Teneriffa Spaziergänge: Bananen

November 2018


Der Norden Teneriffas ist grün. Das machen die Bananen-Plantagen, die das Aussehen des Landes entlang der Küste prägen. Große Felder mit den grünen Blättern der Bananenstauden. Eine weite, grüne Landschaft. In den 1960er Jahren war das noch ausgeprägter. Wo heute die Feriensiedlungen rund um Puerto de la Cruz angelegt sind, waren Bananenfelder, auch im Stadtteil „La Paz (Frieden)“, in dem wir wohnen. Am Rand

Bananen-Plantage unterhalb von San Pedro

der Siedlungen erkennt man noch die alte Feld-Struktur. Aufgegebene Terrassen-Felder, auf denen bis vor einigen Jahren noch Bananen wuchsen. Jetzt liegen sie brach, in der Erwartung ihrer Eigentümer, dass hier die nächsten Feriensiedlungen entstehen. Aber das ist wohl in weiterer Ferne und das ist gut. Jedenfalls kann man entlang der Küste noch immer an grünen Bananen-Plantagen entlang wandern.

Seit Ende des 19. Jh. werden auf Teneriffa Bananen auf Plantagen angebaut. Die Engländer waren die ersten, die auf der Insel Bananen als Monokultur anbauten und exportierten.

Vor den Bananen wurde Zuckerrohr angebaut. Gleich nach der Eroberung der Inselbegannen die Spanier mit der Anpflanzung von Zuckerrohr als erster Monokultur auf der Insel (Zucker aus Rüben gab es erst Anfang des 19. Jh.). 

1496 war die Eroberung Teneriffas abgeschlossen und die Insel wurde Teil der Krone Kastiliens. 1492 hatte Kolumbus Amerika entdeckt (siehe Blog-Beitrag „Spanien – durch die nördlichen Regionen, Teil 4 Geschichte Spaniens“). Im gleichen Jahr wurde die Wiedereroberung Spaniens (Reconquista) durch die Eroberung des letzten maurischen Emirats Granada abgeschlossen.
Es begannen die Erkundungen und Eroberungen der Kolonien in Afrika: u.a. Guinea, Westafrika, Marokko, Ceuta an der afrikanischen  Mittelmeerküste (noch heute spanische Exklave, mit dem große Problem der Füchtlingsabwehr); Nord- und Mittel-Amerika: u.a. Mexiko, Florida, das Mississippi-Delta, Jamaika, Hispaniola (Haiti und Dominikanische Republik), Kuba; Süd-Amerika: u.a. Peru, Argentinien, Uruguay, Paraguay, Kolumbien, Venezuela, Ecuador, Panama; Asien: u.a. Philippinen – und die Eroberung der Kanarischen Inseln.

Bananen-Staude im Garten
 unserer Wohnanlage
Der Zuckerrohr-Anbau funktionierte bis Mitte des 16. Jahrhunderts. Dann waren die größten Waldbestände abgeholzt, das Holz brauchte man für die Beheizung der Siedekessel. Durch die Waldrodung veränderte sich das Mikroklima, der Waldboden wurde abgetragen und speicherte nicht mehr das Wasser, viele Quellen versiegten. Holz musste herangeschafft werden. Die Produktionskosten stiegen und der Insel-Zucker war nicht mehr konkurrenzfähig gegenüber dem aus den Anbaugebieten in den mittelamerikanischen Kolonien Spaniens. Also verlegten die Zucker-Barone die Produktion insbesondere nach Kuba. Die Arbeits-Sklaven

Usprünglich waren es die besiegten Guanchen, die Ureinwohner der   Insel, dann kamen Sklaven aus Afrika.

und etwa ein Drittel der Canarios

Canarios waren aus Spanien eingewanderte Tagelöhner, die sich zum Teil mit den Ureinwohner-Frauen vermischten – die Bevölkerung betrug damals auf Teneriffa etwa 10.000 Einwohner, etwa 2.500 stammten von der Urbevölkerung der Kanaren ab – heute hat Teneriffa knapp 900.000 Einwohner.

 wurden mit der Produktion dorthin „verlagert“.

Die Entwicklung einer
Bananen-Dolde
Die dem Zuckerrohr folgende Monokultur war der Weinanbau. Angebaut wurden die Malvasier-Reben, aus denen ein süßer und schwerer Wein gekeltert wurde. Die Reben kamen von der Mittelmeerinsel Kreta. Der Wein wurde nach England und Nordamerika, aber auch in die spanischen Kolonien exportiert und machte die Weinhändler reich. Das war nach einem Jahrhundert beendet. Die Engländer begünstigten Anfang des 17. Jh. den Madeira-Wein von der portugiesischen Insel durch niedrigere Zölle. Im 19. Jh. kam der Weinbau durch eine Rebenkrankheit fast zum erliegen.

Einen Ausweg bot im ersten Drittel des 19. Jh. die Zucht der Cochenille-Laus. Sie lieferte den Grundstoff für den natürlichen Farbstoff Karminrot zum Färben von Textilien (und u.a. noch heute für Lippenstifte). Die Läuse leben auf den Gliedern der Kaktusfeige. Mit der Entdeckung der Teerfarben (1834 durch den deutschen Chemiker Ferdinand Runge, ab der 2. Hälfte des 19. Jh. industriell genutzt) gab es einen Ersatzstoff für das natürliche Karminrot und der Cochenille-Boom ging schnell zu Ende.

Die Entwicklung
einer Bananen-Dolde
Heute gehört der Bananen-Anbau zu den Haupt-Agrarprodukten, die auf den Kanarischen Inseln angebaut werden. An erster Stelle steht der Weinanbau (auf rd. 19.000 Hektar Anbaufläche), dann folgen Bananen (auf etwas über 9.000 Hektar, mit Schwerpunkt auf Teneriffa und La Palma, 136.000 Tonnen werden jährlich auf Teneriffa geerntet) und Kartoffeln (auf etwas über 4.000 Hektar, nur für den heimischen Markt, trotzdem findet man in den Supermärkten meistens englische Kartoffeln) und Tomaten (119.000 Tonnen jährlich auf Teneriffa, Gran Canaria und Fuerteventura).

90 % der kanarischen Bananen-Ernte wird exportiert, hauptsächlich nach Spanien. In der übrigen EU sind die kanarischen Bananen trotz spanischer und europäischer Subventionen nicht konkurrenzfähig gegenüber den mittelamerikanischen Bananen.
Die europäischen Länder (außer Spanien) beziehen die Bananen aus Mittelamerika (72 %). 17 % kommen aus Afrika und der Karibik (AKP-Länder, ehem. französische und englische Kolonien), von den Kanaren nur rd. 10 %.

Der weltweit größte Bananenproduzent ist Indien mit 29 Millionen Tonnen (2016),
Die Entwicklung 
einer Bananen-Dolde
gefolgt von China mit 13 Millionen Tonnen. Kolumbien und Ecuador (die Hauptlieferländer für Europa) kommen zusammen auf 8,5 Millionen Tonnen. Die Kanarischen Inseln produzieren unter 400.000 Tonne.

Jeder Deutsche isst im Jahr durchschnittlich 12 kg Bananen, nur die US-Amerikaner essen mehr.
Der erste Bananen-Import nach Deutschland erfolgte schon 1895 durch einen Hamburger Kolonialwarenhändler, der erstmals 40 Tonnen Dessert-Bananen von den Kanaren und Madeira nach Deutschland einführte.
Konrad Adenauer soll 1957 bei den Verhandlungen über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft durchgesetzt haben, dass Bananen nach Deutschland zollfrei importiert werden können. Bananen wurden dadurch nach dem 2. Weltkrieg ein Luxus, den sich jeder leisten konnte.

Ursprünglich kommen die Bananen aus Südostasien. Araber brachten sie nach Afrika und von dort wurden sie von Portugiesen/Spaniern (?) um 1500 auf die Kanarischen Inseln gebracht. Von hier aus kamen sie später auch nach Mittelamerika und in die Karibik, die heutigen großen Bananen-
Die Entwicklung
einer Bananen-Dolde
Konkurrenten der Kanaren.

Unser Wort Banane stammt aus dem arabischen und bedeutet Finger. Wie Finger an einer Hand sind die einzelnen Bananen an den Dolden angeordnet.  Der wissenschaftliche Name ist Musa. Der schwedische Botaniker Carl von Linné (erster Präsident der Schwedischen Akademie der Wissenschaften, er begründete die wissenschaftliche Nomenklatur/Benennung der Botanik und der  Zoologie) gab der Banane den Namen (nach dem griechischen Arzt Antonius Musa, 50 v. Chr., Leibarzt des römischen Kaisers Augustus - Warum?). Der spanische Name ist Plàtano (von „plantación“ – Plantage ?) und in Südamerika heißen die Bananen Banana.

Neben den bei uns bekannten Obst- oder Dessert-Bananen gibt es auch noch Kochbananen und Textilbananen. Kochbananen (bekommt man auch auf Teneriffa zu kaufen) sind in vielen Teilen Südamerikas, Afrikas und Asiens ein Grundnahrungsmittel. Kochbananen werden ähnlich wie die Kartoffeln vor dem Verzehr gekocht und auch frittiert. Textilbanane werden auf den Philippinen angebaut. Die
Die Entwicklung
einer Bananen-Dolde
Blätter werden zu Herstellung von Papier und Tauen genutzt. Da die Fasern nicht im Wasser faulen, waren sie früher für die Herstellung von Schiffstauen wichtig.

Die auf den Plantagen angebauten Bananen sind Hybrid-Pflanzen, d.h. aus Kreuzungen hervorgegangene Sorten. In den 1960er Jahren wurde in Mittelamerika vor allem die Sorte Groß Michel angebaut, bis die Monokulturen von einer Pilzkrankheit befallen wurden. Heute wird dort die Sorte Cavendish angebaut. Die Sorte geht auf eine Züchtung des Engländers William Cavendish (Herzog von Devonshire) zurück, der bereits 1830 diese Bananen-Sorte aus China in seinen Gewächshäusern anpflanzte. 

Auf den Kanarischen Inseln werden hauptsächlich Bananen der Sorte Kleiner Zwerg (wegen der Höhe der Pflanzen, 2,25 Meter hohe Stauden, geringere Wind-Angriffsfläche) angebaut. Es ist eine Unterart der Cavendish-Bananen. Sie sind  süßer als die südamerikanischen (22 % Fruchtzucker, mittelamerikanische haben 17 %). In Mittelamerika werden die Bananen in großen Plantagen internationaler Konzerne angebaut. Auf den Kanaren betreiben Familienbetriebe die Bananen-Plantagen.

Die Vermehrung der Plantagen-Bananenstauden erfolgt vegetativ. Die
Die Entwicklung
einer Bananen-Dolde
Mutterpflanzen bilden Schösslinge aus, die genetisch identisch sind (Klone). Eine Bestäubung der Blüten und Samenbildung erfolgt bei den kultivierten Plantagen-Bananen nicht mehr. Die kleinen schwarzen Punkte, die man in den reifen Bananen sieht, sind die verkümmerten Samen.

Die Klonung macht die Pflanzen aber anfällig gegen Pilzkrankheiten. Auch die Cavendish-Banane wird inzwischen wie die „Groß Michel“ durch Pilzkrankheiten bedroht, da die Pilze mit der Zeit gegen die eingesetzten Pestizide resistent werden. Durch Genveränderung (in Australien) und durch Neuzüchtungen aus wilden Sorten (in Honduras) sucht man derzeit neue resistente Sorten, damit es auch im nächsten Jahrzehnt Bananen gibt.

Aktualisierung August 2019: In Kolumbien sind lt. Zeitungsberichten erste Bananenplantagen mit dem Pilz  "Tropical Race 4" befallen.
Wildformen der Bananen gibt es in etwa 70 Arten, die oft von Fledermäusen bestäubt werden.

Die Bananen reifen nicht an der Staude, sie werden grün geerntet und reifen dann nach. An der Staude gereifte gelbe Bananen schmecken nicht süß sondern mehlig.
Die mittelamerikanischen Bananen werden während des Seetransports gekühlt und dann in
Es dauert noch einige Zeit,
bis die Bananen reif sind
den Häfen in Reifekammern kontrolliert gereift. Ein Ethylen-Gas, das Bananen auch selber bilden, unterstützt die Reifung und Umwandlung von Stärke in Zucker. Bei grünen Bananen ist das Stärke-Zucker-Verhältnis 20 : 1, bei reifen Bananen umgekehrt 1 : 20.

Auf Teneriffa lässt man die grünen Bananen-Stauden  ein paar Tage an einem schattigen Ort liegen, dann sind sie reif. Die geernteten Bananen-Dolden können bis zu 50 kg schwer werden. Sie werden von Hand von der Staude geschnitten und auf den Schultern zu den LKWs getragen. Eine nicht ganz leichte Männerarbeit.

Die Bananen-Blätter sehen meist zerrupft aus, die Blätter sind eingerissen. Das ist der natürliche Schutz gegen starken Wind, der damit keine so große Angriffsfläche hat. Vor dem Schutz vor Wind sind die Bananen-Plantagen an der Küste oft mit Plastikfolie seitlich geschützt oder auch gänzlich überdacht. Die Bananen-Dolden sind in  blaue Plastiksäcke eingehüllt, die mit Pflanzenschutzmitteln besprüht werden, um sie vor Insekten zu schützen.

Etwa 9 Monate dauert es, bis die Bananenstaude blüht und Früchte bildet. Drei Monate haben die Bananen dann in Mittelamerika Zeit zur Reife. Die kanarischen haben 6 Monate Reifezeit.

Bananen-Felder
oberhalb der Bollullu-Bucht
Bananen benötigt viel Wasser. Ein Engpass und Kostenfaktor auf den Kanaren (in Mittelamerika kommt man ohne Bewässerung aus).
Erntezeit ist das ganze Jahr. Jede Bananenstaude hat ihre eigene Blüte- und damit auch unterschiedliche Erntezeit. Zwischen 150 bis 300 Bananen bringt eine Blütendolde hervor. Nach der Ernte werden die Stauden abgeschnitten und oft als Viehfutter verwendet. Neben der abgeschnittenen Staude ist bereits eine Schössling herangewachsen. Und nach 15 Monaten kann wieder geerntet werden. Der Kreislauf endet nach 10 bis 12 Jahren. Dann müssen auf den Plantagen die Wurzelknollen erneuert werden.




Radtour zum Olympiagelände

15. September 2018

Am Samstag des Berlin-Marathon-Wochenendes sind Brigitte, Wolfgang und ich eine Runde mit unseren E-Bikes geradelt. Start und Ziel war die Drakestraße in Lichterfelde-West.

Die Strecke: Drakestraße – Teltowkanal – Mauerweg – Havel – Grunewald - Olympiagelände – Messe – Wilder Eber – Drakestraße.
61 Kilometer.

                                    Die Erläuterungen stammen meist aus Wikipedia-                                         Artikeln im Internet, ohne Zitierung im Einzelnen


Die Drakestraße - 
Namensgeber ist der Schöpfer der „Goldelse“ 
Die Drakestraße, an der wir in Berlin wohnen, ist nach dem Berliner Bildhauer Friedrich Drake (1805 – 1882) benannt (nicht nach dem englischen Freibeuter Francis Drake). Er schuf u.a. die Bronzeskulptur der Viktoria auf der Berliner Siegessäule auf dem Großen Stern. Im Volksmund wird sie wegen der Vergoldung nach einem Romantitel von 1866 Goldelse genannt.

Die Skulptur soll die Züge der preußischen Kronprinzessin Victoria von Preußen haben (Tochter der britischen Königen Victoria und Albert von Sachsen-Coburg und Gotha). Sie heiratete 1858 den späteren Kaiser Friedrich III. (der 1899 Kaiser wurde und im gleichen Jahr starb, 99-Tage-Kaiser).

Viktoria ist die Siegesgöttin in der römischen Mythologie. Darum wurde sie auch als Symbol für die Krönung der Siegessäule genommen, die 1873 als  Nationaldenkmal der Einigungskriege errichtet wurde (Deutsch-Dänischer Krieg 1864, Deutscher Krieg Preußen gegen Österreich 1866, Deutsch-Französischer Krieg 1870/71 – danach entstand auf Betreiben Bismarcks das preußisch dominierte deutsche Kaiserreich).

Die Siegessäule wurde zunächst auf dem Königsplatz (heute vor dem Reichstag) aufgestellt und im 3. Reich auf den Großen Stern versetzt. Eingearbeitet wurden drei Ringe mit 60 in den Kriegen erbeuteten, vergoldeten Kanonenrohren (der Ring mit Girlanden kam erst bei ihrer Umsetzung auf den Großen Stern dazu).


Hauptstraße der neuen Villenkolonie Lichterfelde

Die Drakestraße wurde 1866 als Hauptstraße der neuen Villenkolonie Lichterfelde angelegt und nach dem Berliner Bildhauer Drake benannt.  Die Namensgebung erfolgte also schon zu Lebzeiten Drakes. Vielleicht wollte der Grundstücksentwickler  mit dem damals berühmten Namen für den Verkauf der Villengrundstücke werben?

Ab 1865 wurde die Villenkolonie als eine der ersten im Deutschen Reich von Wilhelm von Carstenn entwickelt. Lichterfelde lag damals am Rande von Berlin im Landkreis Teltow. Erst mit der Bildung von Groß Berlin 1920 wurde Lichterfelde eingemeindet. Heute ist Lichterfelde ein Ortsteil im Bezirk Steglitz-Zehlendorf.

In der Zeit vor der Jahrhundertwende entstanden eine Reihe solcher Villenkolonien, so die „Villencolonie Alsen“ im Berliner Ortsteil Wannsee (Entwickler war Wilhelm Conrad), die „Villenkolonie Neubabelsberg“ am Griebnitzsee (nach 1900). In Hamburg-Wandsbek entstand der Villenvorort „Marienthal“ (auch von Carstenn), in Dresden die „Colonie Weißer Hirsch“, in Köln die Villenkolonie „Marienburg“, in München mehrere Villengebiete (u.a. Neu-Pasing I und II, Neuwittelsbach, Prinz-Ludwig-Höhe).

Bahnhof Lichterfelde-West von 1870
Der Hamburger Unternehmer Johann Wilhelm Carstenn hatte zunächst die  Villenkolonie Marienthal bei Hamburg-Wandsbeck angelegt. Aus den Gewinnen kaufte er 1865 die verschuldeten Rittergüter Lichterfelde und Giesendorf bei Berlin und entwickelte sie als Villenkolonie Lichterfelde (daneben  erwarb er auch die Rittergüter Wilmersdorf und Friedenau). Zur Erschließung des Gebietes baute er neben den Straßen  auch die S-Bahnhöfe Lichterfelde-West (an der Bahnstrecke Berlin – Magdeburg) und Lichterfelde-Ost (an der Bahnstrecke Berlin – Halle). Vom Bahnhof Lichterfelde-Ost bis zur Baustelle der Hauptkadettenanstalt (s.u) wurde 1881 die erste elektrisch betriebene Straßenbahn der Welt von Siemens & Halske eröffnet, später bis zum Bahnhof Lichterfelde-West erweitert. Eine Linie wurde über die Drakestraße geführt. Die Straßenbahnen gibt es heute nicht mehr in Lichterfelde. Der Betrieb wurde 1930 während der Weltwirtschaftskrise eingestellt.

Um den Grundstücksabsatz zu fördern (Ansiedlung von Offizieren und Beamten), überließ Carstenn dem preußischen Staat die Grundstücke für den Neubau einer Hauptkadettenanstalt in der heutigen Finckensteinallee und für den Bau der Kaserne des preußischen Gardeschützenbataillons am heutigen Gardeschützenweg (heute Bundesnachrichtendienst, der aber gerade in einen Neubau in Berlin-Mitte umzieht).

Gedenkstein am Kadettenweg
für das Königlich Preußische
Kadettenkorps      
Die Hauptkadettenanstalt war ein Realgymnasium mit Ausbildung zum Fähnrich. Realgymnasien waren neusprachliche und naturwissenschaftliche Gymnasien als Alternative zu den bis dahin vorherrschenden altsprachlichen Gymnasien.

Die Hauptkadettenanstalt wurde 1920 aufgrund des Versailler Vertrages geschlossen und in ein Realgymnasium mit Abitur-Abschluss umgewandelt. Ab 1933 zogen SA- und SS-Einheiten (Leibstandarte Adolf Hitler) in die wieder militärisch genutzten Gebäude ein.
1945 übernahmen die US-Streitkräfte die Kaserne. Nach Abzug der Alliierten aus Berlin 1994 wird das Gelände vom Bundesarchiv genutzt.

Johanniskirche an der Ringstraße
war die dritte Großkirche 
in der Villenkolonie (1914)

Auf dem Hof der Kaserne stand bis 1945 der bronzene Idstedt-Löwe

1862 wurde das Löwen-Denkmal im dänischen Flensburg aufgestellt, zur Erinnerung an den dänischen Sieg über aufständische Schleswig-Holsteiner in der Schlacht von Idstedt. 

Nach dem von Preußen gewonnenen deutsch-dänischen Krieg (1. Krieg der Einigungskriege) brachte Preußen den Löwen nach Berlin. 1945 kam er nach Kopenhagen und seit 2011 ist er wieder in Flensburg aufgestellt.

Eine Kopie des Idsedt-Löwen ließ der Bankier Wilhelm Conrad (ein weiterer Grundstücksentwickler, s. u.) am Ufer des Großen Wannsees als Erkennungszeichen für seine 1863 gegründete Sommervillenkolonie Alsen (u.a. gehört die Liebermann-Villa dazu) aufstellen.

Eine der ersten Villen war das Haus von Friedrich Drake in der heutigen Karwendelstraße.

Ermisch-Haus
 am damaligen Westbazar von 1895
 
Carstenn bezog das umgebaute Gutshaus Lichterfelde. Dort ist heute das Nachbarschaftsheim am Hindenburg-damm.

Die Villen der Kolonie spiegeln die unterschiedlichen Stilrichtungen des Historismus (Neoromanik, Neugotik)  und des Jugendstils wider. Burgenähnliche Villen im Tudorstil baute der Bruder des Flugpioniers Otto Lilienthals.

Mit dem Bau des Bahnhofs Lichterfelde-West (im Stil einer toskanischen Villa) erfolgte auch der Bau des Einkaufsviertels am S-Bahnhof (damals der Westbazar), so das Ermisch-Haus an der Ecke Curtiusstraße/Baseler Straße.

Haus der Rother-Stiftung in der
Kommandantenstraße (1898)
An der Kommandantenstraße/ Ecke Friedrichstraße ((9-12))  wurde 1898 im Stil der Backsteingotik das Haus der Rother-Stiftung als Altenheim für unverheiratete Töchter von Offizieren und Beamten eröffnet (das Haus gehört seit 2007 der Wohnungsgenossenschaft Beamten-Wohnungs-Verein).
Der Baumbestand und die (manchmal recht holprige) Straßenpflasterung sind noch weitgehend erhalten.

Carstenn erhielt für seine Verdienste von Kaiser Wilhelm I. den Adelstitel „von Carstenn-Lichterfelde“. Schließlich hatte er erhebliche finanzielle Mittel für den Bau der preußischen Hauptkadettenanstalt aufgebracht. Damit hatte er sich aber wohl übernommen. Er starb 1896 verarmt in einer Nervenheilanstalt im heutigen Berliner Ortsteil Schöneberg.

Haus von Gustav Lilienthal 
in der Martha-Straße (1894),
Bruder des Flugpioniers Otto Lilienthal.

Am Teltowkanal fahren wir entlang nach Westen. Vorbei am Heizkraftwerk Lichterfelde (auf der anderen Kanalseite) bis zur Grenze zwischen Berlin und Brandenburg.  Hier beginnen der Mauerweg und die frühere innerdeutsche Grenze. Aus Süden kommend verläuft sie Richtung Westen in der Mitte des Teltowkanals. Würden wir hier dem Mauerweg nach Süden folgen, kämen wir an der Kirschblütenallee vorbei, mit über 1.000 von Japanern gespendeten Bäumen (vom japanischen TV Sender Asahi gesammelt). Wir aber radeln auf dem Mauerweg Richtung Westen.


Der Teltowkanal -  Ein weitsichtiger Landrat 

Der Teltowkanal ist zum Teil in dem Bachbett der Bäke (die Quelle ist am Fichtenberg östlich des Botanischen Gartens) angelegt worden, die früher auch Telte hieß, wovon die Bezeichnung Teltow-Kanal abgeleitet ist.

Gebaut wurde der Teltow-Kanal ab 1900, 1906 in Betrieb genommen. Er verkürzte den Schiffsverkehr zwischen Elbe und Oder. Zeitweise waren bis zu 2.500 Arbeiter beschäftigt, die Hälfte aus Osteuropa (schon damals gab es Gastarbeiter).

Die Initiative ging von dem Teltower Landrat von Stubenrauch aus (in unserer Wohnungsnähe ist die „Stubenrauch-Straße“). Er  verbesserte weitsichtig die Infrastruktur des Brandenburger Landkreises.  Die Stadt Teltow entwickelte sich von einer Ackerbürgerstadt zu einer Industriestadt. Weil er eine für Immobilienverwerter ungünstige Bauordnung erlassen hatte (Gebäudehöhe und Gebäudedichte wurden beschränkt), wurde er auf Druck von deren Lobby vom preußischen Oberpräsidenten entlassen, der die Bauordnung nach vier Tagen als unwirksam erklärte. Ein Jahr später wurde von Stubenrauch aber vom Kreistag bestätigt und die Bauordnung wieder in Kraft gesetzt. An der Ringstraße in Lichterfelde (das gehörte damals zum Landkreis Teltow) ist die Begrenzung durch die Bauordnung noch gut zu erkennen.

Weil der Kanal für den verstärkten Schiffsverkehr unterbemessen war (der Verkehr entwickelte sich stärker als vorhergesehen – ein Trost für die Planer des Berlin Flughafens BER (?), der, obwohl noch immer nicht in Betrieb, schon zu klein ist), mussten die Frachtkähne schon bald zur Schonung der Ufer mit elektrischen Treidellokomotiven gezogen werden (das war modern, früher wurden die Kähne von Pferden gezogen, auch von Menschen). Eine der Lokomotiven steht als Denkmal an der Brücke der Drakestraße über den Teltow-Kanal. Zum Kanal gehört die ebenfalls 1906 eröffnete, heute denkmalgeschützte Schleuse in Kleinmachnow.


Berliner Mauerweg – Erinnerung an die deutsche Teilung 

Das war eine gute Idee, den damals trennenden Grenzstreifen um Westberlin als einen verbindenden Weg zu erhalten. Auf Initiative von Bündnis 90/Die Grünen, insbesondere von Michael Cramer (heute Europaabgeordneter), wurde der Mauerweg von 2002 bis 2006 vom Berliner Senat angelegt. Über weite Strecken ist er gut ausgebaut, es gibt aber noch einige Teile, insbesondere im Bereich des Landes Brandenburg, die nicht gut befahrbar sind.

Der Berliner Mauerweg führt über rund 160 Kilometer um West-Berlin herum. In den meisten Abschnitten verläuft die Rad- und Wanderroute auf dem ehemaligen Kolonnenweg, den die DDR-Grenztruppen für ihre Kontrollfahrten angelegt hatten. Zwischen dem Kolonnenweg und der Grenze befand sich der Kontrollstreifen und die Grenzmauer bzw. der Grenzzaun.

Wir fahren den Mauerweg am Kanal entlang bis zur Stadtgrenze von Teltow (Land Brandenburg), vorbei an Wiesen und Pferdekoppeln.

           Einst angepflanzt, um zu verfaulen 

Bekannt sind die Teltower Rübchen, die hier seit 300 Jahren angebaut werden. Ursprünglich stammen die Rübchen aus Polen und Finnland, wo sie als Gemüse angebaut wurden.
In Brandenburg und Pommern wurden die Rübchen von Friedrich dem Großen 1770 eingeführt. Nach der Methode eines englischen Landwirts ließ er die Rübchen auf sandigen Feldern pflanzen und verfaulen. Danach wurden Klee und Futterkräuter für das Vieh ausgesät. Dadurch war auf den sandigen Böden eine Viehhaltung möglich.
Heute werden die Teltower Rübchen rund um Teltow wieder als Gemüse angebaut.

Dann biegen wir, entsprechend dem Grenzverlauf, nach Norden in den Buschgraben ein (eine eiszeitliche Wasserrinne vom Grunewald bis zum Bäketal). Wir wenden uns wieder nach Westen und fahren durch eine Stadtrandsiedlung, die damals am Rand des Mauerstreifens lag. Links von uns im Süden liegt Kleinmachnow (Land Brandenburg, siehe „Radtour Berlin – Göttingen im Internet-Blog „Sattel und Schuh“) und weiter im Norden des Weges liegt das Museumsdorf Düppel (1975 als mittelalterliches Dorf nachgebaut).

Der Mauerweg folgt dem Verlauf der ehemaligen Stammbahn bis zur Autobahn A 115. Davon ist nichts mehr zu sehen, ab und zu sind die alten Schottersteine des Gleises freigefahren. Der breite Streifen neben der alten Gleis-Trasse ist ein kleines Wäldchen geworden.
           

Die Strecke der ersten preußischen Eisenbahn

Die Stammbahn ist eine 1838 gebaute Eisenbahnstrecke zwischen Potsdam und Berlin-Zehlendorf. Es war die erste Eisenbahnstrecke Preußens und die zweite in Deutschland (erste 1835: Nürnberg – Fürth). Später wurde sie nach Magdeburg und in das Ruhrgebiet (preußische Provinz Rheinland) verlängert. 1945 endete der Fernverkehr auf der Trasse, die Brücke bei Teltow war zerstört und die Gleise wurden als Reparationsleistung abgebaut. Eine Bürgerinitiative möchte eine Wiederinbetriebnahme erreichen, Anwohner wehren sich.

An vielen Stellen des Mauerweges
stehen solche Stehlen zur Erinnerung
an den Grenzverlauf und an die Toten,
die bei dem Versuch, die Mauer
zu überwinden, starben
Wir fahren ein kurzes Stück parallel zur Autobahn bzw. schieben die letzten Meter durch locker gefahrenen märkischen Sand. Wir überqueren die Autobahn und fahren  auf dem Königsweg bis Potsdam, inmitten des Düppeler Waldes. Den ehemaligen Grenzübergang Dreilinden lassen wir links liegen.
Hier würden wir nach Süden in Richtung Teltowkanal abbiegen und am Kanal entlang bis Potsdam fahren, wenn wir dem Mauerweg folgen würden. Diesen Weg kenne ich von früheren Fahrten. Aber jetzt, nach einem Sommer ohne Regen, ist der Weg eine nur schwer zu fahrende Sandpiste. Also bleiben wir weiter auf dem Königsweg.


Königlicher Weg nach Potsdam 

Der Königsweg wurde im Jahr 1730 auf Anordnung von König Friedrich Wilhelm I. (der „Soldatenkönig“) angelegt. Der Name geht darauf zurück, dass die Verbindung mit königlichen Geldern gebaut und von ihm selbst als Abkürzungsweg zwischen Berlin und der Garnisonstadt Potsdam benutzt wurde. Es handelte sich um einen einfachen Sandweg in der Heinersdorfer Heide (heute Düppeler Forst), der als geradlinige Schneise durch den Wald  geschlagen wurde. Er begann am historischen Ortskern Zehlendorf und führte über Kohlhasenbrück nach Potsdam.


Beim Einlauf des Teltowkanals in den Griebnitzsee treffen beide Wege aufeinander. Hier ist der Berliner Ortsteil Kohlhasenbrück, zur Zeit der Mauer eine auf DDR-Gebiet hineinreichende Westberliner Enklave.


Die Vorlage für Michael Kohlhaas von Heinrich von Kleist 


Der Name des Ortsteils Kohlhasenbrück geht auf Hans Kohlhase zurück, dessen Leben  Heinrich von Kleist in der Novelle Michael Kohlhaas verarbeitet hat. 


Hans Kohlhase (so der richtige Name) aus Cölln (damals bei Berlin)  kämpfte mehrere Jahre um sein vermeintliches Recht und soll 1540 bei der später so genannten Kohlhasenbrücke einen   Silbertransport des brandenburgischen Königs überfallen haben. Im gleichen Jahr wurde er gefangen genommen und auf dem Rabenstein (Richtstätte, heute Straußberger Platz in Berlin) gerädert.

Ursache war eine Fehde zwischen Kohlhase und einem Junker  von Zaschwitz aus der Nähe von Bad Düben. Mit seiner Billigung   oder im Auftrag wurden Kohlhase zwei Pferde auf seiner Reise   nach Leipzig gestohlen. Nach dem Scheitern des Rechtswegs um   die Herausgabe der Pferde erklärte er dem Junker von Zaschwitz und dem Kurfürstentum Sachsen die Fehde.

 

Das mittelalterliche Fehderecht gestattete einem Kläger unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit der Gewaltanwendung. Darauf berief sich Kohlhase. Allerdings war mit der Verkündung des ewigen Landfriedens 1495 das Fehderecht untersagt. Trotzdem wurden bis ins 16. Jh. weiterhin Fehden geführt.



Der Mauerweg verläuft jetzt am südlichen Ufer des Griebnitzsees - aber er ist nicht befahrbar.  Einige wenige Villengrundstück-Besitzer haben den zu DDR-Zeiten für die Grenzbefestigung abgetrennten Uferstreifen, auf dem der Uferweg nach der Wende angelegt wurde, wieder in Besitz genommen und in einer „Nacht und Nebel“ Aktion ihre Zäune bis zum See gezogen. Die Stadt Potsdam schafft es bis jetzt nicht, die Planfeststellungen für den Uferweg in „trockene Tücher“ zu bringen. Das Ufer muss darum auf den parallel verlaufenden Straßen umfahren werden. Zwischen den Straßen und dem Ufer liegen große und prachtvolle Villen, aneinandergereiht wie auf einer Perlenkette.

           Schauspieler und Alliierte 


Die Villen am Griebnitzsee entstanden ab 1874 mit der Entwicklung der Villenkolonie Neubabelsberg am Südufer des Griebnitzsees. Es war die Zeit der Entstehung mehrerer Villenkolonien am Rande Berlins.  Vorher waren hier Waldflächen und eine Maulbeerplantage.

Die Maulbeerbüsche kamen mit den Hugenotten (Edikt von Potsdam 1685, s. Bericht „Radreise von Berlin nach Danzig – Geschichte Preußens“ im Internetblog „Sattel und Schuh“ ) nach Brandenburg. Und damit die Seidenraupenzucht. Seidenraupen ernähren sich von den Blättern des Maulbeerbusches. Seide war ein begehrter Bekleidungsstoff und um Devisen für die Beschaffung aus China oder Japan zu sparen, holten die europäischen Herrscher die Seidenproduktion nach Europa.

Berühmte Architekten wie Mies van der Rohe, Hermann Muthesius, Walter Gropius, Le Corbusier planten die Villen. Eine der ersten Villen war die der Industriellenfamilie Quandt. Durch die nahen Babelsberger Filmstudios kamen die Filmstars der 1920er und 30er Jahre an den Griebnitzsee (Marika Rökk, Willy Fritsch, Brigitte Horney). Die Ufa (Universum-Film-Aktiengesellschaft, 1917 gegründet, die Nachfolgegesellschaft gehört heute zum Medienkonzern Bertelsmann) hatte hier ihre Gästehäuser für die Schauspieler während der Dreharbeiten in den Babelsberger Filmstudios.

Bekanntheit erlangten einige Villen nach dem Zweiten Weltkrieg. Während der Potsdamer Konferenz der drei Siegermächte über die Zukunft des besiegten Deutschlands im Schloss Cecilienhof 1945 wohnten die Staatoberhäupter in Villen am Griebnitzsee.

Trumann-Villa
Der amerikanische Präsident Trumann bezog die Villa eines Verlegers in der Karl-Marx-Straße (In der Villa soll Truman den Befehl für den Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki in Japan gegeben haben). Nach der Potsdamer Konferenz wohnte der sowjetische Oberbefehlshaber Marschall Schukow hier. 1998 wurde die Villa von der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung  gekauft, die 
hier seit 2001 ihren Hauptsitz hat.

Churchil und Clement Attlee (britische Premierminister, Churchill`s Conservative Party (Tories) hatte mitten in der Konferenz die Unterhauswahlen verloren und wurde von der Labor-Party abgelöst) wohnten  in der Nähe, im Haus Urbig, in der Virchowstraße. Die Villa war von dem Architekten Mies van der Rohe für den Bankier Franz Urbig erbaut worden. Heute soll Hasso Plattner,  Gründer von SAP, in der Villa wohnen (?).

Stalin-Villa
Stalin wohnte in der Villa Herpich in der Karl-Marx-Str..  Die Familie Herpich war bedeutendstes deutsches Unternehmen in der Pelzbranche. Heute residiert dort der Bauindustrieverband Berlin-Brandenburg.

Auch Konrad Adenauer wohnte 1934/35 zur Miete in der Villenkolonie, in der Rosa-Luxemburg-Str., und wurde dort im Rahmen der „Röhm-Affäre“ für einige Tage verhaftet. Danach zog er nach Rhöndorf in ein Mietshaus. Der Bau des eigenen Hauses erfolgte später.


Die Villenkolonie endet am östlichen Ende des Parks von Schloss Babelsberg. Die ehem. DDR-Grenze verlässt die Mitte des Sees, schwenkt auf das nördliche Ufer und vereinnahmte den Potsdamer Ortsteil Klein Glienicke, der in den Westberliner Bezirk Zehlendorf hineinragte. In DDR-Zeiten war das eine Sondersicherheitszone, die nur die Bewohner und Passierscheininhaber (von der DDR-Seite aus) betreten durften. Wir fahren über die Brücke des Ablaufs des Griebnitzsees zur Glienicker Lake und der Havel. Linker Hand sehen wir das Dampfmaschinenhaus für die Fontäne und die Bewässerung des Schlossparks Babelsberg.

Der Haupteingang zum Jagdschloss war
zu DDR-Zeit durch die Grenzmauer
nicht zugänglich.
Der Eingang wurde 1964 von Max Taut
 mit einem Glasanbau auf die Gartenseite,
zur Bundesstraße hin, verlegt
Es folgt das Jagdschloss Glienicke, zu Zeiten der deutschen Teilung wären wir wieder auf West-Berliner Boden. Die ehemalige DDR-Grenze verlief um das Jagdschloss herum und weiter in der Mitte der Havel in nördlicher Richtung.
Wir queren die Bundesstraße B 1, fahren in den Park von Schloss Glienicke und kommen dann auf den Radweg entlang des westlichen Ufers der Havel, der hier der „Europa Radweg R 1“ ist.
Damit haben wir den Mauerweg verlassen. Der verläuft mit der B 1 über die Glienicker Brücke (bekannt durch Agentenaustausche während des Kalten Krieges auf der Brücke) und dann weiter am östlichen Ufer der Havel entlang.

Wie Jagdschloss und Schloss Glienicke zur Stadt Berlin kamen 


Das Jagdschloss Glienicke wurde 1682 bis 1693  für den Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg errichtet. Der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. ließ im Jagdschloss ein Lazarett für das Garderegiment einrichten. Friedrich der Große schenkte es 1763 dem Wachstuch- und Tapetenfabrikanten Isaac Levin Joel, der dort Wachstuchtapeten (oder Seidentapeten?) produzierte. Irgendwann (?) kam es wieder zum Haus Hohenzollern. 1939 erwarb  die (nationalsozialistisch  beherrschte) Stadt Berlin das Schloss mit unfairen Mitteln, gelinde ausgedrückt (s.u. Schloss Glienicke).

Mit dem Bau der Mauer wurde das Jagdschloss von seinem Umland getrennt und war nur noch von der Bundesstraße aus zugänglich. Es wurde  Jugendherberge (und Filmkulisse, u.a. für „Mädchen in Uniform“). Weil die bisherige Zufahrtstraße und der Haupteingang nun im Sperrgebiet Klein Glienicke lagen, erhielt Max Taut 1963/64 den Auftrag zum Umbau des Jagdschlosses. Er verlegte den Eingangsbereich mit einem vorspringenden und verglasten zweigeschossigen Anbau zur Gartenseite und der heutigen Bundesstraße.

Das Schloss Glienicke war das Sommerschloss des Prinzen Carl von Preußen (1801 - 1883). Karl Friedrich Schinkel (bedeutender Architekt und Baumeister Preußens, der viele Schlösser und Kirchen in Preußen baute, u.a. Neue Wache und Schauspielhaus am Gendarmenmarkt) baute für den Prinzen ein 1753 gebautes Gutshaus zu einem Schloss im italienischen Stil um (Die Brüder des Prinzen bauten das Schloss Charlottenhof (an Sanssouci angrenzend) und Babelsberg).


1934 ging der zum Schloss gehörende Park Glienicke an die Stadt Berlin über, mit Ausnahme des Schlosses Glienicke und des Jagdschlosses. Grundlage war ein Tauschgeschäft der Stadt Berlin mit der Dresdner Bank.
Diese hatte den Park als Kreditsicherheit von dem Erben Prinz Carls von Preußen überschrieben  bekommen. Die Dresdner Bank gab den Park an die Stadt Berlin. Diese gab der Dresdner Bank im Gegenzug Aktien der Engelhardt-Brauerei, an denen die Bank interessiert war (sie war die Hausbank der Brauerei, sauber war das Geschäft nicht). Die Aktien an der Engelhardt-Brauerei hatte der Berliner Oberbürgermeister Lippert von dem Brauerei-Eigentümer Ignatz Nacher erpresst (Haft und KZ wurden angedroht, um die „Arisierung“ zu erzwingen). Für sich ließ Lippert den zum Tausch gehörenden Jägerhof mit öffentlichen Mitteln aufwändig umbauen (heute ist dort eine Kindertagesstätte).

„Die Zeit“ hat die Erpressung in einem Artikel 1989 sehr gut aufgearbeitet:
           🔄 Link zum Zeit-Artikel

1939 erwarb die Stadt Berlin auch Schloss Glienicke und das Jagdschloss Glienicke von den Erben des preußischen Prinzen (auch hier nicht ohne Druck, mit der Drohung der Enteignung). Hintergrund des Erwerbs war das NS-Programm zur „Neugestaltung der Reichshauptstadt“, das an der Stadtgrenze zu Potsdam eine monumentale „Eingangspforte“ vorsah.


Wir radeln weiter entlang der Havel.

Sie muss 334 km fließen um 94 km zu schaffen 


Die Havel entspringt in der Mecklenburgischen Seenplatte, in der Nähe der Müritz, durchfließt Brandenburg, Berlin und Sachsen-Anhalt und mündet an der Grenze zwischen Brandenburg und Sachsen-Anhalt in die Elbe. Bei Spandau fließt die Spree in die Havel.
Die Entfernung zwischen Havel-Quelle und der Mündung in die Elbe ist Luftlinie nur  94 km. Aber 334 km muss die Havel zurücklegen, um die Elbe zu erreichen. Das liegt an dem großen Bogen, den der Fluss zunächst nach Süden (bis Berlin und Potsdam – Obere Havel), dann nach Westen (bis Brandenburg Mittlere Havel) und ab hier nach Norden bis Havelberg (Untere Havel) machen muss.
Schon von der Quelle an hangelt sich die Havel von See zu See. Es beginnt mit dem  Mühlensee, dann Dambecker See, Röthsee, Käbelicksee, Granziner See usw. Bei Berlin und Potsdam sind es Wannsee, Tiefer See, Templiner See, Schwielowsee, Großer Zernsee usw.


Gegenüber dem Krughorn sehen wir auf dem anderen Ufer der Havel (damals auf DDR-Gebiet) die Heilandskirche von Sacrow.
Es folgt das Wirtshaus Moorlake. 1840 ließ es der preußische König als Forsthaus im bayrischen Stil bauen, seine Frau stammte aus dem Haus Wittelsbach. Ab 1896 wurde es als Gaststätte genutzt. 
Dann sind links von uns die breiter werdende Havel und die Pfaueninsel, rechts das zum Düppeler Forst gehörende Waldgebiet. Hoch oben am Hang über dem Havelufer stehen die Kirche und das Blockhaus Nikolskoe.

Heilandskirche Sacrow (1844) vom Krughorn aus fotografiert,
zur Zeit der Berliner Mauer Teil der Grenzbefestigung
           

           Russische Geschichte 


Oberhalb der Havel, gegenüber der Pfaueninsel, stehen das Blockhaus Nikolskoe und die Kirche Peter und Paul. Das Blockhaus im russischen Stil wurde 1819/20 von dem preußischen König Friedrich Wilhelm III. für seine Tochter Charlotte gebaut, die den Zarensohn Nikolai geheiratet hatte und später Zarin wurde (Nikolskoe – dem Nikolai gehörend.). Die Kirche wurde ebenfalls für Charlotte gebaut (1837), sie wollte im Schloss auf der  Pfaueninsel Kirchenglocken hören. Damit der Kirchenbau nicht aus den Privatmitteln, sonderm aus der staatliche Kasse bezahlt wurde, ließ der König eine Pfarrgemeinde für die Bewohner der Pfaueninsel, Klein Glienickes und Stolpes bilden.
Nikolskoe ist nicht der einzige preußische Bau im russischen Stil. Friedrich Wilhelm III. ließ 1826/27 auch 12 russische Blockhäuser als Kolonie Alexandrowka im Norden der Stadt Potsdam bauen.

           Kaninchen-Insel 


Woher der Name Pfaueninsel stammt ist unklar. Auf jeden Fall nicht von den Pfauen, die dort später einmal hingebracht wurden. Im Volksmund hieß die Insel
auch Kaninchenwerder, weil der Brandenburger Kurfürst dort im 17. Jh. eine Kaninchenzucht anlegen ließ, mit 800 Kaninchen, die ihm 200 Taler im Jahr einbrachte. Die Staatseinnahmen waren damals noch nicht so hoch. Später wurde auch Milchvieh auf der Insel gehalten. Das Meierei-Gebäude zeugt noch davon.

Später betrieb der Alchemist und Glasmacher Johannes Kunckel (1630 – 1703) auf der Pfaueninsel eine Glashütte. Kurfürst Friedrich Wilhelm hatte ihm dafür die Insel zur Verfügung gestellt.
Zuvor hatte Kunckel schon in Potsdam eine Kristallglashütte geleitet. Die Hütte
Pfaueninsel
mit dem gleichnamigen Schloss (1797)
produzierte farbige Glasperlen für den Tauschhandel in den afrikanischen Kolonien (kleine Gebiete in Ghana und Mauretanien). Es gelang Kunckel auch, Goldrubinglas herzustellen, das als gefragter Luxusartikel gut exportiert werden konnte. Das entsprach der Wirtschaftspolitik des Kurfürsten, der die Folgen des Dreißigjährigen Krieges mindern wollte, indem er den Exporten durch die Nutzung einheimischer Rohstoffe (Sand gab es ja) förderte.

Heute ist die Pfaueninsel ein Landschaftspark, der von dem preußischen Gartenarchitekten Lenné ab 1816 angelegt worden ist. Bekanntes Gebäude auf der Insel ist das Lustschloss, das Friedrich Wilhelm II. (1744 – 1797) für seine Geliebte Wilhelmine Enke, später als Gräfin von Lichtenau geadelt, bauen ließ.


In Höhe der Pfaueninsel, am „Wirtshaus zur Pfaueninsel“ (wie das Wirtshaus Moorlake ein beliebtes Ausflugsziel der Berliner), verlassen wir den Uferweg und fahren leicht aber stetig ansteigend und nach Erreichen des höchsten Punktes stetig abfallend und in  geschwungenem Bogen auf die Königstraße zu, heute die Bundesstraße B 1.


Die Königstraße wurde Ende des 18. Jh. als eine der ersten befestigten Straßen in Preußen zwischen den Residenzstädten Berlin und Potsdam angelegt. Sie ersetzte den 60 Jahre zuvor angelegten Königsweg, der weiter südlich über Kohlhasenbrück führt. Wir sind auf diesem Weg, der teilweise auf der Grenze von Brandenburg und Berlin verläuft, bis Kohlhasenbrück gefahren  (s.o.).

Die Königstraße wird von der Conradstraße gekreuzt. Der Straßenname erinnert an den Entwickler der Villenkolonie Alsen, Wilhelm Conrad (ein anderer Entwickler Berliner Villen-Quartiere, siehe „Radtour nach Oranienburg“ im Internet-Blog „Sattel und Schuh).

Segelwetter
Dann kommt die Querung der Wasserverbindung von Kleinem Wannsee (rechts) und Großem Wannsee (links). Der Kleine Wannsee ist die Fortsetzung des Griebnitzsees und Stölpchensees. Der Große Wannsee ist eine der Ausbuchtungen der Havel. Würden wir dem Ufer des Großen Wannsees folgen, kämen wir u.a. zu der Liebermann Villa und zum Haus der Wannseekonferenz (siehe „Radtour nach Oranienburg“ im Internet-Blog „Sattel und Schuh“).

Ganz in der Nähe ist das Grab von Heinrich von Kleist am Kleinen Wannsee. Dort beendeten er und Henriette Vogel 1811 ihr Leben. Er war erst 34 Jahre.
Außer „Michael Kohlhaas“ (s.o.) stammen auch „Der zerbrochene Krug“ und „Das Käthchen von Heilbronn“ von ihm.
Zu seinen Lebzeiten fand Kleist keine große Anerkennung und er starb fast mittellos.


Wir könnten jetzt am Bahnhof Wannsee in die S-Bahn einsteigen und mit der Linie S 1 zurück nach Lichterfelde-West fahren. Aber das wollen wir nicht. Wir fahren auf dem Kronprinzessinnenweg am Bahnhof vorbei, ein Stück parallel zur AVUS, ein bisschen laut.

AVUS: Automobil-Verkehrs- und Übungsstraße, 1921 die erste ausschließliche Autostraße, 1940 Renn- und Teststrecke, jetzt die Autobahn BAB 115.

Auf der anderen Seite der Avus liegt der Schlachtensee (die Umrundung ist ein schöner Spaziergang). Wir biegen links ab auf die Havelchaussee und fahren quer durch den Grunewald (ein 3.000 Hektar großes Waldgebiet der Stadt Berlin), wieder Richtung Havel. Damit umfahren wir das Große Fenster (eine Ausbuchtung der Havel, hier haben Uschi und ich vor Jahren unseren Motorboot-Führerschein gemacht) und die Insel Schwanenwerder.

Schwanenwerder (ursprünglicher Name Sandwerder) wurde ab 1882 als Villen-Insel entwickelt. Hier wohnten zu Anfang u.a. der Warenhausbesitzer Karstadt, der Besitzer der Schultheiss-Patzenhofer-Brauerei, der Schokoladenfabrikant Trumpf. Während der NS-Regierung wurde viele Villen zwangsverkauft oder –versteigert. Dadurch konnte sich u.a. Propagandaminister Goebbels mit seiner Familie hier einquartieren. Nach dem Krieg hatte sich Axel Spinger seine Villa „Tranquilitas“ (Ruhe) bauen lassen.

Grunewaldturm (1899)
zur Erinnerung an den 100. Geburtstag
von Kaiser Wilhelm I. vom Kreis Teltow
errichtet
Die Havelchaussee verläuft jetzt am Ufer der Havel. Wir sehen die kleine Insel Lindwerder. Der Radweg verlässt wieder das Ufer. Es geht etwas berghoch, der Karlsberg und der Grunewaldturm liegen vor uns (der Grunewald hat einige Höhen). Hinter der Havelbucht Großes Fenster sind wir wieder an der Havel. Rechts von uns, ein gutes Stück im Grunewald, liegt ein Selbstmörderfriedhof. Wir haben ihn besucht, als wir (Uschi und ich) die Drei-Berge-Wanderung gemacht haben.
(siehe dazu und zum Grunewaldturm: „Bergwandern in Berlin“ im Internet-Blog „Sattel und Schuh“).

Am Havelufer liegt das Restaurantschiff Alte Liebe (ein ehemaliger Passagier-Dampfer aus dem Hamburger Hafen).

Der Havelsee verengt sich jetzt bei Pichelswerder als Stößensee (westlicher Zufluss von Norden) und Pichelsee (östlicher Zufluss). Die daneben liegende Scharfe Lanke ist nur eine der vielen Ausbuchtungen der Havel.

Wir fahren unter der Heerstraße (1874 als Aufmarschstraße zum Truppenübungsplatz Döberitz angelegt, die Paraden der Garderegimenter waren vom Tempelhofer Feld dorthin verlegt worden, ursprünglicher Name ist Döberitzer Heerstraße) hindurch und verlassen die Havel hinter Steffenhorn Richtung Waldbühne und Olympiastadion. Ein kleiner Anstieg auf das Hochplateau westlich der Havel, an den an der Glockenturmstraße gelegenen Hochhäusern vorbei. Die Straße heißt so, weil sie direkt auf den Glockenturm des Olympiageländes zuläuft. Wir fahren durch das Olympia-Gelände, am Glockenturm vorbei, bis zum Haupteingang des Stadions. Aus der nahen Waldbühne hören wir den Sound-Check für das dort bald beginnende Konzert (viele Menschen auf dem Weg zur Waldbühne) von Roland Kaiser (Schlagersänger, 1952 geboren, muss man nicht kennen).

          Olympiade in Berlin


Olympiastadion - Haupteingang

Das Olympiagelände wurde im Grunewald für die Olympischen Sommerspiele 1936 entwickelt. Vorher war dort 1913 schon ein Stadion für die Olympischen Spiele 1916 (die wegen des 1. Weltkriegs ausfielen), das auf dem Gelände der 1909 eröffneten Rennbahn des Berliner (Pferde-) Rennvereins gebaut worden war.  Das Vorgängerstadion wurde abgerissen und durch das Olympiastadion für 100.000 Zuschauer ersetzt. Für die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 wurde das Stadion grundlegend umgebaut und modernisiert. Es hat heute knapp 75.000 Plätze.
Für die Olympiade entstand nördlich des Stadions das Sportforum mit Schwimmstadion und Freibecken, Turnhallen und Sportplätzen. Heute gehören die Schwimmbäder den Berliner Wasserbetrieben. Ein  Amateurstadion mit 5.500 Steh- und Sitzplätzen wird von mehreren Vereinen (und der 2. Herrenmannschaft von Hertha BSC) genutzt. Hertha BSC hat hier sein Trainingsgelände.
Weiter genutzt werden das olympische Hockeystadion und das Reiterstadion.
Westlich des Stadions ist das Maifeld (ein Platz für 250.000 Besucher, heute für Sportveranstaltungen genutzt) und der Glockenturm. Östlich des Stadions ist der Olympische Platz (als Parkplatz genutzt).

Zusammen mit den Olympiabauten wurde die Waldbühne in einem natürlichen Talkessel am Rande des Hochplateaus angelegt. Heute finden in der Freilichtbühne Musikkonzerte statt. Die Berliner Philharmoniker geben jedes Jahr in der Waldbühne ihr Saison-Abschlusskonzert.

Wir waren früher öfter dort. Es war immer ein tolles Ereignis, mit Picknick-Korb und Wein. Leider ist das inzwischen alles nicht mehr zugelassen. Man soll sich an den Verkaufsständen innerhalb der Waldbühne mit Essen und Getränken versorgen. Das ist längst nicht so schön. Und dann muss man elendig lange an den Eingängen anstehen und alle strömen in Eile hinein, um die besten Plätze zu erreichen, es gibt keine nummerierten Plätze.


Hier am Olympiastadion wollten wir unsere Fahrt eigentlich beenden und mit der S-Bahn vom Olympia-S-Bahnhof nach Lichterfelde fahren. Aber wir waren so gut in der Zeit und das Wetter war gut (keine Sonne aber auch kein Regen). Also beschlossen wir, mit dem Fahrrad bis nach Hause zu fahren.

Vom Olympiastadion ist es nicht weit zur Heerstraße. Wir fahren die parallel zur Heerstraße angelegte Nebenstraße Richtung Stadtzentrum bis zum „Theodor Heuss Platz“ (1884 – 1963, erster Bundespräsident). Hier biegen wir Richtung Messegelände ab, fahren am Funkturm und dem ICC (Internationales Congress Centrum) vorbei (und vorbei an den im Stau stehenden Fahrzeugen auf dem Autobahn-Dreieck).
           
Ursprung der Messe Berlin ist eine 1914 gebaute Messehalle für eine Automobilausstellung, die wegen des 1. Weltkriegs aber erst zur „Deutschen Automobil Ausstellung“ 1921 eröffnet wurde (Nachfolge-Ausstellung ist die IAA Internationale Automobil Ausstellung, in Frankfurt). In dem Jahr fand auch das erste Autorennen auf der nahgelegenen AVUS statt.
Seit 1924 ist auf dem Messegelände jährlich die „Große Deutsche Funkausstellung“, jetzt „IFA Internationale Funkausstellung“. Bekannte andere Messen sind die „Grüne Woche“ und die „ITB International Tourismus Börse“.

Als ich beim Großraum Hannover für die Wirtschaftsförderung zuständig war (mein erster Arbeitsplatz nach der Universität), war die ITB jedes Jahr Anlass für eine Woche Berlin-Aufenthalt. Tourismusförderung gehörte zu den Aufgaben und für die Naherholungsgebiete Steinhuder Meer, Deister und Burgdorfer Land hatte ich ein Tourismus-Förderkonzept entwickelt. Es waren schöne Wochen und ich habe noch den Rauch-Aal vom Steinhuder Meer in Erinnerung, der jeden Tag frisch nach Berlin auf unseren Ausstellungsstand gebracht wurde, als Appetit-Anreger für die Berliner (und auch für uns). In den Wochen ist meine „Liebe“ für Berlin entstanden. Jetzt wohnen wir schon 23 Jahre hier.
           
Wahrzeichen des Messegeländes ist der Funkturm, ein Stahlfachwerkbau der zur Funkausstellung 1926 als Sendeturm gebaut wurde, mit einem Turmrestaurant und Aussichtsbereich. Der Sendebetrieb wurde 1989 beendet.

Das ICC Internationale Congress Centrum neben dem Messegelände wurde 1979 mit einer futuristischen Aluminium-Verkleidung in Betrieb genommen. 2014 wurde das Kongresszentrum geschlossen, eine Entscheidung des Berliner Senats zur weiteren Zukunft (Sanierung oder Abriss) fehlt noch immer.

Bis zum Kurfürstendamm (Denkmal „Beton-Cadillacs – 1987 zu 750-Jahr-Feier aufgestellt, als „Goldenes Kalb“ der Autofahrer), am Halensee vorbei, Platz am Wilden Eber (nach einem früheren „Gasthaus zum Wilden Eber“ benannt). Hier begegnen uns die Inlineskater des Marathon-Vorlaufs. 70.000 Teilnehmer und Begleiter sind am Sonntag in Berlin. Unter 2 Stunden und 2 Minuten für die 42,195 Kilometer lange Marathonstrecke braucht der schnellste Läufer, ein Kenianer. Gewaltig. 
Wir fahren vorbei an der Freien Universität (1948 gegründet, als die Humboldt Universität in Ost-Berlin immer mehr von der SED kommunistisch indoktriniert wurde) und schon ist unser Ziel erreicht. Wir haben für die  61 km 4 Stunden 15 Minuten gebraucht.