Radtour Berlin - Salzgitter
September 2016

Durch Brandenburg und Sachsen-Anhalt nach Salzgitter in Niedersachsen.
Durch den Landkreis Potsdam-Mittelmark in Brandenburg (Kloster Lehnin), die Landkreise Jerichower Land (Möckern), Salzlandkreis (Schönbeck an der Elbe) und Börde-Landkreis (Wanzleben) in Sachsen-Anhalt und durch die Landkreise Helmstedt (Schöningen) und Wolfenbüttel (Schöppenstedt, Wolfenbüttel) in Niedersachsen.
Mit Informationen zu vielen Orten und deren Geschichte.

Der Anlass für diese 3-tägige Radtour war der 75. Geburtstag unserer Freundin Helga in Salzgitter. 

Fahrt in drei Etappen:
1. Tag: Potsdam bis Möckern (115 km), 
2. Tag: Möckern bis Schöningen (107 km)
3. Tag: Schöningen bis Salzgitter (66 km) .
  
Herausgesucht hatte ich mir die Route im Internet. Sie etspricht weitgehend dem Radweg Hameln – Berlin. Bis Möckern bin ich auf dieser Route gefahren. Die Radwege in Potsdam und am Schwielowsee waren gut. Doch nach Petzow (am Schwielowsee) war der Weg mit Lochplatten und Betonplatten holprig, zwischendurch gute Radweg-Abschnitte, aber immer wieder Schotterwege, Wald- und Feldwege im märkischen Sand. Das war zum Teil nicht schön.  Nach Möckern bin ich öfter von der Route abgewichen und auf Bundesstraßen (mit und ohne Radweg, erträglicher Verkehr) und Landstraßen gefahren.

Zu dem Reisebericht gibt es ein Fotoalbum:
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1. Tag: Potsdam bis Möckern:

Gestartet bin ich am Hauptbahnhof Potsdam (bis dahin mit der S-Bahn). Hinter Potsdam erfolgte die Überquerung der  Havel. Am Schwielowsee entlang bis zum Dorf Petzow.

Der Schwielowsee  gehört zu einer ganzen Reihe von Seen um und in Berlin, die von der Havel gebildet werden. Die Havel-Quelle ist im Land Brandenburg, östlich des Müritzsees und nördlich Berlins. Wie ein „U“ fließt sie zunächst nach Süden, nach und durch Berlin, dann nach Westen Richtung Elbe, biegt nach Norden ab und mündet nördlich von Havelberg in die Elbe. In Spandau fließt die Spree in die Havel.  

Nach der Wiedervereinigung wurde am Schwielowsee ein Hotel-Komplex errichtet. Die CDU mit Helmut Kohl war hier und die SPD beschloss die Ablösung des Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz, Kurt Beck, als SPD-Vorsitzenden. Gebaut wurde die Hotelanlage von Axel H., einem Mitarbeiter des DDR-Devisenbeschaffers Schalck-Golodkowski. Finanziert mit Bankkrediten und erschlichenen Fördermitteln des Landes Brandenburg (die förderfähigen Kosten wurden durch Scheinrechnungen erhöht und davon wurde das Eigenkapital abgezweigt). Inzwischen ist H. wegen Betrug und Steuerhinterziehung verurteilt.

Petzow, jetzt Ortsteil der Stadt Werder.  Schloss im  Tudor-Neogotik-Stil, von Peter Joseph Lenné gestaltetet (Lenné war General-Gartendirektor der königlich-preußischen Gärten,  von ihm stammen viele Gartenanlagen in und um Berlin).

Danach ging es meist durch Kiefernwälder, bei schönstem sommerlichem Herbstwetter. Ich hatte die richtigen Tage für meine Fahrradreise gewählt. Zum Kloster Lehnin, eine große Anlage, das heute ein evangelisches Stift ist.

  Lehnin ist bekannt durch das Zisterzienser-Kloster, das 1180 auf Weisung des Markgrafen Otto I gegründet wurde. Otto I, Markgraf von Brandenburg, war der Sohn des Askanier Albrecht der Bär, der die Mark Brandenburg gründete. Das Adelsgeschlecht der Askanier, das auch als Haus Anhalt bezeichnet wird, war in Niedersachsen, Sachsen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt bedeutend.

Lehnin war das erste Kloster in der Mark Brandenburg und diente als Hauskloster und Begräbnisstätte der Askanier, später auch der Hohenzollern.

Im Zuge der Reformation wurde das Kloster 1542 säkularisiert. Seit 1911 ist dort das Luise-Henriette-Stift der Evangelischen Kirche untergebracht.

Sehenswert ist die Klosterkirche, ein romanisch-gotischer Backsteinbau, die Ende des 19. Jh. rekonstruiert wurde, und die gesamte Klosteranlage            

Der Zisterzienser-Orden entstand 1098 mit dem  Kloster Citeaux in der Region Burgund in Frankreich. Gründer war Robert von Molesme, der die Ordensregeln des Benedikt von Nursia (gestorben 547 auf dem Monte Casino südlich Roms) wieder beleben wollte. Die waren in der Citeaux benachbarten Benediktinerabtei von Cluni durch Reichtum aufgeweicht worden.
In Deutschland gab es 91 Männerklöster (dazu gehören das Kloster Walkenried am Harz und das Kloster Chorin nördlich Berlin) und 190 Zisterzienserinnenklöster.

Durch die Brandenburger Kiefernwälder und weite Ackerflächen führte der Weg nach Westen. Etwa auf halber Strecke, zwischen Lehnin und Möckern  (im Norden ist Brandenburg an der Havel und im Süden Bad Belzig), passierte ich den ehemaligen Mittelpunkt der DDR. Er wurde 1974 von der TU Dresden berechnet (der Mittelpunkt des wiedervereinten Deutschlands ist von den Universitäten Dresden und Göttingen bei Niederdorla in Thüringen bestimmt worden – es gibt aber unterschiedliche Berechnungsmethoden und noch andere Mittelpunkte). Zu DDR-Zeiten wurde der Punkt verlegt, da er im Bereich eines Truppenübungsplatzes lag. Warnschilder am Weg warnen jetzt vor Munitionsresten.

Kurz vor Möckern (nördlich von Möckern liegt Burg bei Magdeburg) ist an meinem Rad eine Speiche des Hinterrades gebrochen. Ich hörte beim Fahren ein Knacken, konnte aber zunächst nichts am Fahrrad erkennen. Beim Weiterfahren musste ich feststellen, dass das Hinterrad „eine leichte Acht“ hatte und gegen die Felgenbremse drückte und dadurch die Fahrt abbremste. In Möckern wollte ich in eine Fahrradwerkstatt, es gab aber keine. Also bin ich zu einer KFZ-Werkstatt gefahren (fahren konnte ich noch, aber mit dem Brems-Widerstand), habe mir einen Imbuss-Schlüssel ausgeliehen und die Hinterradbremse gelockert (ich hatte ja immer noch die Vorderradbremse und den Rücktritt). Bei künftigen Radtouren nehme ich mir Werkzeug mit (Anmerkung: Bei einer meiner späteren Radtoure von Berlin nach Verona musste ich das Werkzeug einsetzen, wieder ein Speichenbruch).

Übernachtung in Möckern. Aufgefallen ist mir dort die Aktion „Kunst im Leerstand“, die in leer stehenden Gebäuden Künstler aus der Region ausstellt. Damit soll ein Kontrapunkt zur vermeintlich zentralistischen Kulturszene in der Landeshauptstadt Magdeburg gesetzt werden. 

Das Schloss Möckern stammt in den Anfängen aus dem 10. Jh. und ersetzte eine slawische  Wasserburg (in ganz Brandenburg waren bis zu ihrer Unterwerfung um die Jahrtausendwende slawische Siedlungen und Burgen). Der Bergfried ist noch heute Teil des Schlosses und diente  als Vorposten zum Schutz Magdeburgs.  Mitte des 19. Jh. erhielt das Schloss seine heutige Form. Nach der Wiedervereinigung wurde es restauriert und als Schulgebäude genutzt. Zum Schloss gehört ein Englischer Landschaftsgarten.

Die Kirche St. Laurentius wurde wie das Kloster Lehnin von Kaiser Otto I. gestiftet.

In den 1960er Jahren wurde einer der größten Geflügelmastbetriebe der DDR aufgebaut (KIM – Kombinat industrielle Mast). Nach der Wiedervereinigung hat der Wiesenhof-Konzern den Betrieb übernommen.

In der Nähe von Möckern fanden während des Befreiungskriegs 1813 die ersten siegreichen  Gefechte der preußisch-russischen Truppen gegen Napoleons Armee statt. Ein Denkmal mitten zwischen den Feldern wurde 1913 dort zur Erinnerung errichtet (in Vehlitz, einem der Orte der Schlacht, kurz vor der Elbe).


2. Tag: Möckern bis Schöningen
          

In Schönbeck (südlich von Magdeburg, im Salzlandkreis) bin ich über die Elbe gefahren. 

Ein Ortsteil von Schönbeck ist das älteste Solebad Deutschlands,  Bad Salzelben. Der Landkreisname Salzlandkreis ist aus der Bedeutung der Salzgewinnung für diese Region entstanden. Im Salzlandkreis liegt neben Bad Salzleben auch Staßfurt. Dort ist der Ursprung des deutschen Kalibergbaus.

Durch diese Region bin ich auch bei meiner Radtour über den Harz nach Göttingen gefahren. Über die Elbe bin damals weiter südlich in Coswig bei Dessau mit einer Gierseilfähre übergesetzt. Übernachtet hatte ich in Halberstadt, einige Kilometer südlich von Schöningen, dem Übernachtungsort dieser Tour (s.u.).      

Schönbeck ist vielleicht typisch für viele Orte in der ehemaligen DDR. Die öffentlichen Gebäude (das Neorenaissance-Rathaus) und die öffentlichen Plätze sind renoviert oder neu gestaltet. Aber zwischen gepflegten Bürgerhäusern gibt es immer noch viele Ruinen. Kein Wunder, von 50.000 Einwohnern schrumpfte die Bevölkerung auf 30.000 Einwohner. Die Leute „sind in den Westen gemacht“, wie mir ein Schönbecker, den ich am Rathaus getroffen hatte, sagte. In Schönbeck war z.B. das  einzige Traktoren-Werk der DDR Nach der Wende kam es in Treuhandverwaltung und nach mehreren Eigentümerwechseln kam die  Liquidation.

Im Stadtteil Bad Salzelmen, seit 1932 zu Schönbeck gehörend, befindet sich das älteste Solebad Deutschlands. Das ursprünglich der Erhöhung des Salzgehaltes der Elmener Solequelle  dienende Gradierwerk wurde von 1756 bis 1765 vom preußischen Staat gebaut (Unterbrechung durch den Siebenjährigen Krieg). Es hatte ursprünglich eine Länge von über 1 km, davon sind noch 350 m erhalten. Die „Königlich Preußische Saline“ war damals das größte staatliche Unternehmen Preußens. Mit der Errichtung des Schönebecker Salzschachtes büßte das Gradierwerk seine wirtschaftliche Bedeutung ein und diente  nur noch der Freiluftinhalation. 1802 wurde Bad Salzelmen das erste Soleheilbad Deutschlands.

Das Sole-Salz wurde im Glockenspritz-Verfahren gewonnen. Es wurden Wasserleitungen in die Steinsalz-Schicht getrieben, das Salz ausgespült und oberirdisch im Gradierwerk konzentriert und dann in Siedehäusern getrocknet. Etwa 1000 Glocken entstanden so unter der Stadt. In den 60er Jahren wurden einzelne Glocken für den Kurbetrieb genutzt.

Weiter ging es nach Wanzleben. Kurz vorher ein richtig großes Feld mit Gladiolen. Nicht nur in Holland werden Blumenzwiebeln gezüchtet. Die GPG – Gärtnerische Produktions-Genossenschaft - Thomas Müntzer in Klein Wanzleben (bis 1958 eine private Gärtnerei) vermehrte schon zu DDR-Zeiten Tulpen- und Gladiolen.

In Wanzleben Pause im Burg-Restaurant. Das wurde als UG geführt (Hotel-Burg Wanzleben UG (haftungsbeschränkt) & Co. KG). Ich hatte gar nicht mehr in Erinnerung, dass diese sog. kleine GmbH 2008 in das GmbH-Gesetz eingeführt wurde. Die UG braucht nur noch einen Gesellschafter und nur 1 EUR Stammkapital. Diese neue GmbH-Rechtsform soll die einmal bei Neugründungen beliebte Rechtsform der britischen Limited stark verdrängt haben.

Die Burg Wanzleben war eine große Niederungsburg, die den Handelsweg von Magdeburg nach Halberstadt schützte und kontrollierte. Der Begriff Niederungsburg (auch Flachlandburg oder Tieflandburg genannt) bezeichnet Burgen, die im Flachland oder in einer Talsohle liegen. In Deutschland sind etwa ein Drittel der  Burganlagen Niederungsburgen.

Der nächste Ort war Klein Wanzleben. Den Namen kannte ich von der KWS –Kleinwanzlebener Saatzucht vormals Rabbethge und Giesecke AG in Einbeck.  Ich war in dem Einbecker Betrieb während meines Studiums mit dem Industrie-Seminar meines Doktor-Vaters Professor Dr. H.K. Weber.

In Klein Wanzleben wurde 1838 von ortsansässigen Landwirten eine Zuckerfabrikgesellschaft gegründet. Es war die Zeit vieler Zuckerfabrik-Gründungen. Im Gebiet des Deutschen Zollvereins (Preußen und andere Länder in Süd- und Norddeutschland) gab es schon 152 Fabriken.

Entdeckt wurde der Zuckergehalt der Zuckerrübe 1747 durch Andreas Margraaf. Die industrielle Zuckerproduktion aus Rüben begründete 1801 Carl Achard, der die erste Rübenzuckerfabrik  in Cunern in Schlesien (nördlich von Breslau) baute. Durch die Kontinentalsperre Napoleons 1806 (Wirtschaftsblockade gegen Großbritannien, damit kam auch kein Rohrzucker mehr nach Europa) wurde die Rübenzucker-Herstellung stark befördert.

Im Jahr 1856 übernahm der Landwirt Matthias Christian Rabbethge die Aktienmehrheit an der Zuckerfabrik in Klein Wanzleben. Er verbesserte mit seinen Söhnen durch Zucht die Rübenqualität und erhöhte den Zuckergehalt der Rüben. Bereits 1910 wurde von Klein Wanzleben aus rund ein Drittel des Weltbedarfs an Rübensamen gedeckt. Der Klein Wanzlebener Typ ist bis heute Stammvater fast aller Zuckerrübensorten, die weltweit angebaut werden.

1945 wurden vor der Besetzung durch russische Truppen Saatgutbestände und Zuchtunterlagen nach Einbeck in Niedersachsen gebracht. Dort hatte die Familie Rabbethge eine landwirtschaftliche Domäne. Es entstand die Kleinwanzlebener Saatzucht AG (vormals Rabbethge & Gieseke - Gieseke war der Schwiegersohn Rabbethges), die heutige KWS-SAAT SE (SE ist die Abkürzung für Europäische Aktiengesellschaft – Societas Europaea) in Einbeck. Der KWS-konzern ist weltweit der viertgrößte Saatguthersteller für  landwirtschaftlichen Nutzpflanzen (2015).

Nach 1845 wurde in Klein Wanzleben  nur noch in geringerem Umfang Saatzucht und Rübenforschung unter der Leitung der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften der DDR betrieben. Nach der Wende wurde der Saatzuchtbetrieb von der KWS Einbeck zurück erworben, die Rübenzüchtung dort fortgesetzt. Ein Straßenname erinnert an Rabbethge.

Die Zuckerfabrik wurde als VEB – Volkseigener Betrieb – weitergeführt. Nach der Wende übernahm die Nordzucker AG den Betrieb und baute 1994 auf der „grünen Wiese“ eine der modernsten Zuckerfabriken Europas. In Sachsen-Anhalt gibt es neben diesem Werk  der Nordzucker AG in Klein Wanzleben  nur noch zwei weitere Fabriken, in Zeitz das Werk der Südzucker AG und in Könnern das Werk der Pfeifer & Langen KG (es sind die drei großen Zuckerproduzenten in Deutschland).

Hinter Wanzleben wurde es hügelig, die Ausläufer des Elm (südlich von Helmstedt und Königslutter) prägen die landwirtschaftlich genutzte Landschaft. Große Ackerflächen, früher müssen hier große Güter gewesen sein.

In Hötensleben erinnert das Grenzdenkmal daran, dass hier einmal die innerdeutsche Grenze verlief.

Danach, wieder auf „westdeutschem Gebiet“, kommt Schöningen und der Braunkohle-Tagebau. Er gehört zum Helmstedter Braunkohlerevier. Im August dieses Jahres wurde der Tagebau stillgelegt. Einige Maschinen am Rande des Tagebaus erinnern daran. Und ein „Paläon“, ein großer und moderner Museumsbau, in dem die im Tagebau gefundenen „Schöninger Speere“ ausgestellt werden.  Drumherum wird die Geschichte der Ur-Menschen visualisiert. Die Zeit reichte für einen Besuch nicht. Aber vielleicht ist das „Drumherum“ und der große Bau auch ein bisschen viel Aufwand für die Präsentation der, sicher interessanten, Speere.

Das Gebiet um Schöningen war bereits in der Altsteinzeit besiedelt. Am Rande des Braunkohletagebaus von Schöningen wurden 1995 die über 300.000 Jahre alten "Schöninger Speere gefunden. Diese altsteinzeitlichen Wurfgeräte sind die ältesten vollständig erhaltenen Jagdwaffen überhaupt.

In Schöningen wurde Hermann Münchmeyer 1815 geboren. Er ist der Begründer des Hamburger Bankhauses „Münchmeyer & Co.“.  1969 fusionierte die Bank mit zwei anderen Privatbanken zur SMH-Bank in Hamburg. Durch Großkredite an die Baumaschinenholding von Horst-Dieter Esch (u.a. Hanomag-Kauf in Hannover 1980) geriet die Bank in Schwierigkeiten und wurde von der Schweizer Bank UBS übernommen. Die ehem. niedersächsische Wirtschaftsministerin Birgit Breuel gehört zur Münchmeyer-Familie.

3. Tag: Von Schöningen nach Salzgitter 

Nach Übernachtung in Schöningen ging es über Schöppenstedt und Wolfenbüttel nach Salzgitter, dem Ziel der Reise. Unterwegs ein Beispiel der modernen Landwirtschaft. Die Zuckerrüben werden nach der Ernte am Feldrand aufgeschüttet und entsprechend dem Fabrikabruf abtransportiert. Bagger, fast wie im Braunkohlentagebau, befördern die Rüben auf LKWs. 

In Wolfenbüttel wohnen Freunde von uns, Ilse und Karl-Heinz, die ich aber nicht besuchen konnte, da sie gerade bei einem Sohn auf Mallorca waren. Ilse war Ratsherrin in Salzgitter und Karl-Heinz Vorsitzender des Kreissportbundes Salzgitter; er war auch Mitglied des Jugendlagers der Olympischen Spiele 1952 in Helsinki. Sie sind vor längerer Zeit nach Wolfenbüttel gezogen. Im Vergleich zu Salzgitter ist Wolfenbüttel schöner. Es hat seinen Residenz-Charakter erhalten, obwohl die Fürstenzeit schon lange vorbei ist. Es ist nicht so zerrissen wie Salzgitter mit seinen vielen Ortsteilen, die einmal selbständige Dörfer waren. Wolfenbüttel hat auch eine andere Bevölkerung, man erlebt es, wenn man am Samstag auf den Markt geht.

1283 wurde Wolfenbüttel zu einer Residenzfestung der Welfen-Herzöge ausgebaut (Die Welfen waren ein ursprünglich fränkisches Adelsgeschlecht. Aus der Linie stammen bis 1180 die Herzöge von Bayern und die Herzöge von Sachsen und ab 1235 die Herzöge von Braunschweig-Lüneburg sowie später die Kurfürsten von Hannover, die auch zeitweise Könige von Großbritannien waren.). 

Etwa ab 1430 wurde Wolfenbüttel zur ständigen Residenz der Herzöge zu Braunschweig und Lüneburg bzw. des späteren Fürstentums Braunschweig-Wolfenbüttel, bis die Residenz 1753 nach Braunschweig verlegt wurde. 

In dieser Zeit entstand  unter niederländischer Bauleitung ein verzweigtes Kanalsystem, der Stadtteil „Klein Venedig“.

Neben dem Residenz-Schloss steht das Kleine Schloss, das Prinzenpalais. Hier fand 1733 die Schlussfeier der Hochzeit des preußischen Kronprinzen (des späteren Friedrich der Große) mit der Prinzessin Elisabeth Christine von Braunschweig-Bevern statt.

Im 16. Jh. gründete Herzog Julius zu Braunschweig-Lüneburg die Bibliotheca Julia. Nach der Reformation wurden die Bibliotheken mehrerer Klöster in diese Julius-Bibliothek überführt. Herzog August brachte seine in Hitzacker angelegte Büchersammlung mit nach Wolfenbüttel, als er Regent des Hauses Braunschweig-Lüneburg wurde, und begründete damit den Ruf der Bibliothek.  Sie galt lange Zeit als die größte Bibliothek nördlich der AlpenNach der Residenz-Verlegung  nach Braunschweig 1753 blieb die Bibliothek in Wolfenbüttel.

Von 1691 bis 1716 war der Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothekar in Wolfenbüttel, ebenso Gotthold Ephraim Lessing.

Die Stadt ist evangelische Bischofsstadt und Sitz der Kirchenregierung für die Evangelisch-Lutherische-Landeskirche Braunschweig. 
           
Seit über 200 Jahren besteht in Wolfenbüttel die Privatbank C.L. Seeliger, die auf eine Handelshaus-Gründung 1794 zurückgeht.

Weltbekannt ist der Kräuterlikör-Hersteller Jägermeister. Inhaber und Geschäftsführer Günter Mast führte 1973/74 als erstes Unternehmen die Trikotwerbung bei dem damaligen Bundesliga-Verein Eintracht Braunschweig ein.
Kuba-Tonmöbel (Kuba-Imperial) wurden 1948 bis 1966 in Wolfenbüttel hergestellt. In den 1960er Jahren  war die Firma drittgrößter deutscher Hersteller von Radios und Fernsehern. Das Unternehmen wurde an General Elektric verkauft.

Von Wolfenbüttel kommend  sieht man die Silhouette der Salzgitter-Hütte, der Ursprung der Entstehung Salzgitters. Davor ein neuerer Bau, ein Zentrallager von IKEA. 

Das ist eine Brücke zu meiner Zeit in Salzgitter. Es wurde nach meiner Dezernenten-Zeit gebaut. Als Wirtschaftsdezernent war ich mit der Frage konfrontiert, ob ein IKEA-Möbelhaus nach Salzgitter kommen sollte. Es hätte das Aus des ansässigen Möbelhauses in Salzgitter-Lebenstedt bedeutet. Ein weiteres „Ausbluten“ der Innenstadt, was ich nicht wollte. Eine Entscheidung war dann aber nicht notwendig, Ikea entschied sich für Braunschweig. Das Möbelhaus in Lebenstedt besteht allerdings heute auch nicht mehr. Einen anderen Wettbewerb mit Braunschweig habe ich gewonnen, die Ansiedlung der Ölmühle und Mälzerei von Cargill (eine der weltweit größten Agrar-Handelsgesellschaften), die auch Braunschweig als Alternative hatten. Es entstand die erste von Cargill in Deutschland gebaute Produktionsstätte.
Wegen der großen Eisenerzvorkommen Gebiet von Salzgitter gründeten die Nationalsozialisten am 15. Juli 1937 die "Reichswerke AG für Erzbergbau und Eisenhütten Hermann Göring" (Hermann-Göring-Werke). Der Raum zwischen Goslar, Wolfenbüttel und Braunschweig wurde in dieser Zeit eine der größten Baustellen Europas. Viele landwirtschaftliche Betriebe wurden in das Gebiet von Hannover umgesiedelt.
In etwa der gleichen Zeit entstand das Volkswagen-Werk und die Stadt Wolfsburg; „Stadt des KdF-Wagens bei Fallersleben“, wie die Stadt ursprünglich hieß.                   
Die der Bundesrepublik gehörende Nachfolgegesellschaft der Reichswerke in Salzgitter wurde 1989 an die Preussag AG (ehem. Preußische Bergwerks- und Hütten-AG)  verkauft. Die Preussag AG wurde später  zu dem Touristik-Unternehmen TUI umgebaut und die Stahlsparte als Salzgitter AG ausgegründet. Die in Salzgitter ansässige Salzgitter AG besteht aus über 100 Unternehmen mit 9 Mrd. Umsatz und 25.000 Mitarbeitern (2014), allerdings nicht nur in Salzgitter.

In Salzgitter wohnten wir von 1988 bis 1995  am Salzgitter-See. Ich war Stadtrat für Wirtschaft, Liegenschaften und Schulen und u.a. Aufsichtsrat-Vorsitzender des städtischen Wohnungsbauunternehmens. Später war ich dann Geschäftsführer der Wohnbau Salzgitter GmbH, bevor nach Berlin ging. 

Die derzeitige Diskussion über die Aufnahme von Flüchtlingen erinnert mich an meine  Zeit in Salzgitter. Damals hatten wir die Aussiedlerwelle der Russland-Deutschen, die untergebracht werden mussten. Ich wollte eine wenig genutzte Sporthalle im Ortsteil Lichtenberg belegen und musste mich in einer Bürgerversammlung dem geballten Widerstand der Anwohner stellen. Es war nicht zu machen. Zum Glück fand ich in einem anderen Ortsteil eine Gewerbehalle, die wir als Unterkunft herrichten konnten. Und dann mussten Wohnungen gebaut werden. Ich konnte die städtische Wohnungsbaugesellschaft und ein privates Bauunternehmen aus Braunschweig gewinnen, in kürzester Zeit einen neuen, kleinen Stadtteil am Rande der Ortschaft Fredenberg zu bauen. Und die städtische Gesellschaft baute für die Stadt auch die sofort benötigte neue Grundschule. 

Auch an andere Projekte erinnere ich mich, wenn ich in Salzgitter bin: Die Errichtung der Fachhochschule in Salzgitter-Calbecht, ein Ableger der Wolfenbüttler Fachhochschule. Der Salzgitter Landtagsabgeordnete Peter-Jürgen Schneider hatte dies bei der Landesregierung durchsetzen können. Aber die Finanzierung war nicht gesichert. Die städtische Wohnungbaugesellschaft übernahm darum für das Land Niedersachsen den Ausbau der leerstehenden (sehr schönen Klinker-) Gebäude eines ehem. Erzschachtes und die Finanzierung. Ich war damals schon Geschäftsführer der Gesellschaft und aus dem Dezernentenkollegium der Stadt ausgeschieden. Die benötigten Studentenwohnungen baute ebenfalls die Wohnungsbaugesellschaft. Und - noch als Wirtschaftsdezernent - konnte ich mit der Wohnungsbaugesellschaft einen mit EG-Mitteln geförderten Gewerbepark bauen lassen. 

In der Innenstadt von Salzgitter-Lebenstedt steht das zur 50-Jahrfeier (1942 gegründet) 1995 errichtete Stadtmonument von Jürgen Weber, Braunschweiger Bildhauer. Der „Turm der Arbeit“ zeigt Stationen der Stadtgeschichte: Den Erzbergbau und die Erzverhüttung, die Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge, die Not der Flüchtlinge, den Widerstand gegen die Demontage, den Wiederaufbau und die Neugründung der Stadt. Eine Skizze von Jürgen Weber, die des Probenehmers am Hochofen, der das Denkmal krönt, habe ich zu Haus im Wohnzimmer.

Weitere Werke von Jürgen Weber haben wir bei einem Familientreffen in Nürnberg gesehen, die beiden Brunnen „Ehekarussel“ und „Narrenschiff“. In Göttingen stammen die bronzenen Türen des neuen Rathauses von Jürgen Weber.
Eine Arbeitsskizze zum "Turm der Arbeit" habe ich zum Abschied als Dezernent von der Stadt Salzgitter erhalten.

Als ich jetzt in der Innenstadt Salzgitter-Lebenstedt war, war das Salzgitter-Monument mit Drahtnetzen zur Fernhaltung von Tauben verhangen. Scheußlich. Bei der Trauerfeier für Georg (ein Freund aus der Salzgitter-Zeit, damals Fraktionsvorsitzender der SPD) saß ich nehmen dem jetzigen Oberbürgermeister der Stadt und ich habe ihn auf diese „Verschandelung“ angesprochen. Er war wohl auch nicht glücklich darüber. Ob sich etwas ändert?

Auch der Verkauf der Stahlwerke an die Preussag AG war in meiner Salzgitter-Zeit. Wenn schon die Stahlwerke verkauft wurden, wollten wir doch wenigstens den Wohnungsbestand des Konzerns, rd. 14.ooo Wohnungen,  für die Stadt sichern. Ein Kaufmodell für den Kauf durch die städtische Wohnungsbaugesellschaft hatte ich entwickelt und zusammen mit dem Oberstadtdirektor in Bonn verhandelt. Die Verbindungen des Vorstandsvorsitzenden des Salzgitter-Konzerns, vorher Abteilungsleiter im Finanzministerium, waren stärker.  
Als Ausgleich für den Verkauf des Salzgitter-Konzerns bestimmte die Bundesregierung Salzgitter als Sitz des Bundesamtes für Strahlenschutz. Ein magerer Ausgleich, denn der Erlös aus dem Verkauf der Stahlwerke floss nach Osnabrück, in die neu gegründete Bundesstiftung  Umwelt.
Zu Freunden aus der Salzitter-Zeit haben wir noch guten Kontakt. Eine Gruppe trifft sich zwei oder dreimal im Jahr zu unserer  „Essen-Runde Salzgitter“.  Allerdings ist sie kleiner geworden. Von Georg und Wolf-Dieter mussten wir  uns im letzten Jahr (2016) verabschieden, von Georgs Frau Mira schon früher. Dieser Bericht meiner Salzgitter-Radfahrt soll auch an sie erinnern. 

Der Abschluss der Radfahrt war im Hotel am See, dem Gästehaus der Salzgitter AG, bei einer schönen Geburtstagsfeier mit vielen Freunden. 


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Bergwandern in Berlin


August 2017


Bergwandern in Berlin, das geht auch. Nicht so hohe Berge wie auf Teneriffa, aber mit guter Aussicht über Berlin. Wir haben sie bestiegen. Drei Berge im Grunewald: Drachenberg, Teufelsberg und Karlsberg.
Gewandert sind wir entsprechend der Touren-Beschreibung in dem Wanderbuch "Auf Försters Wegen". Es enthält viele gut wanderbare Routen in den Berliner Forsten.

Der Drachenberg und der Teufelsberg sind nach dem Zweiten Weltkrieg aus Trümmerschutt entstanden. An manchen Stellen des Abhangs wird das sichtbar, die alten Trümmerteile kommen wieder zum Vorschein. Der Karlsberg ist ein Endmoränenhügel aus der letzten Eiszeit (vor 110.000 Jahren bis vor 10.000 Jahren).

Oben auf dem Drachenberg ist eine flache Wiese mit vielen Pflanzen und Blumen, von der man eine wunderschöne Sicht auf Berlin, das Messegelände mit dem Funkturm und das Olympiastadion hat. Reste von Feuerstellen weisen auf Picknick-Ausflüge hin. Und die ebene Kuppe eignet sich, wie wir erleben konnten, auch als Übungsplatz für Drohnen.

Auf dem Teufelsberg ist die ehem. Abhörstation der Amerikaner zu besichtigen. Bis 1991 wurde von hier der Funkverkehr weit in den Osten hinein abgehört. Nach 1991 waren vorübergehend Flugsicherungsanlagen untergebracht. Seit 1999 steht alles leer. Die Gebäude sind immer noch ziemlich stabil. Nur an den Hüllen der Radar-Kuppeln nagt der Wind. In den Räumen haben sich viele Graffiti-Künstler verewigt, zum Teil mit schönen Bildern.

Unterhalb des Teufelsberg liegen der Teufelssee  mit FKK-Badestelle und das Naturschutzzentrum Ökowerk Berlin.  Unser Weg ging daran vorbei, weiter durch den Grunewald Richtung Wannsee und Grunewaldturm, mit einem Umweg zum Friedhof im Grunewald.

Dieser Friedhof im Grunewald wurde um 1900 von der Forstverwaltung angelegt. Er war ein Selbstmörderfriedhof. Unter den Wasserleichen, die aus dem Wannsee geborgen wurden, waren viele von Selbstmördern. Die durften noch bis ins 19. Jh. nicht auf normalen Friedhöfen bestattet werden. Also musste die Forstverwaltung sich darum kümmern und bestattete sie in einer Waldlichtung. Das sprach sich herum, so dass auch Selbstmörder aus der weiteren Umgebung dort bestattet wurden.. 1920 kam der Friedhof in die Verwaltung des Bezirks, seit einiger Zeit ist er für Neubestattungen geschlossen. Auf dem Friedhof erinnern orthodoxe Kreuze an russische Kriegsgefangene des Ersten Weltkriegs, die sich als Anhänger des Zaren nach dem Sieg der Bolschewiki selbst getötet hatten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden ums Leben gekommene Zivilisten, die vorher in verschiedenen Berliner Parks provisorisch begraben wurden, auf den Waldfriedhof im Grunewald umgebettet.

Vor dem Grunewaldturm erreicht der Wanderweg die Halbinsel Schildhorn. Hier steht ein Denkmal zur Erinnerung an den Slawenfürsten Jacza von Köpenick. Der soll vor Albrecht der Bär durch die Havel geflohen sein (1157, im Gründungsjahr der Mark Brandenburg). Am Havelufer soll er sein Schild an einen Baum gehängt haben - daher der Name Schildhorn - und aus Dankbarkeit für seine Rettung zum Christentum übergetreten sein, so die Sage.

Der Grunewaldturm steht auf dem dritten Berg unserer Wanderung, dem Karlsberg. 1899 wurde er als Aussichtsturm eröffnet, gebaut vom Landkreis Teltow (der Wannsee gehörte damals noch nicht zu Berlin, erst 1920 erhielt Berlin durch Eingemeindungen seine jetzige Größe). Nicht weit davor liegt das Restaurantschiff "Alte Liebe" am Ufer des Wannsee. Bestens für eine Pause und mehr - köstliche Fischgerichte - geeignet.

Drei Berge in Berlin - eine sehr schöne Tageswanderung.

Die Bilder zu dem Bericht:
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Der Weihnachtsstern
Flor de Pascua


Weihnachtsstern heißt die Blume bei uns, weil er in der Advents- und Weihnachtszeit sein leuchtendes Rot in die Wohnzimmer bringt. Auf Teneriffa blüht er das ganze Jahr und heißt dort Flor de Pascua, Osterblume

Der Weihnachtsstern (lat. Euphorbia pulcherrima – die Schönste) gehört zur Pflanzenfamilie der Wolfsmilch-gewächse (Euphorbiaceae - dazu gehören auch der Christusdorn, der Kautschuckbaum, die Ricinus-Pflanze).
Andere Namen sind Adventsstern, Christstern oder Poinsettie.
Poinsettie ist  von dem Namen eines  amerikanischen Botschafters in Mexiko, J. Roberts Poinsett, abgeleitet, der von der Blume so begeistert war, dass er sie Anfang des 19. Jh. in die USA brachte. Früher war Poinsettie unter Gärtnern der gebräuchliche Name für Weihnachtssterne. Uschi erinnert sich noch daran, dass Ihre Großmutter (ihr  Großvater war Gärtner) die Weihnachtssterne so nannte.
In Spanien und auch auf Teneriffa  heißt der Weihnachts-stern Flor de Pascua (Pascua bedeutet eigentlich Ostern, wird aber auch  - seltener-  als Bezeichnung für Weihnachten verwandt. In Chile gibt z.B. zu Weihnachten das „Pan de Pascua“ und der „Viejito Pascuero“ ist der Weihnachtsmann.).

Die Hochblätter des immer-grünen Weihnachtsterns färben sich während der Blütezeit intensiv rot. Die Blüten selber sind an der Spitze des Blattstiels und unscheinbar.  Sie entfalten sich, wenn sie 30 Tage 12 Stunden Dunkelheit haben. Unweit des Äquators ist das ganzjährig der Fall. Auf Teneriffa blühen die Weihnachtssterne etwa ab Ende November bis Januar. Die Büsche können hier bis zu 4 m hoch werden.

Die Herkunft des Weihnachtsterns sind die Laubwälder Mexikos und Mittel- und Südamerikas.  Als Zierpflanze wurde die Blume in andere tropische Regionen gebracht und verwilderte dort (Kenia, Philippinen, Australien), und so sind sie sicher auch nach Teneriffa gekommen.

1804 brachte Alexander von Humboldt (wer denn sonst?) die Pflanze von seiner Amerikareise erstmals nach Europa mit. Seine Forschungsreise führte 1799 - 1804 von La Coruña in Spanien aus über die Kanarischen Inseln (hier bestieg er den Teide, mit 3.718 m Höhe ü. Meeresspiegel der höchste Berg Spaniens) nach Cumaná im Nordosten Venezuelas. Von dort weiter in die Karibik, Peru, Mexiko, Ostküste der USA und von Philadelphia aus zurück nach Bordeaux.

Von dem deutschen Botaniker C. Ludwig Willdenow (1810 Direktor des Botanischen Gartens in Berlin-Lichterfelde – bei uns in der Nähe) erhielt sie den botanischen Namen Euphorbia pulcherrima. 1811 bestimmte und ordnete er in Paris Pflanzen, die Humboldt aus Südamerika mitgebracht hatte (Humboldt hatte zeitweise eine Wohnung in Paris.).

Züchtern in Deutschland ist es zu verdanken, dass der Weihnachtsstern heute als Topfpflanze auch in geheizten Räumen gedeiht (in den 1950er Jahren). Inzwischen gibt es neben roten auch weiße, rosa- und lachsfarbene und zweifarbige Weihnachtssterne.

In Deutschland wurden 2015 30 Millionen (!) Weihnachtsstern verkauft (rd. 15% der Zimmerpflanzen, aber nur rd. 7 % des Umsatzes mit Blumen und Zierpflanzen – das liegt an den niedrigen Preisen für Weihnachtssterne). Auf dem europäischen Markt sollen es  110 Millionen sein.
Aufgezogen werden die Weihnachtssterne aus Stecklingen, die überwiegend in Billiglohn-Ländern (Äthiopien, Uganda, El Salvador) produziert werden. Hauptproduzent ist die niederländische Dümmen-Orange-Gruppe (ursprünglich ein kleiner Familienbetrieb aus Rheinberg in Nordrhein-Westfalen, auch der ameri-kanische  Marktführer – Paul Ecke Ranch, gegründet von einem deutschen Auswanderer – gehört inzwischen dazu).  Per Flugzeug kommen die Jungpflanzen in die Niederlande und nach Deutschland in Großgärtnereien.

In deutschen Gärtnereien werden rd. 20 Mio. Weihnachtssterne produziert. Rd. 10 Mio. Weihnachtssterne werden demnach importiert, hauptsächlich aus den Niederlanden.  Die Jungpflanzen werden im Juni/Juli getopft und sind dann ab November verkaufsbereit.