Wanderung auf den Pico del Teide


Im Jahr 1799 war der deutsche Naturforscher Alexander von Humboldt im Juni für eine Woche auf der Insel Teneriffa, in der er auf den höchsten Berg Spaniens, den 3.715 Meter hohen Teide, wanderte. Er nutzte den Aufstieg auf den Teide auch zur Vorbereitung auf die südamerikanischen Berge und probierte seine Instrumente aus.
5 Jahre dauerte danach Humboldts Südamerika-Expedition.


In diesem Jahr (2019) waren Angelika und Andreas für eine Woche zu uns nach Puerto de la Cruz gekommen, mit dem Ziel,  den Teide zu besteigen.

Das wollten sie schon im Mai. Aufstieg am ersten Tag bis zur Hütte „Refugio Altavista“. Danach, früh am Morgen, weiter hinauf auf den Teide. Noch im Dunkeln. Rechtzeitig, um auf dem Teide den Sonnenaufgang zu erleben. Aber die Hütte war damals schon ausgebucht.
Darum hatten sie schon im Mai für die letzte Oktober-Woche die Schlafplätze in der Berghütte gebucht, und für mich mit.



Die Altavista-Hütte gibt es schon seit 1856. Damals diente sie Wissenschaftlern und Forschern als Unterkunft. 1950 übernahm die Inselverwaltung die Hütte und 2007 wurde sie erneuert und ausgebaut.

Die Übernachtung in der Schutzhütte Refugio Altavista ist recht einfach. 54 Betten stehen in drei Schlafsälen. Die Bettwäsche wird gestellt. Aber Verpflegung und Wasser muss jeder selber mitbringen (es gibt aber auch seit einiger Zeit Getränke-Automaten). Und natürlich muss man seinen Müll wieder mit hinunter ins Tal nehmen. Um 22 Uhr ist Nachtruhe und spätestens um 7.30 Uhr muss das Lager am nächsten Morgen verlassen werden.

Ein Geburtstagsgeschenk


Die Wanderung auf den Teide war auch ein Geburtstagsgeschenk, das sich Angelika selber gemacht hat. Am Montag (28. Oktober) sind wir nachmittags bis zur „Altavista“ gewandert. Am nächsten Tag wollten wir den Sonnenaufgang ihres Geburtstages oben am Kraterrand des Teide erwarten und die Sonne mit einem Glas Sekt begrüßen. Eine solche Geburtstagsfeier hat man nicht so oft.

Am ersten Tag bis zur Altavista-Hütte


Unser Teide-Aufstieg begann gegen 14 Uhr am Parkplatz an der Pista 
Startpunkt am Parkplatz
Montana Blanca (Teide-Nationalstraße TF 21), Höhe 2.321 Meter. Die Berghütte Altavista steht auf 3.260 Meter Höhe. Am ersten Tag hatten wir also 980 Höhenmeter  (Strecke 7,8 Kilometer) zu überwinden (siehe Wegaufzeichnung unten).

Zum Vergleich: Der Aufstieg von Los Silos nach Erjos ist mit 980 Höhenmetern etwa gleich groß. Den Weg und hinauf und hinab bin ich eine Woche zuvor „als Training“ gegangen. Der Erjos-Aufstieg beginnt aber etwas über Meereshöhe. Der Teide-Aufstieg beginnt bei über 2.300 Metern. Die Luft ist am Teide dünner und der Aufstieg schon anstrengender.


Die Wanderung beginnt angenehm leicht, leichter Anstieg, breiter Weg, in großen
Montana Blanca
Bogen geht es bergauf.  Nach gut einer Stunde erreichen wir die "Teide-Eier", die Huevos del Teide, mehr als mannshohe Basaltfelsen. Wir sind in der Montaña Blanca, den „Weißen Bergen“ mit dem weiß-gelblichem Bimsstein.
Wie die schwarzen Huevos in die helle Bimsstein-Landschaft gekommen sind, ist nicht ganz klar. Eine Theorie meint, dass sich Teile aus dem über der Montaña Blanca liegenden Lavastrom gelöst haben und im Abrollen zu Kugeln formten. Vielleicht sind es auch bei einer Vulkan-Eruption hinausgeschleuderte Lavabrocken.

Unser Weg ist der, den auch schon Alexander von Humboldt gegangen ist. Er ist damals in Orotava gestartet. Von Santa Cruz kommend (damals 8.000 Einwohner, davon 400 Mönche in sechs Klöstern, wie Humboldt berichtet), war er über La Laguna, La Matanza, La Victoria und La Orotava zunächst nach Puerto de la Cruz
Huevos del Teide
gereist. Am 21. Juni 1799 brach er von Orotava aus zur Teide-Besteigung auf. Begleitet wurde er von dem französischen Vizekonsul Le Gros, der vorher schon mehrfach auf dem Teide war.

In seinem Tagebuch hat Humboldt den Weg beschrieben. Es war ein Maultierpfad zwischen der Nord- und Südküste der Insel, der „Camino de Chasna“ (Chasna ist der Guanchen-Name für Villaflor im Süden Teneriffas). Es war damals der einzige Weg zum Teide-Gipfel. 

Die Tagebücher Humboldts (Amerikanische Reisetagebücher) befinden sich seit 2013 im Bestand der Berliner Staatsbibliothek. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz hat sie den Erben abgekauft.

Der gesamte Nachlass Humboldts ist zu 2/3 in der Berliner Staatsbibliothek und zu 1/3 in der Krakauer Jagiellonen Bibliothek. Nach Polen kam der Bestand, als die Bücher und Schriften der ehemaligen Preußischen   Staatsbibliothek während des 2. Weltkriegs teilweise nach Krakau ausgelagert wurden  (und warum wurden sie nicht zurückgegeben?).

Heute gibt es neben der Humboldt-Route zwei weitere Routen. Die eine, die mühsamere, führt über den Pico Viejo (der Nachbarvulkan des Teide). Die andere ist deutlich länger, beginnt am Socorro-Strand (Playa del Socorro bei Los Realejos,  auf Meeres-Niveau) und führt über die Fortaleza (im Cañada-Nationalpark) zum Teide.
Einfacher – aber nur im Vergleich zu den anderen Wegen - ist es, mit der Seilbahn bis an den Rand des Teide zu fahren und von dort hinaufzusteigen.

Wir gingen bei schönstem Sonnenschein durch die Montaña Blanca. Die Wanderjacke
Auf dem Berg die Spitzen der Sternwarte
und andere wärmende Kleidung konnten getrost im Rucksack bleiben. 
Der Blick hinunter in die Krater-Landschaft ist beeindruckend. An den Rändern sind die Fortaleza und die Spitzen der Teleskop-Anlagen der Sternwarte am Rand der Cañadas zu sehen. Im Krater sind unterschiedliche Erdfarben aus unterschiedlichen Vulkan-Zeiten.

Die Fortaleza ist der nördliche Teil des Krater-Kessels (Caldera) Las Cañadas (Die Schluchten) mit einem Durchmesser von 17 Kilometern. In diesem Krater sind der Teide und der benachbarte Pico Viejo (alte Spitze) als Schichtvulkane aus mehreren Eruptionen entstanden.

Der letzte Vulkanausbruch innerhalb der Caldera war 1798 der des Narcises del Teide (Nasen) an der Flanke des Pico Viejo. 
Der letzte Vulkanausbruch auf Teneriffa war 1909 der Chinyero,
10 Kilometer vom Teide entfernt,
Die Fortaleza
dessen Lava aber unbewohntes Land überdeckte. 
1706 hatten die Lavaströme des nur 3 km vom Chinyero entfernten Vulkan Trevejo (auch Volcano Negro, Volcano Garachico) große Teile der Stadt Garachico mitsamt des damals wichtigsten Hafens der Insel zerstört.

Der vulkanische Urprung Teneriffas besteht aus drei Vulkanstrukturen: Teno-Gebirge, Anaga-Gebirge, Bandas del Sur (ein Gebirgsband mit den Orten Abona und Arico im Süden).  Sie bilden ein Dreieck, das die Form der Insel prägt. Die Vulkane erloschen vor 5 Millionen Jahren und erodierten. Zwischen den drei Vulkanstrukturen entstand danach der Vulkan Cañadas, aus dem die Caldera Las Cañadas hervorgegangen ist.

Der Name Teide stammt von dem Guanchen-Namen „Echeyde“. Für die Guanchen war der Teide die Wohnung des bösen Dämons „Guayota“, der die Sonnengöttin „Magec“ entführt hatte und im Echeyde gefangen hielt.

3.715 Meter ist der Teide hoch (über Meeresspiegel).  Vom Meeresboden gemessen beträgt die Höhe 7.500 Meter, d.h. der größere Teil des Vulkanbergs ist unter der Wasseroberfläche. Damit ist er der drittgrößte Inselvulkan der Erde.

Der eigentliche Vulkankegel, der "Pilon" ist aus dem älteren Krater "La Rambla" entstanden. Er ist 150 Meter hoch und hat an der Spitze einen Durchmesser von 80 Metern (der benachbarte Pico Viejo hat einen Durchmesser von 800 Metern).

Die Sternwarte „Observatorio del Teide“  ist seit 1964 in Betrieb. Neben Chile und Hawaii ist der Teide einer der drei besten Orte der Welt für Himmelsbeobachtungen. 
Neben dem kanarischen Astrophysikalischen Institut unterhalten hier auch deutsche Einrichtungen zwei Sonnenteleskope (Kiepenheuer-Institut für Sonnenphysik in Freiburg, Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen, Leibnitz-Institut für Astrophysik in Potsdam-Babelsberg).

Die Sonnen-Wärme und der angenehme Weg hatten auch ein Ende. Es wurde steiler. Wir kamen in die Lava-Gegend. Es war Spätnachmittag und es wurde kälter. Die Wanderjacken kamen jetzt aus dem Rucksack. Wenig später auch die Handschuhe. Das letzte Stück bis zur Hütte Altavista war steil und anstrengend und der Wind war kalt.

Schutzhütte Altavista
Nach knapp vier Stunden hatten wir die Hütte in der Abenddämmerung endlich erreicht. An den Cañada-Randbergen spiegelte sich die rote Abendsonne. Das sah schön aus. Aber lange haben wir das Farbspiel nicht betrachtet. Der heftige und kalte Wind trieb uns schnell in die Hütte. 
Der Schatten des Teide
Humboldt verbrachte die Nacht vor dem Gipfelanstieg unter zwei überhängenden Felsen auf 2.980 Meter Höhe, irgendwo unterhalb der Altavista-Hütte.

"Ohne Zelt und Mäntel lagerten wir uns auf Haufen verbrannten Gesteins“, beschrieb er die Nacht (Anmerkung: Es war Sommer, aber die Nacht-Temperatur war nur wenig über null Grad). Über seine einheimischen Führer beschwerte er sich: „Leider trug die Faulheit und der üble Wille unserer Führer viel dazu bei, uns das Aufsteigen sauer zu machen“. “Sie waren träg zum Verzweifeln.“ „Sie setzten sich alle zehn Minuten nieder, um auszuruhen“.

Abendstimmung
Anmerkung: Die Träger hatten mit der ungewohnt dünnen Luft zu kämpfen. Zum Teil gingen sie zum ersten Mal hinauf auf den Teide. Ich kann die Träger verstehen.

Um 3 Uhr begann Humboldt am nächsten Morgen im Schein von Fackeln seinen Aufstieg. Dabei kam er auch am Altavista-Plateau vorbei, auf dem heute die Berghütte steht. Damals arbeiteten hier "Neveros" (Schneesammler), die Eis und Schnee sammelten, um es in den Städten im Tal zu verkaufen.
Eine Eishöhle, die „Cueva de Hielo“, in der auch heute noch im Sommer Eis zu finden ist, befindet sich nur wenig oberhalb der Altavista-Hütte.

Die Altavista-Hütte


In der Hütte war es angenehm warm, obwohl keine Heizung zu sehen war (und die es wohl auch nicht gibt). Die vielen Menschen auf engem Raum gaben genug Wärme ab. Und bei 
dem eisigen Wind (2 Grad über Null, gefühlt deutlich unter Null) war ein nicht so kalter Raum schon gefühlt warm.
Die offene Küche der Hütte ist gut ausgestattet. Ein Elektroherd, eine Mikrowelle, Töpfe und Geschirr. Nur den Inhalt für die Töpfe muss man selber mitbringen. Angelika hat uns ein leckeres Chili con Carne aufgewärmt, das sie am Vorabend gekocht hatte. Dazu ein Glas Rotwein. Natürlich in unseren Rucksäcken nach oben getragen. Wir haben alles aufgegessen, weil es so gut schmeckte. Und damit unsere Rucksäcke für den nächsten Teil der Route leichter wurden. Auch wichtig.
Früh sind wir schlafen gegangen. Die Hütte ist zweckmäßig eingerichtet, aber gemütlich war es nicht. Gegessen wurde im „Schichtbetrieb“. Man musste halt warten, bis der Herd oder die Mikrowelle frei waren. Beim Essen wurde eng zusammengerückt.
Vorgenommen hatten wir uns, vor dem Schlafen eine Runde Skat zu spielen. Aber ich hatte die Skat-Karten vergessen. Es war überhaupt nicht schlimm. Wir hätten sowieso nicht gespielt. Im Essraum war der Platz zu knapp. In der
Andreas mit kurzen Wanderhosen, in denen er heftig
gefroren hat - im Hintergrund wieder der Teide-Schatten
Eingangshalle waren die Bänke besetzt.
Also sind wir schlafen gegangen. Gut geschlafen habe ich nicht. Die Matratzen der Doppelstock-Betten (Erinnerung an Bundeswehr und Jugendherbergen) und Schlafdecken waren gut. Aber manche Bettgestelle quietschten bei jedem Umdrehen. Ein Lüftungsfenster sorgte zwar für gute Luft (nicht unwichtig bei ca. 20 Menschen in einem Raum), klapperte durch den Wind aber die ganze Nacht. Und gefühlt oft klappte die Tür, wenn jemand zur Toilette ging. Ab 3 Uhr war die Nacht vorbei. Um die Zeit machten sich die ersten Wanderer fertig für den Aufstieg zum Teide.  

Am zweiten Tag Wanderung durch die Nacht


Am Morgen haben wir uns warm angezogen. Ich habe die Trainingshose und die Fleecejacke, die ich in der Nacht angezogen hatte, unter der Wanderhose und Wanderjacke anbehalten (das wird in Aufstiegs-Beschreibungen auch empfohlen). Schal um den Hals,
Nur die Lichter der Stirnlampen sind zu sehen
Mütze auf dem Kopf, Kapuze darüber. Das wärmte gut. Die einzige Schwachstelle waren meine Handschuhe. Ich hatte Strickhandschuhe dabei. Die schützten bei dem Wind überhaupt nicht. Nach kurzer Zeit hatte ich das Gefühl, meine Finger frieren ab.

Mit Stirnlampen ausgestattet (Andreas hatte für mich eine aus Deutschland mitgebracht) stapften wir gegen 6 Uhr in die pechschwarze Nacht. Ich sah nur den Weg unmittelbar vor den Füßen im Schein der Stirnlampe und wenn ich aufblickte, das Licht der Stirnlampen von Andreas und Angelika vor mir.
Man musste schon aufpassen. In  kurzen Serpentinen ging es ziemlich steil bergan. Von
Sonnenaufgang
Stufe zu Stufe. Von Absatz zu Absatz. Nicht endend. Und die Luft war merklich dünner. Kleine Schritte. Schnelles Atmen.

Wir waren ziemlich spät aufgebrochen. Manchmal konnten wir vor uns eine Kette sich langsam den Hang hinauf bewegender Lichter sehen. Mehr nicht.
Zwei Lichter waren ganz oben am schwarzen Himmel. Flugzeuglichter dachte ich zuerst, so hoch oben waren die. Aber das konnte natürlich nicht sein. Es mussten die Stirnlampen der ersten Wanderer oben auf dem Teide oder ein Stück davor sein.

Die „Kletterei“ im Dunkeln zog sich hin. Neumond. Starker Wind trieb Nebelwolken
Aufsteigende Sonne
über uns hinweg oder in das Gesicht, je nachdem in welcher Richtung der Serpentinen-Weg gerade führte.
Dann erreichen wir den "Panoramaweg" (den gehen die "Sonntagswanderer", wenn sie mit der Seilbahn hinauf und hinunter fahren) zwischen der Bergstation und dem Mirador de la Fortaleza. Dem folgen wir bis zur Bergstation der Seilbahn (siehe Wegaufzeichnung unten).


Sonnenaufgang

Auf dem Weg erleben wir den Sonnenaufgang. Ein dunkelroter Streifen im Osten kündigt die Sonne an. Dann geht es schnell. Die Felsen des Teide werden in ein goldgelbes Licht gehüllt. Das Dämmerlicht reicht für den Teide-Aufstieg aus. Die Stirnlampen brauchen wir jetzt nicht mehr. Es dauert auch nicht lange und ein grell-heller Sonnenball schwebe über dem Horizont und kletterte schnell immer höher.

Der Weg von der Berghütte Altavista zum Teide ist länger geworden. Früher konnte man von der Altavista-Hütte aus viel früher vom Panoramaweg den Teide-Kegel
hinaufsteigen. Jetzt mussten wir bis zur Seilbahn-Bergstation gehen. Erst hier beginnt der neue Aufstieg.
An den alten Einstieg kann ich mich noch erinnern, als ich vor Jahren von der Bergstation aus auf den Teide gegangen bin. Auch Andreas hatte den kürzeren Weg bei der Zeitplanung in Erinnerung.
Für Seilbahn-Fahrer ist der neue Weg auf den Teide kürzer. Die Bergwächter, die den Teide-Zugang kontrollieren, brauchen auch nur noch aus der Seilbahn aussteigen und sind an ihrem Kontrollposten. Aber für die „richtigen“ Wanderer, die über die Altavista-Hütte gehen, ist die Strecke deutlich länger geworden.
Dadurch haben wir den Sonnenaufgang auch auf dem Weg hinauf zum Teide und nicht oben auf dem Teide erlebt.

Von der Seilbahn-Bergstation geht der Teide-Weg ziemlich steil zuerst fast geradeaus
nach oben. Dann kommen die Wegewindungen, auf denen man sich hochstemmen muss. Bei eisigem Wind und dünner Luft. Bis hinauf auf die Spitze des Teide in 3.715 Meter Höhe (alte Karten und Wanderbeschreibungen haben noch 3.718 Meter als Höhenangabe, die aber nicht richtig ist), sind es „nur“ 160 Höhenmeter.  Ein schier unendlich langer Aufstieg 

Ich habe die Spitze nicht erreicht. Etwa 50 Höhenmeter davor habe ich abgebrochen. Ich hatte Kreislauf-Probleme. Vielleicht hätte ich eine längere Pause einlegen sollen, um dann weiterzugehen. Aber ich hatte mich für den Abstieg entschieden. Die ersten Teide-Bezwinger überholten mich dabei.
Schade. Aber ich war ja schon einmal ganz oben (mit dem Aufstieg allerdings nur von der Bergstation aus). Vielleicht kann ich ja auch die letzten 50 Höhenmeter noch nachholen. Allerdings fährt zurzeit die Seilbahn nicht. Es weht zu starker Wind.

Nachtrag: Ich habe es doch noch geschafft.  Ab der Seilbahn-Bergstation hinauf auf den Teide-Gipfel. Bei schönstem Sonnenschein. 
Die Bilder zu dem nachträglichen Teide-Aufstieg mit diesem Link:

Angelika und Andreas sind bis zur Spitze gekommen. Und danach schnell wieder 
Vor dem Gipfel
abgestiegen, so dass ich an der Seilbahnstation nicht lange allein warten musste.
Und hier stießen wir mit einem Glas Sekt auf den Geburtstag von Angelika an. Den hatten wir im Rucksack mitgenommen. Aber richtig geschmeckt hat er nach der Strapaze und in der Kälte nicht.

Die Seilbahn auf den Teide, die Teleférico del Teide, wurde 1971 fertiggestellt (und 1999 modernisiert). Auf knapp 2,5 Kilometer überwindet die Seilbahn eine Höhe von 1.199 Metern (von 2.356 auf 3.555  Meter über Meeresspiegel).
Die ersten Baumaterialien mussten mit Eseln oder auf den Schultern der Bauarbeiter nach oben transportiert werden, bis 1967 eine Material-Schwebebahn gebaut wurde. 8 Jahre dauerte die Bauzeit einschließlich der 
Herstellung der Zufahrtstraße zur Talstation.

Die Spitze des Teide ist gleich erreicht

Hinunter fahren oder gehen?

Mit uns war eine große Schar Teide-Bergsteiger angekommen. Sie alle warteten auf die Abfahrt hinunter zur Talstation. Es war nicht klar, ob die Bahn überhaupt fahren würde. Der Wind war sehr stark.
Es gab aber das Gerücht, dass auf jeden Fall eine Testfahrt von der Talstation zur Bergstation stattfinden würde. Und mit dieser Gondel würden dann auch Bergsteiger mit ins Tal genommen. Wenn nicht, blieb nur der Abstieg auf dem gleichen Weg, den wir hochgekommen waren.
Um 9 Uhr kam eine Gondel herauf. Aber sie fuhr nach kurzem Stopp wieder hinunter. Ohne jemanden mitzunehmen. Sollten wir noch warten oder mit dem Abstieg beginnen? Die
Warten auf die Seilbahn
Aussicht auf einige zusätzliche Stunden Wanderung den Berg hinunter ließ uns und auch die anderen Wanderer ausharren.
Mit Erfolg, eine weitere Gondel kam den Berg herauf. Wieder der Marsch der Gondel-Mannschaft zur Wetterstation. Wir warteten. Dann das Signal, dass wir mitgenommen würden. Etwa 40 bis 50 Wanderer drängten sich in die Gondel. Wir waren dabei und in kurzer Zeit unten an der Talstation. Es war die letzte Gondel-Fahrt an diesem Tag.
Von hier brauchten wir nur noch rd. 3 Kilometer entlang der Straße zum Parkplatz unseres Autos gehen.
Wir hatten es geschafft (Angelika und Andreas bis auf die Teide-Spitze, ich fast). Jetzt brauchten wir nur noch eine Stunde Fahrzeit mit dem Auto hinunter nach Puerto de la Cruz.

In Puerto de la Cruz hat Humboldt damals im heutigen Hotel Marquesa übernachtet.  220 Jahre ist das jetzt her. Zu seiner Zeit war es das Haus der Familie Valois-Cólogan. Die Cólogans waren eine irische Familie (McCalgans aus Kilcolan in Irland), die im 18. Jahrhundert nach Teneriffa kam, um hier mit Wein zu handeln. Das 1712 gebaute Haus  besteht zum großen Teil noch in seiner historischen Struktur.
Natürlich hat Humboldt in Puerto de la Cruz auch den Botanischen Garten besucht (zur Geschichte des Gartens siehe im Internet-Blog „Sattel und Schuh“: Teneriffa Spaziergänge – Botanischer Garten).



 Anmerkung:     
Die Erläuterungen stammen meist aus Wikipedia-Artikeln im  Internet, 
ohne einzelne Zitierung.

Die Fotos haben Angelika, Andreas und ich gemacht.


Die Routen:





Der Aufstieg zur Altavista-Hütte


Der Aufstieg von der Altavista-Hütte
bis zur Teide-Spitze und der Abstieg
zur Seilbahn-Bergstation













Silberstadt Freiberg am Wochenende des Weltkulturerbes
September 2019

Am 14. September 2019 feierte Freiberg die Aufnahme der (deutschen und tschechischen) Erzgebirgs-Region in die Liste des UNESCO-Welterbes und gleichzeitig den 250. Geburtstag ihres berühmtesten Bergakademie-Studenten.

Den Titel Welterbe (Weltkulturerbe und Weltnaturerbe) verleiht die UNESCO an historisch, künstlerisch oder wissenschaftlich herausragende Regionen oder Orte. Die Auszeichnung ist eine Verpflichtung für die Erhaltung des Erbes, aber auch eine gute Werbung.
Mit der Anerkennung der Erzgebirgsregion werden die technologischen und wissenschaftlichen Innovationen über acht Jahrhunderte gewürdigt.

In Berlin sind die Großsiedlungen der „klassischen Moderne“ (1913 -1934 gebaut) Welterbe. Dazu gehört die GSW-Siedlung Siemensstadt (Architekten u.a. Hans Scharoun und Walter Gropius). Die Aufnahme in die UNESCO-Welterbe-Liste erfolgte 2008 (nach meiner Zeit als Geschäftsführer der GSW).
 
An dem Wochenende der Weltkulturerbe-Verleihung und des Humboldt-Geburtstags trafen sich die ehemaligen Assistenten-Kollegen und Doktoranden des Göttinger Lehrstuhls von Professor Dr. H.K. Weber mit Partnern in Freiberg. Einmal im Jahr treffen wir uns entweder in Göttingen oder in einem Arbeitsort eines ehemaligen Weber-Schülers. Dieses Jahr hatte Professor Dr. Silvia Rogler nach Freiberg eingeladen und das Programm organisiert, u.a. die Einfahrt in die „Reiche Zeche“.

Alexander von Humboldt
Freibergs berühmtester Student war Alexander von Humboldt, dessen 250. Geburtstag am Tag der Welterbe-Verleihung ebenfalls gefeiert wurde. Der 21-jjährige Humboldt schrieb sich am 14. Juni 1791 in der Bergakademie für das Studium des Bergbaus und Minenwesens ein und studierte dort 8 Monate.

Es war aber nicht sein erstes Studium. 1787 hatte er mit seinem zwei Jahre älteren Bruder das Studium an der Alma mater Viadrina in Frankfurt/Oder aufgenommen.

Viadrina  (lateinisch) bedeutet „die an der Oder gelegene“.
Alma mater (lateinisch, „gütige Mutter“) wird im deutschsprachigen Raum als Bezeichnung für Universitäten gebraucht. Die Studenten wurden „mit Bildung und Wissen genährt“. Die Verwendung der Bezeichnung geht auf die „Alma mater studiorum“ der ältesten Universität Europas, die Universität Bologna, zurück.

Alexander von Humboldt studierte „Kameralwissenschaften“ (Staatswirtschaftslehre), sein Bruder Wilhelm Jura. Die Studien sollten nach dem Willen der Mutter auf den Staatsdienst vorbereiten (Der Vater war preußischer Offizier und Kammerherr der Prinzessin von Preußen gewesen. Der spätere König Friedrich Wilhelm II.  war Taufpate Alexanders.).

Beide verließen nach einem Semester Frankfurt. 1789 immatrikulierte sich Alexander in Göttingen für das Studium der Naturwissenschaften (u.a. bei dem Physiker Georg Christoph Lichtenberg). Danach ging er nach Hamburg, um in der Handelsakademie seine kameralistische Ausbildung zu beenden.

Danach strebte Humboldt eine Anstellung bei dem Generalbergkommissar für das sächsische Bergwesen an.

Das war Friedrich Anton von Heynitz. Zusammen mit dem Oberberghauptmann Friedrich Wilhelm von Oppel gründete er 1765 die Bergakademie Freiberg. Später war Heynitz Minister und Oberberghauptmann in Preußen.

Zur Vorbereitung studierte er  acht Monate  an der Freiberger Bergakademie.

1792 erhielt Alexander von Humboldt eine Anstellung als „Bergassessor cum voto ( mit der Berechtigung, amtliche Gutachten zu erstellen). Schon nach einem halben Jahr wurde er Oberbergmeister für den Bergbau im Fichtelgebirge und Frankenwald.
In Steben (Landkreis Hof, Oberfranken) gründete er mit eigenen Mitteln die erste Arbeiter-Berufsschule in Deutschland. Unterrichtet war von Schichtende bis 23 Uhr.

Bergparade 2019
1785 quittierte er den Dienst. Ein beträchtliches Erbe ermöglichte ihm ein berufsfreies Leben. Er beschäftigte sich mit Arbeiten zur Biologie und  Chemie.

Schon als Bergbeamter hatte er mit der Vorbereitung einer Forschungsreise nach Südamerika begonnen. 1799 startete er seine erste große Forschungsreise, zu deren Beginn er Teneriffa besuchte und den höchsten Berg Spaniens, den 3715 Meter hohen Teide, bestieg.

Die Seereise nach Südamerika unternahm Humboldt von La Coruña an der spanischen Atlantikküste aus. Die Abfahrt verzögerte sich, weil englische Kriegsschiffe die spanische Küste blockierten. Frankreich (Napoleon) hatte Spanien in seinen Krieg gegen England hineingezogen.

Gefeiert wurde die Weltkulturerbe-Verleihung und der Geburtstag Humboldts mit einer Bergparade. Das ist der Aufzug der Bergmannskapellen und Bergmannsvereine der Region in ihrer traditionellen Berufs(Sonntags-)kleidung. Mit dabei war Silvia Rogler in ihrer Funktion als Prorektorin der Universität.


Silberstadt Freiberg in Sachsen
Freiberg ist kreiszugehörige Stadt im Kreis Mittelsachsen des Freistaates Sachsen, etwas über 40.000 Einwohner.
Die Stadt liegt etwa in der geografischen Mitte Sachsens, zwischen Chemnitz und Dresden, im Tal der Freiberger Mulde, auf der von Norden langsam ansteigenden Hochfläche des östlichen Erzgebirges.

Das Erzgebirge ist Quellgebiet mehrerer nach Norden entwässernder Flüsse: Die Zwickauer Mulde im Westen und im Osten die Freiberger Mulde, die als Mulde bei Dessau-Roßlau in die Elbe mündet. Kleinere Flüsse fließen bei Dresden und Pirna in die Elbe.

Der Kamm des Erzgebirges bildet seit 1459 die Grenze zwischen Tschechien und Deutschland (damals zwischen dem Königreich Böhmen und dem Kurfürstentum Sachsen – siehe im Internet-Blog „Sattel und Schuh“ den Beitrag „Von Prag nach Magdeburg Teil I“). Es ist die älteste noch bestehende Grenze in Europa.

Die Stadt steht auf dem Freiberger Gneisdom, eine geologische Formation im Ost-Erzgebirge, das auch das Rahmengestein der Silberlagerstätten ist.

Gneis ist ein Gestein, das unter hohen Druck- und Temperaturverhältnissen  entstanden ist. Es besteht hauptsächlich aus Feldspat und Quarz (Feldspat und Quarz sind die in der Erdkruste am häufigsten vorkommenden Minerale).
Gneis hat eine typische Bänderstruktur heller und dunkler Bänder, durchzogen mit (glitzernden) Glimmermineralien. Man erkennt das gut an Hausmauern, die aus Gneis bestehen.
Die Bezeichnung des Gesteins als „Gneis“ stammt von den Bergleuten des Erzgebirges im 16. Jahrhundert. Das Gestein heißt auch im Französischen und Englischen „gneiss“.


Geschichte Freibergs
Bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts waren große Teile Südsachsens und des Erzgebirges unerschlossener Urwald.
           
            Zum Vergleich:
München wurde 1157/1158 durch Heinrich den Löwen, Herzog von Bayern, gegründet.
Die Mark Brandenburg wurde im gleichen Jahr (1157) durch Albrecht den Bären begründet (Eroberung der Brandenburg). Davor begann 1147 der Wendenkreuzzug, mit dem die slawischen Gebiete östlich der Elbe wieder erobert wurden. Eine erste Eroberung erfolgte schon 928/929 (Schlacht bei Lenzen, Gründung der Bistümer Brandenburg und Havelberg), die aber durch den Slawenaufstand 983 verloren ging.
Berlin (und Cölln, heute Teil Berlins) wurden 1237 und 1244 als Handelsorte erstmals erwähnt.

Der Markgraf von Meißen (Wettiner,  1125 – 1190, später erhielt er wegen seines Silberreichtums den Zusatz „der Reiche)) ließ den Wald roden und siedelte Bauern im Erzgebirgsvorland an. In Annaberg kamen die Bauern zum Beispiel aus Franken. Auf dem Gebiet der heutigen Stadt Freiberg wurde ein Waldhufendorf, Christiansdorf, mit der Kirche St. Donati, angelegt. Die stand in der Nähe des heutigen Donatsturms.

1081 hatte der Wettiner Graf auf Eulenburg (Heinrich I.) die Markgrafschaft Lausitz und 1089 die Markgrafschaft Meißen vom römisch-deutschen Kaiser (Heinrich IV.) als Lehen erhalten.

1168 wurden bei dem Dorf Christiansdorf silberhaltige Bleierze entdeckt. Drei Jahre vorher hatte Markgraf Otto das Kloster Marienzelle (heute Altzella, an der Freiberger Mulde, nördlich von Freiberg) gegründet und es mit Ländereien um Christiansdorf ausgestattet. Nach dem Silberfund gelang es ihm, die Ländereien vom Kloster zurückzutauschen.
Er erreichte es auch,  von Kaiser Friedrich I. Barbarossa (1155 – 1190 römisch-deutscher Kaiser) das Bergregal für das Gebiet der Mark Meißen als Lehen zu erhalten. Damit sicherte er sich das Recht auf den Abbau aller Bodenschätze, das seinen Reichtum begründete (und den Namen Otto „der Reiche“).

Friedrich I. Barbarossa hatte 1158 die Ausbeutung von Salinen und Silberminen als „regales“, als königliches Anrecht formuliert, das weiterverleihbar war (Reichstag von Roncaglia, Italien). Damit wollte er die königliche Macht insbesondere gegenüber den Kommunen in Oberitalien wiedergewinnen.

Um das Silber abbauen zu können, mussten Bergleute gewonnen werden. Die wurden mit der sog. Bergfreiheit geworben. Der Bergleute konnten in einem abgesteckten Areal frei und auf eigene Rechnung nach Silber schürfen. Von den Erträgen mussten sie den Zehnten an den Landesherren abgeben.

Zu Hilfe kam dem Herzog bei der Anwerbung von Bergleuten der Streit Heinrichs des Löwen mit Kaiser Barbarossa um die Stadt Goslar. Heinrich der Löwe hatte bereits 1173 erfolglos die Belehnung mit Goslar vom Kaiser gefordert. Nach seiner Ächtung belagerte Heinrich der Löwe die Stadt, aus der Kaiser Barbarossa Goslar 1180 befreite. Vorher hatte Heinrich der Löwe die kaiserlichen Hütten und Erzgruben zerstört, weswegen der Bergbau bis 1209 ruhte. Viele Goslarer Bergleute folgten darum dem Ruf des Silberfundes und zogen in das Erzgebirge und nach Freiberg. Es entstand die  Bergmannsiedlung Sächsstadt mit der Jakobikirche westlich der Freiberger Altstadt.

Zu Anfang war das Schürfen sehr erfolgreich. Durch Verwitterung und Auswaschungen waren die Silberanteile im Oberflächenerz relativ hoch. Im Bereich der späteren „Himmelfahrt Fundgrube“ (s. u. Einfahrt in den Schacht „Reiche Zeche“) sind 330 solcher Gruben namentlich bekannt. 
Später mussten Schächte und Stollen gegraben werden. Grundwasser und eindringendes Oberflächenwasser musste abgeschöpft werden (s. u. Revierwasserlaufanstalt).

Schloss Freudenstein
Ende des 12. Jahrhunderts war der Bergbauort so groß wie das ältere Leipzig.
Herzog Otto ließ zwischen 1170 und 1180 eine Burg als markgräflichen Herrenhof errichten (das spätere Schloss Freudenstein).  In der Zeit wurde auch die Marienkirche (Dom am Untermarkt) gebaut.
1201 (1218?) ist erstmals der Stadtname „Freiberg“ (Vrilberge, Friberch) belegt. Abgeleitet soll der Name aus der „Bergfreiheit“ sein. Um 1300 war Freiberg die größte Stadt der Markgrafschaft Meißen.

Später, 1423, erhielt der Markgraf von Meißen das Kurfürstentum Sachsen (Sachsen-Wittenberg) als Lehen (die askanische Linie war ausgestorben). Die Mark Meißen ging in dem Kurfürstentum Sachsen auf (s. im Internet-Blog „Sattel und Schuh“ den Beitrag „Radreise Berlin – Verona, Teil 7“). Das Silber des Erzbergbaus machte das Kurfürstentum wohlhabend.

1485 war die Leipziger Teilung. Die Brüder Ernst und Albrecht traten zunächst gemeinsam das Erbe ihres Vaters, Kurfürst Friedrich II.,  gemeinsam an, einigten sich später aber auf die Teilung des Kurfürstentums. Freiberg kam zum Herzogtum Sachsen mit Albrecht als Herzog (und Markgraf von Meißen). Sein Bruder Ernst erhielt die Kurfürstenwürde.
Die Erträge aus dem Erzbergbau und das Münzrecht standen beiden zu gleichen Teilen zu. Das hielt aber nur bis 1530, von da ab wurde getrennt gemünzt. Auslöser der Trennung war, dass der Kurfürst von Sachsen den Silbergehalt des sächsischen Guldens verringern wollte, der Herzog von Sachsen dies aber ablehnte.

1547 ging die Kurfürstenwürde von der ernestinischen auf die albertinische Linie über. Herzog Moritz wurde Kurfürst.
Vorausgegangen war der Schmalkaldische Krieg (1546 – 1547). Kaiser Karl V. (in Personalunion auch König von Spanien) kämpfte gegen den protestantischen Schmalkaldischen Bund, angeführt vom Kurfürstentum Sachsen, um den Protestantismus zurückzudrängen. Herzog Moritz von Sachsen verpflichtete sich gegenüber dem Kaiser zur Neutralität und erhielt dafür die Herrschaft über das Hochstift Halberstadt und das Bistum Magdeburg.
Der Schmalkaldische Bund verlor. Der albertinische Herzog Moritz bekam die Kurfürstenwürde seiner ernestinischen Verwandten und Landesteile des Kurfürstentums (Gebiete um Wittenberg und Zwickau). Die ernestinischen Wettiner mussten sich mit der Herzog-Würde begnügen und behielten im Wesentlichen nur die thüringischen Gebiete.

Das Schloss Freudenstein in Freiberg wurde Residenz der sächsischen Herzöge (albertinische Linie). Heinrich der Fromme (1473 – 1541), Bruder des sächsischen Herzogs, erhielt Amt und Schloss Freiberg (Vater war Herzog Albrecht). 1536 beerbte er seinen Bruder und wurde Herzog von Sachsen und Markgraf von Meißen.
Er bekannte sich zur Lehre Luthers und führte den Protestantismus als Staatsreligion im albertinischen Herzogtum Sachsen ein. Sein, Bruder Herzog Georg, war katholisch geblieben. Das ernestinischen Kurfürstentum Sachsen war schon 10 Jahre früher evangelisch geworden.

Der Bergbau im Erzgebirge
1168 wurde bei dem Dorf Christiansdorf (später Stadt Freiberg) das erste Silbermetall gefunden. Um 1300 war Freiberg die größte Stadt der Markgrafschaft und hatte Handelsbeziehungen zu den großen Städten Norditaliens.

1471 wurde am Schneeberg (Stadt Schneeberg, südwestlich von Chemnitz)  Silber gefunden. 1478 gab es dort 167 Silbergruben. Ein Bergwerk wird 1453 erwähnt. Es wurden zinn-, eisen-, und kupferhaltige Erze abgebaut.

1491 folgten Funde am Schreckenberg (Stadt Annaberg-Buchholz, östlich von Schneeberg). 1496 wurde auf Weisung des Herzogs eine „Newe Stat am Schrekenbergk“, die Stadt Annaberg,  gegründet. In der 1. Hälfte des 16. Jh. war Annaberg nach Freiberg die zweitgrößte Stadt im Herzogtum.

Etwa 1522 kam Adam Ries (1492 – 1559, auch Adam Riese genannt) nach Annaberg, der hier bis zu seinem Lebensende als Bergbeamter (Rezessschreiber/Buchhalter)  tätig war.
Adam Riese gilt als „Vater des modernen Rechnens“. Er hat entscheidend dazu beigetragen, dass die römische Zahlendarstellung (I, II, III, IV etc.) durch indisch-arabische Zahlzeichen (1, 2, 3, 4 etc.) ersetzt wurde.
Bekannt ist die Redewendung „nach Adam Riese“.

1520 fand man östlich von Annaberg reiche Erze und ein Jahr später entstand dort die Stadt Marienberg planmäßig auf dem Reißbrett.  

In Joachimsthal (heute Jáchymov) in Böhmen, im tschechischen Teil der Erzgebirgsregion, wurden Anfang des 16. Jahrhunderts erstmals Silbermünzen geprägt, weil sich aus gemünztem Silber ein höherer Gewinn erzielen ließ. Vorher wurde das Silber an Handelshäuser verkauft.
Nach dem Prägeort wurden die ersten Münzen „Jochachimsthaler“ genannt. Daraus entstand verkürzt die  Bezeichnung Taler, niederdeutsch „Daler“, holländisch „Daaler“ und schließlich in Nordamerika die Bezeichnung „Dollar“.

Mitte des 16. Jahrhunderts war die große Zeit des Silberbergbaus vorbei. Die Erzgewinnung in größerer Tiefe verursachte höhere Kosten.  Dann bedeutete der 30-jährige Krieg das Aus für die meisten Silbergruben.

In den folgenden Jahrhunderten wurde immer wieder Silber-Bergbau an verschiedenen Orten betrieben. Die Funde konnten jedoch an den Silberreichtum der Blütezeit nicht mehr heranreichen. Nachdem 1873 die Währung des Deutschen Reiches auf Gold umgestellt wurde, sank der Wert des Silbers immer mehr und der Silberbergbau wurde praktisch bedeutungslos. 

Ende des 18. Jh. wurde der Silberbergbau durch verbesserte Abbau- und Aufbereitungsmethoden wiederbelebt. 1765 wurde dafür die Bergakademie Freiberg gegründet. Bis 1913 war die Mehrzahl der Silbergruben abermals und auf Dauer stillgelegt.

Die Autarkiebestrebungen im nationalsozialistischen Deutschland führten zur Errichtung neuer Bergwerke, wobei andere Bodenschätze als Silber in den Vordergrund traten, Wolfram, Nickel und Mangan zur Stahlveredelung.
In der DDR-Zeit wurde im Erzgebirge nach Uran gesucht. Die SDAG Wismut (Sowjetisch Deutsche Aktiengesellschaft – Wismut war  ein Tarnname für den Uranabbau) nutzte die bestehenden Bergwerke (u.a. Schneeberg, nicht aber Freiberg).


Revierwasserlaufanstalt Freiberg
Um die unterirdischen Stollen betreiben zu können, musste das Grubenwasser abgeschöpft werden. Dazu wurden Wasserknechte beschäftigt, die mit Leder- und Holzeimern das Wasser aus dem Bergwerk schafften. Im Freiberger Revier wurden bis zu 2.000 Wasserknechte beschäftigt. Manchmal waren mehr Wasserknechte als Hauer unter Tage.

Um 1300 wurden Stollen zur Entwässerung der Gruben gebaut. Die Freiberger Topographie war dazu gut geeignet. Die Erzgruben lagen teilweise höher als das Tal der Mulde. Ein erster Stollen wurde mit Entwässerung in die Mulde angelegt.

Viel später, die Schächte wurden immer tiefer vorangetrieben, wurde ein Entwässerungsstollen zum Elbtal angelegt. Von 1844 bis 1882 wurde der Rothschönberger Stolln aufgefahren (so die Fachsprache). Er endet nach über 50 Kilometern bei Rothschönberg im Tal der Triebisch, die weiter nördlich in die Elbe mündet.

Ab Mitte des 16. Jh. wurden sog. Pumpenkünste und Wasserkünste eingesetzt. Das war ein System zur Hebung und Ableitung des Wassers. Untertage eingesetzte Pumpen wurden von oberirdischen Wasserrädern angetrieben. Dazu wurde ein System aus Teichen, Gräben und Stollen angelegt, dass die Pumpenkünste mit „Aufschlagwasser“ (das die Wasserräder antrieb) versorgten.
Ab 1558 wurde ein solches System zur Wasserhaltung in Freiberg angelegt, die Revierwasserlaufanstalt. Sie besteht aus über 70 Kilometer Gräben und Stollen mit 11 Teichen. Heute werden Freiberg, Chemnitz und der Dresdener Raum daraus mit Trinkwasser versorgt.

Etwa in der gleichen Zeit entstand das Oberharzer Wasserregal für die Bergwerke im Harz. Der Bergbau begann hier im 12. und 13. Jahrhundert durch die Mönche des Zisterzienser-Klosters Walkenried. Am Rammelsberg bei Goslar soll der Bergbau schon 968 begonnen worden sein. Wiederbelebt wurden die Bergwerke im Harz ab etwa 1520 durch den Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel.


Bergakademie und Universität
Vorläufer der Bergakademien Freiberg waren die Bergschulen, die der beruflichen Ausbildung der Bergleute dienten. Bereits 1702 wurden in Freiberg staatliche Stipendien für die Ausbildung von Berg- und Hüttenbeamten vergeben (Stipendienkasse beim Oberbergamt Freiberg).

Gründungshaus der Bergakademie
1765 wurde die „Kurfürstlich-Sächsische Bergakademie zu Freiberg“  als „montanwissenschaftliche höhere Bildungseinrichtung“ gegründet. Gründer war der Enkel August des Starken, Franz Xaver von Sachsen. Die geistigen Väter der Akademie waren der Generalbergkommissar Friedrich Anton von Heynitz und der Oberberghauptmann Friedrich Wilhelm von Oppel. 1766 begannen die Vorlesungen im Haus des Oberberghauptmanns in der Akademiestraße 6. Heute ist dort das Hauptgebäude der Universität.

Nach dem 7-jährigen Krieg (1756 – 1763, auch dritter schlesischer Krieg, Preußen bekam das österreichische Schlesien) sollte ein wirtschaftlicher Aufschwung im Fürstentum Sachsen durch Verbesserung des Wissens über die Gewinnung, Aufbereitung und Weiterverarbeitung gefördert werden.

Zwei chemische Elemente wurden in der Akademie entdeckt, Indium (wird als Leiter bei Flachbildschirmen und Touchscreens verwendet) und Germanium (wird in der Hochfrequenztechnik und in Glasfasern eingesetzt).

Die Bergakademie ist die älteste noch bestehende montanwissenschaftliche Bildungseinrichtung der Welt. 

1899 wurde die Bergakademie mit den Technischen Hochschulen gleichgestellt.

1993 wurde die Bergakademie in „Technische Universität Bergakademie Freiberg“ umbenannt. Die Universität hat sechs Fakultäten (und eine virtuelle), darunter die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät mit Volkswirtschaftslehre und Recht sowie Betriebswirtschaftslehre (u.a. der Lehrstuhl für Rechnungswesen und Controlling Prof. Dr. Silvia Rogler). Es gibt die Studiengänge mit Abschluss Bachelor, Master und Diplom.


Einfahrt in den Schacht „Reiche Zeche“
Zur Universität gehören auch zwei Schachtanlagen, die als Lehr- und Forschungsbergwerke betrieben werden. Es sind die Schächte „Reiche Zeche“ und „Alte Elisabeth“ der Erzgrube „Himmelfahrt Fundgrube" (Erzgruben hatten immer mehrere Schächte). Die Erzgrube war eine von drei Gruben im Freiberger Zentralrevier. Ende des 19. Jahrhunderts fuhren durchschnittlich 1.500 bis 2.000 Mann in die Grube „Himmelfahrt Fundgrube“ ein.
Die Universität Freiberg ist europaweit die einzige Hochschule mit einem  Bergwerk für Forschungs- und Lehrzwecke.

Schacht "Reiche Zeche"
Für Besucherführungen darf der „Förderverein Reiche Zeche“ das Bergwerk mitbenutzen. Der Schacht „Reiche Zeche“ bestand bereits 1384 und ist eine der ältesten Freiberger Bergbauanlagen.

Für uns hatte Silvia Rogler eine Sonderführung organisiertAusgestattet mit festem Overall, Gummistiefeln, Helm und Grubenlampe (bergmännisch: Geleucht) sind wir mit dem Förderkorb (eng, max. 6 Personen) in die 150 Meter tiefe Sohle des Bergwerks gefahren. Die Ausstattung war sinnvoll. Der Overall schützte vor der Bergkälte (10 Grad Dauertemperatur sind im Bergwerk. Die wärmere Erdtemperatur ist erst in größerer Tiefe). Die Gummistiefel waren notwendig, Wasser war überall, es tropfte von der Decke und lief in kleinen, braunen (Eisenoxid) Rinnsalen durch die Stollen. Und der Helm mit dem „Geleucht“ war „überlebenswichtig“, die Stollen waren dunkel und zum Teil sehr niedrig. Immer wieder kratzte mein Helm am Felsen, ohne hätte das blutige Schrammen gegeben.

Unterirdisch sind wir rd. 3 Kilometer durch die Stolln (Stolln, ohne „e“,  heißen die Stollen im sächsischen Erzgebirge) gewandert. Teils stabiler Fels, teils mit Holz und Eisenschienen abgestützte Strecken, teils als Tonnengewölbe ausgemauerte Abschnitte,  je nach Beschaffenheit des Gebirges. Die Stollen folgten den Erzgängen. Darum bekamen wir auch eine sportliche Einlage. Über Fahrten (schrägen Leitern) und in den Fels gehauenen Stufen ging es 60 Meter hoch zur höher gelegenen Sohle. Teilweise war das ganz schön eng und nur gebückt begehbar.

ilber haben wir nicht mehr gefunden. Aber reines Silber gab es ja auch kaum. Meist war Silber mit Blei- oder anderen Erzen verbunden.

Neben den visuellen Eindrücken bekamen wir auch noch einige interessante Informationen über die Schachtanlage.

Wir bewegten uns auf der 150-Meter-Sohle. Die tiefste noch begehbare Sohle liegt bei 220 Meter Tiefe.  Ab 230 Meter Tiefe ist das Bergwerk geflutet. Nach Beendigung des aktiven Bergbaus wurden die Wasserpumpen in den tieferen Lagen abgestellt, so dass die Stollen durch Grund- und Oberflächenwasser vollgelaufen sind. Der Rothschönberger Stolln in 230 Meter Tiefe ist der künstlich geschaffene natürliche Wasserabfluss des Bergwerks, der noch heute funktioniert.
Der tiefste Schacht im Bereich der „Himmelfahrt Fundgrube“ war der Davidschacht mit 736 Metern (heute in 40 Meter Tiefe verschlossen).

Die zum Rothschönberger Stolln aufsteigenden Tiefenwässer haben über das ganze Jahr  eine Temperatur von 19 Grad (Tiefenwärme). Im Rothschönberger Stolln hat das Wasser dagegen konstante 14 Grad. Das wird mit einer Geothermieanlage genutzt. Im Sommer wird das Wasser des Rothschönberger Stolln zur Kühlung benutzt, im Winter das Wasser des Schachtes zur Wärmegewinnung.
Die saubere, von Staub, Abgasen und Pollen freie Luft des Bergwerks nutzt das städtische Krankenhaus für die Belüftung der Operationssäle und Patientenzimmer.

Geothermie ist eines der vielen Forschungsfelder der Bergakademie. Ein Hochdruckforschungszentrum betreibt eine Sprengkammer im Bergwerk. Mit dem „Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie“ wird der Bau neuer untertägiger Forschungsinfrastrukturen geplant. Es sind sehr viele Aktivitäten, zu viele um über alle hier zu berichten.

Aus dem Bergbau und Hüttenwesen und in Verbindung mit der Bergakademie sind  in und um Freiberg zahlreiche mittelständische Betriebe entstanden.

Eines der interessanten Unternehmen der Solarzellenindustrie und Photovoltaikherstellung, die 1998 gegründete Solarworld AG, ist 2017/2018 insolvent geworden und hat die Produktion in Freiberg (Modulfertigung) und im thüringischen Arnstadt (Fertigung von Solarzellen) eingestellt. In Freiberg waren rund 1.150 Mitarbeiter beschäftigt.


 Freiberger Stadtrundgang
Das Zentrum Freibergs bilden die Ober- und die Unterstadt. Die Unterstadt mit dem Untermarkt ist der ältere Teil. Bereits um 1180 wurde die Marienkirche, der heutige Dom, errichtet. Die Oberstadt mit dem Obermarkt wurde zwischen 1210 und 1217 durch den Markgrafen von Meißen angelegt.

Der von Silvia Rogler vorbereitete Rundgang durch das historische Freiberg begann am Schloss. Die Reihenfolge dieses Berichtes weicht etwas von unserem Stadtrundgang ab.

Obermarkt
Der historische Obermarkt in Freiberg wurde bereits zwischen 1210 und 1217 bei den Planungen der Freiberger Oberstadt angelegt. Damals umschloss der Markt auch die heute südwestlich liegende Petrikirche. Die Häuserzeile, die den Obermarkt und den heutigen Petriplatz trennt, wurde nach dem Stadtbrand von 1484 errichtet.

Anfangs war die Petrikirche auf dem höchsten Punkt der Innenstadt die Hauptkirche der Stadt. Im 18. Jahrhundert erfolgte der barocke Umbau, der Stadtbrand von 1728 (die Stadt erlebte mehrere große Brände) hatte die Kirche zerstört.
Bis 1905 war in dem Turm der Petrikirche eine Wohnung für die Türmerfamilie. Aufgabe des Türmers war es, die Stadt vor Gefahren, insbesondere vor Bränden, zu warnen und die Stundenglocke zu schlagen. Neben dem Petriturm hat die Kirche noch zwei weitere, kleinere Türme.

Der Petriturm gehörte, obwohl bauliche Einheit, wie bei vielen Kirchen vermögensrechtlich nicht zur Kirche, sondern wurde als städtisches Eigentum gesehen. Seine Funktion war eine öffentliche, die der
Silbermannorgel in der Petrikirche
Gefahrenbeobachtung. Nach der Reformation wurde die Kirche der Stadt unterstellt. Das Kirchenschiff wurde dem „Geistlichen Einkommen“ zugeordnet, die drei Kirchtürme aber den „Öffentlichen Gebäuden“.
Erst 1996 verzichtete die Stadt Freiberg zugunsten der Kirchengemeinde auf ihre Rechte am Petriturm sowie an der Stunden- und Sturmglocke und der Heuerglocke (mit der früher die Knappen zur Schicht gerufen wurden).

1735 wurde die Silbermann-Orgel geweiht (in der gleichen Zeit hatte Silbermann auch die Orgel für die Dresdener Frauenkirche hergestellt). Es ist die zweitgrößte von Silbermann gebaute Orgel (die größte ist in der Hofkirche in Dresden).

In den 1980er Jahren baute die Kirchengemeinde das Kirchenschiff zu einem Gemeindezentrum und Ausstellungsraum um. Der Innenraum ist darum auf den ersten Blick nicht gut als Kirche erkennbar.

Rathaus am Obermarkt
Am Obermarkt stehen mehrere spätgotische Patrizierhäuser. Dominiert wird der Platz durch das um 1410 errichtete Rathaus. Der Rathausturm beherbergt ein Glockenspiel aus Meißner Porzellan (täglich um 11:15 Uhr und 16:15 Uhr kann man dort das Steigerlied „Glück auf, der Steiger kommt“ läuten hören).
In der Mitte des Obermarktes steht der Brunnen (von 1897), der den Stadtgründer „Otto den Reichen“ und vier Wappenlöwen zeigt.
Eine Tradition war und ist das „Löwenreiten“ der Freiberger Studenten nach Abschluss ihres Studiums – ähnlich dem Küssen des Gänseliesels vor dem Göttinger Rathaus. Als Erinnerung daran bewahrt so mancher Absolvent den Strafzettel des Oberbürgermeisters „wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses durch Löwenreiten“ auf.

Brunnendenkmal "Otto der Reiche"
Wir haben im Hotel am Obermarkt gewohnt. Wie die meisten historischen Häuser entstand das Gebäude nach dem letzten großen Stadtbrand von 1484. Eine Zeit lang wurde es als Waisenhaus genutzt, darauf weist auch der Straßenname „Waisenhausstraße“ hin. Danach war es zeitweise Gefängnis, in Friedenszeiten für Landstreicher und Trunkenbolde, in Kriegszeiten für die jeweiligen Gegner. Die sowjetische Besatzungsmacht nutzte das Haus ebenfalls als Gefängnis. In der DDR-Zeit waren die Konsumverwaltung und eine Einkaufsgenossenschaft untergebracht. Anfang der 90er Jahre wurde das Hotel eingerichtet.

„Um die Ecke“, in der Petersstraße, gibt es in einem sehr schönen Jugendstil-Café, in der Konditorei Hartmann, den „Bauerhase“ und die „Freiburger Eierschecke“.

Die „Dresdener Eierschecke“ hatten wir auf unserer Elbe-Radtour (mit Eva und Eckhardt, die auch hier in Freiberg dabei sind)  kennengelernt (s. im Internet-Blog
Bergmannsdenkmal am Rathaus
„Sattel und Schuh“ den Beitrag „Von Prag nach Magdeburg, Teil III“). In der Konditorei haben wir das Freiberger Gegenstück probiert, auch sehr gut. Der Unterschied ist, dass die Dresdener Eierschecke zusätzlich zu der Eier-Zucker-Creme noch eine Quark-Pudding Schicht auf dem Hefeboden hat.

Genauso gut war der „Bauerhase“, ein süßes Hefegebäck mit Mandeln und Zuckerguss,  eine Spezialität der Konditorei. Um den Bauerhase rankt sich eine nette Sage. Am Abend vor der Osterfastenzeit gab es beim Markgrafen ein üppiges Gelage. Nach Mitternacht sollte es noch Hasenbraten geben. Dem widersprach der anwesende Kaplan heftig, die Fastenzeit war angebrochen. Der Koch wollte es weder mit dem Markgrafen noch mit dem Kaplan verderben. Er servierte einen Hasenbraten, der nur aussah wie ein Hasenbraten, aber eben das beschriebene Hefegebäck war. Nach dem Koch, er hieß Bauer, wurde es künftig „Bauerhase“ genannt.

Untermarkt
Den Namen bekam er aufgrund seiner Lage, gut 10 Meter tiefer als der Obermarkt. Dominiert wird der Markt an seiner Südwestseite vom spätgotischen Dom St. Marien.
Domherrenhof - heute Museum
Gegenüber dem Dom steht der ehemalige Domherrenhof . Er wurde nach dem großen Stadtbrand von 1484 errichtet. Als nach Reformation und Säkularisierung kein Domherr und damit auch kein Domherrenhof mehr benötigt wurde, diente das Gebäude zunächst als Lateinschule. Seit 1903 ist der Domherrenhof Stadt- und Bergbaumuseum.
Die Nikolaikirche (am Ende der Engen Gasse) ist die zweitälteste Kirche Freibergs (Ende des 12. Jahrhunderts, Mitte des 18. Jahrhunderts im Stil des Barocks umgebaut). In den 1970er Jahren wurde die Kirche aufgegeben, an die Stadt verkauft und als Lager und Requisitenkammer des benachbarten Theaters genutzt. Jetzt wird das Kirchenschiff als Konzert- und Tagungshalle genutzt.
Die Orgel ist nach Silbermann´s Zeit von dem letzten Leipziger Universitäts-orgelbaumeister Johann Gottlob Mende 1845 gebaut worden,  in der Klang-Tradition von Gottfried Silbermann. Die Orgel wurde von der Kirchengemeinde nach der Entwidmung der Kirche an die Nikolaikirche in Wismar verkauft. Das Taufbecken ging an die Frauenkirche in Dresden.
Nikolaikirche
Nach der Wende wurde der Kirchenbau saniert. Die Universität hat ihre feierlichen Absolventenverabschiedungen in dem Kirchensaal. Sonntags finden Trauungen statt.

Freiberg soll mit dem Mittelsächsischen Theater das älteste Theater der Welt (?) haben. 1789 kaufte ein Freiberger Unternehmer das Wohnhaus am Buttermarkt und baute es zu einem Theater um. Da er mit der Theaterkunst das erwartete Geld  nicht verdiente, verkaufte er das Theater bereits 1791 an die Stadt. Zu dem Theater gehört das Mittelsächsische Philharmonieorchester.

1800 wohnte der 14-jährige Karl Maria von Weber für einige Monate in Freiberg. In der Zeit wurde im Stadttheater sein erste Oper aufgeführt, „Das Waldmädchen“. Sein bekanntestes Werk ist wohl die Oper „Der Freischütz“, 1821 im Schauspielhaus am Gendarmenmarkt in Berlin uraufgeführt.
Carl Maria von Weber war ein Cousin von Mozarts Frau Constanze, geb. Weber (Bruder des Vaters).

Am und in unmittelbarer Umgebung des Marktes findet man viele Gaststätten, Cafés und Kneipen.

Unser gemeinsames Abendessen war im Restaurant „Genussbar“ im Hotel Freyhof, Mönchsstraße 1 (sehr zu loben), in der Unterstadt unweit des Doms.

Das Hotel stand früher als „Unterhof“ im Gebiet des ehemaligen Burglehens.  Das war im Mittelalter das Wohnquartier der Ministerialen am meißenischen Hof. Die Häuser, Freihäuser und Freihöfe, des Buglehens standen außerhalb der städtischen Zuständigkeit und waren direkt dem Landesherren unterstellt. Das Unterhof-Freihaus war von allen Steuern und Diensten befreit und durfte drei tranksteuerfreie Biere brauen und Wein lagern. Damals musste alles genehmigt werden.
Zu Anfang war der Freyhof im Besitz von Bürgermeisterfamilien (1523). 1856 tagte das Bezirksgericht in dem Haus. Ende des 19. Jahrhunderts wurde es Armenhaus der Stadt Freiberg. Dann richtete die Stadt dort einen Kindergarten ein. Nach den vielen unterschiedlichen Nutzungen ist das Haus seit 2016 das Hotel Freyhof.

Dom St. Marien
Der Dom St. Marien entstand bereits um 1180 als romanische Basilika. Beim Stadtbrand 1484 zerstört, wurde der Dom als spätgotischer Bau wieder aufgebaut.

Dom St. Marien
Erhalten geblieben war die „Goldene Pforte“, ein spätromanisches, um 1230 geschaffenes Rundbogen-Sandsteinportal, mit Skulpturen reich verziert. Es war leuchtend-farbig bemalt. Ursprünglich war es der Haupteingang der abgebrannten romanischen Kirche. Beim Wiederaufbau wurde das Tor abgetragen und an der Südseite neu aufgebaut. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die Goldene Pforte mit einem Vorbau gegen Witterungseinflüsse geschützt, der gut in die Architektur eingepasst ist.
Die Orgeln im Dom (die große und gegenüber die kleine) sind von Gottfried Silbermann. Die Hauptorgel entstand von 1710 bis 1714. Die gegenüberliegende kleinere Chororgel wurde erst 1939 im Dom eingebaut. Ursprünglich befand sie sich in der Kirche St. Johannis (Hospitalkirche außerhalb der Stadtmauer), die wegen Baufälligkeit gesperrt wurde (die Stadt als Eigentümerin lehnt die Instandsetzung ab, in den 1990er Jahren wurde sie als
Goldene Pforte
katholische Kirche saniert, die Silbermann-Orgel blieb im Dom).Im Mittelschiff stehen gleich zwei Predigt-Kanzeln.
Die ältere ist die Tulpenkanzel von 1505. Der Predigtkorb wächst freistehend aus einem von Pflanzen und Engeln umgebenen Mittelstamm. Eine filigrane Arbeit aus hellem Tuffstein. Die Tulpenkanzel wird als Festtagskanzel an hohen kirchlichen Festtagen genutzt.  Die Bergmannskanzel ist aus Sandstein gefertigt (1638) und die Stiftung eines Bürgermeisters. Ein Bergknappe und ein Steiger tragen die Kanzeltreppe und den Kanzelkorb.

Der Dom war kurfürstliche Grablege der albertinischen/protestantischen Wettiner von 1541 bis 1694. August der Starke trat zum Katholizismus über. Er selbst ist in der Kathedrale des Krakauer Schlosses  beigesetzt. Seine Nachfahren wurden fortan in der Dresdener Hofkirche beerdigt.
Tulpenkanzel
Vom Dom St. Marien ist die Grablege, der frühere Hohe Chor, mit einem Eisengitter getrennt. Das ist auch die Grenze zwischen der Kirche und der jetzt dem Sächsischen Staat gehörende Grablege. Nach der Reformation wurde der katholische Dom 1537 eine evangelische Kirche. Der Hohe Chor verlor seine Funktion und stand leer. Nach dem Tod des Kurfürsten Moritz von Sachsen 1553 (in der Schlacht bei Sievershausen bei Lehrte in Niedersachsen) entstand die Idee, für ihn ein Grabmonument im Chor des Doms zu errichten. 1563 war das Moritzmonument im früheren Hohen Chor aus schwarzem Marmor fertiggestellt.
Hinter dem Moritzmonument ist die kurfürstliche Begräbniskapelle (auch als Nossini-Chor bezeichnet, nach dem Gestalter). An der Decke der Kapelle ist das Weltgericht abgebildet, mit singenden und musizierenden Engeln. Die Musikinstrumente der Engel sind originale
Moritzmonument
Renaissance-Instrumente.  Bei der Renovierung der Kapelle wurden sie abgenommen und im Musikinstrumentenmuseum in Leipzig nachgebaut (aus dieser Zeit waren keine Instrumente mehr vorhanden),  so dass man mit den Instrumenten das typische Klangbild der damaligen Zeit rekonstruieren konnte.
Links und rechts des Moritzmonuments sind zwei Kapellen. Die Südkapelle (rechts) war vor der Reformation eine Marienkapelle. In ihr sind die Mutter und Schwester August des Starken beigesetzt. In der Nordkapelle sind die Zinnsärge und Gräber der Wettiner Familienmitglieder.
Wegen ihrer Pracht vergleichen manche Domführer  die Freiberger Grablege mit dem Grabmal Kaiser Maximilians I. in der Hofkirche in Innsbruck und der königlichen Grablege der Spanischen Herrscher in der Kloster- und Palastanlage El Escorial in Madrid (u.a. der Habsburger Kaiser Karl V.).


Donatsturm und Stadtmauer
Bis ins 15. Jahrhundert hinein war Freiberg die reichste Stadt in Sachsen. Entsprechend notwendig war seinerzeit auch eine wehrhafte Befestigung der Stadt. Die Stadttore wurden
Donatsturm
zwar im 19. Jahrhundert abgerissen – doch bedeutende Reste der Ummauerung sind bis heute erhalten. Der 35 Meter hohe Donatsturm wurde zum Schutz des Donatstores im 15. Jahrhundert errichtet. Unweit des Donatsturms steht die Jakobikirche (Donatsring/Dresdener Straße). Sie ist ein Neubau von Ende des 19. Jahrhunderts. Sie wurde anstelle der baufälligen und abgerissenen Pfarrkirche Jakobi des Dorfes  Christiansdorf (von 1160) errichtet. Die stand aber ganz wo anders, in der Altstadt, 200 Meter vom Dom entfernt (Talstraße/Pfarrgasse).
Auch nicht weit vom Donatsturm entfernt ist am ehemaligen Erbischen Tor  (Hornstraße/Erbischen Straße) eine von drei im Original erhaltene sächsische Postmeilensäule. Postmeilensäulen stehen in vielen Städten in Sachsen, allerdings sind es meist Nachbildungen.
Postmeilensäulen wurden ab 1721 auf Anweisung August des Starken als Wegemarken errichtet. Sie waren einheitlich 4,50 Meter hoch und zeigen die
Initialien des Kurfürsten (AR – Augustus Rex) mit der Königskrone und dem kursächsichen sowie königlich polnischen Wappen. Die Entfernungsangaben
Schwedendenkmal
sind in Stunden angegeben. 2 Stunden entsprachen einer kursächsichen Postmeile, die 9062 Meter lang war, die Stundengeschwindigkeit der Post war also etwas über 4,5 Kilometer.


An einem anderen Abschnitt der alten Stadtmauer ist das Schwedendenkmal zu sehen (im Albertpark). Es erinnert an die erfolgreiche Abwehr der Belagerung durch schwedische Truppen während des 30-jährigen Krieges. Dargestellt werden ein Bürger als Verteidiger, ein kurfürstlicher Soldat und ein Bergmann mit einer Bergmannsaxt (Barte).

Schloss Freudenstein
1168 errichtete der Markgraf von Meißen eine Burg zum Schutz des Silberbergbaus. Ab 1505 residierte Herzog Heinrich der Fromme meist in Freiberg. 1566 begann der Neubau des Schlosses. Ende des 18. Jh. wurde es als militärisches Magazin umgebaut. Später wurde die Fassade im Stil der Renaissance (im Zustand von 1577) rekonstruiert. Heute ist es Ausstellungs- und Archivgebäude und beherbergt die Mineraliensammlung.

Wirtschafswissenschaftliche Fakultät am Schlossplatz

Gegenüber dem Schloss Freudenstein sind das Gebäude der Fakultät für Wirtschafts-wissenschaften (Schlossplatz 1) und das Haus der Werkstatt (Schlossplatz 6) des Orgelbauers Gottfried Silbermann (1683 – 1753).
Silbermann gilt als der bedeutendste mitteldeutsche Orgelbauer der Barockzeit. Kurfürst Friedrich August I. (August der Starke, König von Polen-Litauen) verlieh ihm das Privileg eines „Königlichen Hof- und Land-Orgel-Bauers“. Lukrative Aufträge aus dem Ausland lehnte Silbermann ab, er begrenzte seinen Wirkungskreis auf Dresden und Umgebung. Für Freiberger Kirchen hat er fünf Orgeln geschaffen.
Insgesamt sind noch 31 von ehemals 50 Silbermann-Orgeln erhalten, in Dresden und in der näheren Umgebung.
Der Bruder von Gottfried Silbermann, Andreas Silbermann, war Orgelbauer in Straßburg.

Schloss Freudenstein

Im Schloss ist die Mineralienausstellung "Terra mineralia" der Universität Freiberg. 3.500 Mineralien, Edelsteine und Meteoriten umfasst die Mineralienschau.
Die Mineraliensammlung stammt von Erika Pohl-Ströher. Sie überließ ihre 80.000 Exemplare umfassende Mineraliensammlung der Technischen Universität als Dauerleigabe.

Der  Großvater von Erika Pohl-Ströher, der Friseur Franz Ströher aus Oberwiesental im Erzgebirge,  hat 1880 die Kosmetikfirma Wella gegründet. 2003 erfolgte der Verkauf der Firma an Procter & Gamble (nachdem 1994 die Kölner Mülhens KG mit der Marke „4711“ hinzugekauft wurde). Heute
gehören die Wella-Werke zu dem Kosmetikkonzern Coty Inc. in New York (Parfüme Hugo Boss, Gucci, Lacoste, Davidoff, Jil Sander).

Krügerhaus am Schloss Freudenstein
           
Am Schlossplatz 3 befindet sich das Krügerhaus der „Dr. Erich Krüger Stiftung“. Der Freiberger Peter Krüger erzielte mit dem Delikatessengeschäft „Schlemmermeyer“ in München und mit Immobilien ein Millionenvermögen. Er überführte sein Vermögen in die nach seinem Vater benannte Stiftung und vermachte sie der Universität Freiberg. Es ist das größte Stiftungsvermögen einer staatlichen Hochschule in Deutschland.


Rückfahrt durch das Tal der Wilden Weißeritz
Zurückgefahren nach Dresden und dann weiter nach Berlin sind wir mit der Bahn durch das romantische, teilweise tief eingeschnittene Tal der Wilden Weißeritz. Freiberg ist über Dresden gut angebunden (auch in die andere Richtung nach Chemnitz). Nur der Freiberger Bahnhof müsste dringend saniert werden.

Die Wilde Weißeritz entspringt im tschechischen Erzgebirge und mündet als Vereinigte Weißeritz in Dresden in die Elbe. Zwischen Freiberg im Tal der Freiberger Mulde und dem Tal der Weißeritz fährt der Zug an einer hügeligen, waldlosen Hochebene vorbei, die mit ihren Wiesen an das Allgäu erinnert. Für die Erzverhüttung wurde früher viel Holz benötigt, das wahrscheinlich hier geschlagen wurde und die waldlose Hügellandschaft hinterlassen hat.

Im Mulde-Tal bei Freiburg sind zwei hohe Schornsteine sichtbar. Sie gehören zur MRU, der Muldenhütten Recycling und Umwelttechnik GmbH, in Muldenhütten.

Gegründet wurde die Hütte im 14. Jahrhundert. Anfänglich wurde nur Silbererz aus den Freiberger Bergbaurevieren geschmolzen. Das Bergsilber wurde vom Münzmeister zu einem vom Landesherren festgelegten Preis aufgekauft. Bis 1556 wurde alles Silber in der Freiberger Münze zu Brakteaten, Meißner Groschen und Talern geprägt. Danach war nur noch Dresden die Münzstätte der sächsischen Kurfürsten und das Freiberger Silber wurde nach Dresden geliefert.
Die zurückgehende Silberförderung glich die Silberhütte durch ausländische Erze aus, am Anfang des 20. Jahrhunderts betrug dessen Anteil etwa 80 %. 
In den 1970er Jahren wurde die Produktion auf das Recycling von Metallen  umgestellt. Nach der Privatisierung 1990 wird aus Batterien- und Akkumulatorenschrott Sekundär-Blei gewonnen.

Muldenhütten ist der älteste, noch in Betrieb befindliche Hüttenstandort in Deutschland.


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