein großer Hörsaal mit oft etwas übermüdeten Jugendlichen, die in der Nacht zuvor das Berliner Leben ohne Sperrstunde erkundet hatten. Ich schließe mich da nicht aus.

Deutschlandhaus
 

In dem Deutschlandhaus ist in diesem Jahr (2021) das Dokumentationszentrum der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung eröffnet worden. Informiert wird über das Schicksal von Millionen Menschen, die durch die nationalsozialistische Politik Flucht und Vertreibung erleben mussten. Vertrieben wurden und flüchten mussten nicht nur die Deutschen in den Ostgebieten, sondern auch viele Menschen wegen ihrer Herkunft, ihres Glaubens und ihrer Überzeugung. 

Auf dem Weg zum Jüdischen Museum kommen wir am Hebbel-Theater (20) in der Stresemannstraße vorbei.

 

Hebbel-Theater

Das Hebbel-Theater wurde 1908 eröffnet. Architekt des Jugendstil-Gebäudes war der ungarische Architekt Oskar Kaufmann (1873 – 1956). Es war sein erster Theaterbau. Danach folgten in Berlin die Volksbühne am Bülowplatz, das Theater und die Komödie am Kurfürstendamm, der Theatersaal der Krolloper (existiert nicht mehr), und das Renaissance-Theater in der Knesebeckstraße und Theaterbauten in anderen Städten.

Das Theater wurde nach dem Dramatiker Friedrich Hebbel (1813 – 1863) benannt und mit dessen Trauerspiel „Maria Magdalena“ eröffnet. Im 2. Weltkrieg wurde das Gebäude kaum beschädigt, sodass es nach dem Krieg die bedeutendste Bühne West-Berlins wurde. Seit 2003 ist das Hebbel-Theater im Verbund mit dem „Theater am Halleschen Ufer“ und einer weiteren kleineren Bühne (HAU 1 – 3, Hebbel am Ufer). 

Neuer Hauseingang kurz hinter dem Hebbel-Theater

Es folgt das Willy-Brandt-Haus (21), die SPD-Bundesgeschäftsstelle, an der Wilhelmsstraße.

 

Die Wilhelmstraße ist eine der geschichtsträchtigen Straßen Berlins. Von der Spree bis zum Landwehrkanal in nord-südlicher Richtung verlaufend wurde sie im Rahmen der Stadterweiterung in den 1730er Jahren angelegt. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden Ministerien des Königreichs Preußen angesiedelt. Nach der Gründung des Deutschen Reiches 1871 folgten  die neuen Reichsministerien. Es wurde das Regierungsviertel.

Die Straße liegt mit dem nördlichen Teil im Bezirk Mitte, mit dem südlichen in Kreuzberg. Die Bezirksgrenze war bis zur Wiedervereinigung der Verlauf der Mauer.

An der Grenze der beiden Bezirke ist die Gedenkstätte Topographie des Terrors. Im Dritten Reich waren hier die Gestapo (Geheime Staatspolizei) und Stellen der SS (der Sicherheitsapparat der Nazis).

Fast daneben ist der Martin-Gropius-Bau (in der Niederkirchnerstraße, eine Seitenstraße der Wilhelmstraße). Das Gebäude wurde 1881 nach den Plänen von Martin Gropius im Stil der italienischen Renaissance als Kunstgewerbemuseum fertiggestellt. Martin Gropius war ein Großonkel des Bauhaus Gründers Walter Gropius. Heute sind wechselnde Ausstellungen in dem Gebäude.

Fast gegenüber ist das Berliner Abgeordnetenhaus in dem Gebäude des ehem. Preußischen Landtags.  Das ist jetzt schon Berlin-Mitte. 

Wir bleiben im Bezirk Kreuzberg und gehen von der Wilhelmsstraße zum Mehringplatz (22). 


Der Mehringplatz liegt gar nicht so weit vom Zentrum entfernt, am Ende der Friedrichstraße, eine der bekannten Ostberliner Einkaufsstraßen. Aber, zugegeben, ich war vorher noch nie dort.

 

In den 1730er Jahren ließ der preußische König drei Plätze zur Aufwertung seiner Residenzstadt anlegen, den viereckigen Karree-Platz (heute Pariser-Platz), das achteckige Oktogon (heute Leipziger Platz) und das Rondell (heute der Mehringplatz). Auf den Mehringplatz liefen die Wilhelmstraße, die Friedrichstraße und die Lindenstraße zu. Der Platz lag am Halleschen Tor, eines der 14 Tore der in der gleichen Zeit errichteten Akzisemauer um die Stadt. Nach Passieren der Zollschranke wurden die Personen und Waren über die drei vom Platz abgehenden Straßen in die verschiedenen Stadtteile geleitet. Um den Platz herum entstanden im 19. Jahrhundert vier- bis fünfgeschossige klassizistische Wohngebäude.

 

Siegessäule auf dem Mehringplatz
1843 wurde in der Mitte des Platzes eine 19 Meter hohe Siegessäule zur Erinnerung an die gewonnenen Befreiungskriege gegen Napoleon aufgestellt (Die andere Siegessäule steht am Tiergarten, 1873 wurde sie am Reichstag aufgestellt). Viel später, als das Sieges-Denkmal auf dem Kreuzberg entstanden war (warum erst jetzt?).  Gekrönt wurde die Säule mit einer bronzenen Siegesgöttin Viktoria von Christian Daniel Rauch, der auch einige Figuren des Kreuzberg-Denkmals geschaffen hatt. Der Platz hieß nicht mehr „Rondell am Halleschen Tor“, sondern „Belle-Alliance-Platz“, passend zur Siegessäule, als bleibende Erinnerung an die siegreiche Schlacht der englischen und preußischen Truppen bei Waterloo, die Feldherr Blücher nach dem Gasthaus „Belle Alliance“, in dem Napoleon sein Hauptquartier hatte, als Schlacht bei Belle Alliance bezeichnete, die Engländer aber als Schlacht bei Waterloo.

 

Im 2. Weltkrieg wurden der Platz und die Gebäude zerstört. Nur die Viktoria blieb auf der Siegessäule stehen. Durchschüsse konnten sie nicht vom Sockel holen. Das passierte erst 2006 bis 2014, als sie grundlegend saniert werden musste.  Um den Platz entstanden nach dem Krieg Sozialwohnungen, zwei halbkreisförmige Wohnblöcke.  Die Wilhelmstraße und die Lindenstraße wurden nicht mehr auf den Platz, sondern an ihm vorbei bis zum Landwehrkanal geführt. Der Name des Platzes wurde geändert. Preußische Siegeserinnerung zählte nicht mehr. Der kommunistisch dominierte Gesamtberliner Magistrat erkor den marxistischen Historiker Franz Mehring als Namensgeber. Er hatte 1906 bis 1911 an der in der Lindenstraße gelegenen Reichsparteischule der SPD unterrichtet. 

Das Jüdische Museum (23) ist das nächste Zwischenziel. 1700 Jahre ist jüdisches Leben in Deutschland nachgewiesen. Im Jahr 321 bestimmte der römische Kaiser Konstantin, dass Juden städtische Ämter in Köln bekleiden dürfen und sollen. Das bedeutet, dass es damals schon eine jüdische Gemeinde gab. An diese lange Zeit erinnert das Jüdische Museum in Berlin an der Lindenstraße.

Es ist das zweite jüdische Museum in Berlin. Ein erstes Museum wurde 1933 neben der neuen Synagoge an der Oranienburger Straße eröffnet. Es hatte nicht lange Bestand. 1938 wurde es von den Nazis geschlossen.

Das neue jüdische Museum wurde 1999 als Einrichtung des Landes Berlin gegründet. Es besteht aus zwei Teilen, dem historischen Kollegienhaus und dem modernen Neubau daneben. 

Jüdisches Museum im ehem. Kollegienhaus

Das historische Kollegienhaus stammt von 1735 und beherbergte die königliche Justizverwaltung und das Kammergericht für die Kurmark Brandenburg (das bis dahin im damaligen Kölln, heute Berlin-Mitte, seinen Sitz hatte). Später (ab 1879) war nur noch das Kammergericht in dem Palais.

1913 zog das Kammergericht an den Kleistpark in Schöneberg (wo es noch heute seinen Sitz hat). In das Kollegienhaus zog das Evangelische Konsistorium Berlin ein (oberste Verwaltungsbehörde der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz).

Im 2. Weltkrieg zerstört, wurde das Gebäude bis 1969 wiederaufgebaut und nahm das stadtgeschichtliche Berlin Museum auf.

1993 begann der Umbau für das Jüdische Museum durch Daniel Libeskind.

 

Er plante auch den neuen zweiten Teil des Museums im Stil des Dekonstruktivismus (schiefe geometrische Gestaltung), ein zickzackförmiger Neubau mit einer Titan-Zink-Fassade, schiefen Ebenen, spitze Winkel, leeren Räumen. Ergänzt wird der Bau durch einen Garten des Exils (ebenfalls mit schiefem Grund, Betonsäulen und Olivenbäumen) und dem Holocaust-Turm (ein hoher dunkler Raum, beklemmend und nicht erfassbar).


Der Neubau

 

Gegenüber dem Jüdischen Museum ist seit 2012 die „W. Michael Blumenthal Akademie“ in der ehemaligen Halle des Blumengroßmarktes. Hier sind Räume des Museums für Veranstaltungen und das Archiv. Blumenthal war 1997 bis 2014 prominenter Direktor des Jüdischen Museums. Er war zuvor u.a. amerikanischer Finanzminister und Manager US-amerikanischer Unternehmen. Geboren und aufgewachsen war er in Berlin, bis er mit seiner jüdischen Familie 1939 vor den Nazis ins Ausland fliehen musste. 

Jetzt folgt eine recht lange Teilstrecke zum Moritzplatz. Für mich war interessant, dass wir ein Stück durch ein Wohnungs-Quartier der ehemaligen GSW, „mein“ Wohnungsunternehmen, gegangen sind. Der von mir seinerzeit initiierte GSW-Mieterverein hatte in der Franz-Künstler-Straße sein Büro und von hier aus wurden auch die Gästewohnungen für Besucher der GSW-Mieter, die damals eingerichtet wurden, verwaltet. 

Unterwegs kommen wir am Mittelpunkt Berlins (24) vorbei. Nur eine unscheinbare Steinplatte im Gras weist den Flächenmittelpunkt der Stadt an der Alexandrinenstraße aus. 

Der Flächenmittelpunkt Berlins

An der Oranienstraße biegen wir von der Alexandrinenstraße ab und kommen an der St. Jacobi-Kirche (25) vorbei. Es ist eine der älteren, evangelischen Kirchen, 1884/85 von Friedrich-August Stüler (Schüler Karl Friedrich Schinkels, Direktor der preußischen Schlossbaukommission, Architekt zahlreicher Kirchen und Schlösser) entworfen, im Stil einer altchristlichen Basilika. Im 2. Weltkrieg zerstört wurde sie bis 1957 historisch getreu wiederhergestellt. 

Unweit des Moritzplatzes, in der Ritterstraße, ist einer der traditionellen Gewerbehöfe Berlins. 1893 bis 1898 wurden die Gebäude für die  Armaturenfabrik Butzke gebaut. Heute gehören sie als "Aqua-Höfe" zur GSG (Gewerbe-Siedlungs-Gesellshaft). Das Viertel um die Ritterstraße wurde damals das "Rollkutschenviertel" bezeichnet. Viele Unternehmen exportierten ihre Produkte und brachten sie mit Pferdefuhrwerken, den Rollkutschen, zum Bahnhof. 

Einer der Höfe des Gewerbehofes

Die Durchfahrt im Vorderhaus

Der Moritzplatz (26) ist um 1860 zusammen mit dem Oranienplatz und dem Heinrichplatz auf dem ehemaligen Köpenicker Feld entstanden. Die Ackerflächen des Köpenicker Feldes wurden 1845 als Wohn-, Industrie- und Gewerbefläche entwickelt. Den Namen erhielt der Platz nach Moritz von Oranien, Statthalter der Niederlande (warum?). Der Platz ist jetzt ein eher langweiliges Areal. 

Vor der Zerstörung im 2. Weltkrieg war er ein belebter Einkaufplatz u.a. mit einem Wertheim-Kaufhaus. Jetzt ist dort immer noch eine Brachfläche. Auf einer Brachfläche neben dem Moritzplatz entstanden 2009 die Prinzessinnengärten mit ökologischem Gartenbau. Zurzeit ist das Projekt umstritten, warum ist mir nicht ganz klar. 

Neben dem Wertheim-Kaufhaus war eine Aschinger-Bierquelle mit einer Konzerthalle (1892 kamen die Brüder Aschinger von Schwaben nach Berlin). Nach dem 2. Weltkrieg wurde auf dem Trümmergrundstück eine Textilfabrik gebaut. Danach hatte die Klavierfabrik Bechstein dort ihren Sitz. 2011 zog der Aufbau Verlag in das Haus (ein DDR-Verlag, der 2008 von Matthias Koch übernommen wurde, Koch ist in Göttingen aufgewachsen). 

Haus des Aufbau Verlages am Moritzplatz

Hier endet die erste Etappe.

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                 Fotos zum Teil von Andreas und Uschi



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